Schwe­den: Power­vo­ting beim Melodifestivalen?

Ver­band sich das unschö­ne Phä­no­men des Power­vo­ting, also der Mani­pu­la­ti­on des Tele­vo­tin­g­er­geb­nis­ses durch gekauf­te Mas­sen­an­ru­fe, bis­lang eher mit Staa­ten mit Demo­kra­tie­de­fi­zit wie Aser­bai­dschan und Russ­land, so steht nun das Land der Elche im Fokus des neu­es­ten “Stemm­e­fusk”-Skan­dals, wie das däni­sche Fern­se­hen DR heu­te unter Bezug auf das schwe­di­sche Afton­b­la­ted berich­tet. Dem­zu­fol­ge sei es (so ich die Goog­le-Über­set­zung rich­tig inter­pre­tie­re) mit­hil­fe eines Com­pu­ters und eines spe­zi­ell pro­gram­mier­ten “Robo­ter-Han­dys” mög­lich, bis zu 2.500 Stim­men für einen Mel­lo-Bei­trag abzu­set­zen und so das Voting zu beein­flus­sen. Angeb­lich sei die Tech­nik in den letz­ten Jah­ren bereits zum Ein­satz gekom­men, bezahlt von einem Autoren eines Wett­be­werbs­ti­tels im Melo­di­fes­ti­valen, der damit sei­nem Song Vor­tei­le ver­schaf­fen woll­te. Es soll eine Tele­fon­rech­nung exis­tie­ren, wel­che die Geschich­te belege.


Ver­pass­te 2013 um nur knapp 2.100 Stim­men den Final­ein­zug: Modern Tal­king Mar­tin Rolinksi

DR zitiert den Mel­lo-Pro­du­zen­ten Chris­ter Björk­man (SE 1992) mit der Aus­sa­ge, es sei weder zu ver­hin­dern noch unge­setz­lich, Anru­fe für den eige­nen Song zu kau­fen. Wie man das ethisch beur­tei­le, lie­ge bei jedem Ein­zel­nen selbst. Maria Ils­ted, Pro­jekt­ma­na­ge­rin des Mel­lo, ergänzt: “Natür­lich ist das bedau­er­lich. Wir haben die Abstim­mung in die­sem Jahr dop­pelt über­prüft, kön­nen aber kei­ne Auf­fäl­lig­kei­ten ent­de­cken. Letz­ten Endes sind 2.500 Stim­men im Fina­le auch nur ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein”. Die Afton­bla­det-Leser sehen das wohl anders: 93% hät­ten bei einer nicht reprä­sen­ta­ti­ven Umfra­ge auf der Web­site der Zei­tung ange­ge­ben, dass sie ihr Ver­trau­en in die Ergeb­nis­se bei Schwe­dens belieb­tes­ter Fern­seh­show ver­lo­ren hät­ten (was natür­lich wenig ver­wun­dert, wenn man eine sol­che Umfra­ge direkt am Ende eines Skan­dal-Arti­kels platziert).


Im fehl­ten nur wenig mehr als 1.000 Stim­men zu DTG: Sean Banan

Ande­rer­seits sind Ver­su­che, Abstim­mun­gen zu mani­pu­lie­ren, so alt wie die Abstim­mun­gen selbst. Schon Anfang der Sieb­zi­ger sah sich bei­spiels­wei­se das ZDF genö­tigt, die Abstim­mungs­re­geln der Hit­pa­ra­de mit Die­ter Tho­mas Heck (DVE 1961), damals die meist­ge­se­he­ne Musik­show im deut­schen Fern­se­hen, zu ändern, weil die auf Post­kar­ten­ein­sen­dun­gen basie­ren­de Bes­ten­lis­te nach­weis­lich durch orga­ni­sier­te Fan­clubs beein­flusst wur­de. Dra­fi Deut­scher droh­te der ARD 1990 eine Kla­ge wegen Mani­pu­la­ti­on an, weil der von ihm kom­po­nier­te Song ‘Melo­die d’A­mour’, gesun­gen von sei­ner dama­li­gen Ehe­frau Isa­bel Varell, in der Infra­test-Umfra­ge gegen Ralph Sie­gels ‘Frei zu leben’ abkack­te. Über den deut­schen Grand-Prix-Groß­meis­ter tauch­ten immer mal wie­der – bis heu­te unbe­wie­se­ne – Gerüch­te auf, er bezah­le Call-Cen­ter, für sei­ne eige­nen Ein­sen­dun­gen anzurufen.


Nicht nur beim Vor­ent­scheid 1975 ein Fail: auch in der ZDF-Hit­pa­ra­de kam Mari­an­ne Rosen­berg nicht über die Vor­stel­lungs­run­de hin­aus. Unglaublich!

Die Dis­kus­si­on kommt für das schwe­di­sche Fern­se­hen zur Unzeit, steht das unter inter­na­tio­na­len Grand-Prix-Fans nach wie vor heiß­ge­lieb­te Mel­lo ganz aktu­ell wegen cha­ris­ma­be­frei­ter Mode­ra­to­ren, schwa­chen Songs, ideen­lo­sen Pau­sen­acts und den immer­glei­chen Kom­po­nis­ten im Lan­de selbst stark in der Kri­tik. Auch die Quo­ten gehen seit letz­tem Jahr merk­lich zurück, wenn­gleich das Mel­lo nach wie vor Ratings ein­fährt, für die ande­re Pro­gramm­ma­cher töten wür­den. Für nicht­schwe­di­sche Fans wie mich bie­tet das Skan­däl­chen immer­hin eine wohl­fei­le Mög­lich­keit, die bekann­ter­ma­ßen unfass­li­chen Ent­schei­dun­gen des dor­ti­gen Publi­kums, die in den diver­sen Vor­run­den oft Titel ver­bren­nen, für die ich töten wür­de, unter dem Rubrum “Mani­pu­la­ti­on” abzu­le­gen, was mir zumin­dest ermög­licht, die Schwe­den weni­ger für ihren unmög­li­chen Geschmack zu has­sen. Und so hat doch alles auch sein Gutes!

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