Live­blog: Vor­ent­schei­dung der Ukraine

Zu völ­lig nacht­schla­fen­der Stun­de beginnt in weni­gen Minu­ten die namen­lo­se Vor­ent­schei­dung (auch ohne Kyril­lisch­kennt­nis­se ver­mu­te ich mal, dass Євробачення-2013 ein­fach nur Euro­vi­si­on 2013 heißt?) der Ukrai­ne, die in der Ver­gan­gen­heit ja schon öfters für Skan­da­le gut war. Mal schau­en, wie es dies­mal läuft. 20 Titel sind am Start, pro­mi­nen­tes­ter Name ist Zla­ta Ogne­vich (‘Kukush­ka’), auch ein Groß­müt­ter­chen­quin­tett nach dem Vor­bild der Bura­novs­ki­ye Babush­ki ist am Start. Die Ent­schei­dung fällt erneut im 50/50 Jury/T­e­le­vo­ting-Mix. (Und wer auf die Kom­men­tie­rung zum gest­ri­gen alba­ni­schen FiK war­tet: das habe ich noch nicht gese­hen und hole es im Lau­fe des Tages nach). Und los geht es mit einem krei­schen­den Kind, ver­mut­lich vom Juni­or ESC.


Zla­tas Vor­ent­schei­dungs­bei­trag von 2011. Grandios!

Vor­stel­lung des Mode­ra­to­ren­pär­chens (hal­lo, jun­ger Mann!), der ers­ten sechs Teil­neh­mer und der bereits aus frü­he­ren Jahr­gän­gen wohl­be­kann­ten Jury.

1. Oksa­na Pekun und Maxim Novyts­kyjZel­e­nyj Dubochok

Kei­ne zehn Minu­ten um und es geht mit der ers­ten Num­mer los. Das nen­ne ich mal effi­zi­ent. Eine blon­dier­te Matro­ne und eine Tun­te in einem Voll­plas­tik­an­zug knö­deln eine hoch­dra­ma­ti­sche Rock­bal­la­de mit vie­len “Oho­ho­ho“s. Dafür ist es mir noch ein biss­chen früh am Mor­gen, auch das Publi­kum reagiert ver­hal­ten. Die Matro­ne hält direkt im Anschluss eine Anspra­che, ich habe aber kei­ne Ahnung, was sie sagt. Jeden­falls bekommt sie dafür mehr Applaus als fürs Sin­gen. Hat sie gera­de den Welt­frie­den ver­kün­det? Ah nein, ihren Rück­tritt, wie ich gera­de im Prinz-Blog lese.

2. Mary Yarem­chukIma­gi­ne

Eine dun­kel­haa­ri­ge Schön­heit mit milch­wei­ßer Haut im engen Abend­kleid schreit sich auf schlech­tem Eng­lisch durch eine Mid­tem­po­rock­num­mer ohne jede erkenn­ba­re Struk­tur oder Melo­die. Ihr “Gesang” tut in den Ohren weh. So wie ich die Ukrai­ne ken­ne, haben wir hier die Gewinnerin…

3. Mari­et­taWon­der

Mari­et­ta plün­dert für ihre Büh­nen­show den legen­dä­ren Euro­vi­si­ons­auf­tritt von Dani­je­la (‘Neka mi ne sva­ne’) mit Kapu­zen­ab­wurf. Drei bar­fü­ßi­ge Tän­zer wir­beln um sie her­um und schlep­pen Kan­de­la­ber über die Büh­ne. Das lenkt erfolg­reich von ihrem drö­gen Song ab.

4. Dmy­t­ro Yarem­chukMamo

Dimi­t­row, einer der Favo­ri­ten der Vor­ent­schei­dung, hat Lade­hem­mung. Schon zum zwei­ten Mal wird der fal­sche Back­ing­track ein­ge­spielt, man fühlt sich an Tho­mas Anders (“Ich kann es auch aca­pel­la sin­gen”) erin­nert. Im drit­ten Anlauf klappt es und er kann zu sei­ner kit­schi­gen Hom­mage an die Mama anset­zen. Im Hin­ter­grund Kitsch­bil­der von Babys und Kin­der­zeich­nun­gen. Mir kommt gleich das Früh­stück hoch. Dimi­t­row, der optisch ein biss­chen an Art Gar­fun­kel erin­nert, gebär­det sich wie der Hei­land. Aller­dings: Stim­me hat er, das muss man ihm lassen.

5. IneshDelayu Shag

Ah, end­lich ein biss­chen Bil­lig­dis­co! Hat sich hier Xan­dee (BE 2004) unter Tarn­na­men ein­ge­schli­chen? Die schwarz­be­le­der­te Inesh hat einen unfrei­wil­lig lus­ti­gen Titel (Delay your Shag) am Start. Lei­der ist auch hier kei­ne Hook­li­ne aus­zu­ma­chen. Sehr ver­hal­te­ner Applaus.

6. Zla­ta Ogne­vichGra­vi­ty

Das Publi­kum ras­tet (für ukrai­ni­sche Ver­hält­nis­se) schon im Vor­feld bei der Erwäh­nung ihres Namens kom­plett aus. Dies­mal prä­sen­tiert sie kein durch­ge­knall­tes Gesamt­kunst­werk wie bei ‘Kukush­ka’, son­dern eine kom­pe­tent gesun­ge­ne, dra­ma­ti­sche Eth­nobal­la­de mit stimm­star­kem Back­ing­chor. Zla­ta im engen wei­ßen Kleid mit fan­tas­ti­scher Fri­sur. Stan­ding Ova­tions, anschei­nend hat sie ihren Fan­club mitgebracht.

Kur­zer Break und Vor­stel­lung der nächs­ten Kombattanten.

7. Emo­ti­onSaviour

Zwei Milch­büb­chen mit ganz schlim­men Jus­tin-Bie­ber-Fri­su­ren gröh­len eine lah­me Rock­bal­la­de, dazu wabert der Büh­nen­ne­bel. Ich brau­che mehr Kaf­fee, sonst schla­fe ich vor Lan­ge­wei­le gleich wie­der ein.

8. Gvoz­div­chan­kaNale­ti­ly Gusenyata

Auch die Ukrai­ne hat sin­gen­de Groß­müt­ter­chen! Fünf Matro­nen in Tracht, mit Kopf­tü­chern und dicken Plas­tik­per­len­ket­ten und ein männ­li­cher Akkor­deo­nist, das ist der Act. Die Frau­en schrei­en zu einer tra­di­tio­nel­len Volks­wei­se. Vor drei Jah­ren wäre das ori­gi­nell gewesen…

9. Rea­lI­van­naYou Gave Me Everything

Das ist doch Char­lot­te Perel­li mit dun­kel gefärb­ten Haa­ren! Von wegen, “Real” Ivan­na! Die spin­del­dür­re Tus­se im Feder­um­hang brüllt sich durch einen Mid­tem­po-Pop­rock­song. Gott, ist das schlecht! All­ge­mei­ne Erleich­te­rung, als sie end­lich fer­tig ist.

10. Tetya­na Shyr­koFee­ling Like A Sir

Nach einem sol­chen Lead-in fällt es natür­lich leicht, kom­pe­tent zu wir­ken und für die ers­ten zwei Drit­tel ihrer Dis­co-Soul-Num­mer gelingt das Tat­ja­na auch. Nur die hohen Töne tun wirk­lich weh. Da müs­sen wir noch ein biss­chen üben. Immer­hin den Preis für den alberns­ten Song­ti­tel könn­te sie ein­ste­cken. Erneut ein kur­zer Vor­stel­lung­break, so dass wir uns schon mal auf die noch fol­gen­den Schreck­nis­se ein­stel­len kön­nen. Aber auch Zla­ta wird noch mal inter­viewt, war­um auch immer.

11. Tri­ni­tiBelym Po Belomu

So sieht es wohl aus, wenn die Frau­en von Ste­pford sin­gen. Drei kom­plett pla­s­ti­fi­zier­te, wie Püpp­chen aus­se­hen­de Mädels las­sen im völ­li­gen Gleich­schritt die Hüf­ten krei­sen und star­ren mit toten Augen in die Kame­ra. Mich gru­selt. Ihr Song ein Amal­gam aus Rock­gi­tar­re und Pan­flö­te (ist die nicht seit Ende der Acht­zi­ger ver­bo­ten?). Dis­har­mo­ni­sches Gekrei­sche, wie es für die Ukrai­ne so prä­gend ist.

12. Ana Ste­siaDare To Chan­ge your Life

Hüb­scher Künst­ler­na­me. Hüb­sche Fri­sur. Hüb­sches, halb­durch­sich­ti­ges Kleid. Ent­setz­li­ches Gitar­ren­genat­ze und Gekrei­sche. Auch hier fehlt wie­der jede Form von Melo­die oder erkenn­ba­rer Hook­li­ne. Ist das im ehe­ma­li­gen Ost­block verboten?

13. Ali­na Gro­suLet Go

Bis jetzt war (außer Zla­ta) noch nichts dabei, das ich mir frei­wil­lig ein zwei­tes Mal anhö­ren wür­de. Auch Ali­nas haupt­säch­lich von der Backing­s­än­ge­rin getra­ge­ner Dance­track ändert dar­an nicht, auch wenn der noch zu den erträg­li­che­ren Ela­bo­ra­ten des Mor­gens gehört. Was ist nur aus der einst so gro­ßen Euro­vi­si­ons­na­ti­on geworden?

14. Dasha Medo­vaDon’t Want To Be Alone

Dasha sorgt für Gen­der­ver­wir­rung bei mir. Ist das eine mas­ku­lin wir­ken­de Frau oder ein geschmink­ter Mann, der da mit hel­ler Kna­ben­stim­me jodelt und kreischt? Sach­dien­li­che Hin­wei­se bit­te in die Kom­men­ta­re, danke!

15. Ole­na Kor­ne­vaYou’ll Be The Win­ner Forever

Uh, das nen­ne ich mal ein Tri­ple­kinn! Auch die selbst­be­wuss­te Dicke (sehr sym­pa­thisch!) kreischt, wie es in die­sem Land anschei­nend vor­ge­schrie­ben ist, wobei sich die Dis­har­mo­nien dan­ken­wer­ter­wei­se in Gren­zen hal­ten. Und sie hat zumin­dest so etwas wie eine Melo­die. Ich begin­ne, vor Dank­bar­keit zu wei­nen. Was nicht heißt, dass ihre Upt­em­po­num­mer in irgend­ei­ner Wei­se gut wäre. Aber man ist für Klei­nig­kei­ten schon dank­bar, mittlerweile.

Nächs­te Vor­stel­lungs­run­de. Edu­ard Romanyu­ta ver­folgt uns nun schon seit min­des­tens drei Jah­ren, sieht aber immer noch aus wie ein sech­zehn­jäh­ri­ger Bahn­hofs­stri­cher. Wie schafft er das nur? Was ist das Geheim­nis sei­ner ewi­gen Jugend?

16. Ange­liaLove Is Life

Eine Blon­di­ne mit Koch­topf­po­ny, unvor­teil­haf­tem Feder­mi­ni­rock und einer enga­gier­ten weib­li­chen Bal­lett­pos­see. Ihr Dis­co­song wäre gar nicht so schlecht, wären da nicht die völ­lig unnö­ti­gen und unver­mit­tel­ten Tem­pi­wech­sel. Bis­lang noch der bes­te Bei­trag, aber eben­falls völ­lig indiskutabel.

17. Edu­ard Romanyu­taGet Real With My Heart

Auch das Stu­dio­pu­bli­kum wirkt schon etwas mit­ge­nom­men. Edu­ard erin­nert ein biss­chen an Dima Bilan 2006, als der noch nicht von Dro­gen zer­fres­sen war. Bis­lang der pro­fes­sio­nells­te Auf­tritt nach Zla­ta. Könn­te er es dies­mal schaffen?

18. Mat­vij Ver­mi­jen­koOtkry­vaj Menya

Und wir machen einen Zeit­sprung zurück in die Acht­zi­ger zu den New Roman­ti­cs. Eine im blau­en Plas­tik­an­zug ste­cken­den Tun­te mit schwarz ummal­ten Augen und Tech­no-Iro­ke­se, beglei­tet von zwei ker­ni­gen männ­li­chen Tän­zern. Inter­es­san­te Elek­tro­sounds. Dem Publi­kum scheints nicht zu gefal­len: betre­te­ne Gesich­ter und ver­hal­te­ner Mitleidsapplaus.

19. DiO.filmyMed­l­yak

Und mit Elek­tro­sounds gehts auch wei­ter. Hier haben wir die ukrai­ni­schen Jed­ward, wenn auch etwas weni­ger auf­fäl­lig ange­zo­gen und nciht ganz so hys­te­risch umher­hüp­fend. Lus­ti­ge Boden­turn­ein­la­ge. End­lich eine erkenn­ba­re Hook­li­ne! Super, die Zwei will ich in Mal­mö sehen!

20. Dmy­t­ro Ska­lo­zu­bovDav­no

Und mit dem zwei­ten Dimi­t­ri des Mor­gens kom­men wir end­lich zum letz­ten Titel. Hört sich an wie eine von 45 auf 33 her­un­ter­ge­brems­te Acht­zi­ger­jah­re-Euro­dan­cenum­mer. Eigent­lich Schrott, gehört aber auch noch zu den bes­se­ren Bei­trä­gen heute.

So, geschafft. Für mich bit­te Zla­ta, Jed­ward, den Stri­cher oder zur Not die Babush­ki. Und in dem ich das aus­ge­spro­chen habe, sind die­se Vier ver­mut­lich verbrannt…

Im Schnell­durch­lauf klin­gen etli­che der Titel bes­ser als eben gera­de in den Lang­fas­sun­gen. Wäre das viel­leicht die Lösung: Kür­zung auf 30 Sekun­den? Könn­te nur von Vor­teil sein. Das Tele­vo­ting ist been­det, die Jury braucht aber noch etwas Zeit, um die Bestechungs­geld­bün­del zu zäh­len. In der Zwi­schen­zeit wer­den wir mit meh­re­ren Inter­val-Acts gequält, unter ande­rem zwei ein­ei­igen Klo­nen von Hans Klok, die eine fabel­haf­te Euro­dan­cenum­mer zele­brie­ren. Kön­nen wir das bit­te anstel­le eines der 20 Vor­ent­schei­dungs­ti­tel haben?

Zla­ta führt mit rie­si­gem Abstand im SMS-Voting (8.600 Stim­men) vor dem Stri­cher (knapp 2.000) und dem gen­der­ver­wirr­ten Drag-Act (900). Alle ande­ren haben nur mar­gi­na­le Stim­men. Wenn die Jury das nicht noch umschmeißt, könn­te ich mit den bei­den Ers­ten leben.

Ver­le­sung der Ergeb­nis­se, augen­schein­lich star­tend mit dem Letzt­plat­zier­ten im Gesamt­ta­bleau. Ver­le­sen wer­den jeweils die Tele­vo­ting- und Jury­punk­te sowie die dar­aus addier­te Gesamt­punkt­zahl. Dem­entspre­chend ent­täusch­te Gesich­ter bei allen, die auf­ge­ru­fen wer­den. Das heißt, bei denen, die ihre Gesich­ter noch bewe­gen kön­nen. Ah, auch das Mama­söhn­chen ist drau­ßen und die Jed­wards auch.

Zla­ta gewinnt mit der Höchst­wer­tung von Jury und Publi­kum! Der in sei­ner extrem höl­zer­nen Art sehr drol­li­ge Sen­der­chef des ukrai­ni­schen Fern­se­hens über­reicht ihr Blu­men­strauß und Urkun­de, Zla­ta fällt fast über ihre Stö­ckel. Und jetzt kriegt sie ihren Ohr­stöp­sel nicht rein. Sehr lus­tig, so lie­be ich das! Scha­de, ‘Kukush­ka’ war viel bes­ser, aber ihre dies­jäh­ri­ge, ein biss­chen an Glee erin­nern­de Musi­cal­num­mer ist durch den afri­ka­ni­sier­ten Gos­pel­chor durch­aus uplif­ting und sie ist eine wirk­lich gute Performerin.

9 Comments

  • Ich will auch den Stri­cher. Ob der sehr teu­er ist? Mit etwas Gesangs­un­ter­richt bestimmt auch für den ESC geeig­net. Sind die­se ukrai­ni­schen Jed­ward nicht die Kin­der der israe­li­schen Blues Brot­hers von 1987? Wie hie­ßen die noch … Lazy Bums? Zla­ta hat in jedem Fall mit am Bes­ten gesun­gen. Ich bin mal gespannt wie die Ukrai­ner entscheiden.

  • Ich sag es ja: Die Inter­val Act sind meis­tens bes­ser als die Wett­be­werbs­teil­neh­mer. 😉 Ich bin aber mehr für Ale­xey Mati­as als für die bei­den Hans Kloks.

  • Sag­te ich schon, dass ich so vor­her­seh­ba­re Ergeb­nis­se nicht mag? Das war nach Weiß­russ­land und Schweiz schon der drit­te kla­re Sieg in die­ser Sai­son. Lang­wei­lig. Aber Zla­ta war gut.

  • Also mit Schrott vor und hin­ter ihr stach sie ja her­aus, aber jetzt so ein­zeln gesun­gen, bin ich vom Lied nicht mehr so beein­druckt. Scha­de. Aber gesang­lich gehör­te Zla­ta heu­te auf jeden Fall zum Besten.

  • Ja, den Sie­ger­ti­tel kann man hören.
    Ansons­ten hab ich’s auf­ge­ge­ben, der Ukrai­ne Tipps zu geben. Bei Edu­ard sag ich auch schon lan­ge, er sol­le sich nicht musi­ka­lisch ver­kau­fen, sondern.……anders.

  • Wow! Gan­ze 8.600 Leu­te haben für den Sie­ger­ti­tel ges­mst. Könn­te das even­tu­ell irgend­wie an der Uhr­zeit liegen?

  • Was glaubt Zla­ta, die­se Tus­se, wer sie ist? Celi­ne Dion?
    Hof­fent­lich führt der Erfolg von Rona Nish­liu dazu, dass wir jetzt von zehn Län­dern Gekrei­sche kriegen.

  • Oder an der aktu­el­len Käl­te­wel­le dort, mit bereits über 80 Erfrie­rungs­to­ten. Womög­lich haben die Leu­te da grad ande­res zu tun, als den Vor­ent­scheid zu gucken. Zumal um die­se Uhrzeit 😉 

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