Ich bin die Schweiz, holt mich hier raus! (CH 2015)

Als hät­ten sich die Pro­gramm­pla­ner von RTL und dem Schwei­zer Fern­se­hen SRF abge­spro­chen, gin­gen auf deren Kanä­len ges­tern Abend zeit­lich per­fekt auf­ein­an­der abge­stimmt die Final­sen­dun­gen zwei­er Shows über die Sen­der, die mit ihrem sonst übli­chen Suh­len im Trash und dem gna­den­lo­sen öffent­li­chen Vor­füh­ren ver­zwei­fel­ter Has-Beens wie Lys Assia (CH 1956, 1957, 1958, VE 2012) oder Cos­ta Cord­a­lis (DVE 1980, 1983) bes­tens dazu geeig­net sind, dem von der Win­ter­de­pres­si­on gepei­nig­ten Publi­kum den uner­träg­lichs­ten Monat des Jah­res durch eine gehö­ri­ge Por­ti­on an Scha­den­freu­de zu ver­sü­ßen, dies­mal jedoch auf vol­ler Linie ver­sag­ten, weil spä­tes­tens mit der Nomi­nie­rung der Fina­lis­ten jeg­li­ches Mit­fie­bern ver­flo­gen und die unend­li­che Ödnis vor­pro­gram­miert war. Wäh­rend im Dschun­gel­camp mit der ehe­ma­li­gen Glücks­rad-Buch­sta­ben­um­dre­he­rin Maren Gil­zer unter den ver­blie­be­nen Lang­wei­lern wenigs­tens noch die sym­pa­thischs­te gewann, schaff­ten es die Schwei­zer hin­ge­gen mal wie­der, ziel­si­cher ins Klo zu grei­fen und unter den sechs aus­ge­sieb­ten Kan­di­da­ten für Die gro­ße Ent­schei­dungs­show mit Méla­nie René die sichers­te Anwär­te­rin für das erneu­te, ver­dien­te Aus­schei­den im Semi herauszupicken.


Jade Ewen (UK 2009) hat ange­ru­fen und will ihren Act zurück

Dabei fah­ren die Hel­ve­ten bekannt­lich das kom­pli­zier­tes­te Vor­ent­schei­dungs­ver­fah­ren der Welt: die drei sprach­lich dis­pa­ra­ten Lan­des­tei­le wäh­len nach einem fest­ge­leg­ten Schlüs­sel, aber jeweils nach eige­nem Gut­dün­ken ins­ge­samt 12 Kan­di­da­ten aus, die dann von einer sen­der­in­ter­nen Jury auf die Hälf­te ein­ge­dampft wer­den. Dabei macht es sich die Deutsch­schweiz am schwers­ten: dort ver­an­stal­tet man seit Jah­ren einen für alle offe­nen Inter­net-Vor-Vor­ent­scheid, der haupt­säch­lich den Zweck erfüllt, dass ich mei­nen Blog mit den herr­lichs­ten Trash-Per­len fül­len kann, von denen es selbst­re­dend nie­mals eine in Die gro­ße Ent­schei­dungs­show schafft. Als sei das noch nicht unsin­nig genug, muss­ten die sechs Fina­lis­ten dort ges­tern nicht nur ihren Wett­be­werbs­bei­trag sin­gen, son­dern in einer zwei­ten Run­de auch noch eine frei gewähl­te Cover­ver­si­on. Eine beson­ders sub­til sadis­ti­sche Metho­de, mäßi­ges Talent bloß­zu­stel­len, wie zum Bei­spiel die gera­de acht­zehn­jäh­ri­ge Cas­ting­show­sie­ge­rin Tizia­na Guli­no, eine Art mensch­li­scher Mops, die sich an dem sakro­san­ten Fran­kie-goes-to-Hol­ly­wood-Weih­nachts­kitsch­klas­si­ker ‘The Power of Love’ ver­griff und damit ihren Sym­pa­thie­bo­nus verspielte.


Mul­ti­kul­tu­rel­les geht in der Schweiz halt gar nicht: Timebelle

Statt­des­sen also nun eine bis­lang unbe­kann­te Sän­ge­rin, die sich als Kind der Cas­ting­show-Gene­ra­ti­on prä­sen­tier­te, auch wenn sie mei­nes Wis­sens bis­lang noch an kei­ner teil­nahm. Aber die Art, wie sie die Töne ihrer selbst geschrie­be­nen Bom­bast­bal­la­de, mit der sie ihre 15 Sekun­den Berühmt­heit ein­for­der­te (‘Time to shi­ne’), ohne jeg­li­chen inhalt­li­chen Bezug modu­lier­te und jodel­te, so als gin­ge es hier um eine Art stimm­li­ches Schau­lau­fen für die Punkt­rich­ter in der Jury und nicht um einen Popgsong, der eine Geschich­te erzählt, zu der man sich gefühls­mä­ßig ver­bin­den kann, wies sie als (letz­ten Endes ja auch erfolg­rei­che) Ele­vin der Whit­ney-Hous­ton-Schu­le aus. Was sie übri­gens nicht tref­fen­der hät­te unter­strei­chen kön­nen als mit ihrem Cover­song, Sias ‘Chan­de­lier’, den sie im Gegen­satz zum genia­len ame­ri­ka­ni­schen Vor­bild als lupen­rei­ne Bal­la­de dar­bot, um noch­mals hem­mungs­los ihr Lun­gen­vo­lu­men unter Beweis zu stel­len – und dabei dem Lied jeg­li­chen Spaß­fak­tor zu rau­ben. Doch natür­lich woll­te es das Schwei­zer Fern­se­hen gar nicht anders: denn neben dem Publi­kum stimm­te hier eben­falls eine zu 50% zäh­len­de Jury mit ab, die ver­mut­lich genau auf die­se super­lang­wei­len­de Form des Vokal­jog­gings abfuhr.


Hat­te am meis­ten Pep und wur­de fol­ge­rich­tig Letz­te: Debo­rah Bough

Ob und ggf. wie sich die Voten der Jury und des Publi­kums unter­schie­den, erfuh­ren wir nicht: in einer unglaub­li­chen Form des Anti­kli­max, wie wir sie bis­lang eigent­lich nur von grie­chi­schen Vor­ent­schei­dun­gen ken­nen, wur­de nach all dem vor­an­ge­gan­ge­nen Auf­wand, der Cover-Run­de und einem (fan­tas­ti­schen!) Gast­auf­tritt von Con­chi­ta Wurst am Schluss der Show ledig­lich die Über­aschungs­sie­ge­rin ver­le­sen – fer­tig. Im Nach­hin­ein gab der Sen­der zumin­dest online noch die rest­li­chen Plat­zie­run­gen bekannt (wenn auch ohne Auf­schlüs­se­lung nach Jury und Tele­vo­ting), so dass wir nun zumin­dest wis­sen, dass der ein­zi­ge Titel des gest­ri­gen Abends, der wenigs­tens ein biss­chen Schwung besaß, näm­lich Debo­rah Boughs ‘Take me back to 23’ natür­lich ganz hin­ten lan­de­te und das von vie­len Fans im Vor­aus favo­ri­sier­te ‘Sin­ging about Love’ der mul­ti­kul­tu­rell auf­ge­stell­ten Schwei­zer Band Time­bel­le – ein Act, mit dem die Hel­ve­ten wenigs­tens den Hauch einer Chan­ce aufs Fina­le beses­sen hät­ten – auf Rang zwei. Scha­de, denn auch wenn der Titel für mei­nen Geschmack etwas zu for­mat­ra­dio­freund­lich daher­kam, so hät­te man sich doch in Wien auf den Anblick der fünf schmu­cken Jungs (allen vor­an der ser­bisch­stäm­mi­ge Luft­quetschn-Spie­ler Rade Mija­to­vic) freu­en können.

Was denkst Du? Hat Méla­nie Réne Chan­cen aufs Fina­le in Wien?

  • Natür­lich! Sie sieht gut aus, singt toll und das Lied ist stark. Kommt wei­ter! (54%, 39 Votes)
  • Etwas Lang­wei­li­ge­res hät­ten die Schwei­zer nicht wäh­len kön­nen. Letz­ter Platz im Semi. (26%, 19 Votes)
  • Der Song ist furcht­bar, aber per­fek­tes Jury­fut­ter. Sie hat daher lei­der Chan­cen. (19%, 14 Votes)

Total Voters: 72

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7 Comments

  • Ich den­ke auch, dass das Fina­le drin ist. Fän­de ich auch ver­dient. Die letzt­end­li­che Plat­zie­rung dort? Kei­ne Ahnung, hin­te­res Mit­tel­feld vielleicht.

  • Dei­ne Kom­men­ta­re waren natür­lich vor­her­seh­bar, aber ich bin super­zu­frie­den mit dem Aus­gang des gest­ri­gen Abends.
    Da ich die davor­lie­gen­den Aus­wah­len in der Schweiz nicht ver­folgt habe, waren die ges­tern dar­ge­bo­te­nen Bei­trä­ge kom­plett neu für mich. Da ich viel Wert auf Stim­me lege, war die spä­te­re Sie­ge­rin mei­ne kla­re Favo­ri­tin. Und für den zwei­ten Platz war ich mir nicht so sicher zwi­schen Tizia­na (sehr guter Gesang, aber lang­wei­lig) und Time­bel­le (tol­le Aus­strah­lung, stimm­lich zwar gut, aber kein Ver­gleich mit den ande­ren bei­den). Dass Debo­rah auf dem letz­ten Platz lan­de­te, ent­spricht (lei­der) auch mei­nem per­sön­li­chen Ran­king. Ich fin­de den Song zwar etwas nichts­sa­gend und sie zu quir­lig, aber im Prin­zio doch als über­zeu­gen­de Künst­le­rin. Aber sie lag am Anfang so der­mas­sen dane­ben, bis sie end­lich Tritt fass­te, dass sie die­sen Platz (wie gesagt lei­der) wirk­lich ver­dient hat.
    Ob’s für das Fina­le reicht, bin ich mir nicht sicher. Zu wün­schen wäre es.

  • Die dümmlichen,ewig glei­chen Kom­men­ta­re zur Schweiz wer­den lang­sam pein­lich für aufrechtgehn.das tönt ja wie ein abge­wie­se­ner Lieb­ha­ber. Ewig die gleiche,ausschließlich nega­ti­ve Lei­er. Lass dir mal was neu­es einfallen.

  • Glaub mir, ich wür­de so so ger­ne end­lich mal wie­der was Posi­ti­ves über die Schweiz schrei­ben. Wenn ihr halt nur nicht jedes und jedes Mal wie­der das Fal­sche aus­wäh­len wür­det. Macht es mir doch nicht so schwer! *seufz*

  • Ok, wenn dir die lie­der nicht gefal­len ist das dein cup of tea.….aber das stän­di­ge geklö­ne über das aus­wahl­ver­fah­ren und das immer­wäh­ren­de gejam­mer über die aus­ge­schie­de­nen super­lie­der nervt. Und sO mies ist der schwei­zer bei­trag auch wie­der nicht. Schau doch­mal auf dieumfrage

  • Ich muss mich rai­ner mai­er anschlies­sen, fin­de den Schwei­zer Bei­trag auch nicht so schlecht, wie er hier beschrie­ben wur­de. Bei Mar­ga­ret Ber­ger haben noch alle geju­belt… Eine düs­te­re Pop­bal­la­de halt. Aber dem Blog­ger hier gehts zuletzt um die Musik, gebt ihm täto­wier­te tsche­chi­sche Mus­kel­pa­ke­te, und er ist zufrieden!

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