Melo­di Grand Prix 1961: Bit­te bitte

Anstatt die bes­te Melo­die zu fin­den, bestand die Auf­ga­be der Jury dar­in, zu bestim­men, wel­che die am wenigs­ten schlech­te war,” so beschrieb sehr poin­tiert eine nor­we­gi­sche Tages­zei­tung das Elend bei der zwei­ten Aus­ga­be des hei­mat­li­chen Vor­ent­schei­dungs­for­mats Melo­di Grand Prix (MGP) im Jah­re 1961. Das hing, wie in Deutsch­land, unter ande­rem mit dem Ein­fluss der Lob­bys zusam­men: genau wie die ARD hand­hab­te der Sen­der NRK die Euro­vi­si­on und die natio­na­le Vor­run­de als Kom­po­nis­ten­wett­be­werb, für die der nor­we­gi­sche Song­schrei­ber­ver­band das allei­ni­ge Vor­schlags­recht besaß. Knapp 350 Lie­der waren nach ent­spre­chen­der Auf­for­de­rung beim Sen­der ein­ge­tru­delt, und der Vor­sit­zen­de der NRK-Aus­wahl­ju­ry, Rag­nar Kie­rulf, bestä­tig­te, es sei aus­ge­spro­chen leicht gefal­len, dar­aus fünf aus­zu­wäh­len. Doch nicht das schwa­che musi­ka­li­sche Niveau der Vor­schlä­ge sei der Grund gewe­sen, den MGP von den ursprüng­lich aus­ge­schrie­be­nen acht auf nur fünf Plät­ze zu redu­zie­ren. Son­dern die ange­streb­te Anpas­sung an das For­mat der schwe­di­schen Kol­le­gen, von denen man auch die Idee über­nahm, alle Songs je zwei Mal in unter­schied­li­cher Orches­trie­rung und mit ande­ren Interpret:innen vor­tra­gen zu lassen.

Ein Erfolg: der Vor­ent­schei­dungs­bei­trag ‘S’il vous plaît’ in der 1987er Neu­be­ar­bei­tung des Kom­po­nis­ten­sohns. Da hat­te das Ori­gi­nal aber deut­lich mehr Pepp!

Immer­hin ein ein­zi­ger Bei­trag die­ses faden Lie­der­abends brach­te es zum kom­mer­zi­el­len Erfolg, wenn auch erst 26 Jah­re spä­ter: der von Per-Lil­lo Sten­berg getex­te­te und vom erst­mals star­ten­den, fünf­fa­chen MGP-Teil­neh­mer Per Asplin sowie (in der Zweit­be­set­zung) von einem Mann mit dem für deut­sche Ohren etwas unglück­li­chen Namen Svein Nil­sen vor­ge­tra­ge­ne, so fran­zö­sisch wie mög­lich klin­gen sol­len­de Cha-Cha-Cha ‘S’il vous plaît’, den der Sohn des Autoren im Jah­re 1987 mit sei­ner Band deL­il­los in einer über­aus zähen Pop-Vari­an­te neu her­aus­brach­te und damit im Hei­mat­land über­ra­schend char­te­te. Und wo wir gera­de beim Cha-Cha-Cha sind: den nicht min­der pos­sier­li­chen und mit unter zwei Minu­ten ange­nehm kur­zen ‘Far cha-cha’, also das Tänz­chen mit dem eige­nen Vater, besang der hei­mi­sche Film- und Musi­cal­star Gry­net Mol­vig. Das belohn­ten die zehn Juror:innen (fünf davon Medi­en­men­schen, fünf davon Lai­en, dar­un­ter eine Miss Nor­we­gen) jedoch nur mit dem vier­ten Rang. Wobei die Ergeb­nis­se, auch das ein Indiz für die gleich­mä­ßig schlech­te Qua­li­tät des Bewer­ber­fel­des, recht nahe bei­ein­an­der lagen: 55 Punk­te kas­sier­te der letzt­plat­zier­te Titel ‘Ingen blom­s­ter til mei’ von Søl­vi Wang, nur 15 mehr waren es für den Siegersong.

Eins, zwei, Wie-ge-schritt: Frau Mol­vigs Tanz­stun­den­knül­ler, lei­der nur als Audio.

Näm­lich das sich in sehn­suchts­voll schwel­ge­ri­schen Gei­gen­klän­gen erge­hen­de ‘Som­mer i Pal­ma’, mit dem der Sen­der NRK für den Grand Prix in Can­nes erneut die famo­se Pre­mie­ren­ver­tre­te­rin Nora Brock­stedt betrau­te. Die nun wirk­lich ihr Bes­tes gab, dem furcht­bar drö­gen Lied ein klein wenig Per­sön­lich­keit ein­zu­hau­chen, die aber eben auch nur mit dem Mate­ri­al arbei­ten konn­te, das man ihr gab. Wel­ches in die­sem Fall letzt­lich genau so (öde) klang wie alle ande­ren Bei­trä­ge beim Euro­vi­si­on Song Con­test von 1961. Dabei hat­te gera­de Nor­we­gen und gera­de Frau Brock­stedt doch im Vor­jahr gezeigt, wie man sich posi­tiv aus der Mas­se her­vor­hebt, in dem man eben nicht das­sel­be macht wie alle Ande­ren, son­dern auf eige­ne kul­tu­rel­le Tra­di­tio­nen setzt und die­se anspre­chend ver­packt. Statt­des­sen ver­such­te man hier nun zwang­haft, die Gewin­ner­ti­tel der aktu­el­len Deka­de nach­zu­ah­men, also das bei der Jury beson­ders belieb­te fran­ko­phi­le Chan­son. Doch war­um soll­te man die Kopie wäh­len, wenn man das Ori­gi­nal haben kann? Nor­we­gen soll­te noch ein gutes Vier­tel­jahr­hun­dert brau­chen, um kom­mer­zi­ell mit dem inter­na­tio­na­len Pop-Export a‑ha und beim Grand Prix mit dem Bob­by­schock einen dau­er­haf­ten musi­ka­li­schen Fest­land­an­schluss zu finden.

Ver­such­te, so weit wie mög­lich nach ‘Dors, mon Amour’ (FR 1958) zu klin­gen: Brock­stedt mit ‘Som­mer i Palma’.

Vor­ent­scheid NO 1961

Melo­di Grand Prix. Sams­tag, 18. Febru­ar 1961, aus den NRK-Fern­seh­stu­di­os in Oslo. Fünf Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Erik Die­sen + Odd Gythe.

#Interpret.inInterpret:inSong­ti­telJuryPlatz
01Nora Brock­stedtSvein Nil­senSnu deg om642
02Søl­vi WangGry­net MolvigFar Cha-Cha574
03Svein Nil­senPer AsplinS’il vous plaît593
04Gry­net MolvigSøl­vi WangIngen Blom­s­ter til meg555
05Per AsplinNora Brock­stedtSom­mer i Palma701

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 28.09.2020

< Melo­di Grand Prix 1960

Melo­di Grand Prix 1962 >

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert