Zypern 2015: What have we done to you, lately?

Das ist nach mei­ner Erin­ne­rung ein völ­li­ges Novum: dass mich ein Sen­der soweit kriegt, die Live­über­tra­gung einer Euro­vi­si­ons­vor­ent­schei­dung noch vor Bekannt­ga­be des Ergeb­nis­ses abzu­schal­ten. Ges­tern schaff­te das zypri­sche Fern­se­hen CyBC genau die­ses, trotz eigent­lich hoher Lei­dens­be­reit­schaft. Ledig­lich sechs Songs tum­mel­ten sich im Fina­le des Euro­vi­si­on Song Pro­ject: drei völ­lig indis­ku­ta­ble Dar­bie­tun­gen auf dem Niveau eines Bewer­bungs­sin­gens für den bun­ten Abend der ört­li­chen Grund­schu­le zum Auf­takt; gefolgt von einem (zumin­dest pro­fes­sio­nell dar­ge­bo­te­nen) Rock­song, der noch nicht mal als Alb­um­fül­ler eine Berech­ti­gung hät­te, sowie dem (am Ende sieg­rei­chen) männ­li­chen Gegen­ent­wurf zum zyprio­ti­schen Bei­trag von 2004 und einem herr­lich alt­mo­di­schen Dra­ma-Dual­sprach-Duett, das sich aller­dings durch den Büh­nen­ein­satz von im Kon­dom mit­ein­an­der rin­gen­der Sper­mi­en selbst die Chan­cen versaute.

His Glas­ses are Stron­ger every Minu­te: Gian­nis sieg­te zu Recht

Ein Pro­gramm­vo­lu­men also, das man – inklu­si­ve der Aus­wer­tung des Tele­vo­tings und des Abfra­gens der Jury – locker in einer Stun­de hät­te abwi­ckeln kön­nen. Doch nicht auf Zypern, oh nein! Irgend­et­was Furcht­ba­res müs­sen wir der son­ni­gen Urlaubs­in­sel ange­tan haben, dass sie die zuschau­en­den Fans der­ar­tig mas­siv bestraf­te. Denn obschon der Sen­der, der letz­tes Jahr aus peku­niä­ren Grün­den beim Euro­vi­si­on Song Con­test aus­setz­te, offen­sicht­lich mit einem extrem begrenz­tes Bud­get aus­kom­men muss, beschloss man, die Show auf gefühl­te drei Tage zu stre­cken: man ließ ein­fach die als Juro­ren gebuch­ten ehe­ma­li­gen zyprio­ti­schen Teilnehmer/innen und die sechs Kandidat/innen ein Euro­vi­si­ons­med­ley nach dem ande­ren sin­gen, und immer wenn man dach­te, jetzt müs­sen sie aber sämt­li­che Bei­trä­ge der Con­test­ge­schich­te end­lich durch­ha­ben, kam noch eins. Nach dem drit­ten Wer­be­block des Abends ließ ich alle Hoff­nung fah­ren. Zumal es mir rela­tiv egal erschien, wer von den drei etwas pro­fes­sio­nel­le­ren Kom­bat­tan­ten sie­gen wür­de: mehr als Semi­fi­nal­fut­ter will die Insel wohl auch heu­er nicht schicken.

Farid Mam­ma­sohn (AZ 2012) hat ange­ru­fen und will sei­nen Act zurück: mei­ne Lieb­lin­ge Cha­ris & Nearchos

Der Sieg von Gian­nis Kara­gi­an­nis geht in die­sem Umfeld also voll­kom­men in Ord­nung: ‘One Thing I should have done’ stammt aus der sel­ben Feder wie der Gän­se­haut-Song ‘Stron­ger every Minu­te’ von Lisa Andre­as (CY 2004), und das hört man: zurück­ge­nom­men, ruhig und ernst­haft trägt der Sän­ger die extrem redu­zier­te Bal­la­de inklu­si­ve eines hauch­zart gesun­ge­nen, kur­zen Acap­pel­la-Parts mit anschlie­ßen­der, hoch­gra­dig abge­feimt dort plat­zier­ter Klatsch­fal­le vor. So ein ruhi­ges Stück kann im über­dreh­ten Euro­vi­si­ons­zir­kus durch­aus eine will­kom­me­ne Abwechs­lung sein. Aller­dings muss Gian­nis auf den Wel­pen­schutz­bo­nus ver­zich­ten, der sei­ne Lands­frau in Istan­bul ins Fina­le trug: mit Nerd­bril­le und Kell­ner­wes­te wirkt er ein wenig ung­la­mou­rös, dabei aber lan­ge nicht so zer­brech­lich und schüch­tern wie die klei­ne Lisa. Ob er es über das Semi hin­aus schafft, bleibt daher abzu­war­ten. Was mich per­sön­lich mehr inter­es­siert, ist, wer beim gest­ri­gen Auf­tritt eigent­lich die Zweit­stim­me im Refrain sang? Kam sie – wie beim schwe­di­schen Melo­di­fes­ti­valen – vom Band? Oder unter­stütz­te der in sol­chen Din­gen ja bes­tens geüb­te Alex Panayi (CY 1997, 2000) gar vom Juro­ren­tisch aus? Auf der Büh­ne zu sehen war näm­lich nur unser Kellner…

Dei­ne Ein­schät­zung: reichts für Gian­nis Kara­gi­an­nis fürs Finale?

  • Wun­der­schö­ner Song, ruhig und kom­pe­tent vor­ge­tra­gen: läuft! (44%, 22 Votes)
  • Zzzzzzzzzzzzzzzz.… was war die Fra­ge? (36%, 18 Votes)
  • Für die Kuschel­rock-CD ist das gut, für den Con­test reicht es nicht. (20%, 10 Votes)

Total Voters: 50

Wird geladen ... Wird geladen …

1 Comment

  • Das mit Lisa Andre­as’ Stron­ger every minu­te (übri­gens neben Mana­mou mein abso­lu­ter Lieb­lings­bei­trag aus Zypern) ist mir ges­tern früh beim erst­ma­li­gen Hören des heu­ri­gen Bei­trags auch direkt auf­ge­fal­len – dank Nach­le­sen hier erfah­re ich heu­te, dass das kein Zufall ist. Schön das und dan­ke sehr, wer­ter Blog­ger! 🙂 Und natür­lich ist Jan Kara­jan 😉 in 2015 einer mei­ner Favo­ri­ten in Wien !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert