Deut­scher Vor­ent­scheid: das Ers­te ist wie­der allein, allein

Die Koope­ra­ti­on ruht”: so kom­men­tier­te der Pro­Sie­ben-Spre­cher Micha­el Oster­mei­er die heu­te offi­zi­ell bestä­tig­te Mel­dung, dass der Raab-Sen­der und die ARD beim deut­schen Vor­ent­scheid 2013 nicht zusam­men­ar­bei­ten wer­den. Und dürf­te damit ein hüb­sches Neu­sprech-Äqui­va­lent für die bei Pop­band-Tren­nun­gen all­seits belieb­te “Krea­tiv­pau­se” gefun­den haben. Dass der Mün­che­ner Pri­vat­sen­der ange­sichts der selbst ver­schul­de­ten mise­ra­blen Ein­schalt­quo­ten von Unser Star für Baku kei­ne Lust mehr auf eine Fort­set­zung hat, war abzu­se­hen. Zumal sich Ste­fan Raab, die Trieb­fe­der hin­ter der Zusam­men­ar­beit, mit der ange­kün­dig­ten Polit-Game­show Abso­lu­te Mehr­heit längst auf dem Weg zum nächs­ten TV-Olymp befin­det. Nun muss die ARD, respek­ti­ve der NDR, den deut­schen Bei­trag also wie­der allei­ne ver­ant­wor­ten. Auch hier übt man sich in Neu­sprech: “Das Kon­zept für den deut­schen Vor­ent­scheid 2013 ist der­zeit in Vor­be­rei­tung”, so ver­ne­bel­kerzt Tho­mas Schrei­ber in der heu­ti­gen Pres­se­mit­tei­lung das Nicht­vor­han­den­sein einer prä­sen­ta­blen Idee.


Man gewöhnt sich so schnell an das Schö­ne, wuß­te Nora Nova schon 1964

Und damit ist der Spe­ku­la­ti­on natür­lich wie­der Tür und Tor geöff­net. Der Prinz-Blog­ger Dou­ze Points skiz­zier­te bereits vor 14 Tagen sei­ne Idee einer Mischung aus San Remo Fes­ti­val und Melo­di­fes­ti­valen, bei dem in maxi­mal drei Vor­run­den New­co­mer­bands und ‑sänger/innen gegen­ein­an­der antre­ten, um dann im Fina­le auf eine Aus­wahl eta­blier­ter Stars zu tref­fen. Wobei mir frag­lich erscheint, ob kom­mer­zi­ell erfolg­rei­che Acts (bzw. deren Plat­ten­fir­men) tat­säch­lich das Wag­nis ein­gin­gen, gegen bis­lang Unbe­kann­te zu ver­lie­ren. Zu frisch scheint noch die schmerz­li­che Erin­ne­rung an Ger­ma­ny 12 Points!, die sei­ner­zeit in Koope­ra­ti­on mit Viva ver­an­stal­te­te Vor­ent­schei­dung von 2004, in der so ziem­lich alles auf­trat, was damals Rang und Namen hat­te – um dann von einem von Ste­fan Raab ent­sand­ten Nobo­dy namens Max Mutz­ke mar­gi­na­li­siert zu wer­den. Ande­rer­seits: bei Raabs Bun­des­vi­si­on Song Con­test tre­ten jedes Jahr auch zwei, drei Chart­stür­mer gegen eine Rie­ge weni­ger bekann­ter Künst­ler an – aber ers­tens gewin­nen die dort immer, und zwei­tens ist mit dem Sieg (oder der Nie­der­la­ge) beim BuVi­So­Co nichts ver­knüpft, was ihn als Wett­be­werb auch so irrele­vant und damit lang­wei­lig macht.


Irgend­wie anders: so sieht der deut­sche Nach­wuchs 2012 aus

Blie­be der erneu­te Ver­weis auf das schon im Mai, noch vor Baku, hier kol­por­tier­te Gerücht, man über­le­ge, den New Music Award, einen von den ARD-Pop­wel­len ver­an­stal­te­ten För­der­wett­be­werb für Nach­wuchs­bands, zum Vor­ent­scheid umzu­funk­tio­nie­ren. Der fin­det aller­dings jedes Jahr im Sep­tem­ber statt (aktu­el­ler Preis­trä­ger: die Band Ton­band­ge­rät). Jetzt also gleich die nächs­te Run­de nach­zu­schie­ben und dabei den bis­lang öffent­lich kaum beach­te­ten Wett­be­werb ins Fern­se­hen zu ver­pflan­zen, käme viel­leicht ein biss­chen schnell – viel zu schnell vor allem für die behä­bi­ge alte Tan­te ARD, bei der bekannt­lich nichts so lan­ge dau­ert wie inter­ne Pro­zes­se. Folgt also wie­der eine Not­fall­no­mi­nie­rung wie 2009, als man in Ham­burg vor lau­ter Ideen­lo­sig­keit und Ver­zweif­lung den­je­ni­gen nahm, der zuvor öffent­lich am lau­tes­ten rum­ra­men­ter­te? Kaum vor­stell­bar, denn damals hat­te man mage­re Jah­re hin­ter sich, da erschien Alex Chris­ten­sen als Hoff­nungs­trä­ger. Nach Lenas Sieg und Roman Lobs sehr acht­ba­rem ach­ten Platz ist die Aus­gangs­la­ge aber eine ande­re, die Erwar­tun­gen deut­lich höher.


Die Mess­lat­te: Prin­zes­sin Lenas Euro­vi­si­ons­krö­nung 2010

Der Absprung des Haupt­ko­ope­ra­ti­ons­part­ners Pro­Sie­ben bie­tet mei­nes Erach­tens jedoch die Chan­ce, den zwei­ten, bis­lang eher als ner­vi­ger Stör­fak­tor im Zusam­men­hang mit unlus­ti­gen Web-Akti­ons-Prä­sen­ta­tio­nen wahr­ge­nom­me­nen Koope­ra­ti­ons­part­ner in den Vor­der­grund zu rücken: die “Pop- und jun­gen Wel­len der ARD”  (oder auf gut deutsch: die Radio­sen­der) näm­lich. Ich sage: weckt deren Ehr­geiz und legt das deut­sche Euro­vi­si­ons­schick­sal in die Hän­de derer, die jeden Tag mit Pop­mu­sik arbei­ten! Eine ledig­lich aus einem TV-Fina­le bestehen­de Show mit neun Bei­trä­gen, jeweils vor­ausge­wählt von einem der neun ARD-Lan­des­sen­der, wobei die­se von der Direkt­no­mi­nie­rung durch den Inten­dan­ten über die Nach­wuchs­för­de­rung bis zur Inter­net­ab­stim­mung durch die Hörer völ­lig freie Hand hät­ten, wie sie ihren Bei­trag bestim­men, böte die Chan­ce, die regio­na­le Ver­wur­ze­lung und Pop­kom­pe­tenz des Hör­funks zu nut­zen und beim Publi­kum eine Iden­ti­fi­ka­ti­on mit ihrem Ver­tre­ter “aus der Regi­on” (ist doch schließ­lich gera­de ein Mega­trend!) auf­zu­bau­en. Und es ergä­be eine kna­cki­ge, viel­fäl­ti­ge, hoch­kom­pe­te­ti­ve Vor­ent­schei­dung. Oder?

Wel­ches Vor­ent­schei­dungs­kon­zept soll­te 2013 zum Zuge kommen?

  • Eine mehr­tei­li­ge Vor­ent­schei­dung mit New­co­mern und eta­blier­ten Acts (Vor­schlag Prinz-Blog). (33%, 37 Votes)
  • Ein TV-Fina­le an einem Abend, bestückt von den ARD-Pop­wel­len. (32%, 36 Votes)
  • Mir egal, Haupt­sa­che nicht wie­der so öde wie Unser Star für Baku! (12%, 13 Votes)
  • Ein rei­ner Nach­wuchs­wett­be­werb (Unser Star für Mal­mö), aber auch mit Bands. (9%, 10 Votes)
  • Ralph Sie­gel soll uns wie­der was Schö­nes schrei­ben. (8%, 9 Votes)
  • Eine Direkt­no­mi­nie­rung eines eta­blier­ten deut­schen Stars durch die ARD. (5%, 6 Votes)

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15 Comments

  • Es wäre vor allem schön, wenn beim Vor­ent­scheid end­lich mal wie­der von Anfang an der Focus mehr mehr auf den Lie­dern als auf den Inter­pre­ten liegt. Wozu braucht man 8 Vor­ent­schei­dungs­shows, in denen ein Inter­pret ermit­telt wird, wenn man dann nach dem gan­zen Zir­kus im Fina­le aus gan­zen drei öden Lie­dern wäh­len darf?

  • Das mit den Radio­sen­dern fin­de ich per­sön­lich auf­grund des ESC-Cha­rak­ters inner­halb des Vor­ent­scheids echt geni­al! Her damit, und zwar dalli! 

  • Von mir aus kann man auch ger­ne mal Folk­lo­re in Form der Höh­ner schi­cken oder watt wil­des in Form von Gua­no Apes. Ne Hele­ne Fischer Show, aller­dings dann von einem ande­ren Autor hät­te auch was.Vielfalt ist für mich wichtig! 

  • Neh­men wir doch noch Deutsch­land­ra­dio­Kul­tur als zehn­ten Sen­der dazu und wir haben ne run­de Kandidatenanzahl. 

  • Ich befürch­te schon, dass es ein Graus wird, wenn die alte Schrank­wand ARD den Vor­ent­scheid allei­ne lösen wird. Wie es anders geht, wur­de hier ja bereits erwähnt. 

    Die Idee, regio­na­len Radio­sen­dern die Auf­ga­be zu über­las­sen fin­de ich grund­sätz­lich auch gut, aber das Pro­blem hier­bei wird even­tu­ell und lei­der die euro­päi­sche Mas­sen­kom­pa­ti­bi­li­tät. Und bei den hohen deut­schen Ansprü­chen nach Lena / Roman muss da moder­ne, fri­sche Musik her, die aber gleich­zei­tig den Main­stream direkt anspricht. Bei Radio­sen­dern kommt zum The­ma Nach­wuchs häu­fig deut­scher Pop/Rock, den ich per­sön­lich zwar bevor­zu­ge, der es in Mal­mö aber lei­der wohl nicht so weit brin­gen wird. Groß­ar­tig fän­de ich so etwas wie BOY, die wür­dens nicht machen.

    Oder Blitz­kids

  • Bei­des sehr schön, gefällt mir! Blitz­kids könn­ten sogar bei der Eesti Laul mit­ma­chen mit die­ser Art von Musik, und das könn­te durch­aus auch euro­pa­weit reüs­sie­ren, den­ke ich. Nicht unbe­dingt gewin­nen, und viel­leicht wäre es auch etwas ris­qué, aber dafür cool. Und der Name der Band ist spit­ze, auch international! 

  • Nicht unbe­dingt für die Eng­län­der, wenn man bedenkt, dass The Blitz für die deut­sche Bom­bar­die­rung der Insel im zwei­ten Welt­krieg steht.

  • Gera­de des­we­gen! Ich glau­be, die Bri­ten besit­zen genug Humor, um sich knapp 70 Jah­re nach Kriegs­en­de von deut­schem Elek­tro “bom­bar­die­ren” zu las­sen. Jeden­falls wür­de der Name schon mal für Auf­merk­sam­keit sorgen. 🙂

  • Man über­le­ge mal kurz, wie “humor­voll” die Deut­schen es auf­näh­men, wenn die Bri­ten “The Dres­den Fire­bom­bers” zum ESC schi­cken wür­den. Sor­ry, aber das gäbe genau die fal­sche Art Aufmerksamkeit.

  • Ich fänd’s lus­tig. Aber ich glau­be, die Dis­kus­si­on ist ohne­hin sehr hypo­the­tisch. Wie groß ist die Wahr­schein­lich­keit, dass die Blitz­kids a) bei der Vor­ent­schei­dung mit­ma­chen, falls es b) über­haupt eine gibt und sie c) dort gar gewön­nen? Eben.

  • Lei­der nicht mög­lich, zumin­dest nicht mit die­sem Lied, selbst wenn die alte Tan­te ARD sich dar­auf ein­lie­ße. Der Song ist eine Cover­ver­si­on eines uralten Schla­gers von Tru­de Herr. (Wenigs­tens ist mit dem Teil nicht das glei­che pas­siert wie mit der unsäg­li­chen Ver­si­on von “So geht das jede Nacht”, mit der Nie­der­sach­sen vor ein paar Jah­ren das schlech­tes­te BuVi­So­Co-Ergeb­nis aller Zei­ten ein­ge­fah­ren hat…)

  • […] mit Pro­Sie­ben bei den deut­schen Euro­vi­si­ons­vor­ent­schei­dun­gen von 2010 bis 2012 (im Wirt­schafts-Neu­sprech hie­ße so etwas “Joint-Ven­ture unter Abga­be der unternehmerischen […]

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