Kol­laps mora­li­scher Wer­te: steigt Russ­land aus dem Song Con­test aus?

Es stand zu erwar­ten: nach dem Sieg von Con­chi­ta Wurst beim 59. Euro­vi­si­on Song Con­test in Kopen­ha­gen for­dern ers­te rus­si­sche Poli­ti­ker den Aus­stieg des Lan­des aus der “Brut­stät­te der Sodo­mie”, wie eine weiß­rus­si­sche Initia­ti­ve den Wett­be­werb bereits im Okto­ber ver­gan­ge­nen Jah­res so hübsch bezeich­ne­te. Wie das schwei­ze­ri­sche Bou­le­vard­blatt Blick heu­te schreibt, for­de­re der Chef der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei, Wale­ri Rasch­kin: “Wir müs­sen die­sen Wett­be­werb ver­las­sen, wir kön­nen die­sen end­lo­sen Wahn­sinn nicht tole­rie­ren.” Ein Bera­tungs­ko­mi­tee des weiß­rus­si­schen Prä­si­den­ten Lukaschen­ko habe sich dem Blatt zufol­ge der For­de­rung ange­schlos­sen: “Wir brau­chen Euro­pa nicht,” das Ergeb­nis ste­he für einen “voll­stän­di­gen Kol­laps mora­li­scher Wer­te.” An die Stel­le des Euro­vi­si­on Song Con­test sol­le ein eige­ner Musik­wett­be­werb namens Voice of Eura­sia tre­ten – nicht zu ver­wech­seln mit dem bereits seit 2012 statt­fin­den­den ABU Song Fes­ti­val der asia­tisch-pazi­fi­schen Natio­nen.

Schlägt Man­chem böse auf den Magen: Euro­pas Lie­be für die Kaiserin

Russ­land wür­de damit dem Vor­bild der (nun wahr­schein­lich erst recht wei­ter­hin fern­blei­ben­den, wie der Tages­spie­gel mut­maßt) Tür­kei fol­gen, die im Dezem­ber 2013 mit der Türk­vi­zyon erst­ma­lig ihren eige­nen Song Con­test durch­führ­te – an dem sich übri­gens auch etli­che von Turk­völ­kern bewohn­te rus­si­sche Teil­re­pu­bli­ken betei­lig­ten. Aller­dings muss man die obi­gen Äuße­run­gen, ähn­lich wie die des Ultra­na­tio­na­lis­ten Wla­di­mir Schi­ri­no­w­ski über “Euro­pas Ende”, nicht all zu ernst neh­men: so lan­ge Putin sich nicht zum The­ma äußert, han­delt es sich hier um nicht mehr als das wüten­de Schrei­en eini­ger ver­stör­ter älte­rer Män­ner. Denn auch wenn das Inter­es­se am Euro­vi­si­on Song Con­test im flä­chen­mä­ßig größ­ten Staat Euro­pas schwin­det, wie sich unter ande­rem am deut­li­chen Rück­gang der Zahl der akkre­di­tier­ten rus­si­schen Journalist:innen in Kopen­ha­gen fest­mach­te: im Tele­vo­ting lag die bär­ti­ge Drag­queen auch jen­seits des Ural auf dem drit­ten Rang, das bela­rus­si­sche Publi­kum sah Con­chi­ta auf Platz vier. Dort ver­hin­der­te eine kon­zer­tiert voten­de Jury am Ende Punk­te für Öster­reich. Auch im ehe­ma­li­gen Sowjet­rei­che machen also die Eng­stir­ni­gen nur einen klei­nen Teil aus.


Mehr nach dem Geschmack der Tra­di­tio­na­lis­ten: die Weiß­rus­sin Güneş, Platz 2 bei der Türkvizyon.

Was glaubst Du: zieht sich Russ­land jetzt vom ESC zurück?

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8 Comments

  • Wie du schon sag­test, Con­chi­ta hat auch mas­sig Tele­fon­an­ru­fe aus eben die­sen ost­eu­ro­päi­schen Staa­ten bekom­men. Die Her­ren, die sich nun über den Wer­te­ver­fall auf­re­gen, soll­ten doch dann eigent­lich am meis­ten über “ihr Volk” geschockt sein…aber die Ableh­nung rich­tet sich natür­lich zumeist gen Westen.

    Im Grun­de ist das doch das sel­be, wie wenn sich west­eu­ro­päi­sche Län­der dar­über auf­re­gen, dass die ost­eu­ro­päi­schen immer nur unter sich Punk­te tau­schen. Dies­mal regen sich die Ost­eu­ro­pä­er eben auf, dass die West­eu­ro­pä­er flei­ßig für Öster­reich gevo­tet haben.

    Wenn Con­chi­ta kei­ne Mes­sa­ge und erns­ten Hin­ter­grund hät­te, so wie Ver­ka Ser­duch­ka damals, dann wär die Auf­re­gung nur halb so schlimm und auch der Bart wäre eher lus­tig als pro­vo­zie­rend. Genau­so wie wenn Öster­reich nur 2. gewor­den wären.

  • Die Rus­sen krie­gen sich wie­der ein. Ganz im Gegen­satz zu den ver­blö­de­ten alten Säcken in der Tür­kei. Tschüss, Osma­nen, euch braucht hier keiner!

  • Sor­ry, aber ver­gli­chen mit den “Argu­men­ten” der Rus­sen hat der tür­ki­sche Sen­der durch­aus eini­ge dis­kus­si­ons­wür­di­ge Punk­te ange­spro­chen, die laut oiko­t­i­mes (also der Bild-Zei­tung der ESC-Inter­net­sei­ten) inzwi­schen ähn­lich auch in Grie­chen­land ange­spro­chen wer­den. Ich bin zwar der Mei­nung, dass Grie­chen­land und Tür­kei nicht unbe­dingt die bes­ten Län­der sind, um das Big-Five-Sys­tem und die Jurys in Fra­ge zu stel­len, aber die Fra­gen an sich sind berech­tigt, im Gegen­satz zu dem Blöd­sinn, den Rus­sen und Weiß­rus­sen gera­de hinlegen.

  • Ich fra­ge mich jedes mal wie­der, wer denn in Russ­land sich bis um 4 Uhr mor­gens Orts­zeit den ESC ansieht und sich dann auch noch am Tele­fon­vo­ting betei­ligt. Das kön­nen doch nur Hard­core­fans sein. Weiß man den irgend­was über die rus­si­schen und sons­ti­gen sehr weit öst­lich gele­ge­nen ost­eu­ro­päi­schen ESC-Einschaltquoten?

  • Drei Uhr mor­gens, zumin­dest was die bei­den gro­ßen Zen­tren St. Peters­burg und Mos­kau angeht – Mos­kau­er Zeit ist MEZ +2. In Aser­bai­dschan aller­dings ist die Fra­ge durch­aus berechtigt…

  • Na und, dann sol­len Russ­land und Weiß­russ­land hat den ESC ver­las­sen. Kei­ner wür­de die­sen Län­dern auch nur eine Trä­ne nach­wei­nen. Ins­be­son­de­re Russ­land hat beim ESC schon längst nix mehr ver­lo­ren. Ich wür­de Russ­land auf kei­nen Fall ver­mis­sen. Und Weiß­russ­land gleich hinterher.

  • Ich bin da zwie­ge­spal­ten. So, wie es sich momen­tan prä­sen­tiert, wür­de mir Russ­land beim Song Con­test zwar nicht wirk­lich feh­len. Und es bestün­de auch nicht die Gefahr, dass der Con­test wie­der in Mos­kau statt­fin­den könn­te und wir die­sel­be Debat­te füh­ren müss­ten wie schon bei Baku. Ande­rer­seits habe ich die Rus­sen lie­ber bei uns als gegen uns. Eine wei­te­re Abwen­dung Russ­lands von Euro­pa macht die Lage nicht bes­ser. Und sie täte auch vie­len Rus­sen Unrecht, die ja nicht alle den­ken wie ihre Füh­rung (wenn auch lei­der erschre­ckend viele).

    Und Weiß­russ­land ist ja mein Guil­ty Plea­su­re beim Con­test – die schi­cken immer so herr­li­chen Trash wie ‘I love Bela­rus’ oder ‘Love me tonight’ oder auch ‘Cheeseca­ke’: ich ste­he da total drauf. Und das Dra­ma um die Vor­ent­schei­dun­gen ist auch immer hoch­gra­dig unter­halt­sam. Bela­rus wür­de ich wirk­lich vermissen!

  • […] Kind erklä­ren, war­um eine bär­ti­ge Frau singt”. Was die Erd­gas-Super­macht ent­ge­gen aller Spe­ku­la­tio­nen den­noch nicht davon abhält, beim ver­derb­ten West­wett­be­werb mit­zu­tun: bereits am 10. Juni erklärte […]

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