Ab 2010: durch­gän­gig geöff­ne­tes Televoting

Krea­ti­ves Kri­sen­ma­nage­ment: kaum bre­chen der EBU infol­ge der Finanz­kri­se die mit­mach- (und zahlungs-)willigen Teil­neh­mer­län­der weg, besinnt sich die Refe­rence Group auf eine ver­läss­li­che­re Ein­nah­me­quel­le: die Zuschau­er! Die dür­fen näm­lich ab die­sem Jahr­gang bereits ab dem ers­ten Song des Abends anru­fen. Damit ver­län­gert sich die Zeit­span­ne, in wel­cher die Tele­fon­ge­büh­ren flie­ßen, von bis­lang 15 auf zir­ka 90 Minu­ten. Cle­ver, oder? Aber auch in Deutsch­land übt man sich im Stre­cken: weil man “noch mehr Talen­te sehen” wol­le (lies: die bis­he­ri­gen wohl nicht so über­zeug­ten), schie­ben die ARD und Raab ein wei­te­res Cas­ting am nächs­ten Wochen­en­de ein.


Hör auf Abba und häng Dich an den Apparat!

Ganz unschul­dig ver­steckt sich die Mit­tei­lung als letz­ter Absatz im lau­ni­gen Bericht über das letz­te Cas­ting­wo­chen­en­de in Ste­fan Raabs Köl­ner Pro­duk­ti­ons­stu­dio auf der Euro­vi­si­ons­sei­te des NDR. “Eigent­lich soll­te an die­sem Wochen­en­de Schluss mit den Cas­tings sein. Aber die ARD und Ste­fan Raab wol­len noch mehr musi­ka­li­sche Talen­te sehen und des­halb gibt es eine wei­te­re Chan­ce: Am 6., 7., und 8. Novem­ber öff­net sich erneut die ‘Unser Star für Oslo’-Casting-Pforte”, so der Sen­der. Mit ande­ren Wor­ten: die abso­lu­ten Über­flie­ger schei­nen bis­lang noch nicht dabei gewe­sen zu sein. Kein Wun­der, lock­te die Ankün­di­gung, man sei auch für Bewer­ber mit eige­nem Song-Mate­ri­al offen, ver­mut­lich in Scha­ren die schlimms­te Sor­te von Vor­ent­schei­dungs­aspi­ran­ten an, die man sich vor­stel­len kann: glü­hen­de Grand-Prix-Fans, die unbe­dingt selbst mal auf der Büh­ne ste­hen wol­len und ihre Lei­den­schaft mit Talent ver­wech­seln. Aber las­sen wir uns überraschen.


Nein, da war der Star für Oslo noch nicht dabei!

Die eigent­li­che Knül­ler­mel­dung des Tages lie­fer­te indes die EBU selbst: wie schon bei der Kin­der-Euro­vi­si­on aus­ge­tes­tet, dür­fen die Zuschau­er im Mai in allen drei Run­den zum Hörer grei­fen, sobald der ers­te Teil­neh­mer auf der Büh­ne den Mund zum Sin­gen öff­net. Natür­lich nur aus noblen Grün­den: man wol­le damit ver­hin­dern, dass Abstim­mungs­wil­li­ge wie in der Ver­gan­gen­heit das Besetzt­zei­chen hören und wol­le errei­chen, dass mehr Men­schen abstim­men kön­nen. Außer­dem sei es “logi­scher”, für einen Titel anzu­ru­fen, wäh­rend der gera­de lau­fe, statt erst bis zum Ende aller Auf­trit­te zu war­ten, so Svan­te Stock­se­li­us. Die Ana­ly­sen des Abstim­mungs­ver­hal­tens beim JESC und bei natio­na­len Vor­ent­schei­dun­gen, bei denen die­ses Ver­fah­ren bereits zur Anwen­dung kam, hät­ten zudem erge­ben, dass den frü­he­ren Star­tern dar­aus kei­ne signi­fi­kan­ten Vor­tei­le erwüch­sen. Das mag sogar sein – den Haupt­vor­teil gene­riert die EBU bzw. die betei­lig­ten Sen­de­an­stal­ten aus der Ver­viel­fa­chung der kos­ten­pflich­ti­gen Anru­fe durch mehr Impuls­te­le­fo­nie­rer. Und durch die Dia­spo­ra- und Nach­bar­schafts­vo­ter, denen man es mit dem neu­en Sys­tem noch ein­fa­cher macht, für ihr Lieb­lings­land anzu­ru­fen statt für den bes­ten Song. Jetzt schon ab der ers­ten Minute.

3 Comments

  • Bezüg­lich der deut­schen VE: Natür­lich kann man die Ver­län­ge­rung des Cas­tings so sehen wie du, näm­lich das noch nicht die Über­brin­ger dabei gewe­sen sind. Man kann es aber auch mal posi­tiv sind, das sovie­le Kan­di­da­ten dabei gewe­sen sind und das Inter­es­se so groß ist, das man halt eben noch ein biß­chen län­ger sucht. Je län­ger man sucht, des­to mehr gute Kan­di­da­ten fin­det man. Es ist ja noch Zeit. Dem län­ge­ren Tele­fon­vo­ting sehe ich sehr kri­tisch ent­ge­gen. Denn Lie­der mit höhe­ren Start­num­mern sind da ein­deu­tig im Nach­teil, und das gan­ze ist wohl nur wegen dem Geld­ver­die­nen. Und ob die Zuschau­er da mit­ma­chen, sei mal dahin­ge­stellt. Ich will erst­mal alle Auf­trit­te und Per­for­man­ces sehen, bevor ich anru­fe, wenn ich über­haupt anru­fe. Noch­mals zu VE: Lie­be ne VE mit meh­re­ren Vor­run­den als der Mist der uns 2009 vor­ge­setzt wor­den ist. Ich bin mir sicher, das das Inter­es­se am ESC wie­der gestei­gert wird.

  • Stich­wort Tele­fon­vo­ting: Plus ca chan­ge, plus c’est la même cho­se, wie der Fran­zo­se sagt. Wenn man den Stimm­block ans Ende legt, sind die spä­ten Star­ter ein­deu­tig im Vor­teil (bit­te mal auf die Ergeb­nis­se schau­en, und nein, die­ses Jahr zählt nicht. 😉 ). So haben die frü­hen Start­plät­ze wie­der etwas mehr Attrak­ti­vi­tät. Und die­ses Jahr muss­te ich nicht alle Auf­trit­te sehen, um zu wis­sen, wer mei­ne Stim­me bekommt (Frank­reich war Start­platz 3). Viel­leicht nimmt die EBU sich die Gele­gen­heit, die Anru­fe auf einen pro Anschluss zu begren­zen. Sechs­mal so viel Zeit zum Abstim­men, dafür nicht mehr jeder ein­zel­ne sechsmal…und viel­leicht kann ich mor­gen auch die Flut über­re­den, nicht zu kom­men, und auf einem geflü­gel­ten Marsh­mal­low ins Sor­bet-König­reich reiten. 😀

  • […] das neue Abstim­mungs­ver­fah­ren zum Ein­satz, wobei die Zuschau­er bereits nach dem ers­ten Lied anru­fen dür­fen. Zur Ein­däm­mung des Dia­spo­ra­vo­tings (und wohl auch, um die Vor­wür­fe zu ent­kräf­ten, die […]

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