Ers­tes ESC-Semi 2009: It’s kil­lin’ the Groove

Logo des Eurovision Song Contest 2009 (Semi 1)
Das Jahr der Geigen.

Gerüch­te­hal­ber sechs Mil­lio­nen Euro hat­ten sich die Rus­sen im Vor­jahr ihren auf Sieg getrimm­ten Bei­trag ‘Belie­ve’ kos­ten las­sen. Bei der Aus­rich­tung des Wett­be­werbs in Mos­kau protz­ten sie ent­spre­chend hem­mungs­los: die größ­te Büh­ne aller Zei­ten, die beein­dru­ckends­te Licht­tech­nik, die spek­ta­ku­lärs­ten Pau­sen­acts. 42 Mil­lio­nen Euro sol­len sie für die Show aus­ge­ge­ben haben, fast das Dop­pel­te des übli­chen Bud­gets. Und lie­fer­ten den­noch inter­na­tio­nal ein beschä­men­des und unan­ge­neh­mes Bild ab, auf­grund der rabi­at exe­ku­tier­ten Auf­lö­sung des zeit­gleich zum Euro­vi­si­ons­fi­na­le statt­fin­den­den Mos­kau­er CSD durch Son­der­ein­satz­kräf­te der Poli­zei. Und durch das wohl unfä­higs­te Mode­ra­to­ren­team der Grand-Prix-Geschichte.

Andrej Mala­kow, den männ­li­chen Part, tauf­te mei­ne lie­be Kol­le­gin Mery auf den schö­nen Namen “Flan­si” um, weil er wie eine Kreu­zung aus Flo­ri­an Sil­ber­ei­sen und Han­si Hin­ter­seer aus­sah und mit der­sel­ben auf­ge­setz­ten Über­dreht­heit mode­rier­te wie die bei­den Volks­mu­sik­kok­ser. Und ich den­ke, noch nicht mal die Fran­zo­sen wür­fen den Rus­sen ernst­haft vor, dass sie ihre Spra­che nicht spre­chen. Aber die Art und Wei­se, wie Top­mo­del / TV-Prak­ti­kan­tin Nata­lia Vody­a­no­va die­se vor Mil­lio­nen von Zuschauern[ref]Davon ledig­lich 260.000 in Deutsch­land, wie mein Leser Pasi in den Kom­men­ta­ren kor­rekt ver­mel­de­te. Was nicht ver­wun­der­te, so gut, wie die ARD die Show versteckte.[/ref] ver­ge­wal­tig­te, wenn nicht gar öffent­lich ermor­de­te: das tat kör­per­lich weh. Kein geschick­ter Schach­zug auch, bei den Kame­ra­schwenks ins Publi­kum immer aus­ge­rech­net die leers­ten Sitz­rei­hen pro­mi­nent ins Bild zu rücken: seit der Ein­füh­rung der Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­den im Jah­re 2004 lässt sich beob­ach­ten, dass nicht nur vor den Fern­seh­schir­men, son­dern auch in den Hal­len vor Ort im Ver­gleich zum stets aus­ver­kauf­ten Fina­le min­des­tens ein Drit­tel der Plät­ze leer bleibt.


Soll noch mal jemand sagen, nur Deutsch­land hät­te in Euro­pa kei­ne Freun­de! (GE)

Erfreu­lich hin­ge­gen, dass exakt jene Bei­trä­ge wei­ter­ka­men bzw. aus­schie­den, die es auch ver­dien­ten. Kein Wun­der: letzt­ma­lig galt in den Semis rei­nes Tele­vo­ting. Und nur die jewei­li­gen Teil­neh­mer­län­der durf­ten auch mit­stim­men. Im Fina­le hin­ge­gen soll­ten ab die­sem Jahr die Jurys zu 50% mit­re­den. Und so gab Euro­pa sei­ne mode­ra­te Hin­wen­dung zu kon­tem­po­rä­rer Pop­mu­sik wei­test­ge­hend auf und wand­te sich wie­der alt­her­ge­brach­ten Grand-Prix-Kon­zep­ten zu.  Das Ziel, den letzt­jäh­ri­gen Teil­neh­mer­re­kord von 43 Län­dern zu hal­ten bzw. zu über­bie­ten, ver­fehl­te man knapp, wozu die EBU mit ihrem arsch­krie­che­ri­schen Ver­hal­ten gegen­über dem rus­si­schen Des­po­ten Vla­di­mir Putin selbst bei­trug. In vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam leg­te man näm­lich den Geor­gi­ern, die ihrem Unmut über den Aus­gang des (selbst pro­vo­zier­ten) Kau­ka­sus­krie­ges durch den Bei­trag ‘We don’t wan­na put in’ von Ste­pha­ne & 3G zum Aus­druck zu brin­gen gedach­ten, nahe, dass der Gast­ge­ber hier­über not amu­sed sei und sie ihren Titel doch bit­te­schön ändern soll­ten. Was die Geor­gi­er, die im Gegen­satz zur EBU wenigs­tens noch über Eier ver­fü­gen, selbst­ver­ständ­lich nicht taten, son­dern – ein­zig rich­ti­ge Reak­ti­on – lie­ber ihre Teil­nah­me stor­nier­ten. Ein schwar­zer Tag für die Mei­nungs- und Kunst­frei­heit und eine Bla­ma­ge für den Ver­bund der öffent­lich-recht­li­chen Sen­der Euro­pas, von dem man eigent­lich erwar­ten soll­te, gera­de die­se Grund­rech­te aufs Blut zu verteidigen.

John Tra­vol­ta hat ange­ru­fen und will sei­ne Tanz­schrit­te zurück­ha­ben! (ME)

Nach zwei schief gelau­fe­nen Expe­ri­men­ten mit graus­li­chem Jugo­rock nahm der blut­jun­ge, euro­vi­si­ons­un­er­fah­re­ne und bet­tel­ar­me Klein­staat Mon­te­ne­gro das ver­lo­cken­de Ange­bot des deut­schen Grand-Prix-Alt­meis­ters Ralph Sie­gel an: der lie­fer­te ihnen zum Null­ta­rif (samt Über­nah­me der Dele­ga­ti­ons­kos­ten) den erstaun­lich unstau­bi­gen, ja unsie­ge­li­gen Retro-Dis­co-Schla­ger ‘Just get out of my Life’ zu. Mit dem glei­chen Song hat­te sich Sie­gel auch schon in Mal­ta bewor­ben, dort aller­dings unter dem Titel ‘Inno­cent Heart’ und mit deut­lich lang­sa­me­rem Tem­po. Lei­der wur­de aus dem sexy Mus­kel­gott, der Andrea Demi­ro­vić noch im Pre­view-Video umschwärm­te, auf der Mos­kau­er Büh­ne eine selbst­ver­lieb­te Tanz­schwup­pe, der die arme Andrea zügig in einen bereit­ste­hen­den Ses­sel abschob, um unge­stört sei­ne pein­li­chen Satur­day-Night-Posen abzie­hen zu kön­nen. Zudem wirk­ten die zwei Leut­chen (die drei deut­schen Chorsänger/innen ver­steck­te man vor den Kame­ras) auf einer Büh­ne von den flä­chen­mä­ßi­gen Aus­ma­ßen San Mari­nos ein wenig ver­lo­ren. Ange­sichts der Schan­de, bei drei Anläu­fen drei­mal aus­ge­schie­den und und dabei auch noch gesie­gelt wor­den zu sein, leg­te Mon­te­ne­gro anschlie­ßend eine zwei­jäh­ri­ge Schäm­pau­se ein, bevor es 2012 mit neu­em Kon­zept zum Con­test zurückkehrte.

Kann dank sei­ner Super­kräf­te sogar töd­li­chen Gei­gen­bö­gen aus­wei­chen: Rado­s­lav Ban­ga (CZ)

Noch schlim­mer erging es den Tsche­chen. Auch für sie war es der drit­te Ver­such, und nach straigh­tem Hard­rock (2007: letz­ter Platz im Semi mit 1 Punkt) und osti­gem Bums­schup­pen­pop (2008: vor­letz­ter Platz im Semi mit 9 Punk­ten) lan­de­ten sie mit wir­rem Zigan-Hip-Hop wie­der­um auf dem letz­ten Platz im Semi. Dies­mal sogar mit null Punk­ten, was aus Gipsy.czs ‘Aven Roma­le’ wohl offi­zi­ell den schlech­test­be­wer­te­ten Euro­vi­si­ons­bei­trag der Geschich­te machen dürf­te; qua­si die Rote Later­ne unter den Nil­poin­tern. Und aus Tsche­chi­en, seit­her beim Grand Prix dau­er­haft absent, das erfolg­lo­ses­te Euro­vi­si­ons­land. Nur einen Punkt mehr als die Gip­sies erhielt der bel­gi­sche Elvis-Imi­ta­tor Patrick Ouc­hè­ne ali­as Copy­cat. Er kopier­te den King offen­sicht­lich in sei­ner spä­ten Pha­se, als Elvis bereits eine stren­ge Erd­nuss­but­ter-und-Mar­me­la­de-Sand­wich-Diät befolg­te und bald dar­auf an Herz­ver­fet­tung starb. Stimm­lich ein Total­aus­fall, offen­bar der ers­te Fall der euro­vi­sio­nä­ren Schwei­negrip­pe. Lus­ti­ges Detail: bereits am Mitt­woch konn­te man das Büh­nen­out­fit der rot­be­haar­ten Chor­sän­ge­rin auf Ebay erstei­gern. Inklu­si­ve ihrer Perü­cke. Das nen­ne ich mal Ausverkauf!

Ganz gro­ße Euro­vi­si­ons­kunst: die fabel­haf­te Frau Ern­man (SE)

Schwe­den hat­te offen­bar Angst vor einem erneu­ten Char­lot­te-Per­rel­li-Effekt und ver­such­te, die gran­di­os mani­sche Opern­di­va Male­na Ern­man in einem Meer von wei­ßem Licht optisch weich­zu­zeich­nen. Oder den Zuschau­er in die Schnee­blind­heit zu trei­ben, man weiß es nicht genau. Es gelang: auch ohne Jury kam der lus­ti­ge Opern­schla­ger aus der Feder von Fre­de­rik Kem­pe, dem “Meis­ter der klo­bi­gen Rückung” (Schla­ger­boys), durch! Und zu Recht, denn das in einer herr­li­chen Mischung aus Knur­ren, Flüs­tern, Rap­pen, Jodeln und Schmet­tern vor­ge­tra­ge­ne ‘La Voix’ war als Song genau­so durch­ge­knallt wie sei­ne Inter­pre­tin, die­se wun­der­ba­re Mélan­ge aus Nina Hagen, Sil­via Night (IS 2006) und Bri­git­te Niel­sen! Anstel­le Schwe­dens ret­te­te die Jury dies­mal das benach­bar­te Finn­land (Platz 12 bei den Tele­vo­tern), das mit Waldo’s Peo­p­le eine etwas in die Jah­re gekom­me­ne Kir­mes­tech­no­ka­pel­le schick­te. Ihr ‘Lose Con­trol’ war ganz nett, aber mehr auch nicht. So wie die Feu­er­tän­zer im Hin­ter­grund: als Goa-Fan mag ich so was natür­lich, aber auf der hell beleuch­te­ten Euro­vi­si­ons­büh­ne wirk­te die­ses Show­ele­ment ein biss­chen fehlplatziert.

Hät­ten sie mal die kna­cki­gen Feu­er­tän­zer nach vor­ne gestellt, statt des Gam­mel­fleischs mit Kap­pe! (FI)

Boah Alter, er macht die vol­le Folk­lo­re, ey!”, ist eins mei­ner Lieb­lings­zi­ta­te aus einem Ralf-König-Comic. Die vol­le Folk­lo­re, ey, mach­te Arme­ni­en: die Arshak­ya­ner-Schwes­tern Inga & Anush stan­den als Medu­sen ver­klei­det auf einem rie­si­gen blau­en Bro­kat­kis­sen und knö­del­ten ihren lär­mi­gen, ori­en­ta­lisch ange­hauch­ten Eth­no­song ‘Jan Jan’. Vier gleich auf­ge­rüsch­te Tän­ze­rin­nen zele­brier­ten wäh­rend­des­sen um sie her­um den Tanz der sie­ben Schlei­er. In every way that they can. Nichts bahn­bre­chend Neu­es, aber ordent­li­ches Euro­vi­si­ons­hand­werk. Das lie­fer­te auch Hadi­se Açık­göz, die tür­ki­sche Hele­na Papa­riz­ou (GR 2005). Sie und ihre Begleittän­ze­rin­nen erschie­nen im Bauch­t­anz­out­fit – und anders als bei der ers­ten Song­prä­sen­ta­ti­on des in der gehei­lig­ten Euro­vi­si­ons­tra­di­ti­on von ‘Boom Bang A Bang’ (UK 1969) beti­tel­ten Klop­pers ‘Düm tek tek’ in der TRT-Neu­jahrs­show, brach­te Hadi­se dies­mal sogar eine Hüf­te mit, die sie schwin­gen konn­te. Sowie eine ent­spannt wir­ken­de, aber strin­gen­te Cho­reo­gra­fie mit einem hin­rei­ßend sexy Tän­zer im letz­ten Drit­tel. Wei­te Tei­le des Gesangs über­ließ sie ihren Backings. Eine sehr klu­ge Ent­schei­dung, denn so klang es nicht geschrie­en, son­dern rund und abwechslungsreich.

Wie hät­te die BBC wohl die­sen Song­ti­tel über­setzt? (TR)

Andor­ra schick­te, was es stets schick­te: eine schwach­stim­mi­ge Sän­ge­rin (Susan­na Geor­gi, die als Teil des däni­schen Euro­dan­ce­pro­jek­tes Me & My mit ‘Dub i dub’ immer­hin schon mal einen Hit hat­te) in schlim­men Kla­mot­ten mit einem schwach­brüs­ti­gen Träl­ler­lied­chen (‘La teva Decis­ió’). Natür­lich blieb das im Semi hän­gen, wie noch jeder der bis dato sechs andor­ra­ni­schen Bei­trä­ge. Die zwi­schen Spa­ni­en und Frank­reich hoch in den Pyre­nä­en gele­ge­ne Schwarz­geld­o­ase (86.000 Ein­woh­ner) stieg dar­auf­hin aus dem Grand Prix aus: kein Ver­lust. Immer noch nicht auf­ge­ge­ben hat dage­gen die Schweiz, obwohl auch ihr mit gro­ßen Hoff­nun­gen ange­tre­te­ner, intern aus­ge­wähl­ter Ver­schnitt aus Cold­play und Depe­che Mode aus­schied. Aller­dings per­form­ten die Love­bugs, eigent­lich eine eta­blier­te Band, auch so ver­un­si­chert und unpro­fes­sio­nell wie eine Schü­ler­ka­pel­le. ‘The hig­hest Heights’ waren das sicher nicht!

My Pain has no Name: Noa & Mira (IL)

Eher ans Herz ging die gemein­sa­me Frie­dens­bot­schaft ‘The­re must be ano­ther Way’ einer jüdi­schen und einer paläs­ti­nen­si­schen Israe­lin, Noa & Mira Awad. Die Glaub­wür­dig­keit der Ver­bun­den­heit und Ernst­haf­tig­keit bei­der Frau­en half ein wenig über die musi­ka­li­sche Drög­heit ihres Titels, die auch die Trom­mel­ein­la­ge auf alten Blech­ka­nis­tern nicht her­aus­rei­ßen konn­te, hin­weg. Und wäre es nicht schön, wenn eines Tages der Mira-Awad-Award für die Ver­söh­nung in Nah­ost ver­lie­hen wer­den könn­te? Es folg­te der wohl här­tes­te und lus­tigs­te Car­crash der Euro­vi­si­ons­ge­schich­te. Der in einem mit­tel­al­ter­li­chen Rit­ter­kos­tüm auf­tre­ten­de, umstrit­te­ne bul­ga­ri­sche Kas­trat Coun­ter­te­nor Kras­si­mir (welch spre­chen­der Name!) Avra­mov schrie, wim­mer­te, röchel­te und litt wäh­rend sei­ner drei Minu­ten mit­leid­erre­gend vor sich hin. So als habe ihm einer sei­ner Stel­zen­läu­fer aus Ver­se­hen in die Eier getre­ten. Oder war es die ihn beglei­ten­de Elvi­ra, Herr­sche­rin der Dun­kel­heit, die sich offen­sicht­lich für den eigent­li­chen Star des Abends hielt, obwohl sie noch schmerz­haf­ter schief sang als unser Kras­si? Höhe­punkt aber war das Schrei­du­ell, das sich die Bei­den mit einer drit­ten, offen­bar klin­go­ni­schen Sän­ge­rin lie­fer­ten und das für einen Moment Taub­heit als Erlö­sung erschei­nen ließ. Ein wahr­lich unver­gess­li­cher Eurovisionsmoment!

Spä­tes­tens ab 2:00 Min. fal­len einem wirk­lich die Ohren ab! Kras­si & die Avra­mo­vet­tes (BG)

So, wie für vie­le Fans der alten Schu­le auch der Auf­tritt der Islän­de­rin Johan­na Gud­rún Jóns­dót­tir ali­as Yohan­na. Die hat­te eine melo­diö­se, star­ke Euro­bal­la­de, eine star­ke Stim­me und sah schön aus, selbst in ihrem furcht­ba­ren blass­blau­en Groß­mutter­kleid. Sie pro­fi­tier­te natür­lich auch von dem audio­vi­su­el­len Total­scha­den direkt vor ihr, nach wel­chem der Zuschau­er nach etwas Har­mo­ni­schem lechz­ten. Mir per­sön­lich war ‘Is it true?’ aber nicht dra­ma­tisch genug, um mich anrüh­ren zu kön­nen, so dass ich mich lang­weil­te und am Ende ihrer drei Minu­ten bäng­lich-erleich­tert frag­te: “Are we through? Is she over?”. Schon wie­der lan­de­te Maze­do­ni­en auf dem zehn­ten Platz, dies­mal mit schlim­mem hete­ro­se­xu­el­lem Haar­rock (Next Time mit ‘Neš­to što kje ost­ane’). Erneut geschah kos­mi­scher Aus­gleich für all die ent­setz­li­chen Bei­trä­ge, mit denen uns die frü­he­re jugo­sla­wi­sche Repu­blik seit Anbe­ginn ihrer Euro­vi­si­ons­teil­nah­me quälte[ref]Hiervon aus­ge­nom­men ist aus­drück­lich Toše Proe­ski (2004).[/ref] und die den­noch jedes­mal wei­ter­ka­men: die Jury über­ging die Skop­jer erneut und ret­te­te erneut statt­des­sen ein skan­di­na­vi­sches Land. Ich glau­be, ganz Euro­pa fand das total gerecht – bis auf die Maze­do­ni­er, die mit dem Fuß auf­stamp­fend droh­ten, nicht mehr mit­zu­ma­chen, wenn das Ver­fah­ren in den Semis nicht geän­dert wer­de. Was dann lei­der auch geschah.

Im Chor: Hera Björk (IS 2010) und Friðrik Ómar (IS 2008)

Pro­blem­los wei­ter kamen, zu mei­nem Unver­ständ­nis, die ‘Bal­kan Girls’. Bezie­hungs­wei­se die Rumä­nin Ele­na Ghe­or­ge, wel­che die­sen aggres­si­ven Lob­ge­sang auf die “glü­hen­den Hüf­ten” der all­zeit par­ty­be­rei­ten Bal­kan­mä­dels zum Bes­ten gab. Nun bin ich zwar ein unbe­ding­ter Befür­wor­ter der frei­en Sprach­wahl, möch­te aber den­noch anre­gen, dass Nicht-Mut­ter­sprach­ler zunächst eine münd­li­che Prü­fung bei der ört­li­chen Volks­hoch­schu­le able­gen, bevor ihnen erlaubt wird, das Eng­li­sche so zu schän­den. Okay, bei dem Text war es eine Gna­de, ihn nicht zu ver­ste­hen. Trotz­dem! Dicke Damen im Dop­pel­pack: die Por­tu­gie­sen schick­ten ihre Ver­si­on der Kel­ly Fami­ly (DVE 2002) namens Flor-de-Lis mit einer sym­pa­thisch schüch­tern wir­ken­den Lead­wal­kü­re und einer rich­tig­ge­hend hüb­schen, ver­spielt-melo­diö­sen Folk­bal­la­de (‘Todas as Ruas do Amor’), ganz ohne den depres­si­ven Bal­last der frü­he­ren Jah­re. Vor der vir­tu­el­len Blüm­chen­ta­pe­te der Mos­kau­er LED-Wän­de wirk­te die Dar­bie­tung gleich noch­mal so früh­lings­frisch. Lei­se Hoff­nung keim­te auf: soll­ten die Atlan­tik-Anrai­ner nach nur 42 Euro­vi­si­ons­teil­nah­men end­lich den Dreh raus haben, wie man eine nicht ner­ven­de Num­mer schreibt?[ref]Leider nicht, wie die por­tu­gie­si­schen Bei­trä­ge der fol­gen­den drei Jah­re unter Beweis stel­len soll­ten, die alle­samt extrem nervten.[/ref]

Wie süß: ein paar Freu­den­trän­chen nach über­stan­de­nem Auf­tritt! (PT)

Über die vie­len neu­en Kin­ne in Chia­ra Sira­cu­sas Gesichts­ge­bir­ge erschrak ich mich im ers­ten Moment ein wenig. Oder steck­ten da noch ein paar halb geges­se­ne Käse­bröt­chen in ihrer Keh­le? Doch kaum war der Schock über­wun­den, zün­de­te die paten­tier­te Charme­show der Mal­te­se­r­in. Nicht zu ver­ges­sen ihre gro­ße Stim­me, mit der sie erfolg­reich von der drö­gen Mid­tem­po­bal­la­de ‘What if we’ abzu­len­ken ver­moch­te. Respekt! “Soli­da­ri­tät ist die Zärt­lich­keit der Völ­ker” sag­te der Revo­lu­ti­ons­füh­rer Che Gue­va­ra einst. Per­fek­ter als inmit­ten der aktu­el­len, tief­grei­fen­den Kapi­ta­lis­mus­kri­se, in der sich vor allem die inner­halb kür­zes­ter Zeit schon von zwei Sys­te­men ent­täusch­ten und betro­ge­nen Ost­eu­ro­pä­er nach eben sol­chen soli­da­ri­schen Wer­ten seh­nen dürf­ten, hät­te die sub­ti­le Kom­mu­nis­mus-Wer­be­show der Bos­ni­er mit roten Flag­gen und ange­deu­te­ten Mili­tär­mär­schen nicht plat­ziert sein kön­nen, mit der die Jungs von Regi­na ihre ver­hal­ten dra­ma­ti­sche Bal­kan­bal­la­de ‘Bis­tra Voda’ unter­stütz­ten. Wie so vie­le bos­ni­sche Bei­trä­ge ein Song, der zehn bis fünf­zehn Anläu­fe braucht, bevor man sich in ihn ver­liebt. Dann aber so richtig!

Nie­mand lei­det so schön wie die Bosnier!

Das fei­ge Weg­kni­cken der EBU in Sachen Zen­sur und CSD-Ver­bot bestärk­te Putin erwar­tungs­ge­mäß in sei­ner frei­heits­feind­li­chen Hal­tung, wie man an der Ver­haf­tung und Inhaf­tie­rung der Frau­en­punk­band Pus­sy Riot und dem Erlass der homof­eind­li­chen Geset­ze in den fol­gen­den Jah­ren sehen konn­te. Inso­fern muss man die­sen Jahr­gang als ein Doku­ment der euro­päi­schen Schan­de bezeichnen.

ESC 1. Semi­fi­na­le 2009

Euro­vi­si­on Song Con­test 2009 – Ers­tes Semi­fi­na­le. Diens­tag, 12. Mai 2009, aus der Olym­pia­hal­le in Mos­kau, Russ­land. 18 Teil­neh­mer, Mode­ra­ti­on: Nata­lia Vod­ja­no­wa und Andrej Malakow.
#LandInter­pretTitelPunk­tePlatzQual.
01MEAndrea Demi­ro­vićJust get out of my Life04411nein
02CZGipsy.czAven Roma­le00018nein
03BECopy­catCopy­cat00117nein
04BYPetr Elf­i­movEyes that never lie02513nein
05SEMale­na ErnmanLa Voix10504ja
06AMInga & Anush ArshakyanNor Par (Jan jan)09905ja
07ADSusan­ne GeorgiLa teva Decisió00815nein
08CHLove­bugsThe hig­hest Heights01514nein
09TRHadi­se AçıkgözDüm tek tek17202ja
10ILNoa + Mira AwadThe­re must be ano­ther Way07507ja
11BGKras­si­mir AvramovIllu­si­on00716nein
12ISYohan­na JónsdóttirIs it true?17401ja
13MKNext TimeNeš­to što kje ostane04510nein
14ROEle­na GheorgheThe Bal­kan Girls06709ja
15FIWaldo’s Peo­p­leLose Con­trol04212ja (Jury)
16PTFlor-de-LisTodas as Ruas do Amor07008ja
17MTChia­raWhat if we08606ja
18BARegi­naBis­tra Voda12503ja

<– DVE 2009: Kiss, Fist, Gang-Bang

ESC 2. Semi 2009: Don’t be hap­py and don’t be gay –>

13 Comments

  • hi Ich den­ke das Isra­el von der Jury geschützt wur­de oder auch Bos­ni­en aber nie­mals noch­mal Schwe­den! Schwe­den war so toll auch wenn ich beim ers­ten refrain etwas erschrack der Hin­ter­grund summ­te für mich zu laut-.- Bei Chia­ra erschrack ich auch aber nicht wegen denn kings (unver­schähmt­heit sowas zu einer Frau zu sagen!!!) son­dern das sie ein paar töne am anfang ver­sem­mel­te-.- Wie gesagt ich den­ke das Isra­le oder Bos­ni­en durch die Jury nur wei­ter kamen!!! Oder vllt mein armes Mal­ta für das ich Anrief genau­so wie für Schwe­den und Island;) Ach­so es schau­ten 260.000Menschen in Deutsch­land zu^^ das reich­te für eine unglaub­li­chen markt­an­teil von 1% xDDD mfg pasi

  • Was meinst du denn eigen­lich mit ‘vor­her­ge­sagt’? Wenn die­se Seite[url]https://www.aufrechtgehn.de/index.php?option=com_content&task=view&id=577&Itemid=101[/url] die Vor­her­sa­ge ist, dann stimmt da doch was nich. 8)

  • Isra­el könn­te auch der Jury­pick gewe­sen sein. Wobei ich fin­de, dass die stimm­li­che und per­sön­li­che Har­mo­nie zwi­schen den zwei Frau­en die Frie­dens­bot­schaft sehr schön getra­gen hat und sich das auch auf den Zuschau­er über­trug, so dass der viel­leicht trotz lang­wei­li­gen Lie­des dafür anrief (von mir beka­men Mira & Noa zwei Anru­fe). Bei Bos­ni­en hin­ge­gen wet­te ich, dass das Platz 1 oder 2 im Zuschau­er­vo­ting war (vor oder hin­ter der Tür­kei). Schwe­den war toll, ich hab acht mal für sie ange­ru­fen. Trotz­dem bin ich nicht sicher, ob das auch so vie­le ande­re taten. Wir werden’s am Sonn­tag erfah­ren! Wie­so darf man bei Frau­en nicht erwäh­nen, dass sie ein Mehr­fach­kinn haben? Ich hab mich echt erschreckt, ich dach­te erst, da sind noch ein paar Käse­bröt­chen im Hals ste­cken geblie­ben! Toll gesun­gen hat sie aber, alles was Recht ist!

  • Ver­ste­he, die Pro­ben. Die Sei­te war mir doch glatt ent­gan­gen. Da schau ich doch gleich mal beim 2.Semi rein 😀

  • Ich hab für Schwe­den nicht ange­ru­fen. 15 mal Island (dabei fand ich das Lied auf Plat­te eher unauf­fäl­lig, aber Yohan­na war live echt toll) 7 mal Bos­ni­en (mein Favo­rit) 2 mal Weiß­russ­land (zwei Spon­tan­an­ru­fe beim Schnell­durch­lauf, komisch dass von den drei rocki­gen Songs wirk­lich kei­ner durch­ge­kom­men ist) 1 mal Isra­el (auch zwei tol­le Künst­le­rin­nen) Ich bin bis auf Rumä­ni­en auch soweit mit allen Fina­lis­ten ein­ver­stan­den. Mal am Sonn­tag gucken ob mei­ne Anru­fe über­haupt was gebracht haben und aus Deutsch­land tat­säch­lich Punk­te für Island, Bos­ni­en und Isra­el kamen.

  • Ach­so es schau­ten 260.000 Men­schen in Deutsch­land zu^^ das reich­te für eine unglaub­li­chen markt­an­teil von 1% xDDD

    Wenn die­se Zahl NICHT die­je­ni­gen beinhal­tet, die via Inter­net-Stream auf Eurovision.tv mit­ge­guckt haben, dann waren es sogar min­des­tens 260.001 😉

  • Da sind defi­ni­tiv die zehn Rich­ti­gen wei­ter­ge­kom­men, auch wenn Maze­do­ni­en mal wie­der dank der Jury hän­gen­blieb (und Jury­vo­ting soll was Schlech­tes sein? 😉 ). Der Sen­der aus FYROM denkt inzwi­schen dar­über nach, 2010 gleich ganz zu ver­zich­ten. Und die EBU hat schon ange­kün­digt, dass in die­sem Fall der zehn­te Platz im Semi nicht ver­ge­ben wird. 😀 Tsche­chi­en könn­te sich da inzwi­schen auch mal Gedan­ken machen. Drei Auf­trit­te, ins­ge­samt 10 Punk­te, 9 davon 2008. Und ein neu­es Land für die illus­tre Gale­rie der Nul­poin­ter (übri­gens das ers­te Mal eine ech­te Band, wenn man die Tür­ken von 87 und die Schwei­zer von 04 nicht als sol­che zäh­len will). War das furcht­bar – aber so schlimm wie­der­um auch nicht. Dem Bel­gi­er hät­te ich es gegönnt – haben die aus dem Tor-End­re­sen-Desas­ter von 1997 nichts gelernt?!

  • […] auf den NDR ver­mel­det, kom­men­tiert Peter Urban nach sei­nem krank­heits­be­ding­ten Aus­set­zen in Mos­kau in die­sem Jahr wie­der den Euro­vi­si­on Song Con­test für die ARD. Und auch, wenn Tim Früh­ling eine […]

  • Ist der schlech­test­be­wer­te­te Euro­vi­si­ons­bei­trag der Geschich­te nicht eher Cele­bra­te! (Schweiz 2004)? Der hat doch von mehr Län­dern kei­nen Punkt bekom­men, näm­lich von 32 im Ver­gleich zu 19 Abstim­mungs­be­rech­tig­ten im jewei­li­gen Semi.

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