ESC-Fina­le 1999: Don’t work on a Monday

Logo des Eurovision Song Contest 1999
Das Jahr der dicken Dinger

In die­sem Jahr gelang es dem NDR-Ver­ant­wort­li­chen Jür­gen Mei­er-Beer nach meh­re­ren Anläu­fen, mit dem Weg­fall der über­kom­me­nen Spra­chen­re­gel und des Orches­ters die bei­den letz­ten Bau­stei­ne sei­ner Grand-Prix-Reform durch­zu­set­zen und den Con­test so – kurz vor der Jahr­tau­send­wen­de – end­lich in die pop­mu­si­ka­li­sche Gegen­wart zu über­füh­ren. Die Teil­neh­mer nutz­ten die neue lin­gu­is­ti­sche Frei­heit weid­lich: jeder zwei­te Bei­trag kam auf Eng­lisch daher, der Welt­spra­che des Pop. Das war und ist in eini­gen Fäl­len scha­de (Bal­kan­bal­la­den klin­gen in einem der zahl­rei­chen sla­wi­schen Dia­lek­te ein­fach ein­dring­li­cher), manch­mal bes­ser (die Mit­singbar­keit lei­det im Hebräi­schen oder Islän­di­schen nun mal), sorg­te aber vor allem dafür, dass nicht mehr, wie zuletzt, auto­ma­tisch Irland oder Groß­bri­tan­ni­en gewin­nen. End­lich ech­te Chancengleichheit!

Wie als Gegen­re­de auf die von vie­len Fans befürch­te­te sprach­li­che Gleich­schal­tung des Wett­be­werbs wähl­te gleich die ers­te Star­te­rin des Abends, Eis­tee Ais­té Smil­ge­vičiū­tė, für ihr skur­ri­les Lied­chen über die ‘Straz­das’ (‘Dros­sel’), die sich piep­send über ihre ver­eis­ten Zehen beklagt, einen aus­ster­ben­den, von weni­ger als 500.000 Men­schen gespro­che­nen litaui­schen Dia­lekt, das Žemai­ti­sche. Lei­der blieb von ihrem Auf­tritt vor allem der Ein­druck haf­ten, dass man im Bal­ti­kum mit der Kie­fer­or­tho­pä­die etwas hin­ter­her­hängt. Die Spa­nie­rin Lydia Rodrí­guez Fernán­dez trug als Kon­zes­si­on an die schwu­le Fan­ge­mein­de eine zum Kleid umge­ar­bei­te­te Regen­bo­gen­fah­ne. Das ver­wirr­te die hete­ro­se­xu­el­len Fern­seh­zu­schau­er, die glaub­ten, das Test­bild zu sehen und ver­zwei­felt den Stö­rungs­dienst rie­fen, um die Far­ben an ihrem Gerät wie­der ein­stel­len zu las­sen. So zog die sanf­te Bal­la­de ‘No quie­ro escuchar’ unge­hört an ihnen vor­über: mit nur einem Punkt kas­sier­te sie unver­dient die Rote Later­ne. Viel­leicht lag es auch dar­an, dass Lydia offen­sicht­lich Micky Maus in ihrem Aus­schnitt ver­steck­te, des­sen (ver­ständ­li­cher­wei­se) rote Ohren nun aus dem Dekol­le­té lugten.

Jede Far­be ist schön: Lydia (ES)

Zur Höchst­form lief Kroa­ti­en auf: Dani­je­las Trick­kleid vom Vor­jahr top­pend, kam Doris Dra­go­vić (YU 1986) zunächst in einer wei­ßen Toga auf die Büh­ne. Als sie die­se abpell­te, stock­te einem schier der Atem: ihr Sling-Kleid, das aus nichts als ein paar stra­te­gisch plat­zier­ten, schma­len Tex­til­strei­fen bestand, war der­ma­ßen eng genäht (vor allem über der schmerz­haft hoch­ge­quetsch­ten Milch­fa­brik), dass man jede Sekun­de mit einer Kata­stro­phe rech­nen muss­te. Zumal das pas­send zum Auf­tritts­ort gewähl­te, kraft­vol­le Bibel­dra­ma ‘Mari­ja Mag­da­le­na’ von der Sän­ge­rin den vol­len Ein­satz der Lun­gen ver­lang­te. Und sie schmiss sich mit zahl­rei­chen inbrüns­tig into­nier­ten “Ahaaaaaa­haaaaaaa­haaaaaaaa“s auch rich­tig ins Zeug! Die EBU zog den Kroa­ten zwar nach­träg­lich ein Drit­tel ihrer Punk­te ab, weil sich auf ihrem Back­ing Track ver­bots­wid­rig auch Stim­men befan­den. Das änder­te aber nichts am vier­ten Platz[ref]Der Abzug erfolg­te im Nach­hin­ein und galt auch nur für die Berech­nung des Fünf-Jah­re-Punk­te­durch­schnitts, der wie­der­um als Grund­la­ge für die Teil­nah­me oder Rele­ga­ti­on im Fol­ge­jahr fun­gier­te. In der offi­zi­el­len Ergeb­nis­ta­bel­le die­ses Abends blieb der Punk­te­stand unangetastet.[/ref] – und das war unge­recht, denn es hät­te der ers­te sein müssen!

Who­ops, Dra­go­vic: Hof­fent­lich platzt da nix! (HR)

Das Quin­tett Pre­cious, eine der unge­fähr acht Mil­lio­nen bri­ti­scher Spi­ce-Girls-Kopien, erträl­ler­te sich mit ‘Say it again’ einen ent­täu­schen­den zwölf­ten Rang und das Kar­rie­re­en­de. Sie über­sa­hen, dass bei allen Regel­än­de­run­gen beim Grand Prix wei­ter­hin live gesun­gen wer­den muss. Und das konn­ten die Fünf halt lei­der nicht. Zumin­dest nicht syn­chron: es schien, als habe jede der Damen eine ande­re Melo­die im Kopf. Dar­ja Šva­j­gers (SI 1995‘For a thousand Years’ (nein, kein Lied über das Drit­te Reich), an sich eine schö­ne Bal­kan­bal­la­de, litt etwas unter dem eng­li­schen Text und dem post­gel­ben Kleid der slo­we­ni­schen Sän­ge­rin. Nor­we­gen ver­such­te sich an RnB, was auch das Büh­nen­out­fit des Sän­gers, Kom­po­nis­ten und Tex­ters Stig André Van Eijk ver­deut­li­chen soll­te, der mit zwei schwar­zen Bal­ken im Gesicht, Rasta­löck­chen und einem Bulls-Base­ball-Shirt in XXL den Ein­druck eines US-ame­ri­ka­ni­schen Hip-Hop­pers vor­zu­täu­schen such­te. Die bra­ven Hemd­kra­gen­zip­fel, die unter sei­ner Gangs­ter­ver­klei­dung her­vor­lug­ten, kon­ter­ka­rier­ten die­ses Unter­fan­gen jedoch auf desas­trö­se Wei­se. ‘Living my Life wit­hout you’: ger­ne, Stig!

Das Mus­ter­bei­spiel einer Text-Bild-Sche­re (DK)

Eher unglaub­wür­dig auch die Dar­bie­tung des däni­schen Duos Tri­ne Jep­sen und Micha­el Teschl. ‘This Time I mean it’  san­gen die Bei­den – nur dass der laus­bu­ben­haft gut­aus­se­hen­de Teschl die arme Tri­ne kaum eines Bli­ckes wür­dig­te und bei zag­haf­ten Annä­he­rungs­ver­su­chen ihrer­seits so weit abrück­te, wie es sein Stand­mi­kro­fon gera­de noch eben zuließ. Das sorg­te in den schwu­len Fan­blö­cken in der Hal­le sicher für fro­he Hoff­nungs­sze­na­ri­en, half dem seicht plät­schern­den Lied­chen aber nicht wirk­lich wei­ter. Frank­reich erwei­ter­te sei­ne musi­ka­li­sche Welt­rei­se auf das All: sei­ne Ver­tre­te­rin Nayah[ref]Die bür­ger­lich auf den Namen Syl­vie Mest­re Hören­de ver­such­te es 2015 ver­geb­lich beim Schwei­zer Inter­net-Vor­ent­scheid, wo sie sich zur Unsterb­li­chen stilisierte.[/ref] war nicht nur angeb­lich Mit­glied in einer an UFOs glau­ben­den Sek­te; sie wirk­te mit ihrem afri­ka­ni­schen Schmuck, der ihren Hals auf knapp zwei Meter zu ver­län­gern schien, und ihrem sehr ange­streng­ten Gesichts­aus­druck ein biss­chen so wie eines der hin­ter­häl­ti­gen Ali­ens aus dem Spiel­film Mars attacks!. Dass sie, wie sie sang, ster­bend ihre Stim­me geben woll­te, erschien da eher als Dro­hung: Platz 19, ein für die Gal­li­er erschüt­tern­des Ergeb­nis. Hol­land schick­te die ers­te von zwei Mar­lay­nes (wie immer mit einem net­ten Pop­song, den man ger­ne im Auto­ra­dio wie­der­hö­ren woll­te); Polen eine sin­gen­de Kar­tof­fel namens Mie­tek Kon­so­nan­ten-Amok­lauf, der ange­strengt und anstren­gend vor sich hin knödelte.

All out of Geschmack: Sel­ma und die Win­ter­män­tel des Grau­ens (IS)

Sel­ma Björns­dot­tír (IS 2005) war ‘All out of Luck’. Zwar brach­te die Musi­cal­sän­ge­rin für ihren pop­pi­gen Durch­hal­te­schla­ger, in dem sie for­der­te, man sol­le am Sonn­tag nicht schla­fen und am Mon­tag nicht arbei­ten (oder anders­rum, völ­lig egal) zwei put­zi­ge Tän­zer mit, ver­steck­te die­se jedoch in schlamm­far­be­nen, boden­lan­gen Win­ter­män­teln. Auch Sel­mas Kla­mot­ten­kom­bi­na­ti­on aus Plas­te-Hän­ger­chen und Leg­gings in schlim­men Pas­tell­far­ben trüb­te ihren Auf­tritt deut­lich, wes­we­gen es nur für den zwei­ten Rang reich­te. Für nicht enden wol­len­de Debat­ten in Fan­zir­keln sorgt noch heu­te der vor­letz­te Platz für die zwei­te Mar­lain des Abends, die Angeli­dou aus Zypern. Ihr ‘Tha’ne ero­tas’ ist auf CD ein mit­tel­präch­ti­ges Dis­co­lied­chen, live hin­ge­gen klang es, nicht zuletzt auf­grund der sub­op­ti­ma­len Ton­tech­nik des israe­li­schen Fern­se­hens, stel­len­wei­se schrill. Zudem irri­tier­ten die vie­len Haar­clips, die ihr das Aus­se­hen einer noch nicht fer­tig aus­ge­pack­ten Schau­fens­ter­pup­pe ver­lie­hen, und der reich­lich auf­ge­tra­ge­ne Glit­ter im Dekol­le­té, der am Bild­schirm aus­sah wie eine Schweiß­la­che. Ohne Fra­ge: mit ihren zwei Pünkt­chen ist Mar­lain unter­be­wer­tet. Den­noch gab es in der Geschich­te des Euro­vi­si­on Song Con­test ein Fül­le wesent­lich schlim­me­rer Fehl­ur­tei­le. Zum Bei­spiel der ers­te Platz in die­sem Jahr.

Kein Gla­mour trotz Glit­ter: Mar­lain (CY)

Die schwe­di­sche Teil­neh­me­rin Char­lot­te Nils­son (heu­ti­ger Name Per­rel­li, was in sei­ner Asso­zia­ti­on zu Auto­rei­fen sehr viel pas­sen­der erscheint) gab im Vor­feld der Ver­an­stal­tung eine von vie­len Jour­na­lis­ten besuch­te PR-Tour durch die his­to­ri­sche Alt­stadt des Aus­tra­gungs­or­tes, an die sich der deut­sche Kom­men­ta­tor Peter Urban (hete­ro­se­xu­ell) so erin­nert: “Sie kön­nen sich über­haupt nicht vor­stel­len – blond, gros­ser Vor­bau, tol­le Aus­strah­lung – was die für ein Auf­se­hen erregt hat, obwohl sie ihr Dekol­le­té bedeckt hat­te. Aber das mach­te ja alles nur noch deut­li­cher. War das groß­ar­tig!”. Grand-Prix-Exper­te Jan Fed­der­sen (homo­se­xu­ell) spricht hin­ge­gen eher mit Grau­sen dar­über, “als Char­lot­te Nils­son ihren Kör­per wie eine Mari­en­fi­gur durch die Alt­stadt von Jeru­sa­lem schob”. Die fleisch­ge­wor­de­ne Bar­bie­pup­pe konn­te außer mit ihren gro­ßen Hupen und lan­gen, blon­den Haa­ren auch mit einem kraft­vol­len Ohr­wurm namens ‘Take me to your Hea­ven’ punk­ten, der klang, als sei er aus den Archi­ven von Björn und Ben­ny geklaut. Eine ast­rei­ne Abba-Kopie, dar­über herrscht außer­halb Schwe­dens völ­li­ge Einig­keit. Und wie schon 1974 konn­te sich die Num­mer aus dem Stand durch­set­zen. Wenn auch nicht kom­mer­zi­ell: die Deut­schen ver­schmäh­ten die Sin­gle kom­plett, klei­ne­re Chart­no­tie­run­gen folg­ten ledig­lich in den Nie­der­lan­den (#23 NL; #5 BE) und bei den Wikin­gern (#23 UK, #10 NO, #2 SE).

Bil­lig, ey, da steht Euro­pa drauf: Char­lot­te Nils­son (SE)

Einen opti­schen und stim­mungs­mä­ßi­gen Kon­tra­punkt set­zen die Mul­lans. Augen­schein­lich hat­te sich Char­lot­te, von den nei­di­schen Irin­nen im Vor­feld als “Por­no­dar­stel­le­rin” beschimpft, aus Rache kurz vor ihrem Auf­tritt mit dem ent­setz­lich öden ‘When you need me’ mit der Nagel­sche­re über ihre Klei­der her­ge­macht. Dem­entspre­chend ange­pisst blick­ten die bei­den Schwes­tern in die Kame­ras. Die­ser Auf­tritt ver­mit­tel­te mir eine Ahnung davon, wes­we­gen sich in man­chen Kul­tu­ren Men­schen vor dem “bösen Blick” fürch­ten. Nach einer Tran­se im Vor­jahr ent­zück­ten die Gast­ge­ber die schwu­len Fans dies­mal mit einer lecke­ren Boy­group (Eden), aus wel­cher der israe­li­sche Ver­tre­ter von 2006, Eddie But­ler, und sein Bru­der Gabri­el her­aus­sta­chen. Mit dem Kib­buz-Dis­co-Stück ‘Hap­py Bir­th­day’ setz­ten sie erfolg­reich auf die mitt­ler­wei­le paten­tier­te Kom­bi­na­ti­on aus hebräi­schen Stro­phen und eng­li­schem Refrain. Sei­ne tou­ris­mus­träch­ti­ge Eigen­schaft als Mit­tel­meer­in­sel beton­te Mal­ta, in dem das euro­vi­si­ons­en­thu­si­as­ti­sche Eiland drei Meer­jung­frau­en (Times Three) schick­te, die sich in Fet­zen von mit Fisch­schup­pen­mus­ter bedruck­ter Alu­fo­lie ein­wi­ckel­ten. Immer­hin eine von den Drei­en konn­te auch sin­gen, die bei­den ande­ren stan­den zu ‘Belie­ve ’n Peace’ deko­ra­tiv her­um, wäh­rend der Hin­ter­grund­chor den Job erledigte.

Der alte Mann und das Meer: Hari Mata Hari (BA) teil­ten das Schick­sal mit Corin­na May (DE)

Anders als in Deutsch­land, wo Sie­gel wegen der schä­bi­gen Erschlei­chung sei­ner ‘Rei­se nach Jeru­sa­lem’ im Zuge der Dis­qua­li­fi­ka­ti­on Corin­na Mays (DE 2002) nicht wohl­ge­lit­ten war und wo nie­mand die Plat­te kau­fen woll­te, ging sein Kal­kül in Jeru­sa­lem auf. Um die Ein­schlei­me­rei auf die Spit­ze zu trei­ben, ließ er sei­ne Cas­ting­band Sür­priz nicht nur auf deutsch, eng­lisch und tür­kisch, son­dern die Schluss­zei­le gar auf hebrä­isch sin­gen. Dazu leg­ten die Sechs einen Kranz in der Gedenk­stät­te für die Holo­caust-Opfer nie­der und fühl­ten sich pflicht­ge­mäß schul­dig für die deut­schen Ver­bre­chen der Nazi­zeit, obschon sie als Ein­wan­de­rer­kin­der damit nichts zu tun hat­ten. Respekt: das nen­ne ich Inte­gra­ti­on! Mit je zwölf Punk­ten aus der Tür­kei und Isra­el kam Sie­gel auf einen über­ra­schen­den drit­ten Platz. Auch der gro­ße Dino Mer­lin (BA 2011) pro­fi­tier­te vom Vor­ver­öf­fent­li­chungs­ver­bot: eigent­lich hat­te die Band Hari Mata Hari (BA 2006) die bos­ni­sche Vor­ent­schei­dung gewon­nen. Deren Mas­ter­mind Hajru­din Vareša­no­vić hat­te den Titel ‘Starac i More’ jedoch zwei Jah­re zuvor bereits nach Finn­land ver­kauft, wo er auch ver­öf­fent­licht wur­de. Ein pflicht­be­wuss­ter Fano­rak petz­te bei der EBU und Hajru­din muss­te zu Hau­se blei­ben. Dino rück­te nach.

Fran­zö­sisch für Anfän­ger: Les Voy­a­ge­urs (BA)

Er brach­te einen wun­der­bar skur­ri­len und hin­ter­grün­di­gen Bei­trag mit und über­rasch­te auch optisch. Die ihn sän­ge­risch beglei­ten­de Fran­zö­sin Béa­tri­ce Pou­lut erschien toll fri­siert und in einem auf­wän­di­gen Abend­kleid. Ihrem Kom­po­nis­ten, Lebens­ge­fähr­ten und Duett­part­ner hat­te bei der Ein­rei­se wohl der Sicher­heits­dienst der El Al vor­sichts­hal­ber (Bos­ni­er = ver­mut­lich Mus­lim) den Kof­fer gesprengt. So muss­te der arme Teu­fel unra­siert und im bereits tage­lang getra­ge­nen, aus­ge­lei­er­ten Pul­li auf die Büh­ne. Wun­der­schön jedoch der phi­lo­so­phisch-dada­is­ti­sche Refrain ihres hin­rei­ßend instru­men­tier­ten Lie­des: in bes­tem Schul­buch­fran­zö­sisch kon­ju­gier­ten die Zwei die Hilfs­ver­ben “sein” und “haben” durch. “Ils sont, elles sont – les Voy­a­ge­urs” (“Sie sind die Rei­sen­den”), aber “Nous avons, vous avez – la Mai­son” (“Wir haben, ihr habt ein Haus”): ein in simp­le Wor­te ver­pack­ter Pro­test­song gegen die hart­her­zi­ge euro­päi­sche Asyl­po­li­tik, gera­de im Licht der Flücht­lings­strö­me auf dem kriegs­ge­schüt­tel­ten Balkan?

Der bes­te Euro­vi­si­ons-Pau­sen­act aller Zei­ten: Dana und der Tanz der Keksdosen

Der isrea­li­sche Rund­funk gestal­te­te den letz­ten, freund­li­cher­wei­se wie­der auf 23 Start­plät­ze gekürz­ten Con­test des alten Jahr­tau­sends aus­ge­spro­chen wür­dig. Als Post­kar­ten fun­gier­ten lus­ti­ge Car­toon-Real­film-Geschich­ten, basie­rend auf bibli­schen Moti­ven. Vor­jah­res­sie­ge­rin Dana Inter­na­tio­nal (IL 1998, 2011) begeis­ter­te zunächst als Pau­sen­act: bis zur Unkennt­lich­keit auf­ge­bre­zelt, leg­te sie mit gefühlt zwei Mil­lio­nen Tänzer/innen vor den Mau­ern der Hei­li­gen Stadt zu einer Neu­be­ar­bei­tung von Stevie Won­ders ‘Free’ eine der­ma­ßen spek­ta­ku­lä­re Cho­reo­gra­fie hin, dass den Göt­tern min­des­tens drei­er Welt­re­li­gio­nen der Atem gestockt haben dürf­te. Noch groß­ar­ti­ger gestal­te­te sich aber ihre Über­ga­be des Sie­ger­po­kals an Char­lot­te Nilsson.


(1:05 Min, Char­lot­te denkt): “Ver­dammt, die Alte stiehlt mir die Show!”

Dana nahm den offen­bar sehr schwe­ren Pokal, lief los, schwank­te, strau­chel­te – und schlug der Län­ge nach hin! Ein auf­ge­reg­tes Durch­ein­an­der auf der Büh­ne folg­te: die Kame­ras rich­te­ten sich auf die gestürz­te ‘Diva’ und “der Mos­sad” (Ter­ry Wogan) sprang her­bei, ihr wie­der auf­zu­hel­fen. Dana ver­schwand her­nach bis über bei­de Ohren grin­send hin­ter den Kulis­sen, wäh­rend die eigent­lich zu ehren­de Char­lot­te Nils­son völ­lig unbe­ach­tet her­um­stand und vor Wut koch­te. Trotz die­ses sehr lus­ti­gen Unfalls ende­te der Abend ver­söhn­lich: alle teil­neh­men­den Künst­ler ver­sam­mel­ten sich nach der Sie­ger­re­pri­se noch­mals auf der Büh­ne und stimm­ten gemein­sam ‘Hal­le­lu­jah’ an. Das hat­te Schön­heit und Größe!

Euro­vi­si­on Song Con­test 1999

Euro­vi­si­on Song Con­test. Sams­tag, 29. Mai 1999, aus dem ICC in Jeru­sa­lem, Isra­el. 23 Teil­neh­mer­län­der, Mode­ra­ti­on: Daf­na Dekel, Sig­al Shaha­mon & Yigal Ravid.
#LandInter­pretTitelPunk­tePlatz
01LTAis­tė SmilgevičiūtėStraz­das01320
02BEVanes­sa ChinitorLike the Wind03812
03ESLydia Rodrí­guez Fernández No quie­ro escuchar00123
04HRDoris Dra­go­vićMari­ja Magdalena11804
05UKPre­ciousSay it again03813
06SIDar­ja ŠvajgerFor a thousand Years05011
07TRTuğ­ba Önal + MistikDön artık02116
08NOStig André Van Eijk Living my Life wit­hout you03514
09DKMicha­el Teschl + Tri­ne JepsenThis Time I mean it07108
10FRNayahJe veux don­ner ma Voix01419
11NLMar­lay­neOne good Reason07109
12PLMie­tek SzcześniakPrzy­tul mnie mocno01718
13ISSel­ma BjörnsdóttirAll out of Luck14602
14CYMar­lain AngelidouTha ’ne Erotas00222
15SEChar­lot­te NilssonTake me to your Heaven16301
16PTRui Band­ei­raComo tudo começou01221
17IEMul­lansWhen you need me01817
18ATBob­bie SingerReflec­tion06510
19ILEdenHap­py Birthday09305
20MTTimes ThreeBelie­ve ’n peace03215
21DESür­prizRei­se nach Jerusalem14003
22BADino Mer­lin + Béa­tri­ce PoulutPut­ni­ci08607
23EEEve­lin SamuelDia­mond of the Night09006

8 Comments

  • Geschenk­pa­pier für alle! Eigent­lich kein schlech­tes Jahr (bes­ser als 98 jeden­falls, auch wenn das nichts sagt). Die Spa­nie­rin ver­dient beson­de­re Beach­tung: ent­we­der ist das eine Rol­le Geschenk­pa­pier in XXXXL (ja, ich besit­ze eine Rol­le Geschenk­pa­pier, die genau so aus­sieht, bis hin zur Farb­fol­ge!), oder die Spa­ni­er haben Reme­di­os Ama­yas Dusch­vor­hang von 1983 gefärbt und noch­mal auf­tra­gen las­sen. Immer für einen Lacher gut. Genau wie die litaui­sche Wer­tung (wie war das noch, fal­schrum gehal­ten oder so ähn­lich?) und Char­lot­te ‘Zom­bie’ Nils­son (gut, damals sah sie noch halb­wegs brauch­bar aus. Rui­niert hat sie sich erst für 2008 – inklu­si­ve der Beleuch­tung in der ers­ten Minu­te.), a.k.a. ‘die gei­le Schwe­din vom letz­ten Jahr’ (dan­ke an Ste­fan Raab!)

  • hi Mari­ja Mag­da­le­na war das BES­TE Lied 1999! Scha­de das sie nicht gewon­nen hat­te:( ein­fach geil das Lied:) Was meinst du mit dem 1/3 Punk­te abzie­hen? Stimmt das wirk­lich oder war das nur aus­ge­dacht? lg pasi

  • Nein, das ist kein Scherz. Kroa­ti­en ver­wen­de­te uner­laub­ter­wei­se Back­ground-Stim­men vom Band und ließ sich dabei erwi­schen, des­halb wur­de für die dama­li­ge Fünf­jah­res­be­rech­nung, wer rele­giert wird, ein Drit­tel der Punk­te des Lan­des nicht gezählt. Ich neh­me an, das wird die Inspi­ra­ti­on für die Web­site Who­ops Dra­go­vic gewe­sen sein.

  • Bit­te nicht schon wie­der: die Vide­os hats zer­legt, das You­tube-Kon­to exis­tiert nicht mehr. Ich krieg Deja Vu.

    Und ich möch­te hier mal auf eine Teil­neh­me­rin hin­wei­sen, die ein wirk­lich schö­nes Lied im Pro­gramm hat­te, das lei­der vom ver­gif­te­ten Start­platz ins Ren­nen ging: Vanes­sa Chi­ni­tor aus Bel­gi­en. Aus die­sem (eher schwa­chen) Jahr­gang inzwi­schen mein Lieblingstitel. 

     

  • Ich hab da auch so nen Bei­trag, der mei­ner Mei­nung nach total unter­be­wer­tet wur­de: “Dön Artik” von Tug­ba Önal – einer der bes­ten tür­ki­schen Bei­trä­ge überhaupt!
    Ein tol­ler Eth­no-Klop­per mit einem fan­tas­ti­schen Orches­ter-Intro und einer fähi­gen, wun­der­hübsch anzu­se­hen­den Sängerin.
    Das die Num­mer mit schlap­pen 21 Punk­ten und Platz 16 sogar von der Dia­spo­ra (Aus­nah­me: Deutsch­land) links lie­gen gelas­sen wur­de, wäh­rend Hadi­se zehn Jah­re spä­ter mit dem weit­aus schwä­che­ren Abklatsch 177 Punk­te und fast nen Medail­len­rang gewann lässt mich immer noch erstaunt zurück.

  • Dan­ke, vor­läu­fig repa­riert. Die­ses Kanä­le-Löschen kotzt mich an!
    Was Vanes­sa angeht: sor­ry, zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz.

  • Nicht nur bei dir scheint mir. Das Ani­mie­ren ist auch ande­ren schon zum Ver­häng­nis gewor­den. Die Künst­ler soll­ten sich immer bewusst sein, dass sie zwar in einer Hal­le auf­tre­ten, die Punk­te aber vom TV-Zuschau­er kom­men. UNd am BIld­schirm wirkt so etwas eher verzweifelt.

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