Island: Insel der sin­gen­den Parlamentarier

Seit die­sem Wochen­en­de darf sich Island als mei­ne neue offi­zi­el­le euro­päi­sche Lieb­lings­na­ti­on füh­len. Nicht nur bescher­ten uns die stets ein wenig abseits des Main­streams lie­gen­den Insu­la­ner den bis dato zau­ber­haf­tes­ten Bei­trag der aktu­el­len Sai­son: vier musi­zie­ren­de Kin­der­gärt­ner, pas­send Pol­la­pönk (Klei­ne Rabau­ken) benannt, mit nor­di­schen Rau­sche­bär­ten und in uni­far­be­nen Trai­nings­an­zü­gen, die eine simp­le, dank vie­ler “Ral­l­al­al­a­la­la“s bes­tens mit­singba­re Fun-Punk-Hym­ne mit einer wun­der­ba­ren Bot­schaft into­nie­ren: ‘Enga For­dó­ma’ heißt nicht, wie ich zunächst ver­mu­te­te, ‘Phi­mo­se’, son­dern ‘Gegen Vor­ur­tei­le’ und for­dert all die bösen Schlä­ger auf Schul­hö­fen und sonst­wo auf, das Ver­spot­ten von Stot­te­rern und ande­rer irgend­wie von der Norm Abwei­chen­der zu unter­las­sen. Geht es noch groß­ar­ti­ger? Ja, geht es: Unter­stüt­zung erhält das Quar­tett in Kopen­ha­gen näm­lich durch zwei männ­li­che Backings. Und bei einem von ihnen, Óttarr Prop­pé, han­delt es sich laut Bericht der News of Ice­land sogar um einen Abge­ord­ne­ten des islän­di­schen Par­la­men­tes. Was für ein coo­les Völkchen!


Der mit den lan­gen blon­den Zot­tel­haa­ren hin­ten rechts ist es! Pollapönk

Prop­pé ist kein Unbe­kann­ter beim Söng­va­kepp­nin: 2009 reich­te es mit sei­ner dama­li­gen Punk­ka­pel­le Dr. Spock für den drit­ten Platz in der islän­di­schen Vor­ent­schei­dung. Von 1988 bis 1994 war der heu­ti­ge Abge­ord­ne­te für den süd­li­chen Wahl­kreis der Haupt­stadt Reykja­vik Mit­glied der Band Ham, die Kult­sta­tus erlang­te durch ihre Mit­wir­kung in der 1992er Film­ko­mö­die Sódó­ma Reykja­vik, einem Nut­zer­kom­men­tar auf der Inter­net Movie Data­ba­se zufol­ge “die bes­te Come­dy, die jemals in Island gedreht wur­de. Es gibt in die­sem Land nicht einen Men­schen, der sie noch nicht gese­hen hat, ein­fach, weil sie so groß­ar­tig ist. Der Humor könn­te ein wenig zu islän­disch sein, um ihn zu ver­ste­hen, aber das macht es irgend­wie nur noch bes­ser. Schaut ihn Euch an, wenn Ihr wis­sen woll­te, wie die Leu­te in Island ticken, oder ein­fach nur, wenn Ihr uns besucht und uns beein­dru­cken wollt”. Steht somit auf der To-Do-Lis­te, denn die­ses coo­le Land will ich unbe­dingt ein­mal berei­sen, am liebs­ten im Zusam­men­hang mit einem Eurovisionssieg!


Ein Must-see: Sódó­ma Reykjavik


Bekom­men mal kei­ne Spül­hän­de: Dr. Spock

Prop­pé sitzt seit 2013 für die Par­tei Leuch­ten­de Zukunft im Par­la­ment, einem ursprüng­lich aus Wut über die Ban­ken­kri­se und ihre ver­hee­ren­den Fol­gen unter dem Namen Bes­te Par­tei gegrün­de­ten Zusam­men­schluss, der in dem – erwähn­te ich es bereits? – coo­len Land jedoch in die Volks­ver­tre­tung gewählt wur­de und der mit dem auch in deut­schen Medi­en bereits por­trä­tier­ten Jón Gnarr, einem mit Prop­pé befreun­de­ten Musi­ker und Come­di­en, sogar seit 2010 den Bür­ger­meis­ter der Haupt­stadt stellt. Für die Bes­te Par­tei wirk­te Prop­pé denn auch im fabel­haf­ten Wahl­wer­be­spot für die dama­li­ge Bür­ger­meis­ter­wahl mit. Und so beschrei­ten die Islän­der hier mei­nes Wis­sens Neu­land: der Euro­vi­si­on Song Con­test brach­te zwar eine gan­ze Rei­he spä­te­rer Poli­ti­ker her­vor, dar­un­ter die zeit­wei­li­ge erz­kon­ser­va­ti­ve Euro­pa­ab­ge­ord­ne­te Dana (IE 1970), die nor­we­gi­sche Kul­tus­mi­nis­te­rin Åse Kle­ve­land (NO 1966) und, kei­nes­falls zu ver­ges­sen, Rus­la­na (UA 2004), Iko­ne der Oran­ge­nen Revo­lu­ti­on und auch der­zeit wie­der auf den Bar­ri­ka­den in Kiew zugan­ge, wenn sie nicht gera­de bel­gi­sche Grand-Prix-Kan­di­da­ten cas­tet. Dass aber ein Par­la­men­ta­ri­er noch wäh­rend sei­ner akti­ven Amts­zeit auf der Euro­vi­si­ons­büh­ne steht, dürf­te neu sein. Und cool!


War­um kann deut­sche Wahl­wer­bung nicht so aussehen?

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