Mol­da­wi­en: von Raub und Repa­ra­ti­on (MD 2012)

Es ist ein seit Jah­ren zuneh­mend zu beob­ach­ten­der Trend bei Euro­vi­si­ons­vor­ent­schei­dun­gen: star­ke Acts, die mit einem mör­der­mä­ßi­gen Spit­zen­song knapp unter­lie­gen oder durch Jury­ent­schei­dun­gen ihres gerech­ten Sie­ges beraubt wer­den, erfah­ren oft­mals im Fol­ge­jahr – dann lei­der immer mit einem wesent­lich schwä­che­ren Bei­trag – kos­mi­sche Wie­der­gut­ma­chung. So bei­spiels­wei­se letz­tes Jahr in Schwe­den und heu­er in Öster­reich und Russ­land. Nun gesellt sich auch Mol­da­wi­en in die­se Rie­ge: dort sieg­te soeben, mit Hil­fe mas­si­ver Jury­ma­ni­pu­la­ti­on, der nied­li­che Pasha Par­fe­ny gegen die Publi­kums­fa­vo­ri­tin Cris­ti­na Croi­toru. Der wur­de 2011 mit dem abso­lut bes­ten Vor­ent­schei­dungs­bei­trag des gesam­ten Jahr­gangs, dem Eth­no-Dis­co-Knal­ler ‘Doru­le’, eben­so dank mas­si­ver Jury­ma­ni­pu­la­ti­on, nur Drit­ter. ‘Lău­t­ar’, sein aktu­el­ler Song, erweist sich da im Ver­gleich lei­der nur als lau­er, wenn auch immer noch guter, Aufguss.

httpv://youtu.be/qF2asFH8V90
Die Ori­gi­nal­cho­reo mit der berüch­tig­te Hoppe-Reiter-Szene

Natür­lich geht der Sieg des bei den Zuschau­ern Zweit­plat­zier­ten Pasha, der sich ein Bei­spiel an Eva Boto nahm und schnell noch Lakas Bräu­te als Backings orga­ni­sier­te, den­noch völ­lig in Ord­nung: nach dem stimm­li­chen Total­aus­fall der ursprüng­li­chen Top-Favo­ri­ten Trans­bal­ka­nika, die ihren fabel­haf­ten Eth­no-Klop­per ‘Bal­kan Riders’ lei­der voll­stän­dig ver­sem­mel­ten, hat­te der 2009 beim Sun­stro­ke Pro­ject Aus­ge­stie­ge­ne den ein­zi­gen noch ver­blie­be­nen akzep­ta­blen Bei­trag in dem 21 Songs star­ken Vor­ent­schei­dungs­ma­ra­thon. Bei dem es sich übri­gens für mei­ne Begrif­fe gene­rell um die sehens­wer­tes­te Vor­ent­schei­dung der kom­plet­ten Sai­son han­delt. Denn hier, in Mol­da­wi­en, lebt er noch: der Geist der lei­der zuneh­mend ver­schwin­den­den Spaß-Euro­vi­si­on, wo lus­ti­ge Ver­klei­dun­gen und absur­de Cho­reo­gra­fien alles sind und musi­ka­li­sche Qua­li­tät oder stimm­li­ches Kön­nen nichts. So herz­haft wie heu­te Abend lach­te ich seit lan­ger Zeit nicht mehr!

httpv://www.youtube.com/watch?v=Zwd5bXZ1GqE
Hier, zum Ver­gleich, noch­mal ‘Doru­le’ von 2011

Es begann schon gran­di­os mit einem als Dra­cu­la ver­klei­de­ten Sin­ge­se­nio­ren mit schlech­ter Perü­cke, der als Höhe­punkt sei­ner Dar­bie­tung ein piep­sen­des Spiel­zeug­vög­lein aus Plas­tik unter einem Tisch­tuch her­vor­zau­ber­te. Gefolgt von einem unter­ir­di­schen Ralph-Sie­gel-Bei­trag, prä­sen­tiert von quietsch­bunt ange­zo­ge­nen Men­schen, der es erstaun­li­cher­wei­se auf den drit­ten Platz beim Publi­kum schaff­te. Wobei: so deut­lich, wie sich Sie­gel bereits frü­her über die Mani­pu­lier­bar­keit des Tele­vo­tings aus­ließ, soll­te es viel­leicht doch nicht ver­wun­dern… Auch bei den ande­ren Bei­trä­gen domi­nier­ten bil­li­ge Zweit­haa­re und alber­ne Kos­tü­mie­run­gen. Dar­un­ter: eine jugend­li­che Joan Coll­ins mit Clownspe­rü­cke; ein ver­wirrt wir­ken­des Mädel mit fleisch­far­be­ner Hals­krau­se, das sich im Green Room erst mal den Bauch voll­schlug und ihr Inter­view mit vol­lem Mund füh­ren muss­te; eine mit Fett­kos­tü­men ver­klei­de­te Band (bis auf den real stark über­ge­wich­ti­gen Sän­ger), die eine Ode an die ‘Moll Girls’ dar­bot; sowie pas­sen­der­wei­se die als Zwan­zi­ger­jah­re-Caba­ret-Act ver­klei­de­te, seit 2008 deut­lich auf­ge­dun­se­ne Geta Bur­la­cu.

httpv://youtu.be/FnsBBKO0vyk
Nicht halb so lus­tig wie der Final­auf­tritt: Adri­ans Video

Wei­te­re High­lights: Adri­an Ursu, den das mol­da­wi­sche Fern­se­hen aus huma­ni­tä­ren Grün­den in eine Ple­xi­glas­box steck­te und ver­such­te, ihn mit dort­hin ein­ge­lei­te­ten Dämp­fen zu ersti­cken, wäh­rend um ihn her­um zur Ablen­kung ein Zir­kus sei­ne Show abzog. Lei­der konn­te sich der Sän­ger in letz­ter Sekun­de befrei­en. Noch bes­ser: Maria­na Mihăilă, die ein paar Tän­zer mit brei­ten Stoff­bah­nen han­tie­ren ließ. Lei­der hob einer die­ser Man­nen die­sel­be beim Her­um­wir­beln nicht hoch genug, das Tuch ver­fing sich im Mikro­fon der Sän­ge­rin und die schlug sich damit bei­na­he einen Zahn aus. Herr­lich! Ohne Unfall ging eine ähn­li­che Tuch­per­for­mance der Band Akord (Song: ‘Live the Show’) von stat­ten – die ver­hed­der­ten sich dafür in der eng­li­schen Aus­spra­che und san­gen: ‘Lea­ve the Show’. Ja, bit­te! Und wer einen Ein­druck davon bekom­men möch­te, wie wohl die Tele­tub­bies auf LSD wir­ken, braucht sich nur den Auf­tritt von Uni­vox mit ‘Moo­dy Num­bers’ reinzuziehen.

httpv://youtu.be/QXK505zo0bU
Dage­gen macht selbst Björk Kom­merz­pop: Univox

Als Mode­the­ma des Abends erwies sich die Rück­kehr der Drei­vier­tel­ho­se. An zahl­rei­chen Tän­zern konn­te man das knap­pe Bein­kleid bewun­dern, oft in Kom­bi­na­ti­on mit feh­len­dem Fuß­kleid. Nicht, dass ich das bekla­gen woll­te! Auch Pasha Par­fe­ny per­form­te in kur­zen Buxen, dazu noch in beson­ders merk­wür­dig gemus­ter­ten. Ähn­lich kurz hät­te man sich den Pau­sen­act gewünscht: eine Art Free-Jazz-Med­ley aller mol­da­wi­schen Euro­vi­si­ons­lie­der, das jedoch um ein Viel­fa­ches län­ger dau­er­te als alle bis­he­ri­gen Bei­trä­ge des Kar­pa­ten­staa­tes zusam­men. Man ver­lor als Zuschau­er in die­sen gefühl­ten sechs Stun­den sämt­li­chen Lebens­wil­len, wäh­rend die durch die Ein­blen­dung von Zwi­schen­stän­den bes­tens über den Publi­kums­fa­vo­ri­ten infor­mier­ten Juro­ren hin­ter den Kulis­sen noch das End­ergeb­nis zurecht­ma­ni­pu­lier­ten. Den­noch kann ich die­se Vor­ent­schei­dung Trash­freun­den nur ans Herz legen: auf eurovision.tv kann man sie erneut genießen!

11 Comments

  • ich per­sön­lich emp­fands schon ab dem punkt, als die mode­ra­to­ren (inklu­si­ve schet­ti­nos freun­din von der cos­ta) die büh­ne betra­ten. mein ers­ter und letz­ter mol­da­wi­scher VE.

  • O Graus. Jetzt ist doch tat­säch­lich ein­ge­tre­ten, was ich nur das Grau­en nen­nen kann! Mein per­sön­li­cher Hass­bei­trag hat in Mol­da­wi­en gewon­nen. Natür­lich war fast die gesam­te Aus­wahl qua­li­täts­mä­ßig grot­tig. Aber ich hat­te ja nicht wis­sen kön­nen, dass Trans­bal­ka­nika live so unter­ge­hen wür­den. Immer­hin schie­nen sie mir akzep­ta­bel, wenn ich per­sön­lich auch lie­ber die abge­dreh­te Doin­i­ta Gher­man (mei­net­we­gen auch Cris­ti­na Croi­toru, Nico­le­ta Gavri­li­ta, MC Mike oder  Uni­vox gehabt hät­te). Aber DAS DA geht gar nicht. Bääh.

  • Uni­vox hat wohl von Bel­gi­en 2011 nix mit­be­kom­men oder wie ver­ste­he einen sol­chen Müll? Naja dage­gen ist der Sie­ger­song ja fast von Rum­pel­stielz­chen zu Gold Gespon­nes. Ein­gän­gi­ge Melo­die, wenn der Mann nicht sin­gen wür­de. Da tut teil­wei­se lei­der weh, liegt viel­leicht an der zu kur­zen Hose.

  • Wie­so soll das Müll sein? Das ist gera­de­zu fan­tas­tisch. Wie auch Bel­gi­en 2011. Das das vom Wahl­volk igno­riert wird, spricht nicht gegen die Titel, son­dern den all­ge­mei­nen Dumpfgeschmack.

  • Heißt das dann, dass nächs­tes Jahr Chris­ti­na mit einem lau­en Auf­guss gewin­nen wird? Ich bin gespannt. Eines kann man dem mol­da­wi­schen Bei­trag jeden­falls nicht vor­wer­fen: Er ist unter­halt­sam (ob auf gute oder schlech­te Wei­se, soll jeder für sich selbst ent­schei­den). Wenn er die Büh­nen­show noch ändert, wird es viel­leicht sogar etwas mit dem Final­ein­zug (ich sag nur Frau­en-als-Fuß­sche­mel-Kol­dun 2007). Aber wahr­schein­lich wird er neben Groß­müt­tern, Popos, Haar-Erek­tio­nen und israe­li­ti­schen Zeit­schlei­fen wohl doch eher unter­ge­hen. Die zwei­te Hälf­te des ers­ten Semis wird jeden­falls nicht lang­wei­lig sein.

  • Also da gefal­len mir Bel­gi­en 2011 und sogar Lett­land 2006 noch bes­ser als die­se Uni­vox. Von den schwei­ze­ri­schen The Glue letz­tes Jahr ganz zu schweigen.

  • Vom gesang­li­chen Kön­nen sind auch die Bel­gi­er letz­tes Jahr noch um Klas­sen bes­ser gewe­sen, nur der Song war recht dünn. Hier dage­gen gefällt mir gera­de die schrä­ge Komposition.
    Oli­vers Cha­rak­te­ri­sie­rung “dage­gen macht selbst Björk Kom­merz­pop” bringt es exakt auf  den Punkt, und genau das ist es, was ich so mag (ich lie­be natür­lich auch Björk, Regi­na Spec­tor usw. Des­we­gen fand ich ja bei USFB auch leo­nie so gut, auch wenn sie gesang­lich und per­sön­lich nocht nicht ganz aus­ge­reift erscheint).

  • Au weia! Jetzt habe ich mich schon gefragt, wer sowas wählt. Da tut mir ja beim hören in den Ohren weh. 

    Aller­dings habe ich mir dann im Anschluss mal Uni­vox ange­tan  und wäre fast augen­blick­lich an Ohren­krebs krepiert.

    Inso­fern möch­te ich mei­ne ers­te Mei­nung ger­ne revi­die­ren und bin jetzt der Mei­nung das geht schon so in Ord­nung mit dem klei­nen Pasha. :-))

  • […] ech­ter Knal­ler. Und lenkt so erfolg­reich vom aller­dings deut­lich ver­ständ­li­cher als noch in der Vor­ent­schei­dung arti­ku­lier­ten Pidgin-Eng­lisch des wun­der­bar dop­pel­deu­ti­gen Tex­tes ab, das man sich dem […]

  • […] die­ser Sai­son fühlt sie sich auch an!). Sowie als beglei­ten­der Pia­nist von Ali­o­na Moon, die letz­tes Jahr noch als Tän­ze­rin im spek­ta­ku­lä­ren Dress für ihn fun­gier­te, wäh­rend er uns mit sei­ner Trompete […]

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