Offe­ne Kapi­tu­la­ti­on: kein deut­scher Vor­ent­scheid 2009

Die Ent­schei­dung ist gefal­len: Der NDR wird in die­sem Jahr einen Direkt­kan­di­da­ten zum Grand-Prix-Fina­le nach Mos­kau schi­cken. Damit wird es kei­nen Vor­ent­scheid wie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren geben. Statt­des­sen wird eine Jury die Aus­wahl dar­über tref­fen, wer Deutsch­land beim Euro­vi­si­on Song Con­test am 16. Mai in Mos­kau ver­tre­ten wird.” So die heu­ti­ge Erklä­rung des NDR, der damit nach der Bla­ma­ge von Bel­grad sei­ne offe­ne Kapi­tu­la­ti­on ein­ge­steht. Mit dem gewähl­ten Ver­fah­ren erhof­fe man sich “die Teil­nah­me von inter­na­tio­nal erfolg­rei­chen Künst­lern”, erklär­te ARD-Unter­hal­tungs­ko­or­di­na­tor Tho­mas Schrei­ber. Nun kann eine Direkt­no­mi­nie­rung eine sehr gewinn­brin­gen­de Maß­nah­me sein – wenn man denn einen eta­blier­ten, sen­sa­tio­nel­len Act in pet­to hat, der sich kei­ner öffent­li­chen Kon­kur­renz stel­len möch­te. Doch bis­lang kann der NDR nie­man­den vor­wei­sen. Denn mit der heu­ti­gen Erklä­rung wer­den zugleich “pro­fes­sio­nel­le Sän­ger, Kom­po­nis­ten und Autoren” auf­ge­for­dert, bis zum 22. Janu­ar 2009 “geeig­ne­te Musik­ti­tel ein­zu­rei­chen. Eine Jury, deren Zusam­men­set­zung noch offen ist, wird dann ent­schei­den, wel­cher Act Deutsch­land beim ESC-Fina­le in Mos­kau ver­tre­ten wird. Wich­tig außer­dem: Die Autoren müs­sen Mit­glied der GEMA sein und bereits in offi­zi­el­len Musik­charts Erfol­ge nach­wei­sen können.”

Die letz­te deut­sche Direkt­no­mi­nie­rung (1995)

Die­se Rege­lung wie­der­um, so erläu­tert es Jan Fed­der­sen in sei­nem Blog, hat vor allem die Funk­ti­on, sicher­zu­stel­len, “dass sich die Jury” nicht “wasch­kör­be­wei­se mit Pro­be­auf­nah­men von Ama­teu­ren und Lai­en aus­ein­an­der­set­zen muss.” Mit ande­ren Wor­ten: die Ham­bur­ger kön­nen zum der­zei­ti­gen Zeit­punkt weder Frei­wil­li­ge prä­sen­tie­ren, der für Deutsch­land in den Ring stei­gen möch­te, noch haben sie (ver­ständ­li­cher­wei­se) Lust, sich mit den jähr­li­chen Hor­den von Hoff­nungs­lo­sen zu befas­sen, die es von sich aus auf die Büh­ne drängt. Ohne natio­na­le TV-Vor­ent­schei­dung aber sinkt das Zuschau­er­inter­es­se am Grand-Prix-Fina­le deut­lich. So erkann­te es der dama­li­ge Unter­hal­tungs­chef des NDR und Vor­gän­ger von Tho­mas Schrei­ber, Jür­gen Mei­er-Beer, bereits 1996, als er die Sta­fet­te vom MDR über­nahm (der zuvor mit Direkt­no­mi­nie­run­gen von Acts wie der Mün­che­ner Frei­heit oder Stone & Stone glänz­te). Auch ein Weg also, den schein­bar unge­lieb­ten Song Con­test an die Wand zu fah­ren – schließ­lich wur­den in der ARD schon die­ses Jahr Stim­men laut, die Sen­de­zeit am Sams­tag­abend lie­ber mit quo­ten­stär­ke­rer Volks­mu­sik zu fül­len. Ande­rer­seits betont ARD-Mann Schrei­ber, “dass das dies­jäh­ri­ge Ver­fah­ren eine Aus­nah­me sei, um einen kom­plet­ten Neu­an­fang nach den mise­ra­blen Ergeb­nis­sen der ver­gan­ge­nen Jah­re zu ermög­li­chen. Die Nomi­nie­rung eines Direkt­kan­di­da­ten wer­de kei­nes­falls die Stan­dard­lö­sung werden.”


1972 ver­zich­te­te die ARD auf eine Direkt­no­mi­nie­rung von Vicky Lean­dros – die zog nach Luxem­burg weiter

Mög­li­cher­wei­se ist sie auch nur der selbst­ver­schul­de­ten Kri­se der Plat­ten­in­dus­trie geschul­det, die ange­sichts sin­ken­der Umsät­ze nicht mehr bereit ist, einen ihrer erfolg­rei­chen Acts in einer Vor­ent­schei­dung zu ver­hei­zen. War­ten wir also mal ab, wel­che Bewer­bun­gen in Ham­burg tat­säch­lich ein­ge­hen – und ob die sen­der­in­ter­ne Jury am Ende etwas Brauch­ba­res her­aus­fischt. Wie sag­te schon Hel­mut Kohl: “Ent­schei­dend ist, was hin­ten raus­kommt”.

1 Comment

  • Abwar­ten Schau­en wir mal, was dabei rum­kommt. In den Sieb­zi­gern hat das mit dem Direkt­kan­di­da­ten meist ja auch ganz gut geklappt. Hier­zu­lan­de kann man mög­li­cher­wei­se dar­auf hof­fen, dass die Jury tat­säch­lich nach Qua­li­tät ent­schei­det, nicht nach poli­ti­scher Lage (zuge­ge­ben liegt das auch dar­an, dass der ESC hier­zu­lan­de kei­ne poli­ti­sche Bedeu­tung [i]hat[/i]). Mal sehen. Nach­dem ich das zwei­fel­haf­te Ver­gnü­gen hat­te, Bushi­do zusam­men mit Karel Gott sin­gen zu hören, bin ich auf alles gefasst, inklu­si­ve des BSC-Sie­gers 2009 (wobei das kei­ne Direkt­aus­wahl im enge­ren Sin­ne wäre…)

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