Schott­land: das Ende der Big Five?

Für Rau­schen im bri­ti­schen Blät­ter­wald sorgt das im Herbst 2014 anste­hen­de Refe­ren­dum über eine mög­li­che Sezes­si­on Schott­lands vom Ver­ei­nig­ten König­reich. Schwe­res Geschütz fuhr nun die Dai­ly Mail auf: sie warn­te sepa­ra­tis­ti­sche Kilt­trä­ger vor der “neu­es­ten Gefahr für Schott­lands Unab­hän­gig­keit: dem Euro­vi­si­on Song Con­test”! Mache die abtrün­ni­ge Regi­on näm­lich Ernst mit der Abspal­tung, so sei es kei­nes­wegs garan­tiert, dass die nor­di­schen Rot­schöp­fe als eige­nes Land beim euro­päi­schen Lie­der­wett­streit antre­ten dürf­ten: “Nur akti­ve Mit­glie­der kön­nen teil­neh­men,” zitiert das Blatt den hier­zu befrag­ten Euro­vi­si­ons-Spre­cher Jar­mo Siim, “und es gibt einen Auf­nah­me­pro­zess. Es wer­den kei­ne auto­ma­ti­schen Mit­glied­schaf­ten ver­ge­ben”. Mali­zi­ös ver­weist die Mail dann auf das Bei­spiel des Koso­vo, des­sen ange­streb­te Euro­vi­si­ons­teil­nah­me bis dato am beharr­li­chen Veto Ser­bi­ens (und ande­rer Nicht­an­er­ken­nungs­staa­ten) schei­ter­te, und bringt eben­so das Big-Five-Land Spa­ni­en ins Spiel, das im Hin­blick auf die weit­rei­chen­den Auto­no­mie­be­stre­bun­gen Kata­lo­ni­ens ver­laut­ba­ren ließ, sämt­li­che Bei­tritts­be­mü­hun­gen der Regi­on zu inter­na­tio­na­len Ver­bän­den (wie der EBU) zu torpedieren.


Die schot­ti­sche Natio­nal­hym­ne in einer Inter­pre­ta­ti­on Mari­an­ne Rosenbergs

Nun ist die­ser Hin­weis albern, denn Groß­bri­tan­ni­en kün­dig­te bereits an, im (tat­säch­lich eher unwahr­schein­li­chen) Fal­le einer demo­kra­ti­schen Abstim­mungs­mehr­heit für die Abspal­tung die dar­aus resul­tie­ren­de Unab­hän­gig­keit Schott­lands anzu­er­ken­nen. Ein klei­nes Detail stün­de einer erfor­der­li­chen Zustim­mung aller EBU-Mit­glie­der zur Auf­nah­me Schott­lands in den erlauch­ten Kreis der Grand-Prix-Berech­tig­ten den­noch unter Umstän­den im Wege: wie Jar­mo Siim eben­falls sag­te, könn­te eine Abspal­tung des Lan­des­teils rein theo­re­tisch zu einem Ver­lust des Big-Five-Sta­tus des rest­li­chen, dann nicht mehr ganz so Ver­ei­nig­ten König­reichs füh­ren. “Es ist schwie­rig, vor­her­zu­sa­gen, ob das Aus­wir­kun­gen haben könn­te,” so Siim gegen­über der Zei­tung. Die auto­ma­ti­sche Final­qua­li­fi­ka­ti­on der fünf zah­lungs­kräf­tigs­ten und ein­woh­ner­stärks­ten Mit­glieds­län­der führ­te in der Ver­gan­gen­heit bereits mehr­fach zu erbit­ter­ten Dis­kus­sio­nen und war ein wesent­li­cher Grund für den Aus­stieg der Tür­kei aus dem Con­test. Droht hier eine Öff­nung der Büch­se der Pandora?


Stam­men aus Schott­land und wer­den als bri­ti­sche Ver­tre­ter 2014 gerüch­tet: das 80er-Jah­re-Ein-Hit-Wun­der Wet Wet Wet

Denn gera­de für Groß­bri­tan­ni­en ist der Big-Five-Sta­tus essen­ti­ell. Das Mut­ter­land des Pop betrach­tet den Con­test seit jeher aus­schließ­lich als absei­ti­ges Trash-Event, bei dem man mit woh­li­gem Gru­sel bestaunt, wie das euro­päi­sche Fest­land das bri­ti­sche Geschenk der Pop­mu­sik beschmutzt und miss­braucht und nur abson­der­lich defor­mier­te Vari­an­ten davon zurück­gibt. Lässt man dem Zuschau­er die Wahl, ent­schei­det er sich daher bewusst für absicht­li­chen Trash der Mar­ke Scooch, wes­we­gen die BBC seit Jah­ren ihren Ver­tre­ter lie­ber intern bestimmt und aus einem Port­fo­lio kurz vor der Ver­we­sung ste­hen­der Pople­gen­den bestrei­tet. Müss­te man durch eine Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de und schei­ter­te man dort, wür­de sich das König­reich – genau so wie übri­gens auch Deutsch­land – im Hin­blick auf die Fern­seh­ge­büh­ren­dis­kus­si­on mit hoher Wahr­schein­lich­keit umge­hend vom Song Con­test zurück­zie­hen. Und damit wohl den Tod der Ver­an­stal­tung besie­geln, denn ohne die erheb­li­chen finan­zi­el­len Mit­tel der Big Five lie­ße sich das Event kaum noch stem­men, wie sich bereits 1996 zeig­te. [ref]In die­sem Jahr sor­tier­te eine Jury den deut­schen Bei­trag ‘Pla­net of Blue’ im Vor­feld aus. Der Aus­fall der Teil­nah­me­ge­büh­ren der ARD traf die EBU und die rest­li­chen Län­der schwer, wes­we­gen man die Big-Five-Rege­lung über­haupt erst einführte.[/ref]


Ganz wun­der­bar, in der Tat.

Einen ande­ren, deut­lich trif­ti­ge­ren und ein­leuch­ten­de­ren Grund für eine Nicht­auf­nah­me Schott­lands in die EBU benann­te die sati­ri­sche Zei­tung The Dai­ly Mash (der bri­ti­sche Pos­til­li­on) bereits unlängst: “wie behaup­tet wird, oppo­nie­ren Län­der, in denen die Leu­te über ein Gehör ver­fü­gen, gegen die Bei­tritts­plä­ne,” ätz­te das Blatt schon ver­gan­ge­ne Woche. Es schob Manu­el Bar­ro­sa fol­gen­des erfun­de­ne, aber amü­san­te Zitat in den Mund: “Die ande­ren Mit­glie­der wer­den nicht taten­los zuse­hen, wie Schott­land eine Art von Auto­tu­ne-Dudel­sack-Scheiß­dreck ent­fes­selt; frag­los von einem altern­den, kilt­tra­gen­den Soft­co­re-Punk vor­ge­tra­gen. Mich ver­fol­gen schreck­li­che Visio­nen einer schot­ti­schen Ver­si­on von Ten­po­le Tudor” (einer bri­ti­schen Punk­band der Sieb­zi­ger­jah­re). Das gilt es natür­lich zu verhindern!

Ein eige­ner schot­ti­scher Euro­vi­si­ons­bei­trag ab 2017?

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