Ein Lied für Dub­lin 1971: Es ist schön auf ihr

Katja Ebstein, DE 1971
Die Öko­lo­gi­sche

Wun­der gibt es immer wie­der’ – und im Vor­jahr war tat­säch­lich eines gesche­hen: erst­mals in der bis­he­ri­gen, bereits ein Vier­tel­jahr­hun­dert wäh­ren­den Grand-Prix-Geschich­te konn­te die in Ber­lin auf­ge­wach­se­ne Kat­ja Ebstein für das bis dato beim inter­na­tio­na­len Wett­sin­gen eher glück­los agie­ren­de und im Schnitt nur sehr mäßig erfolg­rei­che Deutsch­land einen (bron­ze­nen) Medail­len­platz errin­gen. Und, um das Glück per­fekt zu machen, zudem noch mit einem Titel, der beim Publi­kum wie bei der Kri­tik glei­cher­ma­ßen gro­ßen Anklang fand. Der sei­ner­zei­ti­ge Grand-Prix-Ver­ant­wort­li­che Hans-Otto Grü­ne­feldt vom Hes­si­schen Rund­funk wit­ter­te ver­ständ­li­cher­wei­se Mor­gen­luft und buch­te die sich selbst wohl eher als Chan­son­niè­re mit gesell­schafts­po­li­ti­schem Anspruch ver­ste­hen­de Schla­ger­sän­ge­rin mit der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Welt­ver­bes­se­re­rin­nen­at­ti­tü­de in die­sem Jahr gleich fest. Wie man sieht, folg­te das Lena-Dop­pel im Jah­re 2011 also einem his­to­ri­schen Vor­bild, und nicht dem Schlechtesten!

Ebstein, Ebstein, alles muss ver­steckt sein: die könig­li­che Kat­ja bestritt den deut­schen Vor­ent­scheid 1971 voll­kom­men alleine.

Die klu­ge Kat­ja sah natür­lich ihre Chan­ce, ihre durch den Euro­vi­si­on Song Con­test fun­dier­te Kar­rie­re durch einen erneu­ten pro­mi­nen­ten TV-Auf­tritt zu fes­ti­gen und sag­te ger­ne zu. Um die ein­fluss­rei­chen Lob­by­ver­bän­de zufrie­den zu stel­len, durf­ten ihr sechs bekann­te und in der Stan­des­ver­tre­tung orga­ni­sier­te Schla­ger­kom­po­nis­ten jeweils ein Lied auf den schlan­ken Leib schrei­ben. Die Ebstein sang sie in Zwei­er­blö­cken weg, in den Umklei­de­pau­sen unter­bro­chen von einer neu­er­li­chen bri­ti­schen Tanz­for­ma­ti­on, die – hek­tisch durch das Stu­dio wir­belnd – für einen inter­na­tio­na­len Touch sorg­te. Auch der hip­pe Far­ben­rausch des Vor­jah­res fei­er­te sei­ne Rück­kehr, wobei man die wil­den Licht­pro­jek­tio­nen dies­mal im Blue­screen­ver­fah­ren hin­ter die Sän­ge­rin schnitt, wäh­rend die­se vor der Stu­dio­wand stand und mit – je nach per­sön­li­cher Zunei­gung zum Titel – mehr oder min­der star­kem Ein­satz performte.

Die­se Welt: in einem garan­tiert nicht aus Bio-Baum­woll­fa­ser her­ge­stell­ten Dress sin­nier­te Kat­ja über die Fol­gen der Umweltzerstörung.

Als weni­ger hipp erwies sich die Mode­ra­ti­on von Gün­ther Schramm, der sich zwar alle Mühe gab, sen­der­seits jedoch gezwun­gen wur­de, das Publi­kum mit stun­den­lan­gen, schul­meis­ter­li­chen Beleh­run­gen zum The­ma Kom­po­nis­ten­wett­be­werb und zur Punk­te­ver­ga­be zu lang­wei­len. Wie dünn­häu­tig und unent­spannt der ver­an­stal­ten­de Hes­si­sche Rund­funk mit der Show umging, zeig­te ein Zwi­schen­fall: Schramm muss­te auf Wei­sung des hr-Jus­ti­ti­ars noch in der lau­fen­den Sen­dung sei­ne unbe­dach­te Bemer­kung prä­zi­sie­ren, die Juror:innen säßen im Neben­stu­dio, wo sie ihre Wer­tung “abstim­men” wür­den: natür­lich nicht unter­ein­an­der, wie *hüs­tel* bös­wil­li­ge Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker mut­ma­ßen könn­ten, son­dern nur mit sich selbst! Nicht, dass es wie­der Mani­pu­la­ti­ons­vor­wür­fe gibt! “Bevor man die­se Sen­dung mode­riert, hat man bes­ser Jura stu­diert”, so der generv­te Seuf­zer Schramms.

Alle Men­schen will sie fra­gen, die Kat­ja. Da hat sie aber gut zu tun!

Über­haupt, die Wer­tung: in Anleh­nung an das beim Haupt­wett­be­werb prak­ti­zier­te Ver­fah­ren durf­ten erst­mals neben fünf ARD-Fern­seh­un­ter­hal­tungs­chefs auch fünf “musik­in­ter­es­sier­te Lai­en”, alle unter 25 Jah­ren, gleich­be­rech­tigt mit­vo­ten. Damit soll­te, ganz im Sin­ne des zeit­los gül­ti­gen Wil­ly-Brandt-Mot­tos “mehr Demo­kra­tie wagen”, die Stim­me der auf­rüh­re­ri­schen Jugend Berück­sich­ti­gung fin­den. Natür­lich trug der nur bedingt wage­mu­ti­ge hr jedoch durch die Aus­wahl Vio­li­ne spie­len­der Musik­stu­den­tin­nen für das Lai­en­gre­mi­um dafür Sor­ge, dass die­se bloß nicht all zu auf­rüh­re­risch aus­fal­len möge. Um so bemer­kens­wer­ter, dass die Wahl gene­ra­ti­ons­über­grei­fend auch bei den älte­ren Juro­ren auf den ein­zi­gen poli­ti­schen Bei­trag fiel: den die Umwelt­ver­schmut­zung anpran­gern­den und die über alle Maßen Res­sour­cen ver­nich­ten­de Lebens­wei­se der Indus­trie­staa­ten in Fra­ge stel­len­den Öko-Schla­ger ‘Die­se Welt’, ein musi­ka­lisch wie inhalt­lich packen­des, qua­li­ta­tiv her­aus­ra­gen­des Stück. Oder, wie Kat­ja es lako­nisch for­mu­lier­te: “Wir wuss­ten, wir lie­fer­ten kei­nen Schrott ab”. Wohl wahr!

…auf der Welt”: unter­halb des gan­zen Pla­ne­ten tut’s die Ebstein nicht!

Die rest­li­chen fünf Songs des Abends ver­moch­ten da nicht mit­zu­hal­ten, selbst wenn sie text­lich das belieb­te Schla­ger­the­ma “Lie­be” vom übli­chen Klein­klein des Zwi­schen­mensch­li­chen zum All­ge­mein­platz mit glo­ba­lem Anspruch auf­blie­sen. So wie bei­spiels­wei­se ‘Alle Men­schen auf der Erde’, die Kom­po­si­ti­on von Ebsteins dama­li­gem Ehe­mann und Pro­du­zen­ten Chris­ti­an Bruhn, wel­che die Sän­ge­rin per­sön­lich selbst­re­dend favo­ri­sier­te, wie sie spä­ter im Inter­view mit Jan Fed­der­sen zugab. Auch der sonst so pro­gres­si­ve Ton­set­zer Horst Jan­kow­ski (‘Ein Hoch der Lie­be’, DE 1968) lie­fer­te dies­mal mit ‘Es wird wie­der geschehn’ musi­ka­lisch arg kon­ven­tio­nel­le Ware. Um nicht unge­recht zu erschei­nen: sol­che Aus­nah­me­ti­tel wie ‘Wun­der gibt es immer wie­der’ und ‘Die­se Welt’ schrei­ben sich halt nicht im Dut­zend. In den Charts reich­te es für den auch heu­te noch nichts von sei­ner Aus­sa­ge­kraft ein­ge­büßt haben­den Öko-Song erneut für Rang 16.

Leben von der Lie­be: wenn das die Bun­des­re­gie­rung hört, kürzt sie gleich wie­der den Hartz-Vier-Regel­satz! (Plus Play­list mit allen sechs Titeln)

Vor­ent­scheid DE 1971

Ein Lied für Dub­lin. Sams­tag, 27. Febru­ar 1971, aus dem Sen­de­stu­dio des Hes­si­schen Rund­funks in Frank­furt am Main. Eine Teil­neh­me­rin, Mode­ra­ti­on: Gün­ter Schramm. Zehn­köp­fi­ge Jury.
#Inter­pre­tinSong­ti­telJuryPlatzCharts
01Kat­ja EbsteinDer Mensch lebt von der Liebe2705-
02Kat­ja EbsteinAlle Men­schen auf der Erde370216
03Kat­ja EbsteinEs wird wie­der geschehn2804-
04Kat­ja EbsteinDie­se Welt430116
05Kat­ja EbsteinIch bin glück­lich mit Dir2506-
06Kat­ja EbsteinIch glau­be an die Lie­be auf der Welt3702-

Ebstein, Ebstein, alles muss ver­steckt sein: wel­cher der sechs Songs wäre Dein Lied für Dub­lin gewesen?

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< Ein Lied für Ams­ter­dam 1970

Ein Lied für Edin­burgh 1972 >

4 Comments

  • Wie man im obi­gen you­tube-Clip sehen kann scheint bei dir etwas durch­ein­an­der gera­ten zu sein. Von Horst Jan­kow­ski ist ‘Es wird wie­der gesche­hen’. ‘Ich glau­be an die Lie­be auf der Welt’ ist von Hans Blum, wie man hin­ter Herrn Schramm auf der Wer­tungs­ta­fel lesen kann. 😉

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