ESC-Semi 2007: Wo ist Andorra?

Logo des Eurovision Song Contest 2007 (Finale)
Das Jahr der Damendarsteller

Natür­lich hät­te ich auf die Ent­täu­schung vor­be­rei­tet sein müs­sen. Schließ­lich bin ich lan­ge genug Fan, um zu wis­sen, dass die fie­sen, geschmacks­ge­stör­ten Tele­vo­ter im Semi­fi­na­le immer die bes­ten Songs aus­sor­tie­ren. Gan­ze 28 Län­der tra­ten in die­sem Jahr in der Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de gegen­ein­an­der an, so vie­le wie noch nie seit der Ein­füh­rung der Semis. Ledig­lich zehn Slots für das Fina­le am Sams­tag gab es, aber 16 von mir favo­ri­sier­te Titel, die unbe­dingt hät­ten wei­ter­kom­men müs­sen! Selbst unter Zuhil­fe­nah­me der Fin­ger konn­te ich mir also aus­rech­nen, dass ein Gut­teil mei­ner Lieb­lin­ge auf der Stre­cke blei­ben werden.

Das här­tes­te Blut­bad der Euro­vi­si­ons­ge­schich­te: das Semi­fi­na­le 2007.

Auch wuss­te ich aus den Vor­jah­ren, dass beim Semi in West­eu­ro­pa fast aus­schließ­lich Immigrant:innen zuschau­en und abstim­men, weil die Sen­der – vor allem in den Big-Four-Län­dern – es als quo­ten­schwa­ches Rand­er­eig­nis in die Spar­ten­ka­nä­le abschie­ben. Und den­noch erwisch­te es mich kalt, dass von mei­nen sech­zehn Favo­ri­ten am Ende gar nur sechs durch­ka­men. Als ich Don­ners­tag­nacht die Hart­wall Aree­na in Hel­sin­ki ver­ließ, hät­te ich vor Wut heu­len kön­nen. Und stimm­te ange­sichts der Tat­sa­che, dass sämt­li­che zehn Fina­lis­ten geo­gra­fisch von rechts der ehe­ma­li­gen Zonen­gren­ze stamm­ten, in die all­ge­mei­ne Weh­kla­ge über den gemei­nen Ost­block mit ein, der die armen kern­eu­ro­päi­schen Län­der rück­sichts­los rausdrängte.

Nata­lia von Baby­strich (MD): ist sie Gra­cia Baurs (DE 2005) ver­heim­lich­te Zwillingsschwester?

Das Lus­ti­ge an der Sache: als das gro­ße Geflen­ne nach dem sams­täg­li­chen Fina­le dann zu Hau­se ein­setz­te, hat­te ich mich schon längst wie­der abge­regt. Und wun­der­te mich, wo all die­se merk­wür­di­gen, nicht nur in der Bou­le­vard­pres­se (“Schum­mel-Grand-Prix”) breit­ge­tre­te­nen Block­vo­ting­theo­rien auf ein­mal her­ka­men. Denn mit dem Ergeb­nis der Abstim­mung im Fina­le war ich – im Gegen­satz zum heu­ti­gen Semi, das aber in Deutsch­land nie­mand sah – ziem­lich ein­ver­stan­den. Es ist nun mal so: der Grand-Prix-Fan sieht einen völ­lig ande­ren Wett­be­werb als der Durch­schnitts­zu­schau­er, obwohl es sich um die sel­be Show han­delt.  Aller­dings: gegen die Titel, die es anstel­le mei­ner Lieb­lin­ge ins Fina­le schaff­ten, hege ich noch heu­te einen tief­sit­zen­den Groll. Wer also im Semi bei­spiels­wei­se für Nata­lia Bar­bu stimm­te anstatt für DQ, soll­te das mir gegen­über im per­sön­li­chen Gespräch bes­ser nicht erwähnen!

Das war ein Was­ser mit viel Koh­len­säu­re: Elit­sa & Sto­jan (BG).

Bul­ga­ri­en spen­dier­te mit ‘Water’ den opti­ma­len Ope­ner. Rus­la­na trifft Xan­dee trifft Sis­tem. Laut, kraft­voll, pep­pig; mit dem rich­ti­gen Mix aus mit­rei­ßen­dem Per­cus­sion-Over­kill, span­nen­den Eth­no­ge­sän­gen und trei­ben­den Tech­n­obeats. Auch sehr hübsch: die Ket­ten­kos­tü­me von Elit­sa Todo­ro­va & Stoyan Yan­kou­l­ov, eine Mischung aus SM-Out­fit und Rit­ter­fest­spie­len. Nur auf Sto­jans ‘Din daa daa’-arti­ge Rapein­la­ge hät­te ich ger­ne ver­zich­tet. Eben­so übri­gens wie auf die aggres­si­ve israe­li­sche Ankla­ge. Die Teapacks brach­ten ein mehr als berech­tig­tes Anlie­gen vor: näm­lich nicht mehr stän­dig die Ziel­schei­be für wir­re Selbst­mord­at­ten­tä­ter und isla­mis­ti­sche Regie­rungs­chefs sein zu wol­len und ein­fach mal in Frie­den gelas­sen zu wer­den. So weit, so ver­ständ­lich. Musi­ka­lisch jedoch nerv­te das stak­ka­to­haf­te Gegrö­le von ‘Push the But­ton’ so sehr, dass ich selbst fast das Bedürf­nis ver­spür­te, den besun­ge­nen Knopf zu drü­cken. Was ich natür­lich nie­mals öffent­lich nie­der­schrei­ben wür­de, denn das wäre poli­tisch unkor­rekt, his­to­risch unsen­si­bel (vgl. Dschinghis Khan) und könn­te leicht zu Miss­ver­ständ­nis­sen führen!

But nevert­hel­ess: Geschmacks­ter­ror ist beim ESC nichts Neu­es (IL).

Auch die legen­dä­re Zypres­se Evri­di­ki brach­te bei ihrem bereits drit­ten Euro­vi­si­ons­auf­tritt mit ‘Com­me ci, com­me ça’ ein fran­zö­sisch gesun­ge­nes Kla­ge­lied, wobei Mut­ter­sprach­lern ob ihrer Aus­spra­che eher die Ohren geblu­tet haben dürf­ten. Sie zeig­te sich deut­lich unpo­li­ti­scher als die Teapacks und beschwer­te sich ledig­lich über ihren vom All­tag (oder dem for­dern­den Lie­bes­spiel?) aus­ge­laug­ten Lover, der ihr nicht mehr genü­gend Auf­merk­sam­keit schenk­te. Sie sah ein biss­chen aus wie Nina Que­er auf Speed, ein wenig ver­lebt aber immer noch extrem hip, was aus­ge­spro­chen gut zum Sound ihres Elec­t­ro-Punk-Lie­des pass­te. Deut­lich geschmei­di­ger wirk­te da der weiß­rus­si­sche James Bond. Okay, Gesang und Aus­spra­che boten Raum zur Opti­mie­rung (“Work your magic Shoe”?). Per­fekt hin­ge­gen die Cho­reo­gra­fie mit ver­schieb- und besteig­ba­ren Stell­wän­den, Kol­duns bis unter den Bauch­na­bel auf­ge­knöpf­tes Hemd und die klei­ne Kreuzigungsszene.

Wäre das Mikro ohne den abge­säg­ten Ple­xi­glas­stän­der nicht ein­fa­cher zu hal­ten gewe­sen? (CY)

Apro­pos Kreu­zi­gung: bringt mir bit­te schnell einen Holz­pflock und etwas Weih­was­ser, dann küm­me­re ich mich um Eirí­kur Hauks­son (IS 1986, NO 1991), den islän­di­schen Unto­ten des schlech­ten hete­ro­se­xu­el­len Haar­rocks (‘Valen­ti­ne lost’). Ich dach­te, die­se Musik­gat­tung sei gemein­sam mit den Stones aus­ge­stor­ben. Was, die leben auch noch? Den Holz­pflock, schnell! Eine glück­li­che Fügung brach­te mir das gro­ße Pri­vi­leg, das Semi in Hel­sin­ki von der ers­ten Rei­he aus begut­ach­ten zu kön­nen – dan­ke an die freund­li­chen und kom­pe­ten­ten Hel­fer in der Hal­le! Bei Sopho Khal­va­shi (der ers­ten in einer seit­her nicht mehr abrei­ßen­den Rei­he von Sän­ge­rin­nen mit dem glei­chen Vor­na­men aus dem hier debü­tie­ren­den Kau­ka­sus­staat) und ihren geor­gi­schen Säbel­kämp­fern, die auf der Büh­ne mit ihren Schwer­ten wild her­um­wir­bel­ten, wur­de mir dabei jedoch ein wenig mul­mig. Aber puh, noch­mal Glück gehabt: mein Kopf ist noch dran! ‘Visio­na­ry Dream’ jeden­falls ent­pupp­te sich als ast­rei­ne Björk-trifft-Madon­na-auf-dem-Bal­kan-Num­mer: kom­pe­tent gesun­gen, bril­lant per­formt, durch und durch großartig!

Works his magic Ei: Kol­dun, Dima Kol­dun (BY)

Erst­ma­lig als eigen­stän­di­ges Land dabei war der klei­ne, ledig­lich 600.000 Ein­woh­ner star­ke Küs­ten­staat Mon­te­ne­gro, der bis 2006 noch einen Staa­ten­bund mit Ser­bi­en bil­de­te. Bereits 2005 aller­dings hat­ten sepa­ra­tis­ti­sche mon­te­ne­gri­ni­sche Juro­ren beim gemein­sa­men Vor­ent­scheid bei­der Lan­des­tei­le sämt­li­che ser­bi­schen Teil­neh­mer bewusst igno­riert und statt­des­sen die eige­ne Boy­band No Name zum Con­test gepusht; ein Ver­fah­ren, dass sie 2006 exakt so wie­der­hol­ten, mit den­sel­ben Gewin­nern. Dar­auf­hin kam es zu Aus­schrei­tun­gen im Sen­de­stu­dio und zum poli­ti­schen Eklat: das ser­bi­sche Fern­se­hen erkann­te das Ergeb­nis nicht an; die Mon­te­ne­gri­ner ver­wei­ger­ten eine neue Abstim­mung, so dass es beim Con­test in Athen gar kei­nen Bei­trag Kern­ju­go­sla­wi­ens gab. Nur einen Tag spä­ter lös­te sich der für Kor­rup­ti­on und orga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät berüch­tig­te Teil­staat per Refe­ren­dum, das gera­de so eben die erfor­der­li­che Zustim­mungs­quo­te von 55% schaff­te, vom eins­ti­gen Mut­ter­land. Und all das für Stevan Fad­dy? So hieß der mehr als lah­me Bryan-Adams-Auf­guss, mit dem die Schwarz­berg­ler es wag­ten, Euro­pa zu behel­li­gen. Natür­lich blieb ‘Ajde kroči’ im Semi hän­gen, wie seit­her sämt­li­che Bei­trä­ge des Landes.


Die vier sin­gen­den Spalt­pil­ze beim Beosong 2006: No Shame Name

Für Ser­bi­en hin­ge­gen soll­te sich die Tren­nung loh­nen. Das schick­te eine optisch an eine pro­to­ty­pi­sche Fleisch­wa­ren­fach­ver­käu­fe­rin erin­nern­de dicke Les­be namens Mari­ja Šerif­o­vić, beglei­tet von fünf schlimm ondu­lier­ten Hun­ger­ha­ken, den selbst­er­nann­ten Beau­ty Queens. Die hiel­ten sich zunächst vor­nehm im Hin­ter­grund, wäh­rend die but­che Mari­ja ihr ‘Gebet’ begann, eil­ten ihr jedoch in einem Akt frau­en­so­li­da­ri­scher (und sub­til homo­ero­ti­scher) Zärt­lich­keit stüt­zend zur Hil­fe, als die­se beim Songfi­na­le vor lau­ter sän­ge­ri­scher Hin­ga­be kurz vor dem Zusam­men­bruch stand. Im Gegen­satz zu Stevan Fad­dy kam die Ser­bin ins Fina­le: der Rest ist Geschich­te! Apro­pos: das mit der Geschich­te des Euro­vi­si­on Song Con­test nur wenig ver­trau­te Tsche­chi­en, der letz­te der vier Neu­zu­gän­ge, hat­te sich vom Sieg der fin­ni­schen Mons­ter­ro­cker im Vor­jahr auf die fal­sche Fähr­te locken las­sen: es schick­te die ört­li­chen Metal­li­ca und wur­de mit nur einem ein­zi­gen Mit­leid­spünkt­chen Letz­ter. Zwar konn­ten Kabát mit lang­haa­ri­gen Bom­ben­le­ger-Ker­len (der Lead­sän­ger sah aus wie der hete­ro­se­xu­el­le Bru­der von Lars Ulrich) und Rot­händ­le-Stim­men punk­ten, und für straigh­ten Hard­rock war ‘Malá Dáma’ fast schon erträg­lich. Den­noch hat die­se Musik­rich­tung, so sie nicht als Kin­der­fa­sching daher kommt, beim Grand Prix natür­lich nichts verloren.

Mit der Stim­me soll­te er mir mal was Dre­cki­ges ins Ohr flüs­tern! (CZ)

Mit DJ Bobo geschah er dann, der von Weni­gen anti­zi­pier­te größ­te Favo­ri­ten­sturz aller Zei­ten beim Euro­vi­si­on Song Con­test. Dabei emp­fand ich ‘Vam­pi­res are ali­ve’ als wirk­lich per­fekt getanzt, was an den Fern­seh­schir­men mal wie­der kom­plett unter­ging. Wann zwingt man TV-Regis­seu­re end­lich per Gesetz dazu, stark cho­reo­gra­fier­te Num­mern wie die­sen Bei­trag des kom­mer­zi­ell erfolg­reichs­ten Schwei­zer Musik­ex­por­tes aller Zei­ten ein­fach nur fron­tal abzu­fil­men und sich den gan­zen Scheiß mit krei­seln­den, schwen­ken­den, zoo­men­den und schwe­ben­den Kame­ras für sta­ti­sche Dar­bie­tun­gen auf­zu­he­ben? Die alber­nen Schau­fens­ter­pup­pen, die Bobo auf die Büh­ne stell­te, um trotz der anti­quier­ten Sechs-Per­so­nen-Regel zu sei­ner übli­chen Beset­zungs­stär­ke zu kom­men, und der grau­sam schlech­te Gesang taten das ihre. Scho­ckie­rend (neben Bobos Aus­schei­den): ein Vier­tel der Punk­te stamm­te aus dem streng katho­li­schen Mal­ta. Ach­te­ten die denn nicht auf die sata­ni­schen Bot­schaf­ten des schwei­ze­ri­schen Antichristen?

Griff ins Klo: der BoBo (CH).

Erin­nert sich noch jemand an die SAT.1‑Filmreihe Nata­lie – End­sta­ti­on Baby­strich? Deren fünf­ter und letz­ter Teil hieß: Nata­lie – Baby­strich Ost­block. Passt auf Mol­da­wi­en und sei­ne Ver­tre­te­rin Nata­lia Bar­bu (‘Fight’). Schön für die vom Schick­sal Gebeu­tel­te, dass wenigs­tens alle ihre Frei­er für sie anrie­fen und sie es gera­de so ins Fina­le schaff­te. Die Rache­ge­lüs­te, die mich packen, wenn ich beden­ke, dass wegen so was Andor­ra raus­flog! Edsilia Rom­bley (NL 1998) hat sich ihr schmäh­li­ches Aus­schei­den dage­gen selbst zuzu­schrei­ben: ‘Nooit meer zon­der jou’ (so die nie­der­län­di­sche Ori­gi­nal­fas­sung) klang viel schö­ner und wär­mer als das kli­nisch angli­fi­zier­te ‘On Top of the World’. Wie­so eigent­lich ver­schwand das sie auf die Büh­ne beglei­ten­de, strunz­gei­le Mus­kel­tört­chen sofort nach dem Songauf­takt wie­der? Hat­te er einen Neben­job als Tür­ste­her in der ört­li­chen schwu­len Dis­co Her­cu­les? So konn­te das natür­lich nichts wer­den, trotz des hüb­schen ZDF-Hit­pa­ra­de-Gedenk­trepp­chens.

Mit Moni­ca-Seles-Gedächt­nis­at­mung: Edsilia (NL).

Alba­ni­en schickt in aller Regel drei Sor­ten von Bei­trä­gen: unan­ge­nehm laut schrei­en­de Frau­en, bewe­gungs­leg­asthe­ni­sche Dis­co-Gir­lies oder Män­ner mit sper­ri­gen, fle­hen­den Kla­ge­ge­sän­gen, die erst nach dem ein­hun­derts­ten Hören ihre inne­re Schön­heit offen­ba­ren. Fre­de­ric Ndo­ci, der sich von sei­ner Frau Aida (nicht ver­wandt mit der Schiff­fahrts­li­nie) beglei­ten ließ, fällt mit ‘Hear my Plea’ in letz­te­re Kate­go­rie. Blöd für ihn: die Zuschau­er hören den Song beim Grand Prix meist das ers­te (und letz­te) Mal. So blieb er vor allem wegen sei­nes unvor­teil­haf­ten Tou­pets in Erin­ne­rung. Mit Ver­bit­te­rung erfüll­te mich das Aus­schei­den der däni­schen Drag­queen DQ (die es 2011 erfolg­los beim Schwei­zer Vor­ent­scheid ver­such­te) mit ‘Dra­ma Queen’. Null Punk­te auch aus Deutsch­land? Für die­sen exzel­len­ten, CSD-taug­li­chen Schwup­pen­tech­no? Mit drei­fa­chem Trick­kleid, einer gigan­ti­schen Kro­ne als Büh­nen­de­ko und sen­sa­tio­nel­lem Kopf­putz? Die­ser Quint­essenz von allem, für was der Grand Prix steht? Und vor allem dem ein­zi­gen wirk­lich hör­ba­ren däni­schen Bei­trag in die­sem Jahr­tau­send? Ob gar Homo­pho­bie dahin­ter steck­te oder nur schlech­ter Geschmack: hier bin ich von Euro­pas Tele­vo­tern nach­hal­tig enttäuscht!

Grand Prix com­me il faut: ein wun­der­bar fut­ti­ges Trash-Spek­ta­kel (DK).

Wie auch von den in Deutsch­land leben­den Kroa­ten und Por­tu­gie­sen. Denn genau wegen die­ser zwei Punk­te aus Ham­burg für den schreck­li­chen kroa­ti­schen Ost­rock der Band Dra­gon­fly habe ich dem ner­vi­gen Gejam­mer über das Dia­spo­ra­vo­ting nichts mehr ent­ge­gen­zu­set­zen. Was soll­ten die furcht­ba­ren Rock­zom­bies da über­haupt? Ist Tonči Hul­jić gestor­ben oder war­um schickt mein einst­ma­li­ges Grand-Prix-Lieb­lings­land so einen grot­ti­gen Scheiß? Bit­te besinnt Euch und gebt uns Doris Dra­go­vić zurück – ich möch­te Euch doch so ger­ne wie­der lieb haben! Jedes Jahr nach dem Halb­fi­na­le wun­de­re ich mich bei der Punk­te­rück­schau, wie vie­le Por­tu­gie­sen offen­sicht­lich in Deutsch­land leben. Die müss­ten mir im Stra­ßen­bild doch auf­fal­len, zumal por­tu­gie­si­sche Män­ner meis­tens gut aus­se­hen. Die­je­ni­gen in Hel­sin­ki zeig­ten sich jeden­falls extrem ange­pisst, dass ihre Sabri­na (lMa­zei­der nicht das ita­lie­ni­sche Busen­wun­der von ‘Boys’) raus­flog, zumal noch so knapp auf Rang 11! Aber ‘Dan­ça comi­go’ war nun mal ein sau­er­töp­fisch dar­ge­bo­te­ner kof­fe­in­frei­er Schun­kel­schla­ger für den Tanz­abend im Alten­heim. Sor­ry, das war ver­dient. 

Gute alte Schla­ger­schu­le: die tol­le Guri (NO).

Es soll Men­schen geben, die zwi­schen eben jenem ‘Dan­ça comi­go’ und ‘Ven a bailar con­mi­go’ Par­al­le­len zie­hen. Sehe ich nicht, dafür fehlt schon ein “n”. Außer­dem ver­füg­te der nor­we­gi­sche Bei­trag über dop­pel­te Hand­klat­scher, und ein Song, der die hat, ist auto­ma­tisch ein guter Song! Guri Schan­ke gehör­te zur gro­ßen alten Grand-Prix-Schu­le. Ein schwe­di­scher Schun­kel­schla­ger mit medi­ter­ra­nem Ein­schlag aus dem Hau­se G:sson; auf­wän­dig cho­reo­gra­fiert; eine vor­schrifts­mä­ßi­ge Rückung und eine trotz tän­ze­ri­scher Höchst­leis­tung tap­fer lächeln­de, lebens­er­fah­re­ne Schla­ger­schach­tel. Und das im drei­fa­chen Trick­kleid! Was könn­te ein Euro­vi­si­ons­nost­al­gi­ker wie ich vom Leben noch mehr ver­lan­gen? Oh, genau: so eine Dar­bie­tung wie die von Oli­via Lewis! Halb­nack­te mus­kel­be­pack­te Tän­zer, homo­ero­ti­sche Hand­tuch­schlach­ten, gol­de­ne Fächer, Gongs, Wind­ma­schi­nen: bis auf das feh­len­de Trick­kleid zog Mal­ta wirk­lich alle Regis­ter. Ein­schließ­lich einer dra­ma­ti­schen, druck­vol­len, unter­schwel­lig ara­bisch klin­gen­den Eth­nobal­la­de: wenn es in die­sem Semi einen Song gab, der zwin­gend ins Fina­le gehört hät­te, dann ‘Ver­ti­go’!

Da hat­ten die Por­tu­gie­sen aber die Grö­ße­ren! Fächer! (MT)

Noch einen hal­ben Zen­ti­me­ter weni­ger Stoff bei Karo­li­na Goče­va (MK 2002) und der Con­test bekä­me eine FSK-18-Ein­stu­fung. Bin ich prü­de, weil mich das lang­sam nervt? Und ent­wick­le ich mich zur ver­bit­ter­ten Euro­vi­si­ons­tu­cke, weil mich die auto­ma­ti­sche Qua­li­fi­ka­ti­on Maze­do­ni­ens mit simp­len “Nana­naj”-Lied­chen auch nervt? Zumal in einem Jahr mit so vie­len guten Stü­cken, die es so viel mehr ver­dient hät­ten als ‘Mojot Svet’? (Ihre bei­den “ja” behal­ten Sie bit­te für sich, dan­ke)! Näm­lich, bei­spiels­wei­se, ‘Sal­vem el Món / Let’s save the World’: “Whe­re is Andor­ra?” konn­te man im Fina­le bei einem Kame­ra­schwenk ins Publi­kum auf einem Pla­kat lesen. Eine sehr berech­tig­te (und kei­nes­wegs geo­gra­fisch gemein­te) Fra­ge! In Hel­sin­ki herrsch­te unter den Fans ein­hel­li­ge Empö­rung über das Schei­tern der Green Days aus dem Winz­staat. Denn live rock­ten Anony­mous (okay, doo­fer Name) mit ihrem pun­ki­gen Öko­schla­ger die Hal­le – auch wenn sie im TV flach rüber kamen. Lag es an den bra­ven Jus­tin-Bie­ber-Fri­su­ren? Der sub­op­ti­mal gemeis­ter­ten Rückung? Der mei­nun­ge­res­ken Bot­schaft? Es war zum Verzweifeln.

Bis vier zäh­len kön­nen sie schon mal! (AD)

Das galt auch für das außer­or­dent­lich gute Abschnei­den Mag­di Rús­zas. Eine bar­füs­si­ge, grei­nen­de Unga­rin an der Bus­hal­te­stel­le? Und wäh­rend ich mich geschla­ge­ne drei Minu­ten und gefühl­te drei Stun­den ob der akus­ti­schen Fol­ter auf dem Stuhl wand und bete­te, der ver­damm­te Bus möge schnell kom­men und die Heul­bo­je end­lich über­fah­ren, damit die Schmer­zen auf­hö­ren (ihre wie mei­ne), wählt ganz Euro­pa das ins Fina­le? Dann doch lie­ber das anmu­ti­ge slo­we­ni­sche Trash-Spek­ta­kel! Ich will unbe­dingt eben­falls so einen schi­cken Schwarz­licht-Sper­ma­spu­ren-Scan­ner für den Hand­be­trieb wie Alen­ka Gotar! Den braucht frau bei einem aus Klo­rol­len zusam­men­ge­näh­ten Kleid aber auch. Sich in so etwas frei­wil­lig auf die Büh­ne zu stel­len und laut­stark gegen die Wind­ma­schi­ne anzu­jo­deln: höchs­ten Respekt für die schrä­ge Diva! Aller­dings: dass ‘Cvet z Juga’ (‘Blu­me des Südens’) als ein­zi­ger cam­per Bei­trag durch­kam, erhär­te­te nur die The­se, dass die Zuschau­er nicht für die Songs, son­dern für die Ent­sen­der­län­der anriefen.

Bei 1:21 Min: so groß war er? Das erklärt den ent­rück­ten Gesichts­aus­druck! (SI)

Mit ‘Shake it up, She­ke­rim’ kam die Tür­kei mul­ti­kul­tu­rell. Enri­que Igle­si­as trifft Jus­tin Tim­ber­la­ke trifft Tar­kan. Mise­ra­bel gesun­gen zwar, dafür aber tanz­bar, pop­pig und sexy. Die bes­te Club-Aldia­na-Dis­co­num­mer seit, nun ja, ‘Shake it’ (GR 2004). Okay, den gol­de­nen Dusch­vor­hang hät­te es jetzt nicht zwin­gend gebraucht. Soll­te Ken­an Doğu­lu noch die ver­spro­che­nen “lots of Can­dy” bei mir ablie­fern, stim­me ich für den EU-Bei­tritt der Tür­kei. For real! Apro­pos: get a Life, Eric Papi­la­ya. Das öster­rei­chi­sche Fern­se­hen hat­te eben­falls mit­be­kom­men, dass sich die Euro­vi­si­ons­fan­clubs zu 95% aus schwu­len Män­nern zusam­men­set­zen. Sie schick­ten daher den Song des dies­jäh­ri­gen Life Ball, einer Wie­ner Aids-Bene­fiz-Gala, gesun­gen von einem hübsch anzu­schau­en­den Lati­no, den sie ziel­grup­pen­af­fin mit Glit­zer­jäck­chen, Swa­rov­ski-Stei­nen und einer gigan­ti­schen Aids­schlei­fe aus­stat­te­ten. Dumm nur: die abstim­men­den Zuschauer:innen sind größ­ten­teils hete­ro – und der Song war ein­fach grauenhaft.

Ich höre stän­dig nur “Blo­wjob”? Nasch­ten die schwe­di­schen Kom­men­ta­to­ren etwa von den tür­ki­schen Früchten?

An eine zah­len­mä­ßig stär­ke­re Ziel­grup­pe wand­ten sich die ita­lie­nisch knö­deln­den Sechs Jun­gen Tumo­re Tenö­re bonaparti.lv aus Lett­land. Näm­lich an die geschmacks­ge­stör­te euro­päi­sche Haus­frau, die glaubt, klas­sisch trai­nier­te Stim­men und seich­tes­te Schla­ger­mu­sik gin­gen zusam­men. Gehen sie natür­lich nicht, aber das wis­sen die nicht. Und für so was fliegt dann DQ raus: kön­nen wir nicht irgend­wie die Hete­ros von der Stimm­ab­ga­be aus­schlie­ßen, bit­te? Jeden­falls: eine Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de, bei der fast dop­pelt so vie­le Län­der raus­flie­gen wie drin blei­ben – das muss­te für Unfrie­den sor­gen. Öster­reich, das bereits im Vor­jahr aus­ge­setzt hat­te, stieg belei­digt aus und kehr­te erst vier Jah­re spä­ter wie­der zurück. Auch die ver­blie­be­nen, schein­bar nicht mehr qua­li­fi­ka­ti­ons­fä­hi­gen Bene­lux­län­der droh­ten, ver­lo­ren zu gehen. Die EBU reagier­te und führ­te im Fol­ge­jahr ein neu­es Vor­run­den­sys­tem mit zwei Semis ein.

ESC Semi­fi­na­le 2007

Euro­vi­si­on Song Con­test – Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de. Don­ners­tag, 10. Mai 2007, aus der Hart­wall Aree­na in Hel­sin­ki, Finn­land. 28 Teil­neh­mer­län­der. Mode­ra­ti­on: Jaa­na Pel­ko­nen & Mik­ko Leppilampi.
#LandInter­pretTitelPunk­tePlatzQual.
01BGElit­sa Todo­ro­va + Stoyan YankoulovWater14606ja
02ILTeapacksPush the Button01724nein
03CYEvri­di­kiCom­me ci com­me ça06515nein
04BYDima Kol­dunWork your Magic17604ja
05ISEirí­kur HaukssonValen­ti­ne lost07713nein
06GESopho Khal­va­shiVisio­na­ry Dream12308ja
07MEStevan Fad­dy‘Ajde kroči03323nein
08CHDJ BoboVam­pi­res are alive04020nein
09MDNata­lia BarbuFight09110ja
10NLEdsilia Rom­bleyOn Top of the World03821nein
11ABFre­de­rik NdociHear my Plea04917nein
12DKDQDra­ma Queen04519nein
13HRDra­gon­fly + Dado TopićVje­ru­jem u Ljubav05416nein
14PLJet SetTime to party07514nein
15RSMari­ja ŠerifovićMolit­va29801ja
16CZKabátMalá Dáma00128nein
17PTSabri­na Villa-LobosDan­ça comi­go (Vem ser feliz)08811nein
18MKKaro­li­na GočevaMojot Svet09709ja
19NOGuri Schan­keVen a bailar conmigo04818nein
20MTOli­via LewisVer­ti­go01525nein
21ADAnony­mousSal­vem el Món08012nein
22HUMag­di RúszaUnsub­stan­ti­al Blues22402ja
23EEGer­li PadarPart­ners in Crime03322nein
24BEKGMsLove­Power01426nein
25SIAlen­ka GotarCvet z juga14007ja
26TRKen­an DoğuluShake it up Shekerim19703ja
27ATEric Papi­la­yaGet a Life – get alive00427nein
28LVBonaparti.lvQues­ta Notte16805ja

DVE 2007: Du machst Dich lächerlich

ESC-Fina­le 2007: Okay. Hap­py End →

15 Comments

  • Das war wohl nix: Halb­fi­na­le, die Hass­ge­füh­le aus­lö­sen. Die auf Platz 10 offen­bar fest­be­to­nier­ten FYRO­Mier wären ja noch hin­zu­neh­men, wenn aber ganz Euro­pa meint, das sehr spa­ßi­ge Stück aus Andor­ra aus­sper­ren zu müs­sen, ist das schlicht unfair. (Gut, nicht ganz Euro­pa. Aber ohne den obli­ga­to­ri­schen Zwöl­fer aus Spa­ni­en und die sechs Punk­te aus Por­tu­gal hät­te das rich­tig böse aus­ge­se­hen.) Und die Bewer­tung von Tsche­chi­en: ich wür­de ger­ne behaup­ten, sie spot­te jeder Beschrei­bung, aber beim ESC war das mit die­ser Art Musik lei­der zu befürch­ten. Es nennt sich nur Hard­rock, ist aber eigent­lich Fasching mit lus­ti­ger Melo­die? Klar, 292 Punk­te. Es IST Hard­rock, noch dazu mit einer ech­ten Reib­ei­sen­stim­me und in einer so gar nicht mas­sen­kom­pa­ti­blen Spra­che? 1 Punkt aus Est­land. Dan­ke, nächs­ter. Aber so haben die Null­punk­ter auf mei­ner ESC-Play­list wenigs­tens etwas Gesellschaft 😉

  • Wenn schon bil­lig, dann bit­te auch rich­tig. Aber nein, da kommt das lang­wei­li­ge maze­do­ni­sche Mädel wei­ter und nicht das rich­tig bil­li­ge Dis­co-Schnitt­chen aus Polen. Mit einem Lied, an das man sich auch noch erin­nern könn­te, im Gegen­satz zu Karo­li­na, wo einem nur das häß­li­che Grün des Klei­des im gedächt­nis bleibt. Nicht zu ver­ste­hen ist der viel zu hohe Platz des dick­li­chen Shake it-Tür­ken (der sich im Fina­le dann genau­so anhör­te und aus­sah wie der Grie­che). Dafür muss­te zb. Däne­mark draus­sen blei­ben? Tsche­chi­ens Abschnei­den tut mir nur aus opti­schen Grün­den leid, sehe ich doch auch so ger­ne lang­haa­ri­ge Rocker-Typen. Das Lied selbst bleibt auch nach dem zehn­ten Mal hören nicht mal ansatz­wei­se im Ohr.

  • DQ Ich lei­de zwar nicht an Homo­pho­bie, fand den Song aber ein­fach lang­wei­lig. Daher habe ich den Bei­trag im Fina­le nicht ver­mißt, dafür aber die von mir gewähl­te Evri­di­ki. Wie­so soll das Kleid von Karo­li­na eigent­lich zu kurz gewe­sen sein? Ande­re (Clau­dia Beni)traten schon im Biki­ni auf.

  • […] von ‘Nooit meer zon­der jou’ durch­ge­hört. Das Lied, mit dem Edsilia Rom­bley in Hel­sin­ki ver­su­chen wird, ihr Ergeb­nis von 1998 (vier­ter Platz) zu hal­ten oder zu top­pen. Fängt wunderbar […]

  • […] kroa­ti­scher Feder: And­re Babić, Mas­ter­mind hin­ter Euro­vi­si­ons­per­len wie ‘Cvet z Juga’ (SI 2007), ‘Vise nisam tvo­je’ (HR 2003) und ‘Man­do­li­ne’ (EMA 2006), kom­po­nier­te auch […]

  • […] sor­gen: unver­ges­sen der geschei­ter­te, pein­li­che Ver­such von DJ Bobo vor zwei Jah­ren in Hel­sin­ki, durch das Auf­stel­len von Schau­fens­ter­pup­pen auf der Büh­ne zu sei­ner übli­chen Besetzungsstärke […]

  • […] Behelfs­quar­tett, in dem sowohl der islän­di­sche Hair­ro­cker Eirí­kur Hauks­son (IS 1986 und 2007) als auch Han­ne Krogh (NO 1971 und 1985) mit­wirk­ten. Das Gast­ge­ber­land Ita­li­en hat­te den optisch […]

  • […] erging es den Tsche­chen. Auch für sie war es der drit­te Ver­such, und nach straigh­tem Hard­rock (2007: letz­ter Platz im Semi mit 1 Punkt) und osti­gem Bums­schup­pen­pop (2008: vor­letz­ter Platz im Semi mit […]

  • […] erging es den Tsche­chen. Auch für sie war es der drit­te Ver­such, und nach straigh­tem Hard­rock (2007: letz­ter Platz im Semi mit 1 Punkt) und osti­gem Bums­schup­pen­pop (2008: vor­letz­ter Platz im Semi mit […]

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