Melo­di Grand Prix 1963: Blon­di­ne in Fesseln

Noi, noi: die sieg­rei­che Nora Brock­stedt woll­te ihr Lied nicht singen.

Es ist offen­sicht­lich das Ergeb­nis einer Qua­li­täts­be­wer­tung,“ so selbst­kri­tisch-mali­zi­ös kom­men­tier­te der Pres­se­chef des ver­an­stal­ten­den nor­we­gi­schen Rund­funks NRK gegen­über der Tages­zei­tung Dag­bla­det den Umstand, dass der Sen­der den Melo­di Grand Prix (MGP) 1963 nicht (auch) im Radio über­trug, wie in den Vor­jah­ren üblich, son­dern aus­schließ­lich im Fern­se­hen, das zu die­sem Zeit­punkt allei­ne schon aus tech­ni­schen Grün­den nur ein knap­pes Vier­tel der nor­we­gi­schen Haus­hal­te erreich­te. Auch die Zei­tung häm­te, dass den Radio-Zuhörer:innen da wohl eini­ges erspart geblie­ben sei, und das Kon­kur­renz­blatt Aften­pos­ten ergänz­te Salz-in-die-Wun­den-streu­end, “alle fünf Kom­po­si­tio­nen,” die ein ledig­lich drei­köp­fi­ges Sen­der­ko­mi­tee aus 221 Ein­sen­dun­gen aus­wähl­te, “könn­ten leicht­hin bereits vor drei­ßig Jah­ren geschrie­ben wor­den sein”. Selbst die betei­lig­ten Interpret:innen müs­sen dies ähn­lich emp­fun­den haben. Neben eta­blier­ten Vor­kriegs­grö­ßen wie dem 1999 ver­stor­be­nen Schau­spie­ler, Thea­ter­di­rek­tor und Lie­der­ma­cher Jens Book-Jen­sen sowie der Miss Nor­we­gen 1962, Bea­te Bre­vik, befand sich unter ande­ren die zwei­ma­li­ge Euro­vi­si­ons­re­prä­sen­tan­tin Nora Brock­stedt im Line-up und stell­te neben dem viert­plat­zier­ten Titel ‘Drøm­mek­jo­len’ (‘Traum­kleid’, ein für ein­ge­fleisch­te Grand-Prix-Fans durch­aus abend­fül­len­des The­ma) auch das mit deut­li­chem Punk­te­ab­stand sieg­rei­che Chan­son ‘Solv­herv’ (‘Som­mer­son­nen­wen­de’) vor.

Mona, die Schwe­din’ ali­as Ani­ta Thall­aug beim ESC-Auf­tritt in London.

Den­noch woll­te Nora das Lied nicht in Lon­don prä­sen­tie­ren. Offi­zi­ell, weil sie auf­grund einer bereits fest gebuch­ten, gemein­sa­men Tour­nee mit Jens Book-Jen­sen kei­ne Zeit für den Euro­vi­si­ons­ab­ste­cher habe (war­um mach­ten die Bei­den dann beim MGP mit?), tat­säch­lich aber wohl eher, weil sie genau das vor­her­sah, was dann tat­säch­lich ein­trat: ihre Mit­be­wer­be­rin Ani­ta Thall­aug, die der NRK an ihrer Stel­le ent­sand­te, kehr­te als ers­te nor­we­gi­sche Künst­le­rin mit Nul Points vom gro­ßen Wett­be­werb nach Hau­se zurück. Weder Brock­stedt noch Thall­aug nah­men den Titel jemals auf Plat­te auf, ledig­lich die Zweit­be­set­zung des Lie­des im MGP, Jan Høi­land (†2017), ver­öf­fent­lich­te es. Und natür­lich flopp­te die über­aus lah­me Num­mer auch auf dem Hei­mat­markt kom­plett. Thall­aug, ein ehe­ma­li­ger Kin­der­star, wel­che 1957 die für dama­li­ge Ver­hält­nis­se skan­da­lös-frei­zü­gi­ge Haupt­rol­le einer dro­gen­süch­ti­gen Nackt­tän­ze­rin in dem schwe­disch-ame­ri­ka­ni­schen B‑Movie Blon­din i Fara (Blon­de in Bon­da­ge, in Deutsch­land unter dem däm­li­chen Titel Mona, die Schwe­din) gespielt hat­te, und der nach ihrem Euro­vi­si­ons­auf­tritt kei­ne Hits mehr gelin­gen woll­ten, zog sich Mit­te der Sech­zi­ger aus der Öffent­lich­keit zurück und ver­öf­fent­lich­te erst wie­der 1998, zu ihrem sech­zigs­ten Geburts­tag, ein Jazzalbum.

Ein wenig frei­zü­gi­ger als beim ESC: Ani­ta in ihrer Titelrolle.

Vor­ent­scheid NO 1963

Melo­di Grand Prix. Sonn­tag, 10. Febru­ar 1963, aus den NRK-Fern­seh­stu­di­os in Oslo. Sechs Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Odd Grythe.
#Interpret:inInterpret:inSong­ti­telJuryPlatz
01Jens Book-Jen­senRay AdamsVi slen­tret langs en vår­lig Sti543
02Nora Brock­stedtAni­ta ThallaugDrøm­mek­jo­len504
03Jan Høi­landNora Brock­stedtSolh­verv811
04Ani­ta ThallaugBea­te BrevikAdjø405
05Ray AdamsJens Book-Jen­senJak­teskip­pe­ren592

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