Melo­di Grand Prix 1962: Auf den Hund gekommen

Die nor­we­gi­sche Jacob Sis­ter: Lai­la Dals­eth. © ballade.no

Am bes­ten wäre es, sie schick­ten den Hund,” mit die­ser har­schen Kri­tik am nor­we­gi­schen Melo­di Grand Prix (MGP) 1962 bezog sich die däni­sche Tages­zei­tung Ver­dens Gang auf die Jazz­sän­ge­rin Lai­la Dals­eth, eine von zwei Inter­pre­tin­nen des Sie­ger­songs die­ser Vor­ent­schei­dung, die bei ihrem Auf­tritt einen nied­li­chen Wel­pen im Arm trug. Eine sym­pa­thie­punk­te­för­der­li­che Stra­te­gie, die beim Euro­vi­si­on Song Con­test selbst bekann­ter­ma­ßen streng ver­bo­ten ist. Und so durf­te dann auch statt der für ihre Ver­diens­te ums nor­we­gi­sche Jazz­we­sen mehr­fach preis­ge­krön­ten Dals­eth die Ope­ret­ten­sän­ge­rin und Schau­spie­le­rin Inger Jacob­sen nach Luxem­burg fah­ren, wo sie mit ledig­lich zwei Pünkt­chen unter “fer­ner lie­fen” lan­de­te. Jacob­sen hat­te bereits 1960 beim ers­ten MGP sämt­li­che Wett­be­werbs­ti­tel im Radio-Halb­fi­na­le inter­pre­tiert. 1964 und 1971 ver­such­te sie noch­mals, das Euro­vi­si­ons­ti­cket zu ergat­tern, aller­dings ohne Erfolg. In Nor­we­gen trat sie bis ins hohe Alter in Revu­en, Fil­men und Büh­nen­stü­cken auf und war fes­tes Ensem­ble­mit­glied des Reichs­thea­ters. Sie starb 1996 im Alter von 72 Jah­ren an Krebs. ‘Kom Sol, kom Regn’ blieb denn auch einer von ledig­lich zwei der ins­ge­samt sie­ben Wett­be­werbs­bei­trä­ge, die man über­haupt auf Plat­te auf­nahm, nach­dem die vom NRK aus 121 Ein­rei­chun­gen vor­ge­nom­me­ne Vor­auswahl auf all­ge­mei­nes Mur­ren stieß. Und zwar nicht nur bei den Zuschauer:innen, son­dern – da der Sen­der im Rah­men der Nord­vi­si­on die Show in ganz Skan­di­na­vi­en aus­strahl­te – auch in den Nach­bar­län­dern. “Die Songs sind so schlecht, dass [die Orches­ter­mit­glie­der] ris­kie­ren, schla­fend zwi­schen den Noten­stän­dern hin­durch­zu­plump­sen,” so herr­lich bös­ar­tig häm­te die schwe­di­sche Aften­pos­ten am Tag nach der Sen­dung über das musi­ka­li­sche Niveau der Show.

Eine ele­gan­te Bal­la­de mit dezen­ten jaz­zi­gen Ver­zie­run­gen: Ingers Bei­trag muss sich nicht wirk­lich ver­ste­cken. Man will ihn aber auch nicht gera­de in Dau­er­schlei­fe hören.

Inwie­weit die­se Kri­tik zutrifft oder auch nicht, dar­über kann sich der Rezen­sent aller­dings kei­ne fun­dier­te Mei­nung bil­den, da die rest­li­chen sechs Bei­trä­ge heu­te lei­der ver­schol­len sind, dar­un­ter Songs mit solch wenig ver­spre­chen­den Titeln wie ‘En gyl­den Bud­dha’ oder ‘Mor­mors Spil­le­då­se’ (‘Omas Spiel­do­se’), letz­te­rer inter­pre­tiert unter ande­rem von Kult-Uschi Ani­ta Thall­aug. Auf­find­bar zeigt sich hin­ge­gen der Schla­ger ‘Æil­le så nær som a Ingeb­jørg’, den das NRK-Aus­wahl­ko­mi­tee ablehn­te, weil sein Song­schrei­ber nicht die Mit­glied­schaft im gewünsch­ten Kom­po­nis­ten­ver­band vor­wei­sen konn­te. Das Lied wur­de – im Gegen­satz zu den zuge­las­se­nen MGP-Songs – in einer Auf­nah­me von Nora Brock­stedt im Lan­de zum Hit. Einen unbe­ab­sich­tig­ten Sturm im Was­ser­glas lös­te zudem die an sich sehr hüb­sche Idee des MGP-Regis­seurs aus, das Sen­de­stu­dio anläss­lich der am glei­chen Tag statt­fin­den­den Ski­welt­meis­ter­schaf­ten (in Nor­we­gen als Natio­nal­sport eine Ver­an­stal­tung von sehr hoher Bedeu­tung) in eine ver­schnei­te Win­ter­land­schaft mit künst­li­chen Ski­pis­ten zu ver­wan­deln und die Orches­ter­mit­glie­der plus den Mode­ra­to­ren Odd Gry­the pas­send dazu in patrio­tisch-wär­men­de Nor­we­ger­pul­lis zu ste­cken. Ohne jeg­li­che Abspra­che nutz­te die Her­stel­ler­fir­ma der wol­le­nen Klei­dungs­stü­cke aller­dings die Gele­gen­heit für eine Anzei­gen­kam­pa­gne in meh­re­ren Publi­ka­tio­nen, wor­auf­hin sich der düpier­te Sen­der auch noch dem Vor­wurf der Schleich­wer­bung aus­ge­setzt sah. Ach, herr­li­che Zei­ten, als so etwas noch als unver­zeih­li­cher Faux-pas galt und nicht zum unver­zicht­ba­ren Grund­be­stand­teil des ESC gehörte!

Vom abge­lehn­ten Vor­ent­schei­dungs­ti­tel zum Hit: Nora Brock­stedt hört für Ingeb­jørg die Hoch­zeits­glo­cken läuten.

Vor­ent­scheid NO 1962

Melo­di Grand Prix. Sams­tag, 18. Febru­ar 1962, aus den NRK-Fern­seh­stu­di­os in Oslo. Fünf Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Odd Grythe.
#Interpret/inInterpret/inTitelPunk­tePlatz
01Lai­la DalsethAni­ta ThallaugMor­mors Spilledåse305
02Per AsplinJan Høi­landEn gyl­den Buddha503
03Ani­ta ThallaugInger Jacob­senVåre skal dage­ne vaere434
04Jan Høi­landPer AsplinCasa­blan­ca632
05Inger Jacob­senLai­la DalsethKom Sol, kom Regn651

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 30.09.2020

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