Con­chi­ta Wurst: Nur ein State­ment reicht nicht

Der ORF nahm die Bekannt­ga­be der Ent­schei­dung für Wien als Aus­tra­gungs­ort des 60. Euro­vi­si­on Song Con­tests ges­tern zum Anlass, Con­chi­ta Wurst zum Inter­view in die Nach­rich­ten­sen­dung Zeit im Bild 2, qua­si die öster­rei­chi­schen Tages­the­men, ein­zu­la­den. Dort sprach die aktu­el­le Euro­vi­si­ons­sie­ge­rin in gewohnt char­mant-elo­quen­ter Wei­se über den gesell­schaft­li­chen Ein­fluss ihres Sie­ges, ihre Zukunfts­plä­ne und den kom­men­den Con­test. Ihren Tri­umph von Kopen­ha­gen bezeich­ne­te sie als euro­päi­sches State­ment für Tole­ranz, sag­te aber auch: “Nur ein State­ment reicht nicht, um eine gan­ze Gesell­schaft zu ändern,” viel­mehr sei es wich­tig, eine sol­che Hal­tung auch im All­tag zu leben. Doch auch, wenn vie­le im Schut­ze der Anony­mi­tät des Inter­nets abge­ge­be­ne, “unge­frag­te Mei­nun­gen” eine ande­re Spra­che sprä­chen, attes­tier­te sie ihrem Hei­mat­land, auf einem guten Weg zu sein und sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Den­noch blei­be noch viel zu tun: “Es geht am Ende des Tages auch nicht um Tole­ranz, son­dern um Akzep­tanz und Respekt. Das hat jeder ver­dient und des­we­gen fin­de ich es auch nicht schwer, danach zu leben.” Dan­ke, Conchita!


Char­man­te Bot­schaf­te­rin für Respekt: die fabel­haf­te Frau Wurst

Die Aus­rich­tung des Jubi­lä­ums­wett­be­werbs begrei­fe sie als Chan­ce für Öster­reich, sich der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft als welt­of­fe­nes Land zu zei­gen und ver­band dies mit einem Appell an die Wie­ner Gas­tro­no­men, den anrei­sen­den Fans wäh­rend der Euro­vi­si­ons­wo­chen ein gutes Unter­hal­tungs­pro­gramm auch rund um den Con­test zu bie­ten. Con­chi­ta bestä­tig­te erneut, anders als Lena Mey­er-Land­rut 2011 nicht noch­mals antre­ten zu wol­len, schließ­lich kön­ne sie ihren Sieg nicht mehr top­pen. Eine “klei­ne Mode­ra­ti­on” oder einen Auf­tritt im Rah­men­pro­gramm kön­ne sie sich aber vor­stel­len. Zu ihren Zukunfts­plä­nen befragt, gab sie an, der­zeit Lie­der für ein Album zu sich­ten, mit dem sie sich aber bewusst Zeit las­sen wol­le, um kei­nen sub­stanz­lo­sen Schnell­schuss abzu­lie­fern. Schließ­lich habe sie “jetzt eini­ge Leu­te mehr, die ich ent­täu­schen kann”. Eine gesell­schaft­li­che Vor­kämp­fe­rin mit künst­le­ri­schem Nach­hal­tig­keits­an­spruch: auch wenn ich es kaum für mög­lich gehal­ten hät­te, lie­be ich Con­chi­ta mit jedem öffent­li­chen Auf­tritt mehr!

Frei­heits­hel­din Dana Inter­na­tio­nal beim Ams­ter­dam Pri­de 2014.

Eine wei­te­re gesell­schaft­li­che Vor­kämp­fe­rin mit Euro­vi­si­ons­ver­gan­gen­heit mel­de­te sich die­ser Tage eben­falls mit einem deut­li­chen poli­ti­schen State­ment zu Wor­te: wie Wiwi­b­loggs berich­tet, wies mei­ne Grand-Prix-Hel­din Dana Inter­na­tio­nal bei einem Besuch des israe­li­schen Bot­schaf­ters in Den Haag die euro­päi­sche Kri­tik an der Rol­le ihres Hei­mat­lan­des im Krieg mit den Paläs­ti­nen­sern mit har­schen Wor­ten zurück: “Ihr habt im Lau­fe der Geschich­te Mil­lio­nen von Men­schen ermor­det, die hal­be Welt erobert und Afri­ka aus­ge­raubt!” Beson­ders hart ging sie mit Bel­gi­en ins Gericht, wel­ches sei­nen Reich­tum auf dem Gold begrün­de, das es den Afrikaner:innen gestoh­len habe und daher zu kei­nem Kom­men­tar berech­tigt sei. Das gel­te aber auch für die rest­li­chen Staa­ten Euro­pas: “Es gibt nicht ein Land mit einer geschicht­lich wei­ßen Wes­te, das Isra­el kri­ti­sie­ren dürf­te, also hal­tet ein­fach die Klap­pe!” Sie ergänz­te, dass in Isra­el eine völ­lig ande­re Men­ta­li­tät herr­sche als in Euro­pa und es des­halb für Außen­ste­hen­de schwer sei, zu ver­ste­hen, was dort vor sich gehe. “Wir Israe­lis und Paläs­ti­nen­ser gehen gera­de unse­re ers­ten Schrit­te auf einem Weg in eine ech­te Zivi­li­sa­ti­on, eine ech­te Kul­tur. Wir müs­sen es selbst ler­nen, zivi­li­siert mit­ein­an­der umzu­ge­hen”. Da bleibt dann nur, auch wenn ich gera­de vor dem geschicht­li­chen Hin­ter­grund Deutsch­lands mit Dana Inter­na­tio­nal über­ein­stim­me, dass mir kei­ner­lei Kom­men­tar zusteht, von Her­zen viel Glück und schnel­le Lern­erfol­ge auf bei­den Sei­ten zu wünschen.

Dar­auf ein Gür­k­chen: Ping Pong pre­di­gen die Ver­söh­nung der Völ­ker durch die Kraft der Liebe.

5 Comments

  • Con­chi­ta ist wirk­lich ein tol­ler Mensch. Mei­nen Respekt hat sie! Und der Mann, der dahin­ter steckt noch viel mehr!

  • Was Dana Inter­na­tio­nal da macht, ist ein klas­si­scher Logik­feh­ler – was auch sofort offen­bar wird, wenn man das mal zu Ende denkt. Es dür­fen also nur Exper­ten, die sich aus­führ­lich mit dem Kon­flikt beschäf­tigt haben, an die­sem Dis­kurs teil­neh­men? Und das auch nur, wenn die­se Leu­te aus Staa­ten kom­men, die in der Ver­gan­gen­heit nie irgend­wel­che Feh­ler gemacht haben? Wie vie­le sol­che Staa­ten mag es auf der Welt geben? Liech­ten­stein oder San Mari­no viel­leicht? Wer darf dann über­haupt etwas dazu sagen? Ist es rich­tig, nichts zu sagen und nicht zu berich­ten, wenn das Dau­er-Pul­ver­fass Nah­ost wie­der mal explo­diert? Sol­len wir uns die Fin­ger in die Ohren ste­cken und “Ding dong” sin­gen, bis die Lage sich wie­der beru­higt hat, um nichts mit­zu­be­kom­men? Das kann es ja wohl auch nicht sein. Und mit wel­chem Recht ver­langt eine Sän­ge­rin so etwas? Ist Dana Inter­na­tio­nal neu­er­dings Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin oder His­to­ri­ke­rin? Sie hat – wie wohl jeder Mensch auf der Welt – ihre Mei­nung zu die­sem The­ma, nur dass ihre Mei­nung auf­grund ihrer Pro­mi­nenz mehr Ver­brei­tung erfährt als vie­le andere.

    Das grund­le­gen­de Argu­ment, man sol­le sich als Außen­ste­hen­der zurück­hal­ten, ist abso­lut nach­voll­zieh­bar und sinn­voll. Aber sich pau­schal gegen jeg­li­che Kri­tik von außen immu­ni­sie­ren zu wol­len, indem man Nebel­ker­zen wirft, die mit der heu­ti­gen Lage in Isra­el über­haupt nichts zu tun haben (wie die oben genann­ten Plün­de­run­gen der Bel­gi­er in Afri­ka), geht mei­nes Erach­tens zu weit und ergibt kei­nen Sinn. (Neben­bei: wenn sol­che Kolo­ni­al­rei­che ihre Ursprungs­län­der tat­säch­lich reich gemacht hät­ten, sähe es heut­zu­ta­ge in Spa­ni­en oder Por­tu­gal wohl ein biss­chen anders aus. Und wenn sowas not­wen­dig gewe­sen wäre, um reich zu wer­den, wie erklärt man sich dann Luxem­burg oder Finnland?)

  • Grund­sätz­lich d’ac­cord. Aller­dings haben die meis­ten Kolo­ni­al­mäch­te ihre “Besitz­tü­mer” schon arg aus­ge­plün­dert – und wenn man Wiki­pe­dia Glau­ben schen­ken darf, waren gera­de die Bel­gi­er dabei beson­ders rück­sichts­los und bru­tal – und letz­ten Endes beu­ten wir (die Euro­pä­er) auch heu­te noch Afri­ka aus.

    Was die Kri­tik an Isra­el angeht, so bin ich per­sön­lich der Mei­nung, dass Deutsch­land zwi­schen 1933 und 1945 zumin­dest mal für noch etli­che Gene­ra­tio­nen jeg­li­ches Recht auf Kri­tik ver­wirkt hat, selbst auf berech­tig­te. Das heißt natür­lich nicht, dass kei­ne Bericht­erstat­tung und Ein­ord­nung der Din­ge erfol­gen soll, und natür­lich kann sich jeder sei­ne Mei­nung dazu bil­den. Nur mit öffent­li­cher Kri­tik wür­de ich mich halt zurückhalten.

    In einem bri­ti­schen Euro­vi­si­ons­fo­rum hat vor Jah­ren mal ein israe­li­scher Grand-Prix-Fan, der selbst einen Bom­ben­an­schlag an einer Bus­hal­te­stel­le er- und schwer­ver­letzt über­lebt hat, dass ihn die gan­zen – sicher gut gemein­ten – Rat­schlä­ge, wie Isra­el mit den Paläs­ti­nen­sern umge­hen soll­te, von Euro­pä­ern, die hier mit ihrem Arsch in Sicher­heit sit­zen, kom­plett ankot­zen und jeder, der nicht in der glei­chen Situa­ti­on lebt und jeden Tag drauf­ge­hen kön­ne, doch ein­fach sein Maul hal­ten möge. Hat mir irgend­wie eingeleuchtet.

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