ESC-Fina­le 1997: Ich brauch was Größeres

Logo des Eurovision Song Contest 1997
Das Coming Out

In die­sem Jahr fand die bei­na­he unum­kehr­bar geglaub­te iri­sche Sie­ges­se­rie ihr abrup­tes Ende. Auch wenn es  für Marc Roberts und sei­ne ‘Mys­te­rious Woman’ noch zu einem zwei­ten Platz reich­te: 70 Punk­te Abstand zum Sie­ger spra­chen eine deut­li­che Spra­che. Und das soll­te erst der Anfang sein! Nach dem Quo­ten- und Finanz­de­sas­ter des Vor­jah­res, bedingt durch das unfrei­wil­li­ge Aus­schei­den Deutsch­lands, begann hin­ter den Kulis­sen ein fol­gen­rei­ches Umge­stal­ten. Auf­grund hin­hal­ten­den Wider­stands der Grand-Prix-Tra­di­tio­na­lis­ten kamen die drin­gend not­wen­di­gen Refor­men zwar nur scheib­chen­wei­se – auf­zu­hal­ten waren sie aber nicht mehr.

Vier mal dabei, bit­te nicht wie­der­wäh­len: der bis­lang letz­te Con­test aus Irland.

So galt ab sofort die Big-Four-Rege­lung, wonach die vier[ref]Mit sei­ner Rück­kehr 2011 erwei­ter­te sich die­ser pri­vi­le­gier­te Kreis um Italien.[/ref] finanz- und zuschau­er­stärks­ten Län­der Frank­reich, Groß­bri­tan­ni­en, Spa­ni­en und Deutsch­land auto­ma­ti­sches Start­recht genie­ßen. Von den übri­gen Teil­neh­mer­staa­ten durf­ten die 20 mit dem bes­ten Punk­te­durch­schnitt seit 1993 (plus Gast­ge­ber Irland) ran, um das erneut auf 25 Start­plät­ze auf­ge­stock­te Feld nicht zu über­schrei­ten. Auf frei­wil­li­ger Basis ver­ga­ben erst­mals die deutsch­spra­chi­gen Län­der sowie Schwe­den und das Ver­ei­nig­te König­reich ihre Län­der­punk­te per Tele­vo­ting. Auch das ohne­hin immer weni­ger genutz­te Orches­ter war nicht mehr ver­pflich­tend. Nur die Spra­chen­re­gel ließ sich (noch) nicht kna­cken, und so gab es wie­der eini­ge krea­ti­ve Anstren­gun­gen aus den benach­tei­lig­ten Län­dern, die­se zu umge­hen. Lag es nun an die­sen ers­ten Reform­schrit­ten oder war die Zeit ohne­hin reif für einen fri­sche­ren Euro­vi­si­ons­sound? Denn eine neue Ära brach in die­sem Jahr an: das gol­de­ne Zeit­al­ter der von mir heiß gelieb­ten Ethno-Disco.

Auch ein von Her­zen kom­men­des ‘Da ba da ba dam’ hat im Schla­ger durch­aus sei­ne Berech­ti­gung! (CY)

Im Dop­pel­pack eröff­ne­ten die Pio­nie­re des neu­en Sounds den Abend. Für Zypern gin­gen die Geschwis­ter Hara und Andre­as Kon­stan­ti­nou an den Start. Ihr patrio­ti­sches ‘Mana mou’ kreuz­te grie­chi­sche Folk­lo­re­ele­men­te mit trei­ben­den Dis­co­beats und einer unwi­der­steh­li­chen, auch für Nicht­grie­chen pho­ne­tisch mit­singba­ren Hook­li­ne sowie uni­ver­sell ver­ständ­li­chen Text­zei­len wie “tam tabad­a­ba­d­am tabad­a­ba­d­am”. Ein­zig der mit sei­ner Ein­au­gen­braue den gän­gi­gen mit­tel­eu­ro­päi­schen Schön­heits­stan­dards nicht ganz ent­spre­chen­de Andre­as ver­hin­der­te wohl einen bes­se­ren als den für Zypern den­noch her­vor­ra­gen­den fünf­ten Platz. Die größ­te Über­ra­schung folg­te gleich im Anschluss: Şeb­nem Paker (TR 1996) sang erneut für die Tür­kei, beglei­tet von der pas­send benann­ten Grup­pe Etnic. ‘Din­le’ (‘Lau­sche’), for­der­ten sie die Zuschau­er auf – zu Recht! Auch die Tür­ken misch­ten lan­des­ty­pi­sche Klän­ge mit trei­ben­den Per­cus­sions und einem mit­rei­ßen­den Arran­ge­ment. Das war gran­di­os – und zum all­ge­mei­nen Erstau­nen kam das bis­lang immer unter “fer­ner lie­fen” gelis­te­te Land mit dem moderns­ten und bes­ten Song des Abends auf einen sen­sa­tio­nel­len drit­ten Platz.

End­lich lausch­te Euro­pa! (TR)

Dann folg­te erst mal wie­der viel Durch­schnitt. Der wie eine Test­per­son für Vali­um auf­tre­ten­de Tor End­re­sen erklampf­te sich mit dem selbst geschrie­be­nen Frü­her-war-alles-bes­ser-Schla­ger ‘San Fran­cis­co’ (das eben­so­we­nig in Nor­we­gen liegt wie das 1990er ‘Bran­den­bur­ger Tor’) ein gerech­tes Null-Punk­te-Ergeb­nis. Bet­ti­na Sori­at, die im Vor­jahr noch so aus­ge­las­sen zum öster­rei­chi­schen Gos­pel des Nuss­baum­er­schorschs tanz­te, beklag­te sich, dass auf ihrem “High­way” “schon lan­ge kein Ver­kehr” mehr statt­fin­de. Nach­voll­zieh­bar, wenn man die Kli­mak­te­ri­ums­sch­ab­ra­cke in ihrem metal­lic­blau­en, bauch­frei­en Aero­bic­top so ver­zwei­felt auf der Büh­ne her­um­hop­sen sah. Liebs­te Bet­ti­na, ers­tens: Nicki[ref]Der Stoff, nicht die Schlagersängerin![/ref] mag als Mate­ri­al viel­leicht noch für Kin­der­schlaf­an­zü­ge durch­ge­hen, kei­nes­falls jedoch für Büh­nen­out­fits. Zwei­tens: es ist kei­ne Schan­de, nicht über einen Wasch­brett­bauch zu ver­fü­gen. Aber dann hal­te das wel­ke, blei­che Well­fleisch bit­te nicht auch noch unbe­deckt in die Kame­ras. So kriegst Du nie­man­den auf Dei­nen High­way – schon gar nicht mit einem “unge­deck­ten Scheck”!

Bat­man = bad lovin’? Kein Wun­der, der steht auch eher auf sei­nen But­ler als auf Frau­en! (AT)

Die Nie­der­lan­de setz­ten ihre Rei­he ger­ia­tri­scher Bei­trä­ge fort. ‘Nie­mand heeft nog Tijd’, ihnen auch nur zehn Minu­ten zuzu­hö­ren, bedau­er­ten fünf auf­ge­trie­del­te Haus­frau­en aus dem Ste­pae­ro­bick­urs der Volks­hoch­schu­le (hat­ten sich da etwa die Euro­cats [DVE 1996] ein­ge­schli­chen?). Den­noch falsch, Mrs. Ein­stein: noch nicht mal drei Minu­ten will sich das frei­wil­lig jemand antun! Das eigent­lich schon längst aus­ge­stie­ge­ne Ita­li­en ver­pass­te eine Abmel­de­frist (!) und sah sich nun zur Ver­mei­dung einer Ver­trags­stra­fe gezwun­gen, den San-Remo-Gewin­ner, die Grup­pe Jalis­se, nach Dub­lin zu prü­geln. Die wie die Jung­frau zum Kind gekom­me­nen Euro­vi­si­ons­ver­tre­ter stan­den vor dem Pro­blem, ihren ‘Strom der Wor­te’ (kann man das Kli­schee noch schö­ner bestä­ti­gen?) von vier­ein­halb auf die euro­vi­si­ons­kon­for­men drei Minu­ten ein­zu­damp­fen. Klang trotz­dem klas­se und reich­te noch mal für einen vier­ten Platz. Den­noch ward des Deut­schen liebs­tes Urlaubs­land erst wie­der 2011 beim Con­test gese­hen: ver­mut­lich ent­deck­te man bei der RAI zwi­schen­zeit­lich die Wie­der­vor­la­ge­funk­ti­on von Outlook.

Fabio Ric­ci hät­te ruhig öfters im Bild sein dür­fen! (IT)

Die mit gro­ßen Hoff­nun­gen ange­tre­te­ne und auch von den Buch­ma­chern favo­ri­sier­te Bian­ca Shom­burg wirk­te in dem mit fri­scher, für Euro­vi­si­ons­ver­hält­nis­se gera­de­zu pro­gres­si­ver Musik­wa­re bestück­ten Wett­be­werbs­um­feld auf ein­mal ent­setz­lich bie­der und ver­staubt. Die ‘Zeit’ für sol­che bom­bas­ti­schen Sie­gel-Schnul­zen war nun end­gül­tig abge­lau­fen, wie der Kom­po­nist dem ernüch­tern­den Ergeb­nis (Platz 18) den­noch nicht zu ent­neh­men bereit war. Noch schlech­ter erging es der Por­tu­gie­sin Célia Law­son. Ihr anspie­lungs­rei­ches ‘Antes do Ade­os’ genießt unter den Ami­nas (den Con­nais­seu­ren des Anspruchs­vol­len und Außer­ge­wöhn­li­chen) hohes Anse­hen. An Caro­las wie mir, die beim Grand Prix ein­gän­gi­gen Pop hören wol­len, rauscht die drö­ge Num­mer jedoch kom­plett vor­bei. Anschei­nend weil­ten die Ami­nas bei der Jury­ab­stim­mung gera­de alle auf dem Klo: Célia kas­sier­te null Punk­te, wor­auf­hin sie in ihrem Hei­mat­land in Ungna­de fiel. Wie Tim Moo­re her­aus­fin­den muss­te, erhol­te sie sich von die­sem Schock nie so wirk­lich: bei einem Inter­view für sein Buch über Nil­poin­ter sponn Frau Law­son die wirrs­ten Ver­schwö­rungs­theo­rien (die Illu­mi­na­ti oder so was in der Grö­ßen­ord­nung, sie habe da ganz bri­san­te Bewei­se) und zeig­te gene­rell erschre­cken­de Sym­pto­me von Realitätsverlust.

Hat­te sie da Vod­ka im Mikro­fon ver­steckt? (RU)

Unter Rea­li­täts­ver­lust schien auch Russ­lands Super­star Alla Pugat­scho­wa zu lei­den. Um sich zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, wel­chen kul­tu­rel­len Sta­tus die damals 48jährige jen­seits des Eiser­nen Vor­hangs inne­hat und wie ernst es die Rus­sen mein­ten: ihre Teil­nah­me am Euro­vi­si­on Song Con­test ist in etwa mit der Vor­stel­lung ver­gleich­bar, Groß­bri­tan­ni­en hät­te Paul McCart­ney zum Grand Prix ent­sandt. Ver­ständ­lich, dass die ‘Pri­ma­don­na’ ernst­haft erwar­te­te, mit ihrer schwer­mü­ti­gen, selbst­re­fe­ren­ti­el­len Bal­la­de über eine altern­de Büh­nen­di­va die Kro­ne zu holen. Doch da konn­te das ein wenig an eine auf­ge­schwemm­te Ali­ce Schwar­zer erin­nern­de Büh­nen­wrack so oft “Bra­vo, Pri­ma­don­na, bra­vo!” rufen, wie sie woll­te – außer ihr tat das kei­ner, denn hier im Wes­ten kann­ten sie die Wenigs­ten. Allei­ne nach Hau­se gehen muss­te auch der däni­sche Hip-Hop­per Kølig Kaj. Der bebrill­te, beleib­te, bär­ti­ge, blon­de Kas­per brach­te sein Han­dy mit auf die Büh­ne und such­te nun bei der himm­li­schen Part­ner­ver­mitt­lung nach der ‘Stim­me in mei­nem Leben’. Die Jurys fan­den bei sich kaum eine, die sie ihm mit­ge­ben wollten.

Die Hose! *bauch­halt* *lach­trä­nen­ab­wisch* *auf­dem­Bo­den­roll* (DK)

Wäh­rend Ungarn und Schwe­den mit lach­haf­ten Boy­band-Imi­ta­tio­nen unter­gin­gen, ent­schied sich Kroa­ti­en für eine ört­li­che Vari­an­te der Spi­ce Girls namens Eni. Das Land litt wohl sehr unter den Kriegs­fol­gen: die Mädels muss­ten sich ihre spär­li­chen, augen­krebs­bun­ten Plas­te­fum­mel offen­sicht­lich im Alt­klei­der­con­tai­ner vor dem Point Theat­re zusam­men­klau­en. Selbst bei der Cho­reo­gra­fie pass­te nichts zuein­an­der. Über die stimm­li­chen Leis­tun­gen der vier Gra­zi­en wol­len wir gnä­dig die Leg­ging des Schwei­gens brei­ten. Nicht aber über den Text von ‘Pro­du­bi me’, der nur spär­lich ver­hüll­ten Auf­for­de­rung zum mor­gend­li­chen Bei­schlaf (“Ich brauch was Grö­ße­res, um mei­ne Träu­me zu ver­ja­gen”). Womit sie eine Tra­di­ti­on fort­setz­ten: auch Mary Roos for­der­te in der eng­li­schen Fas­sung ihres Grand-Prix-Erfol­ges von 1972 bereits: “Take me ear­ly in the Mor­ning”.

Anna, komm zum Mis­ter”: Tan­ja Ribič (SI).

Es kam aber auch Klas­si­sches vom Bal­kan. Für Slo­we­ni­en prä­sen­tier­te Tan­ja Ribič eine wun­der­schö­ne, schmach­tend kit­schi­ge Sehnsuchtsballade[ref]Und lie­fer­te ein vor­treff­li­ches Bei­spiel dafür, war­um ich den Ost­zu­wachs beim Grand Prix so begrü­ße: auf deutsch (eng­lisch, fran­zö­sisch) gesun­gen, müss­te ich so eine Num­mer natür­lich als hoff­nungs­los alt­mo­disch gei­ßeln und für den Con­test ableh­nen. Auf slo­we­nisch (ser­bisch, bos­nisch, kroa­tisch), wo ich nichts ver­ste­he, kann ich mich in dem Schmalz aber hem­mungs­los und guten Gewis­sens (Stich­wort: mul­ti­kul­tu­rell) suh­len. Ist das nicht prima?[/ref] auf der Suche nach dem Traum­prin­zen, dem sie ihre Jugend (lies: Unschuld) opfern woll­te. Anna Maria Jop­ek füg­te sich naht­los in die Rei­he der stimm­star­ken Polin­nen. Ihr ‘Ale jes­tem’ war um Klas­sen zu gut für den Grand Prix: text­lich her­aus­ra­gend, musi­ka­lisch span­nend; fröh­lich, ohne flach zu sein sowie mit anste­cken­der Freu­de und Hin­ga­be dar­ge­bo­ten. In der beim ESC zele­brier­ten Gesell­schaft des Spek­ta­kels muss­te das selbst­re­dend unter­ge­hen. Bevor Grie­chen­land 2001, dem tür­ki­schen Bei­spiel fol­gend, auf Eth­no-Dis­co umschwenk­te (und das sehr erfolg­reich!), zog es hier noch mal alle Kli­schee­re­gis­ter. ‘Horep­se’ (‘Tanz’) war­te­te mit gleich zwei Bouz­ou­kis, Flö­ten­be­glei­tung, klas­si­schen Klän­gen und einer bild­schö­nen, eine anmu­ti­ge Han­do­gra­phy vor­füh­ren­den, Sängerin[ref]Die durf­te nach Anga­ben von Nul Points! nur des­we­gen nach Dub­lin, weil das grie­chi­sche Fern­se­hen für den eigent­lich aus­ge­wähl­ten Song, ‘An den aga­pis­sis den tha aga­pis­si’ einen ande­ren Sän­ger woll­te als den Kom­po­nis­ten Dimosthe­nis String­lis, den Schöp­fer des hel­le­ni­schen Bei­trags von 1993. String­lis woll­te sein Baby nicht aus der Hand geben – und muss­te in Athen bleiben.[/ref]auf. Und die hieß auch noch Mari­an­na Zor­ba! Grie­chi­scher, da wer­den Sie mir sicher zustim­men, geht es wohl kaum!

Guck mal, Fin­ger­schel­len. Wie die Tür­ken! (GR)

Kat­ri­na & the Waves, denen seit ‘Wal­king on Suns­hi­ne’ 1985 kein wei­te­rer Hit mehr gelun­gen war, ver­such­ten mit einem ursprüng­lich als Erken­nungs­me­lo­die für die Sama­ri­ter geschrie­be­nen Lied beim Grand Prix ihr Come­back. Das fiel kurz, aber ful­mi­nant aus. ‘Love shi­ne a Light’ erwies sich als dezent ange­rock­te Welt­frie­dens­hym­ne von bei­na­he israe­li­scher Qua­li­tät: per­fekt dazu geeig­net, die Feu­er­zeu­ge und Wun­der­ker­zen im Takt mit­zu­schwen­ken und sich fried­voll, fröh­lich und als rund­her­um guter Mensch zu füh­len. Ein Erd­rutsch­sieg war die Beloh­nung. Her­vor­zu­he­ben ist Kat­ri­na Les­ka­nichs les­ben­ty­pi­sche Trink­fes­tig­keit: es war lus­tig mit­an­zu­se­hen, wie sie sich wäh­rend der Punk­te­aus­zäh­lung im Green Room par­al­lel zum immer deut­li­cher wer­den­den Sieg fröh­lich mit Sekt zuschüt­te­te. Den­noch gelang ihr die Sie­ger­re­pri­se! Obwohl sich die Sin­gle gut ver­kauf­te – Top Ten in Groß­bri­tan­ni­en, Öster­reich, Skan­di­na­vi­en und den Bene­lux­län­dern, aber nur Rang 62 in den deut­schen Charts – lös­te sich die Band schon kur­ze Zeit spä­ter auf. Kat­ri­na ver­such­te es 2005 noch mal beim schwe­di­schen Melo­di­fes­ti­valen und konn­te bei der 50-Jahr-Fei­er Con­gra­tu­la­ti­ons in Kopen­ha­gen ihr Talent als Mode­ra­to­rin unter Beweis stellen.

Besteht, wie ‘Hal­le­lu­jah’ auch, aus­schließ­lich aus Refrain: Kat­ri­nas Feel­good­song (UK)

Als Mark­stein für die Grand-Prix-Geschich­te ent­pupp­te sich aber der letz­te Act des Abends: der Islän­der Paul Oscar war der ers­te offen – und vom deut­schen Kom­men­ta­tor Peter Urban auch nach­drück­lich so ange­kün­dig­te – schwu­le Sän­ger beim Euro­vi­si­on Song Con­test. Gut, bei sei­nem flam­boy­an­ten Auf­tre­ten, dem las­zi­ven Räkeln auf dem eigens bereit gestell­ten Pop­so­fa und den extra­va­gan­ten Rin­gen an sei­nen Fin­gern ließ sich das auch schwer­lich über­se­hen! ‘Min hin­ns­ti Dans’, das Abschieds­lied einer vom gla­mou­rö­sen Leben über­sät­tig­ten Diva, zeig­te eine enge the­ma­ti­sche Ver­wandt­schaft mit Allas ‘Pri­ma­don­na’, war sti­lis­tisch jedoch Wel­ten ent­fernt. Zum laut wum­mern­den Tech­n­obeat zog Paul, umgos­sen von Gespie­lin­nen in schwar­zem PVC, sei­ne auf­re­gen­de Show vom abdan­ken­den Star ab.

Da dürf­te man­chem mal­te­si­schen Mutt­chen der Mund offen gestan­den haben (IS)

Der Song war zwar sper­rig und lan­de­te auf einem abge­schla­ge­nen zwan­zigs­ten Platz. Den­noch ver­schaff­te er damit dem seit jeher von Schwu­len beson­ders geschätz­ten Wett­be­werb – unse­rer Euro­pa­meis­ter­schaft – end­lich das ganz offi­zi­el­le Coming-Out! Und revo­lu­tio­nier­te, ganz neben­bei, noch die Show. Denn nach die­ser kla­ren Kampf­an­sa­ge an die ver­staub­te Schla­ger­se­lig­keit (à la Bian­ca Shom­burg) konn­te beim Grand Prix ein­fach nichts mehr so blei­ben, wie es war!

Euro­vi­si­on Song Con­test 1997

Euro­vi­si­on Song Con­test. Sams­tag, 3. Mai 1997, aus dem Point Theat­re in Dub­lin, Irland. 25 Teil­neh­mer­län­der, Mode­ra­ti­on: Car­rie Crow­ley und Ronan Keating.
#LandInter­pretTitelPunk­tePlatz
01CYHara & Andre­as KonstantinouMana mou09805
02TRŞeb­nem Paker + EtnicDin­le12103
03NOTor End­re­senSan Fran­cis­co00024
04ATBet­ti­na SoriatOne Step01221
05IEMarc RobertsMys­te­rious Woman15702
06SITan­ja RibičZbu­di se06010
07CHBar­ba­ra BertaDen­tro di me00523
08NLMrs. Ein­steinNie­mand heeft nog Tijd00522
09ITJalis­seFiumi di Parole11404
10ESMar­cos LlunasSin Ren­cor09606
11DEBian­ca ShomburgZeit02219
12PLAnna Maria JopekAle jes­tem05411
13EEMaar­ja-Liis IlusKee­latud Maa08208
14BAAlma Čar­džićGood­bye02218
15PTCélia Law­sonAntes do adeus00024
16SEBlondBara hon äls­kar mig03614
17GRMari­an­na ZorbaHorep­se03912
18MTDebbie Scer­riLet me fly06609
19HUVIPMiért kell, hogy elmenj?03913
20RUAlla Pugat­scho­waPri­ma­don­na03315
21DKKølig KajStem­men i mit Liv02516
22FRFan­ny TorresSen­ti­ments Songes09507
23HREniPro­bu­di me02417
24UKKat­ri­na & the WavesLove shi­ne a Light22701
25ISPaul OscarMinn hin­sti dans01820

3 Comments

  • Spit­ze! Einer der bes­ten, wenn nicht DER bes­te Song Con­test über­haupt. Bei Frau Law­son muss ich dem Autor aller­dings ganz mas­siv Kon­tra geben: tol­les Lied, das nur auf­grund des mur­meln­den Matrix-Hin­ter­grund­chors in den Orkus der Null­punk­ter geschos­sen wur­de. Tür­kei, Ita­li­en, Est­land, Zypern: alle­samt Titel, die nur dank Hur­ri­kan Kat­ri­na nicht an der Spit­ze lan­den konn­ten. In ande­ren Jah­ren hät­ten die­se Lie­der Chan­cen gehabt (hät­te Maar­ja nicht bis 2001 war­ten kön­nen? Dann wäre uns die­ser Kin­der­fa­sching namens ‘Every­bo­dy’ erspart geblieben…).

  • Jah­re später…Ich habe mal aus Spaß die Ergeb­nis­se die­ses Con­tests in eine Excel­ta­bel­le ein­ge­tra­gen und mal nach­ge­schaut, wer eher bei den Tele­vo­tern ankam. Resul­tat? Island hat 16 sei­ner 18 Punk­te von Tele­vo­ting-Län­dern erhal­ten. Will ich dar­über nach­den­ken, was da hät­te pas­sie­ren kön­nen, wenn alle Län­der ihre Zuschau­er hät­ten ent­schei­den lassen?

  • Die BIG4-Rege­lung galt im Übri­gen erst ab 2000. Im den 3 Jah­ren zuvor muss­ten auch die­se Län­der sich durch den Punk­te­durch­schnitt qua­li­fi­zie­ren. Inte­res­an­ter Aspekt: Für den ESC 1998 war Deutsch­land eigent­lich gar nicht qua­li­fi­ziert, weil es um einen Platz zu schlecht war, nur die Tat­sa­che, dass Ita­li­en sich zurück­zog und Deutsch­land nach­rück­te, sorg­te für die Teil­nah­me. Guil­do Horn wür­de wohl kei­ner ken­nen und das gro­ße Inter­es­se am ESC wäre nicht schlag­ar­tig gekom­men, son­dern etwas langsamer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert