Ter­ror­an­schlag beim Grand Prix verhindert?

Nein, die­se Über­schrift bezieht sich nicht auf das früh­zei­ti­ge Aus­schei­den von Ram­bo Ama­de­us im Semi­fi­na­le. Aus­nahms­wei­se geht es näm­lich nicht um die übli­chen geschmack­li­chen Anschlä­ge auf die Ohren Euro­pas beim Grand Prix, son­dern einen angeb­lich geplan­ten, reli­gi­ös moti­vier­ten Ter­ror­akt gegen den Euro­vi­si­on Song Con­test in Baku. Den will das dor­ti­ge Minis­te­ri­um für Natio­na­le Sicher­heit nach eige­ner Mit­tei­lung mit der teils blu­ti­gen Fest­nah­me von 40 Ver­däch­ti­gen letz­ten Mitt­woch ver­hin­dert haben, wie der NDR heu­te mel­det. Um eine Mas­sen­pa­nik in Baku zu ver­mei­den, habe man sich erst zu einer nach­träg­li­chen Ver­öf­fent­li­chung der Fest­nah­me ent­schlos­sen, bei der auch Waf­fen und Spreng­stoff sicher­ge­stellt wor­den seien.


Soll­te ihr schril­ler Schrei bei 2:28 Min. die Bom­be zün­den? (MK)

Die aus der rus­si­schen Repu­blik Dage­stan gesteu­er­te Grup­pe mut­maß­li­cher isla­mis­ti­scher Ter­ro­ris­ten habe sich Kar­ten für das Fina­le in der Crys­tal Hall besorgt, was einen geplan­ten Anschlag in der Live-Sen­dung nahe­legt. Die­se Mel­dung wür­de auch die von den Prinz-Blog­gern kon­sta­tier­te Infil­tra­ti­on des Hal­len­pu­bli­kums durch Tür­ste­her­ty­pen und stra­te­gisch ver­teil­te, merk­wür­dig eisi­ge Damen mitt­le­ren Alters “mit erns­tem Blick” erklä­ren, die hier womög­lich nach noch nicht ver­haf­te­ten Ter­ro­ris­ten Aus­schau hiel­ten. Die Durch­füh­rung des Unter­hal­tungs­events in Baku, mit der das aser­bai­dscha­ni­sche Régime auch eine kul­tu­rel­le Hin­wen­dung des mus­li­misch gepräg­ten, aber lai­zis­tisch orga­ni­sier­ten Staa­tes zum Wes­ten hin demons­trier­te, war etli­chen Got­tes­staat-Fana­ti­kern in den Nach­bar­län­dern ein Dorn im Auge, bereits im Vor­feld droh­ten ira­ni­sche Geist­li­che ein “Blut­ver­gie­ßen” an. Die Atta­cken auf Euro­vi­si­ons­nach­rich­ten­sei­ten in den letz­ten Wochen ste­hen ver­mut­lich eben­falls im glei­chen Zusammenhang.


“War­um impor­tiert Nor­we­gen immer Aus­län­der zum Sin­gen?” (3:39)

Ande­rer­seits liegt auch die Ver­mu­tung nahe, das Ali­y­ew-Régime wol­le mit die­ser (nicht nach­prüf­ba­ren) Mel­dung ledig­lich von den kaum noch über­schau­ba­ren Mas­sen­fest­nah­men fried­li­cher Demons­tran­ten und Oppo­si­tio­nel­ler auch wäh­rend der Euro­vi­si­ons­wo­chen ablen­ken, mit denen der kor­rup­te Fami­li­en­clan sei­ne Macht in dem rei­chen Erd­öl­land zu sichern sucht. Selbst die gegen­über der EBU als Vor­aus­set­zung für den Zuschlag zur Durch­füh­rung der Show abge­ge­be­ne Zusa­ge, zumin­dest den aus­län­di­schen Medi­en­ver­tre­tern Pres­se­frei­heit zu gewäh­ren, hielt das Land nicht immer ein: Amir Asgharne­jad, ein Come­di­an des nor­we­gi­schen Fern­se­hens, der in Baku sati­risch-alber­ne Bei­trä­ge im Stil von Burat dreh­te, muss­te bei sei­ner Aus­rei­se erfah­ren, dass man am Kau­ka­sus kei­nen Spaß ver­steht. Er sei von der Poli­zei fest­ge­hal­ten und bedroht wor­den, muss­te sich aus­zie­hen und sei gefilmt wor­den. Man habe sogar kurz­zeitg den Rück­zug Too­jis vom Fina­le erwo­gen, so der NRK-Direk­tor Per Arne Kalbakk.


Ich lie­be Anke Engelke!

Dage­gen fällt das Ver­bot des Fil­mens unfer­ti­ger Bau­stel­len in Baku, wie es unter ande­rem die NDR-Video­blog­ge­rin San­dra Hof­mann oder Baku­b­log­ger Ste­fan Nig­ge­mei­er ereil­te, ver­gleichs­wei­se kaum ins Gewicht, trägt aber zum ins­ge­samt scha­len Nach­ge­schmack bei, den die Aus­tra­gung des Con­tests am Kas­pi­schen Meer hin­ter­lässt. Die Fra­ge, ob die durch den Grand Prix her­vor­ge­ru­fe­ne, schlag­licht­ar­ti­ge Auf­merk­sam­keit für die poli­ti­sche Situa­ti­on in dem Land mit­tel­fris­tig zur Ver­än­de­rung bei­trägt oder ob jetzt, da die “Men­schen­rech­tis­ten” (so die NDR-Hof­schran­ze Jan Fed­der­sen, der sicher­lich froh ist, sich nächs­tes Jahr in Stock­holm nicht mehr die­sen “Spaß­brem­sen” her­um­pla­gen zu müs­sen) wie­der abge­zo­gen sind, alles so wei­ter­geht wie vor­her, war ja schon Anlass zahl­rei­cher phi­lo­so­pi­scher Betrach­tun­gen auf hier­für kom­pe­ten­te­ren Sei­ten als mei­ner. Nie­mand hät­te ein schö­ne­res, ver­söhn­li­che­res Schluß­wort hier­zu spre­chen kön­nen als die fan­tas­ti­sche Anke Engel­ke wäh­rend der deut­schen Punk­te­ver­ga­be am Sams­tag: “Es ist gut, eine Wahl zu haben. Viel Glück auf Dei­ner Rei­se, Aser­bai­dschan – Euro­pa schaut auf Dich!” Dan­ke, Anke!

Soll­ten unde­mo­kra­tisch regier­te Län­der künf­tig vom ESC aus­ge­schlos­sen werden?

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9 Comments

  • Ja ja! Ich weiß! Kommt mor­gen, über­mor­gen und über­über­mor­gen, jetzt wirk­lich. Wenn nicht wie­der dazwi­schen­kommt. Habt Geduld und Mit­leid mit einem alten Mann.

  • Rich­tig: wer defi­niert den Begriff “unde­mo­kra­tisch”? Die Staa­ten des Ost­blocks nann­ten sich sel­ber ja auch ger­ne mal “Demo­kra­ti­sche Volks­re­pu­blik” usw. Und vor allem: wel­che Aus­schluß­kri­te­ri­en wer­den dann als nächs­tes gefun­den? Viel­leicht Frank­reich, wegen Atom­kraft und so? Oder die Schweiz, weil die so böse nied­ri­ge Steu­ern haben?

  • Tja, vor zwei Jah­ren dach­ten wir noch, dass ein gewis­ser “Jim­my Jump” das Schlimms­te ist, was einem ESC wider­fah­ren kann. 

  • Baku wird wohl als ESC mit Bom­ben­stim­mung in Erin­ne­rung bleiben,
    Die Vor­stel­lung was wirk­lich hät­te pas­sie­ren kön­nen ist schlimm.
    Ich hof­fe die EBU wacht mal auf und reagiert entsprechend:
    z.B. Ver­ga­be der ESC-Aus­rich­tung an einen Bewer­ber und nicht auto­ma­tisch an den Sieger.

  • Das heißt also, die nächs­ten drölf ESCs fin­den dann alle in Deutsch­land statt, weil sich das sonst kei­ner mehr leis­ten kann? 😉

  • Das hal­te ich für kei­nen guten Vor­schlag. Wenn man über­haupt aus­siebt (und das hal­te ich für rela­tiv schwie­rig, aber viel­leicht doch mach­bar durch Ethik-Codi­ces, die mit kon­kre­ten sank­tio­nen ver­bun­den sind), dann auf jeden fall bereits vor­her. Die Aus­rich­tung durch das jewei­li­ge Sie­ger­land fin­de ich einen net­ten Zug. So kommt man wenigs­tens ein wenig rum und es geht nicht nur dar­um, wer das teu­ers­te auf­fah­ren kann.

  • Kos­tet zwar viel, aber bringt dem Aus­rich­ter ja auch was ein: Image­ver­bes­se­rung, Wer­bung, Besu­cher­zu­strom etc.. Viel­leicht kann man poten­zi­el­len Bewer­bern irgend­wie finan­zi­ell unter die Arme greifen.
    Die Bewer­ber-Rege­lung könn­te immer­hin auch zu einer Qua­li­täts­stei­ge­rung bei den Bei­trä­gen füh­ren, denn kein Land braucht mehr Schrott zu schi­cken, damit der Kelch an ihm vorübergeht. ‚-)

  • Wie will man die Ein­hal­tung der Wer­te kon­trol­lie­ren. Klappt schon bei der UN-Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on nicht.

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