Natio­naal Song­fes­ti­val 1960: Ding A Din­ge­ding Dong

Als eine hoch ver­gnüg­li­che Stun­de puren Come­dy-Gol­des geht das nie­der­län­di­sche Natio­naal Song­fes­ti­val (NSF) von 1960 in die Anna­len der Grand-Prix-Geschich­te ein. Acht “Lied­jes” gelang­ten zur Auf­füh­rung, inter­pre­tiert jeweils in zwei ver­schie­den instru­men­tier­ten Vari­an­ten von unter­schied­li­chen Künstler:innen und dar­ge­bo­ten vor teils pas­send zum Song­text mit Krei­de auf eine Schie­fer­ta­fel gemal­ten Bild­hin­ter­grün­den. Viel­fach ließ sich erken­nen, dass die Autoren sich Gedan­ken gemacht hat­ten, was bei den Euro­vi­si­ons­ju­rys gut ankom­men könn­te. So wie gleich beim ers­ten Bei­trag des Abends, wel­cher sich des bereits beim Pre­mie­ren-Con­test in Luga­no von Lys Assia bemüh­ten Jahr­markt-The­mas ‘Car­rous­sel’ bedien­te. Was den bei­den NSF-Rück­keh­rern Mar­cel Thie­lem­ans (der den Zuschauer:innen gar unge­hö­rig die Zun­ge her­aus­streck­te!) und John de Mol nicht nur Raum für zum Schrei­en komi­sche, den Text illus­trie­ren­de Hand­be­we­gun­gen und Mimik gab, son­dern dem Song-Autoren auch eine vor­treff­li­che Gele­gen­heit zum Ein­fü­gen eines laut­ma­le­ri­schen “Ding Din­ge­ding Ding Ding”. Jetzt wis­sen wir auch, wo Teach In 1975 die Inspi­ra­ti­on für ihren Sie­ger­ti­tel ‘Ding A Dong’ hernahmen!

John de Mol fuch­tel­te noch exal­tier­ter her­um, behielt dafür jedoch die Zun­ge drin: Mar­cel Thie­lem­ans ist es schon ganz karus­sel­lig im Kopf zumute. 

Da der Euro­vi­si­on Song Con­test nach der peku­ni­är moti­vier­ten Wei­ge­rung des nie­der­län­di­schen Fern­se­hens, die Show trotz des hol­län­di­schen Sie­ges von 1959 zu Hau­se aus­zu­rich­ten, 1960 in Lon­don statt­fand, wo es bekannt­lich unun­ter­bro­chen vom Him­mel plät­schert, wenn nicht gera­de die gan­ze Stadt in der Nebel­sup­pe ver­schwin­det, durf­te natür­lich auch ein pas­send vor der Krei­de­zeich­nung eines Wol­ken­bruchs into­nier­ter und hoff­nungs­los musi­cal­haft-süß­li­cher Song über ein Mäd­chen mit einem ‘Regen­kap­je’ nicht feh­len, wel­ches in den Stra­ßen der euro­päi­schen Metro­po­le sei­nen Prin­zen sucht. Obschon doch Har­ry, der ein­zi­ge wirk­lich ansehn­li­che Spröss­ling des bri­ti­schen Königs­hau­ses, zu die­sem Zeit­punkt noch gar nicht gebo­ren war! Eine in ihrem offen­sicht­li­chen Lam­pen­fie­ber schon wie­der herz­er­wär­mend ama­teur­haf­te Dar­bie­tung lie­fer­te der Sän­ger Jaap Dub­bel­boer (Dop­pel­bau­er, echt? Und da wählt man kei­nen Künst­ler­na­men?) mit dem alt­mo­di­schen ‘Vana­vend’ ab.

Im US-Fern­se­hen wür­de der obs­zö­ne Mit­tel­fin­ger heut­zu­ta­ge digi­tal unkennt­lich gemacht: Jaap Doppelbauer.

Den abso­lu­ten Vogel in Sachen unfrei­wil­li­ger Komik schoss jedoch Piet Sybran­di ab, ein jun­ger Sän­ger mit Elvis-Tol­le, der mit dem ent­halt­sa­men ‘Niet voor mij’ das glei­che The­ma bear­bei­te­te, das der Schwei­ze­rin Danie­la Sim­mons 1987 einen zwei­ten Platz beim Grand Prix besche­ren soll­te (dort als ‘Pas pour moi’). Sei­ne selbst für dama­li­ge Ver­hält­nis­se, wo Fern­seh­ka­me­ras noch etwas ver­hält­nis­mä­ßig Neu­es dar­stell­te und man im Geis­te noch immer für ein stel­len­wei­se weit weg sit­zen­des Thea­ter­pu­bli­kum agier­te, durch­gän­gig bis ober­halb der Schmerz­gren­ze über­trie­be­ne Mimik und Ges­tik, die gro­tesk auf­ge­ris­se­nen Augen, das wil­de Schul­ter­zu­cken, das rhyth­mi­sche Fin­ger­schnip­sen, der stel­len­wei­se bel­len­de Gesang, der devo­te Dackel­blick, das enga­gier­te Ärm­chen-nach-unten-Schmei­ßen: all das ver­ur­sacht mir selbst beim wie­der­hol­ten Anschau­en jedes mal einen Zwerch­fell­bruch vor Lachen. Königlich!

Da stehst Du wie­der mal / mit Dei­nem Hun­de­blick: Pitt­si Bran­di, wie Han­ni Lips ihn ansagte.

Auf die süd­eu­ro­päi­sche Jury­stim­me ziel­te offen­sicht­lich das zweit­plat­zier­te Schla­ger­lein ‘Addio’ (vgl. Mar­cel, deut­scher Vor­ent­scheid 2000), das mit einem kit­schi­gen ita­lie­nisch­spra­chi­gen Refrain über den sehn­suchts­vol­len Abschied vom Kurz­zeit-Ste­cher am Ende des Necker­mann-Pau­schal­ur­laubs auf­war­te­te, das auf die­se Wei­se her­auf­be­schwo­re­ne süd­län­di­sche Flair dann aber in den Stro­phen durch das vor­ge­schrie­be­ne Hol­län­disch wie­der ein­rei­ßen muss­te. Ansons­ten bleibt es vor allem für die fabel­haf­te Bie­nen­korb­fri­sur und das Dia­dem der Inter­pre­tin Bet­ty Lus­ke in Erin­ne­rung. Im Voting der zwölf regio­na­len Zuschau­er­ju­rys erziel­te es den­noch nicht ein­mal halb so vie­le Stim­men wie der hoch berech­tig­te Sie­ger­ti­tel ‘Wat een Geluk’ (‘Welch ein Glück’), der nicht nur durch das flot­tes­te Tem­po des Abends und eine ordent­li­che Rückung über­zeug­te, son­dern wäh­rend der Brü­cke auch Raum für ein beherz­tes “La la la” bot.

Und Rudi Car­rell soll es nun singen!”

Jeden­falls in der schmis­si­gen Inter­pre­ta­ti­on durch den begna­de­ten Enter­tai­ner Rudi Car­rell, der sei­ne Fas­sung an letz­ter Stel­le in der Start­rei­hen­fol­ge vor­stel­len durf­te und sei­ner Kon­kur­ren­tin Annie Pal­men, die eine wesent­lich gesetz­te­re Ver­si­on dar­bot, kom­plett die Show stahl. Obwohl die­se sich extra Sil­berg­lit­ter in die Beton­dau­er­wel­le gesprüht hat­te! Sie nahm es jedoch gefasst auf, gegen den char­man­ten Rudi zu ver­lie­ren, in des­sen aktu­el­ler Show-Revue sie mit­spiel­te. Und der 2007 an Lun­gen­krebs ver­stor­be­ne Enter­tai­ner bewies die Fähig­keit zur Selbst­iro­nie, als er sich nach dem Con­test von Lon­don, wo ihm das brä­si­ge BBC-Orches­ter den Song kom­plett ver­sau­te, im Radio hin­sicht­lich sei­nes vor­letz­ten Plat­zes im Wett­be­werb selbst auf die Schip­pe nahm. Mit die­sem Auf­tritt und die­ser Reak­ti­on leg­te er den Grund­stein für sei­ne lang­an­hal­ten­de Fern­seh­kar­rie­re in den Nie­der­lan­den und in der Fol­ge auch in Deutsch­land. Welch ein Gelück!

Der kom­plet­te nie­der­län­di­sche Vor­ent­scheid von 1960 als Play­list. Prä­di­kat sehenswert!

Vor­ent­scheid NL 1960

Natio­naal Song­fes­ti­val. Diens­tag, 9. Febru­ar 1960, aus dem AVRO-Stu­dio in Hil­ver­sum. 16 Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Han­nie Lips.

#Inter­pre­tenInter­pre­tenSong­ti­telJuryPlatz
01Mar­cel ThielemansJohn de MolCar­rous­sel08604
02Bet­ty LuskeTon­ny van HulstAddio11002
03Greet­je KauffeldPiet Sybran­diNiet voor mij09903
04Her­mann EmminkJan van de MostIn mijn Hart07704
05Karel van der VeldenRita Huys­kensRegen­kap­je03507
06Annie Pal­menRudi Car­rellWat een Geluk22501
07Jaap Dub­bel­boerJoop SmitsVana­vond02708
08Wim van der BeekJany BronIk leef06106

Letz­te Über­ar­bei­tung: 27.09.2020

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