Schock: Schwei­zer Vor­ent­scheid 2014 ohne Lys Assia

Gro­ße Ent­täu­schung aller­or­ten: Songcon­test­ve­te­ra­nin Lys Assia (CH 1956) “hat sich ent­schie­den, nicht beim dies­jäh­ri­gen Schwei­zer Vor­ent­scheid mit­zu­ma­chen,” wie ihr Team ges­tern auf Face­book ver­kün­de­te. Zwar mache sie noch Musik, habe aber nicht den rich­ti­gen Song für den Wett­be­werb gefun­den. Lys wün­sche Valen­ti­na Monet­ta und Ralph Sie­gel “viel Glück für San Mari­no 2014.” Damit ist natür­lich weder ein Ver­such in einem ande­ren Land noch ein Pau­sen­clown-Auf­tritt beim ESC in Kopen­ha­gen aus­ge­schlos­sen, den­noch betrübt Lys’ Absa­ge ans Hei­mat­land. Ein wenig Trost kommt in Form der letzt­jäh­ri­gen Vor-Vor­ent­scheid-Kul­thel­den, des Män­ner­cho­res Stei­li Kres­sä, die natür­lich erneut mit einem aufs Gast­ge­ber­land maß­ge­schnei­der­ten Bei­trag antre­ten: ‘Cou­pe Dan­mark’ fei­ert tat­säch­lich die nach dem Land der Wikin­ger benann­te, wohl ein­falls­lo­ses­te gas­tro­no­mi­sche Des­sert­krea­ti­on der Mensch­heits­ge­schich­te aus Vanil­le­eis, Scho­ko­la­den­so­ße und Schlag­sah­ne. Musi­ka­lisch ein Mix aus schlech­tem Rap, schmerz­brin­gen­dem Block­flö­ten­ge­jau­le und pos­sier­li­chem Chor­ge­sang, kann die Num­mer jedoch kei­nes­falls an den Kult­fak­tor von ‘Sul­tan Haga­vik’ anknüpfen.


Und Wickie spielt auch mit! Stei­li Kressä

Ech­ten Trash bie­tet hin­ge­gen J.P. Love, ein schät­zungs­wei­se sieb­zig­jäh­ri­ger schwei­ze­ri­scher Hel­ge-Schnei­der-Klon, der sich selbst in dem unfass­ba­ren Bal­ler­mann­schla­ger ‘Ich bin doch ein Mann’ als unwi­der­steh­li­ches Geschenk an die Frau­en fei­ert. Nur als hoch­gra­dig lus­ti­ge Modern-Tal­king-Par­odie gemeint sein kann Franck Renand (‘Today’), der ein dro­gen­bun­tes Video vol­ler stol­pern­der Heim­or­gel­sounds, ohren­zer­mür­ben­der Kas­tra­ten­ge­sän­ge und unter­ir­di­schem Eng­lisch ablie­fert. Ver­mut­lich ernst gemeint und daher um so tra­gi­scher hin­ge­gen die Bei­trä­ge ‘Free­dom, Hope & Liber­ty’ von Ori­on – eine rocki­ge bri­ti­sche Pla­ti­tü­den­hym­ne – und ‘To the Limit’, wo das angeb­lich in New York City behei­ma­te­te  Jus­tin Bie­ber­chen Ste­fan Lef­ferts sich mit Voco­der­stim­me, Micha­el-Jack­son-Dance­mo­ves und einem Pop­song, in dem nichts zuein­an­der passt, blamiert.


Fin­ni­sche Duck Sauce

Aber nicht nur als künst­le­ri­sches Ven­til für die Hoff­nungs­lo­sen funk­tio­niert die Schwei­zer Inter­net-Vor­run­de, son­dern auch als Vete­ra­nen­tref­fen der Has­beens. So lang­weilt uns der eigent­lich schon längst zu Recht dem Ver­ges­sen anheim gefal­le­ne Schwei­zer Schla­ger­on­kel Leo­nard als ‘Ein Mann von Welt’ mit einem neu­en, nichts­sa­gen­den Durch­schnitts­schla­ger. Und auch Rai­ner Högl­mei­er möch­te mal wie­der zum Stich kom­men und for­dert ‘Zeig mir die Lie­be’. Jawohl, der Högl­mei­er: der ers­te Front­sän­ger von Wind (DE 1985, ‘Für alle’), der mit der einst­mals mäd­chen­haft hohen Stim­me und dem san­draes­ken Make-up. Über bei­des ver­fügt er zwi­schen­zeit­lich nicht mehr, und auch sein Schlicht­schla­ger ist natür­lich nicht der Rede wert.


From the Rise till the Down: das dürf­te für Brain Mar­ket schnell gehen!

Eine merk­wür­dig star­ke Anzie­hungs­kraft scheint der hel­ve­ti­sche Vor­ent­scheid auf Fin­nen aus­zu­üben: neben den Wie­der­ho­lungs­tä­tern Max and the Ducks, heu­er mit der Opern­quetsch­si­re­ne Anna-Kai­sa sind mit Pöy­ta osaa puhua zwei Künst­ler ver­tre­ten, deren wir­re Elek­tro­num­mer ‘Meren kes­kel­lä on kuk­ka’ den Ein­druck ver­mit­telt, dass die bei­den auf einem LSD-Trip hän­gen geblie­ben sind. Etwas struk­tu­rier­ter, wenn­gleich ähn­lich chan­cen­los, klingt hin­ge­gen ‘Pysäh­ty­neet’, einer plin­kern­der Dark-Elek­tro-Song, zu dem der durch­aus nett anzu­schau­en­de Arto deko­ra­tiv in kar­ger Land­schaft her­um­sitzt. Für den hei­mi­schen Vor­ent­scheid (so es die­ses Jahr einen geben soll­te) zu schwach sind auch die gleich zwei belang­lo­sen Bei­trä­ge der por­tu­gie­si­schen Kom­bo Sex­to Sent­i­do: ein äußerst schmu­cker, durch­trai­nier­ter schwar­zer Tän­zer und vier auto­tu­ni­sier­te San­ge­sel­sen im No-Angels-Modus.[ref]Wie die Band in den Kom­men­ta­ren selbst rich­tig stellt, stam­men die Sän­ge­rin­nen tat­säch­lich aus Kuba. Sorry![/ref] Und als klei­ner Rat an das rus­si­sche Dance-Pro­jekt Brain Mar­ket: wenn ich schon einen Song mit unter­ir­disch pein­li­chen ost­eu­ro­pa-eng­li­schen Lyrics ein­rei­che, dann ist ein rein text­ba­sier­tes Video viel­leicht kei­ne so gute Idee.


Sehen wir sie in der Gro­ßen Ent­schei­dungs­show wie­der? Ilary

Einen net­ten, beat­be­ton­ten Coun­try­schla­ger namens ‘You make me wan­na lie’ bie­tet der Öster­rei­cher Marc Miner. Wobei, ihn als Öster­rei­cher zu bezeich­nen, wäre eine Lüge: wie uns die hoch­gra­dig inter­es­san­te Bio­gra­fie auf sei­ner Inter­net­sei­te auf­klärt, wur­de er als Sohn eines rei­chen, aber pro-kom­mu­nis­ti­schen ame­ri­ka­ni­schen Vaters und einer deut­schen Grou­pie-Mut­ter 1982 in War­schau gebo­ren. Als “Out­law” und Glücks­spie­ler tin­gel­te er durch die Welt, fei­er­te und vögel­te in der Gegend her­um, wur­de in Baton Rouge inhaf­tiert und ließ sich von Dad­dy frei kau­fen. Heu­te tritt er in öster­rei­chi­schen Kasi­nos und gegen Geld auch auf Geburts­ta­gen auf. Rock’n’Roll! Für Ver­wir­rung sorgt Ila­ry, eine put­zi­ge Sän­ge­rin, deren beat­las­ti­ger Italo-Pop-Song ‘Apri il tuo Cuo­re’ zwar das Gen­re nicht neu erfin­det, dafür aber über Schub, Melo­die und einen guten Refrain ver­fügt. Wie konn­te ein sol­ches, ernst zu neh­men­des Pop-Pro­dukt nur hier lan­den? Oh, und um noch mal auf Lys Assia zurück zu kom­men: wen das Feh­len eines Sie­gel-Songs betrübt, trös­tet sich viel­leicht mit ‘Beco­me a Child again’ der Fran­zo­sen A+: die Num­mer klingt nicht nur wegen der fran­zö­si­schen Aus­spra­che des eng­li­schen Tex­tes lus­tig, son­dern auch musi­ka­lisch und text­lich wie eine B‑Seite aus dem Oeu­vre des Mün­che­ner Schlagerproduzenten.


Auch depres­si­ve Robo­ter brau­chen Lie­be: A+

Kei­ne Lys Assia beim Schwei­zer Vor­ent­scheid 2014! Was sagst Du?

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10 Comments

  • Lys! Das über­leg­s­te Dir aber bitt­schön noch­mal! Ral­phie hat doch bestimmt was in der Schub­la­de fü Dich. Oder müs­sen wir wirk­lich noch ne Peti­ti­on starten?

  • Mein Lieb­lings­lied Lied ist das Lied der Ila­ry mit dem Titel “Apri il tuo cuo­re” Schö­ne Tex­te, schö­ne Musik und gut Per­so­nal aus­se­hen­de. Was will man mehr für einen “Euro­vi­si­on Song Con­test” wol­len? Ver­pas­sen Sie nichts!

  • Oh, und Maria Chris­ti­nas unter­halt­sa­me Super­di­va ist auch einen Blick wert. Auf der ernst­haf­ten Sei­te soll­te hin­ge­gen Wie­der­ho­lungs­tä­ter Patric Scott nicht ver­ges­sen wer­den. Auch nicht die Offen­ba­rung, aber im Teil­neh­mer­feld defin­tiv einer der bes­ten Beiträge.

  • Sie mus­sen den Inter­pre­ter für den ESC nicht waeh­len oder vor­schla­gen, aber die Öffent­lich­keit Publi­kum zu suchen. Besu­chen Sie ESC “Euro­vi­si­on Song Con­test” darf nicht unbe­dingt ein bekannt Inter­pre­ten sein zu einem Lauf­steg für Sän­ger in sei­ner Kar­rie­re sein, aber zuerst muss die Prio­ri­tät auf die För­de­rung der euro­päi­schen Musik zu geben. Und all die Sän­ger, auch die weni­ger bekann­ten, müs­sen die Hoff­nung auf Teil­nah­me und reprä­sen­tie­ren ihr Land. Ila­ry, die Sän­ge­rin ide­al für Euro­vi­si­on Song Contest

  • Par­te­cipa­re all’ESC “Euro­vi­si­on Song Con­test” non deve esse­re una pas­se­rel­la per can­tan­ti in car­ri­e­ra, ma anzi­tutto deve met­te­re al pri­mo pos­to la pro­mo­zio­ne del­la musi­ca euro­pea. E tut­ti i can­tan­ti, anche i meno famo­si, devo­no poter ave­re la spe­ran­za di par­te­cipa­re e rappre­sen­ta­re la pro­pria nazio­ne, par­te­ci­pan­do alla pro­pria sele­zio­ne nazio­na­le (tra l’altro, riten­go che le sele­zio­ni nazio­na­li sia­no il vero cuo­re dell’ESC, là dove c’è un mon­do di musi­ca) e non le scel­te inter­ne fat­te dal­le emit­ten­ti tele­vi­si­ve, che sono spes­so dei col­pi di mano sen­za nes­sun soste­g­no da par­te del pubbli­co che, para­do­s­sal­men­te, può capi­t­are che non apprez­za per nien­te la can­zo­ne scel­ta. (CH)

    Sie mus­sen den Inter­pre­ter für den ESC nicht waeh­len oder vor­schla­gen, aber die Öffent­lich­keit Publi­kum zu suchen. Besu­chen Sie ESC “Euro­vi­si­on Song Con­test” darf nicht unbe­dingt ein bekannt Inter­pre­ten sein zu einem Lauf­steg für Sän­ger in sei­ner Kar­rie­re sein, aber zuerst muss die Prio­ri­tät auf die För­de­rung der euro­päi­schen Musik zu geben. Und all die Sän­ger, auch die weni­ger bekann­ten, müs­sen die Hoff­nung auf Teil­nah­me und reprä­sen­tie­ren ihr Land. Ila­ry, die Sän­ge­rin ide­al für Euro­vi­si­on Song Con­test (Für die Schweiz)

    Attend ESC “Euro­vi­si­on Song Con­test” must not be a cat­walk for sin­gers in his care­er, but first must give prio­ri­ty to the pro­mo­ti­on of Euro­pean music. And all the sin­gers, even the less famous, need to have the hope to par­ti­ci­pa­te and repre­sent their coun­try, par­ti­ci­pa­ting in their natio­nal sel­ec­tion (by the way, I think that the natio­nal sel­ec­tions are the true heart of the ESC, whe­re c ‘is a world of music), and not the inter­nal choices made by the broad­cas­ters, which are often of coups wit­hout any sup­port from the public that, para­do­xi­cal­ly, it may hap­pen that does not app­re­cia­te at all the song choice. (For Switzerland)
    Euro­vi­si­on Song Con­test 2014, vota e fai vota­re “Apri il tuo cuo­re” con ILA­RY, dal 4–18 novembre Euro­vi­si­on Song Con­test 2014 abstim­men und sich abstim­men “Apri il tuo cuo­re” mit ila­ry, von von 04 bis 18 Novem­ber 2013.
    Euro­vi­si­on Song Con­test 2014 vote and do vote “Apri il tuo cuo­re” Heart with ILA­RY from Novem­ber 4 to 18

  • Es lebe die Mei­nungs­viel­falt. Daher nur eine klei­ne Berich­ti­gung zu Sex­to Sent­i­do, Die “belang­lo­sen San­ge­sel­sen” kom­men aus Havan­na, Cuba, nicht aus Por­tu­gal und ihre Stim­men sind sicher nicht “auto­tu­ni­siert”, Zum Beweis a capel­la: Sex­to Sent­i­do “Can­to a Eleg­gua” http://www.youtube.com/watch?v=5YvOIe0zw6I
    (auf­ge­nom­men in Sil­va­pla­na bei St. Moritz, Maerz 2013).
    Mit freund­li­chen Grues­sen aus Havanna.

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