Jugo­vi­zi­ja 1961: Mor­gen fängt das Leben erst an

Viel Geld und tech­ni­sches Know-How hat­te die Regie­rung der USA nach dem Zwei­ten Welt­krieg den staat­li­chen west­eu­ro­päi­schen Sen­de­an­stal­ten zukom­men las­sen, um sie für die Pro­pa­gan­da­schlacht im nach­fol­gen­den Kal­ten Krieg gegen den feind­li­chen kom­mu­nis­ti­schen Osten zu rüs­ten. Auch der Euro­vi­si­on Song Con­test soll­te nach den Vor­stel­lun­gen des hier­bei feder­füh­ren­den US-Geheim­diens­tes dem kul­tu­rel­len Anein­an­der­rü­cken der “frei­heit­li­chen” (lies: kapi­ta­lis­ti­schen) Staa­ten die­nen und mit sei­nem (zumin­dest nach dem eigen­eb Emp­fin­den) gla­mou­rö­sen und unter­halt­sa­men Pro­gramm, wel­ches man, soweit es die Anten­nen zulie­ßen, ger­ne auch ins sozia­lis­ti­sche Aus­land aus­strahl­te, um dort Neid und Unzu­frie­den­heit in der Bevöl­ke­rung zu schü­ren, die kla­re Über­le­gen­heit des Wes­tens in Sachen Pop demons­trie­ren. Dies jeden­falls ist der ent­we­der sehr sub­til iro­ni­sche oder aber ziem­lich pater­na­lis­ti­sche Unter­ton einer bri­ti­schen ESC-Doku­men­ta­ti­on aus dem Jah­re 2010 mit dem Titel ‘The Secret Histo­ry of Euro­vi­si­on’, die dem gera­de in den Anfangs­jah­ren doch sehr stei­fen euro­päi­schen Wett­sin­gen eine kul­tu­rel­le Strahl­kraft zuschreibt, über die man durch­aus geteil­ter Mei­nung sein kann.

Das sind Bau­ern”: west­li­che Vor­ur­tei­le gegen Ost­eu­ro­pa fei­ern in die­ser Doku fröh­li­che Urständ.

Das 1945 in Nach­fol­ge des unter­ge­gan­ge­nen süd­sla­wi­schen König­reichs in Form eines föde­ra­ti­ven Bun­des­staa­tes gegrün­de­te “zwei­te” Jugo­sla­wi­en, als sozia­lis­ti­sche Gebiets­kör­per­schaft aus Sicht der BRD-Bevöl­ke­rung men­tal deut­lich jen­seits des Eiser­nen Vor­hangs gele­gen, als block­frei­es Land de fac­to jedoch kein assi­mi­lier­ter Teil des kom­mu­nis­ti­schen Sowjet­reichs, ging den umge­kehr­ten Weg und unter­wan­der­te den Kapi­ta­lis­mus, in dem es zum einen zah­lungs­kräf­ti­ge west­li­che Tou­ris­ten her­ein­ließ und zum ande­ren ab 1961 selbst an eben jenem Grand Prix Euro­vi­si­on teil­nahm. Bis zu acht regio­na­le Lan­des­rund­funk­an­stal­ten Jugo­sla­wi­ens – näm­lich TV Zagreb (Kroa­ti­en), TV Beograd (Ser­bi­en), TV Ljublja­na (Slo­we­ni­en), TV Skop­je (Maze­do­ni­en), TV Sara­je­wo (Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na), TV Tito­grad (Mon­te­ne­gro), TV Priš­ti­na (Koso­vo) und TV Novi Sad (Voj­vo­di­na) – ent­sand­ten Bei­trä­ge zur und wech­sel­ten sich ab in der Orga­ni­sa­ti­on der in den Anfangs­jah­ren noch wenig beach­te­ten, sich im Lau­fe der Zeit aber rasch als immer ein­schalt­quo­ten­träch­ti­ger erwei­sen­den Vor­ent­schei­dung, die eta­blier­te Stars aus dem Bal­kan anzog und bei der lang­an­hal­ten­de Kar­rie­ren ihren Aus­gangs­punkt fanden.

Gabi Novak mit dem Titel ‘Pla­ve Dal­ji­ne’ aus dem jugo­sla­wi­schen Schla­ger­film ‘Bol­je je umeti’ von 1960. Ihre Kol­le­gin Lola Nova­ko­vić cover­te ein Jahr spä­ter die­sen Super­schnarch­song – und lan­de­te damit auf dem drit­ten Platz im Eurovisionsvorentscheid!

Die aller­ers­te Jugo­vi­zi­ja (die bis zum blu­ti­gen Aus­ein­an­der­bre­chen des Völ­ker­bun­des Anfang der Neun­zi­ger streng­ge­nom­men nie so hieß: das Label tauch­te erst­ma­lig 1987 in einer TV-Par­odie auf und geriet erst in der Retro­spek­ti­ve zum Sam­mel­be­griff für die Vor­ent­schei­dun­gen YUs) fand in Ljublja­na statt. Drei Lan­des­sen­der betei­lig­ten sich, näm­lich der ser­bi­sche, der kroa­ti­sche und natür­lich der aus­rich­ten­de slo­we­ni­sche; ins­ge­samt neun Acts gin­gen an den Start. Nur der Sie­ger­song lässt sich heu­te als Bewegt­bild im Netz zu fin­den, vom Rest immer­hin ein gro­ßer Teil als Audio. Bis auf das pos­sier­li­che ‘Obećaj mi to’ des Schla­ger­du­os Hani ist aller­dings nichts Anhör­ba­res dar­un­ter. Der aus inter­na­tio­na­ler Sicht pro­mi­nen­tes­te Künst­ler war der kroa­ti­sche Schla­ger­sän­ger Ivo Robić (†2000), der zwei Jah­re zuvor mit der in meh­re­ren Sprach­ver­sio­nen ein­ge­sun­ge­nen Schnul­ze ‘Mor­gen’ einen einen ech­ten Welt­erfolg erziel­te (Platz 2 in den deut­schen Charts, #13 in den USA, #23 in Groß­bri­tan­ni­en) und zum Zeit­punkt sei­ner Jugo­vi­zi­ja-Teil­nah­me in Deutsch­land gera­de einen Num­mer-Eins-Hit mit dem Drift­ers-Cover ‘Mit 17 fängt das Leben erst an’ hat­te, der Ger­ma­ni­fi­zie­rung von ‘Save the last Dance for me’.

Die Play­list mit sechs der neun Vor­ent­schei­dungs­ti­tel, lei­der nur als Audioversion.

Zu den in Jugo­sla­wi­en eta­blier­ten Namen die­ser Zeit, die uns auch in den fol­gen­den Jah­ren immer wie­der begeg­nen soll­ten, zähl­ten die kroa­ti­sche Jazz- und Schla­ger­sän­ge­rin Gabi Novak, der auch in der Sowjet­uni­on erfolg­rei­che Ser­be Đorđe Mar­ja­no­vić und die 2016 ver­stor­be­ne ser­bi­sche Schau­spie­le­rin und Sän­ge­rin Lola Nova­ko­vić, die den Staa­ten­bund 1962 ver­tre­ten soll­te (und hier pikan­ter­wei­se mit einer Cover­ver­si­on eines Gabi-Novak-Songs aus dem Vor­jahr antrat!). Auch den dies­jäh­ri­gen Sieg trug eine Ser­bin davon, näm­lich die bis dahin wenig bekann­te und seit den Acht­zi­gern wie­der von der Bild­flä­che ver­schwun­de­ne Ljil­ja­na Petro­vić, die mit der sehr getra­ge­nen, um nicht zu sagen: zähen Bal­la­de ‘Neke dav­ne Zvez­de’ (‘Zwei klei­ne Ster­ne’) beim Haupt­wett­be­werb in Can­nes lei­der nur eine wei­te­re musi­ka­li­sche Schlaf­ta­blet­te zu dem ohne­hin bereits zum Weg­däm­mern öden Pro­gramm bei­steu­er­te und somit nicht über einen unte­ren Mit­tel­feld­platz hin­aus kam. Wor­an sich so schnell nichts ändern soll­te: die (meist auf­grund der kul­tu­rel­len Igno­ranz der west­eu­ro­päi­schen Juror:innen) durch­weg mäßi­gen Wett­be­werbs­er­geb­nis­se Jugo­sla­wi­ens ver­bes­ser­ten sich erst in den Acht­zi­gern, als man aus purer Ver­zweif­lung zum Mit­tel der musi­ka­li­schen Assi­mi­la­ti­on griff und sich bei west­eu­ro­päi­schen Sounds der Sech­zi­ger bediente.

Auch 36 Jah­re spä­ter noch zum Ein­schla­fen: Ljil­ja­na Petrović.

Vor­ent­scheid YU 1961

Jugo­vi­zi­ja. Don­ners­tag, 16. Febru­ar 1961, aus dem Dra­ma­ti­schen Natio­nal­thea­ter in Ljublja­na (heu­ti­ges Slo­we­ni­en). Neun Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Milan­ka Bav­con. Acht regio­na­le Jurys.

#Inter­pre­tenSong­ti­telJuryPlatz
01Ljil­ja­na PetrovićNeke dav­ne Zvezde1901
02Mar­ja­na Deržaj + Sta­ne ManciniKako sva si različna0605
03Jel­ka CvetezarČrni Kla­vir0309
04Ivo RobicPjes­ma o životu1103
05Gabi NovakDra­ge misli1702
06Lola Nova­ko­vićPla­ve daljine0904
07Ani­ca ZubovićSreća0408
08Đorđe Mar­ja­no­vićReč il´ dve0507
09Duo HaniObećaj mi to0605

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 27.09.2021

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