Deut­scher Vor­ent­scheid 1993: Und was kam dann?

Münchener Freiheit, DE 1993
Die Jam­mer­lap­pen

Schicht im Schacht: nach den bla­ma­blen Euro­vi­si­ons­er­geb­nis­sen der Vor­jah­re, durch­gän­gig schlech­ter Pres­se und kaum noch mess­ba­ren Ein­schalt­quo­ten ver­lor die ARD erkenn­bar die Lust am Grand Prix. Eine kost­spie­li­ge und kri­tik­träch­ti­ge öffent­li­che Vor­ent­schei­dung spar­te man sich daher. Statt­des­sen gab die sei­ner­zeit ver­ant­wort­li­che Zonen­an­stalt MDR, ver­mut­lich unter tat­kräf­ti­ger Mit­hil­fe des Schwes­ter­sen­ders Baye­ri­scher Rund­funk, den in den Acht­zi­ger­jah­ren sehr erfolg­rei­chen Deutsch­pop­pern von der Mün­che­ner Frei­heit (‘Ohne Dich [schlaf ich heut’ Nacht nicht ein]’) die Gele­gen­heit, sich mit einer Euro­vi­si­ons­teil­nah­me ihr eige­nes Grab zu schau­feln. Die Band um Mas­ter­mind Ste­fan Zau­ner gehör­te zu den weni­gen Über­le­ben­den des Pop­phä­no­men­tsu­na­mis der Neu­en Deut­schen Wel­le, in deren spä­ten Aus­läu­fern sie zunächst mit zeit­ge­mäß syn­t­hie­las­ti­gen New-Wave-Sounds (‘Ich steh’ auf Licht’) mit­schwim­men konn­te. Nach dem Ende des kurz­le­bi­gen NDW-Hypes gelang es ihr, sich mit einem eigen­stän­dig-unver­wech­sel­ba­ren Mix aus augen­zwin­kernd koket­ten Tex­ten (“In sei­di­gen Blu­sen / der Stadt­me­du­sen / so luf­tig, dass ein Hauch sie hebt / ent­ste­hen Lücken / wenn sie sich bücken / ich spü­re, wie es in mir bebt”) und har­mo­nie­star­ken, im Lau­fe der Jah­re immer orches­tral-pom­pö­ser aus­fal­len­den Melo­die­bö­gen eine brei­te Fan­ba­sis zu erarbeiten.

So heiß’ fan­den die Jungs vor allem sich selbst: nie­mand in der deut­schen Pop­ge­schich­te topp­te jemals den selbst­ver­lieb­ten Schlaf­zim­mer­blick des blon­den Gitar­ris­ten Aaron Stro­bel (Reper­toire­bei­spiel).

Doch nach einer Rei­he von Top-Hits mit schlüpf­ri­gen Hös­chen­stür­mern wie ‘Tau­send­mal Du’ oder dem kleb­ri­gen ‘So lang man Träu­me noch leben kann’ (ein Titel wie direkt aus der Kli­schee­fa­brik von Bernd Mei­nun­ger) schien ihr Ver­falls­da­tum so lang­sam abge­lau­fen. Zwar zeig­ten sie sich mit ihrem 1988er Kli­ma­wan­del-Schla­ger ‘So heiß (dass alles ver­brennt)’, der knapp drei Deka­den spä­ter in einer Cover­ver­si­on als Titel­mu­sik einer tra­shi­gen RTL-2-Show Wie­der­auf­er­ste­hung fei­ern soll­te, damals ihrer Zeit sehe­risch weit vor­aus. Den­noch muss­ten sie mitt­ler­wei­le zuneh­mend mit den unte­ren Charträn­gen Vor­lieb neh­men. Ledig­lich ihre im Vor­jahr ver­öf­fent­li­che, vom ehe­ma­li­gen Neue-Deut­sche-Wel­le-Sur­fer Hubert Kah geschrie­be­ne Sin­gle ‘Lie­be auf den ers­ten Blick’ konn­te als Titel­me­lo­die einer zügig wie­der abge­setz­ten, gleich­na­mi­gen ZDF-Kup­pel­show mit der SWF-3-Mode­ra­ti­ons­le­gen­de Elmar Hörig noch ein aller­letz­tes Mal die Top 20 kna­cken, danach ging es jedoch erneut auf rasan­te Tal­fahrt. Und so grif­fen die Mün­che­ner dank­bar für die Grand-Prix-Chan­ce zu. Doch ‘Viel zu weit’ am Euro­vi­si­ons-Sieg vor­bei, näm­lich auf dem acht­zehn­ten Rang, ver­en­de­te ihr wei­ner­li­ches, vio­lin­sat­tes Lied­chen. Eben­so wie (auf #53 in den Sin­gle­charts) ihre wei­te­re Karriere.

Wei­ßes Rau­schen und Genu­schel: die Mün­che­ner Freiheit.

Deut­sche Vor­ent­schei­dung 1993

Mei­ne Show. 15. April 1993, Sen­de­stu­dio des MDR, Leip­zig. Ein Teil­neh­mer, Mode­ra­ti­on: Dag­mar Fre­de­rik (Songvor­stel­lung im Rah­men der TV-Show).

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1 Comment

  • Live sin­gen Ich war in den 80ern mal ein gro­ßer Fan der Münch­ner Frei­heit, bis ich sie wäh­rend einer Tour­nee live erle­ben durf­te. Von Anfang an kam mir etwas selt­sam vor und ich wuß­te, irgend­was stimmt nicht. Beim Lied Nr. 4 wur­de es mir plötz­lich klar: Das gan­ze Kon­zert war Voll­play­back. Danach war die Band für mich gestor­ben, schließ­lich hat­te ich für ein Live-Kon­zert ein Hau­fen Geld bezahlt und fühl­te mich betro­gen. Ihr ESC-Auf­tritt konn­te daher nur ein Fias­ko wer­den, da muß man halt live singen.

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