Fes­ti­vali i Kën­ges 45: Jeder Ton ist wie ein Stein

Mit Nie­der­la­gen umzu­ge­hen, will gelernt sein. Nicht ganz so gut gelang das bei der 45. Aus­ga­be des alba­ni­schen Fes­ti­vali i Kën­ges der Fami­lie Koçi. Deren damals erst fünf­zehn­jäh­ri­ge, mit gro­ßen Hoff­nun­gen ange­tre­te­ne Toch­ter Gre­ta berei­cher­te das Teil­neh­men­den­feld der wie immer drei­tä­gi­gen Vor­ent­schei­dung heu­er mit einem hüb­schen, druck­vol­len Tur­bo­folks­chla­ger namens ‘Eja Zemër’ (‘Komm, Herz’) und schaff­te es auch in das sams­täg­li­che, einen Tag vor Hei­lig­abend aus­ge­tra­ge­ne Fina­le. Dort jedoch setz­te die sie­ben­köp­fi­ge Jury sie auf Rang 5. Was wir auch des­we­gen wis­sen, weil der ver­an­stal­ten­de Sen­der RTSH ent­ge­gen der sons­ti­gen Gepflo­gen­hei­ten die Punk­te­re­sul­ta­te in einem sel­te­nen Anfall von Trans­pa­renz voll­stän­dig ver­öf­fent­lich­te. Half nichts: vor lau­ter Ent­täu­schung brach Gre­ta noch auf der Büh­ne in bit­te­re Trä­nen aus, wäh­rend ihre mit ange­reis­te, hoch­gra­dig erzürn­te Mut­ter den im Saal anwe­sen­den Juror:innen vor Wut glü­hend die Levi­ten lies und sie der Kor­rup­ti­on und der Inkom­pe­tenz zieh. Nun mag man ein sol­ches Ver­hal­ten leicht­hin unter der Rubrik “schlech­te Ver­lie­rer” sub­su­mie­ren. Ande­rer­seits zählt die all­ge­gen­wär­ti­ge per­sön­li­che Vor­teils­nah­me gera­de im Land der Ski­pe­ta­ren seit jeher zu den größ­ten gesell­schaft­li­chen Pro­ble­men und gehö­ren ent­spre­chen­de Vor­wür­fe zwar einer­seits mit zur Folk­lo­re des FiK, müs­sen aber auch nicht unbe­dingt immer jeg­li­cher Grund­la­ge entbehren.

Stumpf ist Trumpf: hier Gre­tas FiK-Auf­tritt, von der Plat­ten­fir­ma bei You­tube ein­ge­stellt und offen­sicht­lich mit der Stu­dio­fas­sung ihres Tur­bo­folk­fe­gers unterlegt.

In Gre­tas Fall dürf­te das Ergeb­nis jedoch ver­mut­lich eher mit dem Unwil­len der abstim­men­den, oft­mals lebens­äl­te­ren Jury­mit­glie­der zu tun gehabt haben, das Land auf euro­päi­scher Büh­ne von einer Musik­rich­tung ver­tre­ten zu las­sen, die sich auf dem gesam­ten Bal­kan zwar gro­ßer Beliebt­heit erfreut, von Vie­len jedoch als prol­lig und kul­tu­rell min­der­wer­tig wahr­ge­nom­men wird und von der man sich um kei­nen Preis der Welt reprä­sen­tiert sehen möch­te. Der klas­si­sche Gene­ra­tio­nen­kon­flikt also, der sich im Vor­jahr bereits an der Ent­sen­dung von der aus dem sel­ben Gen­re stam­men­den Seve­ri­na Vuč­ko­vić für Kroa­ti­en ent­zün­det hat­te. Und so optier­te man heu­er in Tira­na mit knapp ein­ein­halb­fa­chem Stim­men­vor­sprung für den größt­mög­li­chen Gegen­ent­wurf, der ‘Bal­la­de von den Stei­nen’. Die klang exakt so, wie der Titel es ver­sprach: ton­nen­schwer, sper­rig, zum Stei­ner­wei­chen. Und für den west­eu­ro­päi­schen Musik­kon­su­men­ten unge­fähr so ange­nehm, wie unter einem Berg­rutsch erschla­gen zu wer­den. Alles Elend die­ser Erde barm­te und win­sel­te einen hier an, Gott wur­de ange­ru­fen, Welt­schmerz und Trä­nen her­bei­be­schwo­ren. Also eigent­lich sämt­li­che Zuta­ten zu einer gro­ßen Bal­kan­bal­la­de. Nur stamm­te die­se hier lei­der nicht aus der Feder des sich hier­auf beson­ders gut ver­ste­hen­den ser­bi­schen Groß­meis­ters Žel­j­ko Jok­si­mo­vić, son­dern vom lang­jäh­ri­gen FiK-Stamm­kom­po­nis­ten Adri­an Hila. Und der neigt seit jeher zu einer gewis­sen, den letz­ten Lebens­wil­len rau­ben­den Zähigkeit.

Der Schnell­durch­lauf mit allen 16 Final­ti­teln. Das Gute dabei: es ist rasch vorbei.

Der sei­ner­zeit 46jährige Sän­ger Fre­de­rik Ndo­ci, der 1989 bereits schon ein­mal das FiK für sich ent­schei­den konn­te, nahm sich des Wer­kes an und zele­brier­te es mit aller ihm mög­li­chen Hin­ga­be und inne­ren Ver­sen­kung, was sich vor allem dar­in nie­der­schlug, dass er die meis­te Zeit die Augen geschlos­sen hielt. Oder aber ent­rückt in die Fer­ne blick­te. Das war von einer bei­na­he schon anrüh­ren­den Ernst­haf­tig­keit, die man jedoch lei­der nicht rich­tig wür­di­gen konn­te, da die Läs­ter­schwes­tern unter den Zuschauer:innen wäh­rend­des­sen vor allem die Fra­ge umtrieb, ob das ein – gut gemach­ter – Fif­fi sei, den Herr Ndo­ci da auf dem Kopf spa­zie­ren trug, oder doch sein eige­nes Haupt­haar. Zur opti­schen Lin­de­rung und stimm­li­chen Unter­stüt­zung beglei­te­te Fre­de­riks sei­ner­zei­ti­ge Ehe­frau Aida ihn auf der Büh­ne, erfuhr dabei jedoch zumin­dest in Tira­na kei­ne offi­zi­el­le nament­li­che Erwäh­nung. Anders beim (ein­zi­gen) Semi­fi­na­le in Hel­sin­ki, die­sem bis heu­te berüch­tig­ten Blut­bad, in wel­chem fast drei­ßig Titel um ledig­lich zehn Final­plät­ze ran­gen. Und wo der alba­ni­sche Bei­trag – trotz (oder gera­de wegen) einer eigens vor­ge­nom­me­nen Teil­trans­po­nie­rung des Lied­tex­tes ins Eng­li­sche (als ‘Hear my Plea’) – selbst­re­dend durch­fiel wie ein Stein. Trotz zwei­er wei­te­rer Ver­su­che beim FiK erhielt Ndo­ci dann auch nie wie­der das Ticket zum Euro­vi­si­on Song Contest.


Das Tou­pet als eige­niro­ni­sches State­ment: Fre­de­rik ist ganz weit vorne!

Heu­te, mit weit über einem Jahr­zehnt zeit­li­chen Abstands, kann ich dann auch zuge­ben, dass sich die Stein­bal­la­de mitt­ler­wei­le doch so ein ganz klei­nes biss­chen in mein Herz gespielt hat. Und zwar im Wil­fried’schen Sin­ne: nicht, weil sie gut wäre, son­dern weil sie mich in ihrer kom­plett hoff­nungs­lo­sen, aber auf­rich­ti­gen Ernst­haf­tig­keit und der abso­lu­ten Unver­meid­lich­keit ihres Schei­terns schon wie­der irgend­wo anrührt. Und so lie­fer­te Alba­ni­en mit ‘Hear my Plea’ dann gewis­ser­ma­ßen die ‘Lisa, Mona Lisa’ die­ses Jahr­tau­sends: einen Grand-Prix-Bei­trag, den man nie­mals bis­lang vom ESC unbe­leck­ten Bekann­ten vor­spie­len wür­de, um sie von der Gran­dio­si­tät des Wett­be­werbs zu begeis­tern. Und den man doch, wenn man ihn sich viel­leicht alle sechs Jah­re ein­mal heim­lich anhört, nicht mehr mis­sen möch­te. Obschon mir Gre­ta Koçi dann am Ende natür­lich doch lie­ber gewe­sen wäre.

In Hel­sin­ki erfuhr Aida zwar nament­li­che Erwäh­nung, dafür jedoch misch­te man ihre Stim­me so stark ab, dass man sie kaum wahr­neh­men konn­te. Kein Wun­der, dass die Ehe nicht hielt.

Vor­ent­scheid AL 2007

Fes­ti­vali i Kën­gës 45. Sams­tag, 23. Dezem­ber 2006, aus dem Kon­gress­pa­last in Tira­na, Alba­ni­en. 16 Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Adi Kras­ta, Vesa Luma, Erme­la Teli.
#Inter­pre­tenSong­ti­telJuryPlatz
01Albërie Hadergjo­najTë dua Zemër, ty të dua1011
02Her­sia­na MatmujaAh Jetë, o Jetë!1110
03Mari­za Ikonomi Ku ësh­të Dashuria4903
04Arbër Ara­piNë Fund të Botës1409
05Alban Sken­de­rajEklips3707
06Eli­za HoxhaHaj­de Sonte1011
07Amar­da ArkaxhiuPor ti mos trego4804
08Evis MulaRrë­fim në Mesnatë3906
09Gre­ta KociEja Zemër4005
10Kuj­tim ProdaniKjo ësh­të Jeta0414
11Joni­da MaliqiPa Iden­ti­tet2108
12Rose­la GjylbeguPa ty, pa mua5202
13Sai­mir BrahoMik i Dhimbjes0613
14Besia­na Meh­me­ti + Mus­ta­fa YmeriKepi i shpre­ses se Mirë0315
15Fre­de­rik NdociBala­da e Gurit5501
16Tonin Mar­kuËndrra ime0016

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 25.08.2022

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