USFÖ-Per­len: die Inva­si­on der Discoschlager

Mehr als zwei Wochen liegt mei­ne ers­te Werk­schau der bis­lang hoch­ge­la­de­nen Bewer­bungs­vi­deos für die Wild­card­run­de von Unser Song für Öster­reich schon zurück. Viel Nen­nens­wer­tes tat sich in der Zwi­schen­zeit nicht: offen­sicht­lich ver­schreck­te die letzt­jäh­ri­ge Jury-Aus­wahl all die­je­ni­gen nach­hal­tig, die nicht in das Staub­maus-Geschmacks­sche­ma des NDR-Gre­mi­ums pas­sen und sich so ohne­hin kei­ne Chan­ce aus­rech­nen kön­nen. Mit einer ent­schei­den­den Aus­nah­me: den Dis­co­fox-Geron­ten. Die wit­tern, vom extra­or­di­nä­ren kom­mer­zi­el­len Erfolg Hele­ne Fischers beflü­gelt, offen­bar gera­de Mor­gen­luft und bewer­ben sich in Gar­ni­sons­stär­ke um das Ticket nach Wien. Letz­tes Mal stell­te ich bereits die fabel­haf­te Ute Schön­herr vor, dies­mal erhö­he ich um die Par­ty Apps: zwei Gesichts­gün­ther, bei deren Anblick man spon­tan ein wenig Ver­ständ­nis für die Selbst­ver­liebt­heit des Wend­lers ent­wi­ckelt: gegen die bei­den Par­ty­wracks mit ihren pein­li­chen Sei­den­kra­wat­ten wirkt der Dschun­gel­camp-Weich­ling tat­säch­lich bei­na­he seri­ös und, ahem: attrak­tiv. Um so unglaub­li­cher die Pfläum­chen­in­du­zier­te Ver­zü­ckung, in wel­che das dyna­mi­sche Duo beim Voll­play­back-Auf­tritt mit dem ver­ton­ten Flach­witz ‘Akku alle’ sein schon etwas lebens­er­fah­re­ne­res Publi­kum zu ver­set­zen ver­mag. Viel­leicht ist einem aber auch ein­fach nur alles egal, wenn man schon in Lud­wigs­ha­fen woh­nen muss.

Groß­va­ter, war­um hast Du so gro­ße Augen? Die Par­ty Apps

Wenig anspruchs­voll schei­nen auch die Fans von Tom Foxx zu sein. In ‘Du bist der Wahn­sinn’ besingt er sei­ne berech­tig­te Ver­wun­de­rung, dass es Frau­en zu geben scheint, die ver­zwei­felt genug sind, auf die schlei­mi­ge Anma­che des schmie­ri­gen Dis­co­fox-Unsym­pa­then mit dem irren Blick her­ein­zu­fal­len. Auf den bereits u.a. von den Flip­pers, Andy Borg, Ivo und G.G. Ander­son aus­ge­lat­schen Urlaubs­schla­ger­pfa­den wan­delt Ber­ny Jans­sen: ‘In Taor­mi­na geht die Son­ne auf’, schun­kelt uns der Bon­tem­pis­ound ent­ge­gen. Nur der fel­sen­fest in der Nord­see­bran­dung ver­an­ker­te Ber­ny schun­kelt nicht: er wirkt optisch, als habe er sich vom Namen sei­ner Lieb­lings­piz­ze­ria zu die­ser musi­ka­li­schen Ita­li­en­schän­dung inspi­rie­ren lassen[ref]Bevor jemand was sagt: ja, ich wie­ge eher noch mehr als Ber­ny. Aber ich las­se mich auch nicht aus­ge­rech­net von unten beim Sin­gen abfil­men und lade das das auf You­tube hoch.[/ref] und schaut so unan­ge­mes­sen miss­mu­tig drein, als wüss­te er selbst, was für einen Schrott er da von sich gibt. Eine hüb­sche Text-Bild-Sche­re lie­fert auch das Adam-&-Eve-Gedächt­nis­duo Sma­ragd, bestehend aus dem “Moti­va­ti­ons­coach” Mik­el Marz und sei­ner Part­ne­rin Mela­nie Chris­ti­ne: ‘Geh ein­fach wei­ter’ ist ihr Rat an alle Müh­se­li­gen und Bela­de­nen, denen sie “mit die­sem Lied  ganz viel Kraft, Mut, Hoff­nung und Moti­va­ti­on” mit­ge­ben möch­ten. Und Kraft braucht man auch, um das depri­mie­ren­de Gejau­le und die Astro-TV-kom­pa­ti­blen Hack­fres­sen der Bei­den zu ertra­gen bezie­hungs­wei­se ganz schnell ein­fach wei­ter­zu­ge­hen und so zu tun, als habe man nichts gese­hen und gehört.

Ost­frie­si­sche Agrar­öko­nom­pro­ble­ma­tik in kar­ne­val­esker Auf­be­rei­tung: Fre­rich Westermann

Den Vogel schießt jedoch Fre­rich Wes­ter­mann mit sei­nem Faschings­schla­ger ‘Der alte Bau­er Hin­nigsen’ ab: wie in einem Kla­mauk­film mit Mike Krü­ger tan­zen als Hüh­ner ver­klei­de­te Men­schen und grob kos­tü­mier­te Land­frau­en durch den Vor­gar­ten und geben sich der durch Akkor­deonein­satz und homöo­pa­thisch ein­ge­streu­ten Dub­step-Ver­zie­run­gen kon­tem­po­rär ver­edel­ten Schla­ger­höl­le hin. Die Mike-Krü­ger-Affi­ni­tät kommt nicht von unge­fähr: wie die fil­mi­sche Super­na­se stammt auch Herr Wes­ter­mann, der nach dem Wer­be­text bis­lang vor allem in Alten­hei­men auf­trat, wo sei­ne Zuhö­rer­schaft nicht flie­hen kann, aus Ost­fries­land. Man­che Kli­schees bestä­ti­gen sich halt immer wie­der ganz von allei­ne. Kom­po­si­to­risch ver­ant­wort­lich für den kal­ten Bau­ern ist übri­gens ein gewis­ser Tas­si­lo Lie­be, der selbst antritt: mit dem Lie­der­ma­cher­stück ‘Glück­auf, Berg­mann’, einer der­art erbärm­li­chen Hom­mage an einen demen­ten Kum­pel (der ver­mut­lich in der­sel­ben Senio­ren­re­si­denz vor sich hin däm­mert, in dem auch Bau­er Hiningsen sei­ne Auf­trit­te hat­te), dass man spon­tan die Eutha­na­sie befür­wor­tet. Noch bes­ser gemeint und schlech­ter gemacht ist nur noch die bereits von der WAZ bewor­be­ne  Obdach­lo­sen-Hilfs­hym­ne ‘Wann wird’s end­lich Früh­ling?’ des Gel­sen­kir­che­ner Schmal­spur­poe­ten Dr. Stol­zen­felz. Dann lie­ber der Anti-Ras­sis­mus-Rap des Ulmer Pro­jek­tes Unus: geför­dert unter ande­rem durch ein orts­an­säs­si­ges Phar­ma­un­ter­neh­men, gibt’s zu ‘Yal­la (Glei­che Chan­cen, immer)’ immer­hin die Kopf­schmerz­ta­blet­ten güns­tig dazu.

In Ulm und um Ulm her­um gedei­hen guter Text, guter Flow und gute Hook: Unus

Schlech­ter Scherz bei­sei­te: abge­se­hen davon, dass der Song mit vier­ein­halb Minu­ten nicht nur für Song-Con­test-Zwe­cke deut­lich zu lang ist, haben wir hier so ziem­lich das ers­te Stück der dies­jäh­ri­gen Vor-Vor-Run­de vor uns, bei dem man nicht vor Fremd­scham kre­piert. Auch wenn es sich natür­lich für den Grand Prix nicht eig­net: nicht nur, dass Rap dort über­haupt nicht ankommt, schei­tert in die­sem Fall die gute Bot­schaft bereits an der Sprach­bar­rie­re. Beim NDR-Club­kon­zert hät­te ich es aber den­noch ger­ne dabei, denn die Jungs und Mädels sind rich­tig gut und ver­die­nen Auf­merk­sam­keit. Und, um die­se Per­len­tau­cher­run­de mit einem Titel abzu­schlie­ßen, der in die von der Aus­wahl­ju­ry gou­tier­te und auch bei Ste­fan Raabs Bun­des­vi­si­on Song Con­test stark prä­sen­te Neue Deut­sche Weh­lei­dig­keit™ fal­len könn­te: im Bewer­bungs­clip zu ‘Wie’s war’ prä­sen­tiert sich der Chem­nit­zer Ben­son als eine Art Elek­tro-Cro: mit Raub­vo­gel­mas­ke ver­klei­det, erschießt er vom Hoch­sitz aus zu einem trei­ben­den Elek­tro­tra­ck und kryp­ti­schen Lyrics einen eben­falls mas­kier­ten, frei­lau­fen­den Spa­zier­gän­ger  – mut­maß­lich ein alle­go­ri­scher, abge­spal­te­ner Teil sei­nes Selbst. Oder so ähn­lich. Urtei­len Sie selbst, viel­leicht gelingt es Ihnen ja, einen Sinn dar­in zu erkennen.


Was will uns der Künst­ler sagen? Das bleibt Ben­sons Geheimnis

4 Comments

  • Mike Krü­ger ist kein Ost­frie­se. (Gebo­ren in Ulm, auf­ge­wach­sen und bis heu­te wohn­haft in Ham­burg.) Da hat­te wohl jemand eine ande­re deut­sche Come­dy-Grö­ße auf den Schirm, die in den Sieb­zi­gern bekannt wurde…

  • Nö, ich hab ihn nicht mit Otto Waal­kes ver­wech­selt. Aller­dings muss ich zu mei­ner Schan­de geste­hen, dass ich Quick­born, wo er zu Zei­ten sei­ner größ­ten Erfol­ge leb­te, auf­grund mei­ner äußerst schwa­chen geo­gra­fi­schen Kennt­nis­se in Ost­fries­land ver­or­tet hat­te. Blöd, jetzt ist mein gan­zer kunst­voll her­ge­lei­te­ter Mike-Krü­ger-Bezug obso­let. Und für einen Otto-Ver­gleich ist Herr Wes­ter­mann nicht lang­haa­rig genug. Dass einem die­se blö­den Fak­ten immer die schöns­ten Schmä­hun­gen kaputt machen müssen! 😉

  • Oh Oh ..ich wun­de­re mich das du hier so über ande­re herziehst..sage mal hast du kei­nen Spiegel..wie kannst du Ber­ny nur angrei­fen ..??? ..Na man­che Leu­te haben nun mal nichts zu tun ..

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