A Song for Euro­pe 1962: Sing again, litt­le Birdie

Mäd­chen und Engel, das waren die bei­den Leit­the­men beim Song for Euro­pe 1962: gleich drei der zwölf Wett­be­werbs­bei­trä­ge führ­ten das “Girl” im Titel, zwei wei­te­re den “Angel”, und einer davon wur­de gar von einem Künst­ler namens John­ny Angel gesun­gen. Wie schon im Vor­jahr hat­te die BBC die Aus­wahl der Songs für den bri­ti­schen Vor­ent­scheid in die Hän­de der Plat­ten­fir­men gelegt, und die dele­gier­ten eine bun­te Mischung aus haupt­säch­lich hoff­nungs­fro­hen New­co­mern und Acts leicht jen­seits ihres Min­dest­halt­bar­keits­da­tums dort­hin, aber natür­lich nie­man­den auf dem Höhe­punkt sei­nes kom­mer­zi­el­len Erfol­ges. Ähn­lich ver­hielt es sich auch bei den Lie­dern: die sti­lis­tisch wei­test­ge­hend an ame­ri­ka­ni­sche Pop-Ein­flüs­se die­ser Zeit ange­lehn­ten Bei­trä­ge erwie­sen sich fast alle als durch­aus anhör­bar und ange­nehm leicht ins Ohr flie­ßend. Den­noch woll­te es kei­nem der Titel gelin­gen, einen nach­hal­ti­ge­ren Ein­druck zu hin­ter­las­sen. “Näseln­de, atem­lo­se Stim­men, zer­mür­bend schlech­te Aus­spra­che und ener­vie­rend blö­de Stre­ckun­gen und Dre­hun­gen” erbos­ten das von der BBC anschlie­ßend befrag­te Publi­kum, das sich von der über­wie­gend upt­em­po­rä­ren Aus­rich­tung des musi­ka­li­schen Menüs und den damit ein­her­ge­hen­den Ver­su­chen der Künstler:innen, sel­bi­ges ange­mes­sen leben­dig zu prä­sen­tie­ren, eher abge­sto­ßen fühlte.

Das Kom­po­nis­ten­team des bri­ti­schen Bei­trags von 1959, ‘Sing litt­le Bir­die’, zeich­ne­te auch für die­sen musi­ka­lisch wie inhalt­lich eng ver­wand­ten Song verantwortlich.

Die Sän­ger hat­ten offen­sicht­lich den Ein­druck, an einem Twist-Wett­be­werb teil­zu­neh­men,” so zitiert Gor­don Rox­burgh in sei­ner Songs-for-Euro­pe-Fibel die auf­ge­zeich­ne­ten Kom­men­ta­re der augen­schein­lich haupt­säch­lich aus Bal­la­den­freun­den bestehen­den Zuschauer:innen. Selbst der haus­ho­he Sie­ger­ti­tel die­ser Sen­dung, das laut­ma­le­risch-flot­te ‘Ring a Ding Girl’ des nord­iri­schen Sän­gers Ronald Cleg­horn ali­as Ron­nie Car­roll, schaff­te es in den bri­ti­schen Charts ledig­lich bis auf Rang 46. Auch der Inter­pret selbst, der spä­ter sein Ein­kom­men als Allein­un­ter­hal­ter auf Kreuz­fahrt­schif­fen fand, trau­te sei­nem Lied kei­nen Sieg zu: “Ich dach­te nicht, dass es gro­ße Chan­cen hät­te,” sag­te der bereits 1956 und 1960 beim bri­ti­schen Vor­ent­scheid ver­tre­te­ne Car­roll in einem Inter­view mit Rox­burgh: “Ich war in die­sen Tagen ein ziem­li­cher Spie­ler, und ich nahm Wet­ten auf den Aus­gang des Wett­be­werbs an und mach­te Geld damit”. Car­roll tipp­te statt sei­ner auf das fami­liä­re Duo Brooks Brot­hers, wie schon die bri­ti­schen Vor­jah­res­ver­tre­ter, The Alli­sons, eine kurz­zei­tig recht erfolg­rei­che, ziem­lich unver­blüm­te Ever­ly-Brot­hers-Kopie, und ihr sämi­ges ‘Tell Tale’. Gute Chan­cen räum­te er auch der strei­cher­rei­chen ‘Mes­sa­ge in a Bot­t­le’ der Nord­irin Don­na Dou­glas ein, wel­ches die put­zi­ge Geschich­te eines jun­gen Mäd­chens erzählt, das die Fla­schen­post eines ver­schol­le­nen Matro­sen fin­det und sich Hals über Kopf in den unbe­kann­ten See­mann ver­liebt. Nur um dann fest­stel­len zu müs­sen, dass die Bot­schaft bereits vor ein­hun­dert Jah­ren abge­schickt wurde.

Die B‑Seite der deut­schen Ver­öf­fent­li­chung von ‘I remem­ber you’ (DE #39): ‘So leicht lernt man das Jodeln’.

Dou­glas, die trotz jah­re­lan­gen Tin­gelns den kom­mer­zi­el­len Durch­bruch nie rich­tig schaff­te und 1974 schließ­lich nach Aus­tra­li­en aus­wan­der­te, plau­der­te in Rox­burghs Buch aus, dass der Zweit­plat­zier­te des Song for Euro­pe 1962, Frank Ifield, beim gemein­sa­men After-Show-Din­ner in einem Lon­do­ner Chi­na-Restau­rant nicht genü­gend Geld für sei­nen Anteil der Zeche dabei hat­te und die Kol­le­gen für ihn ein­sprin­gen muss­ten. Ifields finan­zi­el­le Lage soll­te sich jedoch bald dar­auf dra­ma­tisch ver­bes­sern: noch im sel­ben Jahr leg­te er mit ‘I remem­ber you’, einer gejo­del­ten (!) Coun­try-Adap­ti­on eines Erfolgs­ti­tels der ame­ri­ka­ni­schen Schau­spie­li­ko­ne Doro­thy Lamour aus dem Jah­re 1941, einen Num­mer-Eins-Hit hin, mit mehr als einer Mil­li­on ver­kauf­ter Sin­gles in Groß­bri­tan­ni­en allei­ne (1991 soll­te die fan­tas­ti­sche Bet­te Mid­ler eben die­sen Song als Come­dy-Duett in ihrem Must-See-Film ‘For the Boys’ für die nächs­te Gene­ra­ti­on immor­ta­li­sie­ren). Für Frank Ifield folg­ten noch etli­che wei­te­re Chart­top­per, bis ein­schließ­lich 1966 schlug er sich her­vor­ra­gend in den bri­ti­schen Ver­kaufs­hit­pa­ra­den. Auch in den USA gelan­gen ihm ein paar Country-Hits.

Im Inter­view erzählt der 2013 ver­stor­be­ne Lynch, wie es zu dem Beat­les-Cover kam.

Span­nen­der­wei­se kön­nen gleich zwei Acts des dies­jäh­ri­gen ASFE Ver­bin­dun­gen zur wohl berühm­tes­ten bri­ti­schen Pop-Band aller Zei­ten, den Beat­les, vor­wei­sen. So war der in Lon­don gebo­re­ne Sän­ger, Schau­spie­ler und Leicht­ge­wichts­bo­xer Ken­ny Lynch der Ers­te, der einen Song der Fab Four covern durf­te, näm­lich die ursprüng­lich für Helen Sha­pi­ro geschrie­be­ne, von ihr jedoch abge­lehn­te Num­mer ‘Mise­ry’ von ihrem 1963er Debüt-Album. Lynch, der sei­ner­zeit mit den Pilz­köp­fen tour­te, bot John, Paul, Rin­go und Geor­ge sogar an, ihnen beim Kom­po­nie­ren zu hel­fen, gab aber rasch auf, weil es sei­ner Mei­nung nach bei den Jungs nicht so recht vor­an ging. Umge­kehrt ver­hielt es sich mit dem Vor­ent­schei­dungs-Bei­trag ‘There’s noo­ne in the who­le wide World’ der Irin Jackie Lee (gebo­re­ne Jac­que­line Norah Flood), die damals bereits als Teil des Quar­tetts The Rain­drops eine gewis­se Popu­la­ri­tät genoss und sich eben­falls gele­gent­lich die Büh­ne mit den vier Liver­poo­lern teil­te. Denn auch wenn die ASFE-Juro­ren (und das plat­ten­kau­fen­de Publi­kum) ihren Song wei­test­ge­hend ver­schmäh­ten: die zu die­sem Zeit­punkt noch vor ihrem kom­mer­zi­el­len Durch­bruch ste­hen­den und über nicht beson­ders viel eige­nes Mate­ri­al ver­fü­gen­den Beat­les spiel­ten ihn ger­ne bei ihren eige­nen frü­hen Auf­trit­ten. Neben gele­gent­li­chen Hits unter ver­schie­de­nen Namen arbei­te­te Lee spä­ter auch als Stu­dio­sän­ge­rin: ihre Stim­me ist auf so unter­schied­li­chen Num­mern wie ‘Hey Joe’ von Jim­my Hen­drix, ‘Plea­se rela­se me’ von Engel­bert Hum­per­dinck und auf eini­gen Ein­spie­lun­gen von James Last zu hören.

Näseln­de Stim­men und schlech­te Aus­spra­che”: die Bei­trä­ge des bri­ti­schen Vor­ent­scheids von 1962 als Play­list (Audio­ver­sio­nen).

Vor­ent­scheid UK 1962

A Song for Euro­pe. Sonn­tag, 11. Febru­ar 1962, aus dem TV-Stu­dio der BBC in Lon­don. Zwölf Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: David Jacobs. 14 regio­na­le Jurys.
#Inter­pre­tenSong­ti­telJuryPlatz
01Robb Stor­mePret­ty Hair and Angel Eyes1205
02Brook Brot­hersTell Tale0708
03Jackie LeeThere’s no one in the who­le wide World0309
04John­ny AngelLook look, litt­le Angel1106
05Karl Den­verNever good­bye1504
06Doug Shel­donMy King­dom for a Girl0210
07Ron­nie CarrollRing-a-Ding Girl5901
08Brad New­manGet a move on0112
09Rik­ki PriceYou’­re for real0210
10Frank IfeldAlo­ne too long2602
11Don­na DouglasThe Mes­sa­ge in a Bottle1903
12Ken­ny LynchThere’s never been a Girl1107

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 29.10.2020

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