Etwas Ungeheuerliches musste geschehen sein. Stand die helvetische Konföderation vor einer inneren Zerreißprobe? Seit Anbeginn der Grand-Prix-Zeitrechnung (sprich: in den Jahren 1956 und 1957 traten beim schweizerischen Concours Eurovision stets drei Künstler:innen gegeneinander an, jeweils entsandt aus den drei verschiedenen Sprachregionen der Eidgenossenschaft, so dass niemand sich benachteiligt oder unberücksichtigt fühlen konnte. 1959 hingegen fand sich nicht ein einziges italienischsprachiges Canzone im Aufgebot. Und auch die für die Deutschschweiz bis dato immer verlässlich parat stehende und im Vorentscheid stets siegreiche Lys Assia blieb dem Bewerb unerklärlicherweise fern, obschon sie doch im Vorjahr mit dem fabelhaften ‘Giorgio’ ihren besten Grand-Prix-Beitrag abgeliefert und einen respektablen zweiten Platz ersungen hatte. Nahmen ihr die Tessiner:innen am Ende gar diesen mit einer Vielzahl von Italien-Klischees aufwartenden Spaßschlager übel und streikten deswegen? Nichts Genaues weiß man nicht, angeblich sollen jedoch drei regionale Jurys abgestimmt haben. Jedenfalls füllte man den freien Tessin-Slot mit einer zweiten Vertreterin für die französischsprachige Romandie auf.
Sang fast ausschließlich Operetten- und Muscial-Nummern: Frankreichs Premierenvertreterin Mathé Altéry, die 1959 einen Abstecher in die Schweiz machte (Repertoirebeispiel).
Neben dem bis dato durchgängig an allen schweizerischen Vorentscheidungen teilnehmenden und stets erfolglosen Jo Roland trällerte daher auch die in Paris als Marie-Thérèse Altare geborene Chansonnière und französische ESC-Repräsentantin von 1956, Mathé Altéry, zwei Liedlein (wie alle Beiträge dieses Abends leider im Netz nicht auffindbar). Roland sang unterdessen neben seinen Solotiteln, darunter das auf einen problematischen Schnapskonsum schließen lassende ‘Ein kleines Schiff in einer alten Branntweinflasche’, auch zwei (natürlich wiederum erfolglose) Duette mit der Siegerin dieses Bewerbs, der deutschen Schlagerette Christa Williams. Mit dem entsetzlich süßlichen, mit nervtötend hoher Stimme gejaulten und in Schmalzgeigen förmlich ersaufenden ‘Irgendwoher’ erreichte die gebürtige Ostpreußin in Cannes einen erstaunlichen vierten Rang. Kommerziell floppte die Nummer vollständig, dafür landete die 2011 verstorbene, jazzbegeisterte Christa, die einst Ella Fitzgerald als Vorbild nannte, mit ausgesprochen flachen Schlagerduetten (‘My Happiness’, ‘Pilou-Pilou’) bis 1961 noch ein paar kleinere Hits in Deutschland.
Immerhin rollt sie das “R” wunderbar preußisch-hart: Christa Williams.
Vorentscheid CH 1959
Concours Eurovision. Sonntag, 22. Februar 1959, aus dem Theatre Beaulieu in Lausanne. Drei Teilnehmer:innen# | Interpret:in | Songtitel | Ergebnis |
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01 | Jo Roland | Ein kleines Schiff in einer alten Branntweinflasche | n.b. |
02 | Mathé Altéry | Marie toi, Marie, Marie toi | n.b. |
03 | Christa Williams | Irgendwoher | 01 |
04 | Jo Roland | Adieu Madeleine | n.b. |
05 | Christa Williams + Jo Roland | Die Spieldose | n.b. |
06 | Mathé Altéry | Fallait pas faire ça | n.b. |
07 | Christa Williams | Mit Küssen fängt die Liebe an | n.b. |
08 | Jo Roland | Sire, le Roi | n.b. |
09 | Christa Williams + Jo Roland | Mein kleines Lied | n.b. |
Letzte Überarbeitung: 27.02.2021