Mal­ta 2015: Krieg liegt in der Luft

Mit über­ein­stim­men­den Höchst­wer­tun­gen aus dem Tele­vo­ting (das absur­der­wei­se mal wie­der nur zu einem Sechs­tel zähl­te) und aller fünf Juro­ren gewann ges­tern Abend die Sän­ge­rin Amber Bon­din, 2012 noch als Chor­sän­ge­rin für Kurt Cal­le­ja (‘This is the Night’) im Euro­vi­si­ons­ein­satz, die mal­te­si­sche Vor­ent­schei­dung. Und die erklärt uns den Krieg: “ich bin eine Krie­ge­rin, ich muss erobern,” teilt sie uns in ihrem Bei­trag ‘War­ri­ors’ mit, der auch musi­ka­lisch als Angriff auf die Geschmacks­ner­ven gel­ten muss: sie schreit mit schmerz­haft dis­har­mo­ni­scher, metal­le­ner Stim­me falsch zu einem Stak­ka­to aus Tönen, aus dem es mir jeden­falls nicht gelingt, so etwas wie eine Melo­die her­aus­zu­hö­ren. Von einem annehm­ba­ren Refrain gar nicht erst zu reden. Dazu steht die optisch ein wenig an eine fül­li­ge Julia­ne Wer­ding erin­nern­de Amber böse bli­ckend im Sturm der Wind­ma­schi­ne und schnei­det bedeu­tungs­vol­le Gri­mas­sen: sie scheint es irgend­wie ernst zu mei­nen. Mir wird um Euro­pa bange.

Bringt die gro­ßen Waf­fen mit: Amber Bon­din (MT)

Der dau­er­grin­sen­de Dok­tor Gian­lu­ca Bez­zina (MT 2013) brach­te dies­mal sei­ne gesam­te Ver­wand­schaft mit, konn­te mit ‘Beau­tiful to me’ aber nicht punk­ten – gar all zu harm­los-nied­lich kam der Fami­len­ge­sang daher. Auch ande­re Euro­vi­si­ons­pro­mi­nenz blieb erfolg­los, so das Dis­co­bun­ny Glen Vel­la (MT 2011), der trotz kna­cki­ger Tän­zer und Hula-Hoop-Rei­fens mit dem Schwe­den­schla­ger ‘Breaka­way’ eben­so wenig reüs­sier­te wie Lud­wig Galea (MT 2004, Julie & Lud­wig) als Drit­tel des Tri­os Tri­lo­gy. Nur im Mit­tel­feld lan­de­ten die von mir – was weiß ich schon? – vor­ab als siche­re Sie­ge­rin­nen getipp­ten sin­gen­den Non­nen Ekkle­sia mit ihrem vor Kitsch trie­fen­den Gut­men­schen­schla­ger ‘Love and let go’. Es wird nicht an den klo­bi­gen Arbeits­schu­hen gele­gen haben, wel­che die Schwes­tern zu ihren unschulds­wei­ßen Ordens­trach­ten tru­gen, son­dern an den erschüt­ternd schie­fen Kat­zen­ge­sän­gen: da lagen wohl die Ner­ven blank.


Wenn’s vor­ne drückt und hin­ten beißt, ist’s Klos­ter­frau Melissengeist!

Einen wun­der­voll tra­shi­gen Dis­co­schla­ger, wie ich ihn aus Mal­ta lie­be, lie­fer­te die rot­haa­ri­ge Jes­si­ka ab, beglei­tet von einem Har­fe­spie­ler, zwei von den Kame­ras kon­se­quent ver­folg­ten voll­bär­ti­gen Tän­zern in schlim­men Gold­bro­kat­jäck­chen mit nichts drun­ter (noch nicht mal Brust­be­haa­rung!), wild umher­ge­schwun­ge­nen Tüll­tü­chern und einem lus­ti­gen Sei­ten­spoi­ler­röck­chen. Ein klas­si­scher Sieg der Show über die Sub­stanz also: bra­vo! Ganz schlimm hin­ge­gen der klei­ne Frank­lin, der vor Jah­ren wohl mal beim Juni­or-ESC dabei war und rein optisch auch immer noch dort hin­ge­hört, sah er doch kei­nen Tag älter aus als elf. Wie er im Ein­füh­rungs­vi­deo min­des­tens drei mal erwähn­te, stamm­te sei­ne mit ener­vie­ren­der Fis­tel­stim­me geschmach­te­te Bal­la­de aus der Feder des Euro­vi­si­ons­sie­gers Alex­an­der Rybak (NO 2009). ‘Still here’ ist denn wohl auch vom Titel her als ver­zwei­fel­te Bit­te des Gei­gen­trolls zu ver­ste­hen, das längst abge­lau­fe­ne Min­dest­halt­bar­keits­da­tum sei­ner pop­kul­tu­rel­len Bedeu­tung gnä­dig zu über­se­hen. Ähm: nein.

Bree van der Kamp als Dis­co­flitt­chen: Jesska

Einen wei­te­ren fabel­haf­ten Euro­club-Tanz­flä­chen­fül­ler lie­fer­te Chris­t­abel­le Borg mit ‘Rush’ (eine Anspie­lung auf die Lieb­lings­mar­ke des von der Haupt­ziel­grup­pe ger­ne mal zur Sti­mu­la­ti­on kon­su­mier­ten Amyl­ni­trits?). Ihre vier Tän­ze­rin­nen tru­gen knap­pe schwar­ze Aero­bic-Anzü­ge mit kaschie­ren­den Arschläpp­chen, die etwas fül­li­ge­re und voll­kom­men kinn­lo­se Chris­t­abel­le hin­ge­gen steck­te in einem Midi-Leder­röck­chen. In die deut­lich aggres­si­ve­re Stim­mung die­ses Mal­ta­songs füg­ten sich auch die Vor­jah­res­ver­tre­ter Fire­light ein, die (neben Kai­se­rin Con­chi­ta) im Rah­men­pro­gramm nicht nur ihren Welt­krieg-Eins-Schla­ger ‘Coming Home’ zu Gehör brach­ten, son­dern auch ihre neue Sin­gle mit dem für mal­te­si­sche Ver­hält­nis­se schlicht­weg unfass­ba­ren Titel ‘Talk dir­ty’. Angriffs­lus­ti­ge Wal­kü­ren anstel­le von auf­op­fe­rungs­be­rei­ten Non­nen, pop­pers­schnüf­feln­de Dis­co­schlam­pen und jetzt auch noch schmut­zi­ger Sex in der Fami­li­en­ban­de? Wel­che fins­te­ren Mäch­te haben da von dem einst so katho­lisch-keu­schen Mal­ta Besitz ergriffen?

Kein Kinn, kein Keks: Chris­t­abel­le Borg

Dei­ne Ein­schät­zung: kann Krie­ge­rin Amber sich ins Fina­le durchkämpfen?

  • Auf kei­nen Fall: das klingt ja grau­sam! (29%, 18 Votes)
  • Klar: das ist ein guter Pop­song, und sie hat den nöti­gen Sie­ges­wil­len. (27%, 17 Votes)
  • Erst die ande­ren Songs hören… (24%, 15 Votes)
  • Wenn die Mal­te­ser noch ein wenig an dem Song fei­len, ja. (19%, 12 Votes)

Total Voters: 62

Wird geladen ... Wird geladen …

5 Comments

  • Eine bes­se­re Sän­ge­rin könn­te aus dem Lied sicher mehr machen. Den­noch bleibt War­ri­or eine zeit­ge­nös­si­sche, star­ke und inter­na­tio­nal klin­gen­de Pop-Ballade.

  • Wenn ich die merk­wür­di­gen Regu­la­ri­en in Mal­ta jetzt rich­tig ver­stan­den habe, wird es ja auf jeden Fall bei Amber blei­ben, aller­dings kann sie das Lied noch tau­schen oder ändern. Ich fand ja das Voting immer schon bekloppt, aber die­se weiß­rus­si­sche Vari­an­te mit dem Getau­sche ist ja noch mys­te­riö­ser 🙂 Kann man da denn über­haupt noch von Vor­ent­scheid sprechen?

  • Hach is dat schön! Die Sai­son hat begon­nen – und der Haus­herr hat den Dolch schon gespitzt. Selbst wenn man kei­ne Ahnung hat, wovon die Rede ist (ich wer­de selbst­ver­ständ­lich, wie es mir lie­be und teu­re Tra­di­ti­on ist, erst bei Fest­ste­hen der Start­rei­hen­fol­gen ins Gesche­hen ein­stei­gen), macht es immer wie­der wahn­sin­nig Spaß, Dei­ne Sot­ti­sen zu lesen! More of dat, purleaze!

  • Ist das nicht ein­fach nur groß­ar­tig? Die Beschrei­bung Ambers als “fül­li­ge Julia­ne Wer­ding” ist ja wohl die For­mu­lie­rung des Monats! 🙂

  • Ich wür­de den Song in die Kate­go­rie Mas von Bre­quet­te ein­ord­nen. Wenn es nur halb­wegs so chao­tisch und von einer siche­re­ren Inter­pre­tin prä­sen­tiert wür­de, könn­te es eine ent­spre­chen­de Ent­schä­di­gung dafür sein, das Bre­quet­te uns im letz­ten Jahr vor­ent­hal­ten wurde.
    Mir per­sön­lich hat der klei­ne Frank­lin ja am Bes­ten gefal­len, o.k. an Optik und Stim­me muss man sich kurz gewöh­nen – aber dann über­rascht er doch durch eine uner­war­te­te per­ma­nen­te Stei­ge­rung und mit einem end­lich mal wie­der klas­si­schen und für mich tol­len und per­fek­ten Grand-Prix-Song mit Stei­ge­rung und Herz­schmerz und viel Gefühl.
    Letzt­end­lich bin ich ein­fach nur froh das mir dien Schwes­tern erspart bleiben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert