ESC-Fina­le 2015: A Touch too much

Okay, ich geb’s zu: sie kommt ein biss­chen spät, die­se Bespre­chung. Direkt nach dem Fina­le im Mai ging das Buch vor und danach brauch­te ich erst mal ein biss­chen Abstand. Mit eben die­sem Abstand habe ich mir nun, mehr als zwei Mona­te nach dem eigent­li­chen Event, die TV-Auf­zeich­nung des von mir live besuch­ten Jubi­lä­ums-Con­tests ange­schaut. Und prompt stell­te es sich wie­der ein: die­ses schon ihn Wien sehr sub­til vor­han­de­ne Gefühl, dass es des Guten ein­fach irgend­wie zu viel war. Zu viel von allem: zu viel Sen­dung (geschla­ge­ne vier Stun­den ging die Show dies­mal), zu vie­le Lie­der (27, so vie­le wie noch nie zuvor im Fina­le), zu vie­le Mode­ra­to­rin­nen (“Drei­ein­halb”, wie es Bar­ba­ra Schö­ne­ber­ger in der Anmo­de­ra­ti­on der deut­schen Punk­te­ver­ga­be so neckisch zusam­men­fass­te), zu viel LED-Hin­ter­grund­ani­ma­tio­nen, viel zu vie­le Bal­la­den (der unheil­vol­le Ein­fluss der Jurys), zu viel Pomp, zu viel Schwer­mut (als stän­dig wie­der­keh­ren­de The­men domi­nier­ten Krieg, inne­re Dämo­nen und dunk­le Geheim­nis­se), zu viel cle­ve­re Cho­reo­gra­fie, zu viel Poli­tik, zu viel beschwo­re­ne hei­le Welt und Gemein­schafts­ge­fühl. Jedes davon für sich genom­men groß­ar­tig, gut gemacht, unter­halt­sam und erfreu­lich, und doch blieb in der Sum­me eine so merk­wür­di­ge wie unbe­stimm­te Mischung aus Über­sät­ti­gung und leich­ter Ent­täu­schung. Viel­leicht durch nichts so gut illus­triert wie durch den offi­zi­el­len Siegertitel.

Wie­so trug das Zei­chen­trick­männ­chen eine Hit­ler­fri­sur? War das der besun­ge­ne “Dämon” in Mon­zis See­le? (SE)

Heroes’ von Måns Zel­mer­löw galt bereits im Vor­feld als kla­rer Buch­ma­cher-Favo­rit und tat­säch­lich kann wohl nie­mand bestrei­te­ten, dass er als Gesamt­pa­ket alles ent­hielt, was man für einen Euro­vi­si­ons­sieg braucht: ein super­ein­gän­gi­ger, upt­em­po­rä­rer Pop­song mit mehr als deut­li­chen Anlei­hen bei tages­ak­tu­el­len Musik­grö­ßen wie David Guet­ta und Avicii sowie einer klei­nen Pri­se Neo­folk zur Abrun­dung; dar­ge­bo­ten von einem äußerst gut aus­se­hen­den jun­gen Mann mit gewin­nen­dem Laus­bu­ben­grin­sen (sowie im Büh­nen­hin­ter­grund ver­steck­ten Backings) und visu­ell beglei­tet von einem nied­li­chen Zei­chen­trick-Männ­chen und einer strikt durch­cho­reo­gra­fier­ten, den­noch unauf­dring­lich wir­ken­den Prä­sen­ta­ti­on – alles auf den Punkt per­fekt. Selbst der vage eso­te­ri­sche Text mit sei­nen homöo­pa­thisch düs­te­ren Unter­tö­nen und sei­ner fata­lis­ti­schen Aus­sa­ge (sinn­ge­mäß: wir haben’s ver­kackt, aber jeman­den, der es bes­ser machen könn­te als wir, gibt es halt auch nicht) traf den Zeit­geist. Die musi­ka­li­sche Euro­vi­si­ons­su­per­macht Schwe­den, die seit gerau­mer Zeit min­des­tens ein Drit­tel des Teil­neh­mer­fel­des mit ihren Pro­duk­ten belie­fert, fuhr damit ihren sechs­ten Sieg ins­ge­samt ein sowie bereits den zwei­ten in die­sem Jahrzehnt.

Gan­ze 20 Minu­ten dau­er­te allei­ne der Auf­takt. Selbst Eri­ka Vaal bekam damals ihre Begrü­ßung schnel­ler hin!

Der Sieg des char­man­ten Schwe­den wur­de von den geschätzt 90% schwu­len Fans in der Hal­le – auch von mir – mit gro­ßer Erleich­te­rung auf­ge­nom­men, denn vor­an­ge­gan­gen war ein Abstim­mungs­kri­mi, bei dem es zeit­wei­lig so aus­sah, als kön­ne Russ­land die Tro­phäe nach Hau­se holen. Was – trotz zahl­lo­ser Appel­le der Ver­an­stal­ter und Mode­ra­to­rin­nen wäh­rend des Warm-ups und selbst live in der Sen­dung – zu unüber­hör­ba­ren Buh-Rufen aus dem Fan­block führ­te (vom ORF, wie sich anhand der Auf­zeich­nung fest­stel­len lässt, aller­dings für die TV-Über­tra­gung wei­test­ge­hend her­aus­ge­fil­tert und mit Applaus vom Band über­deckt, ein, wie ich fin­de, skan­da­lö­ser Ein­griff ins rea­le Gesche­hen). Die gal­ten weni­ger der eben­falls aus schwe­di­scher Pro­duk­ti­on stam­men­den, gera­de­zu zwin­gend auf­ge­bau­ten Welt­frie­dens­hym­ne ‘A Mil­li­on Voices’ mit ihrem übel­keits­er­re­gend zyni­schen Wir-sin­gen-für-eine-bes­se­re-Welt-Kitsch­text oder gar der Inter­pre­tin Poli­na Gaga­ri­na, deren angst­ge­wei­te­te Pupil­len wäh­rend des Auf­tritts den Ein­druck ver­mit­tel­ten, der KGB stün­de parat, die Reprä­sen­tan­tin mit einem geziel­ten Schuss aus dem Hin­ter­halt zu eli­mi­nie­ren, soll­te sie auch nur einen Ton nicht rich­tig treffen.

Irgend­wie sah das bei Nico­le damals weni­ger ange­strengt aus (RU).

Was Gott sei Dank nicht geschah: die in unschulds­sug­ge­rie­ren­dem Per­sil­weiß antre­ten­de, so zer­brech­lich wie stark wir­ken­de Blon­di­ne sang her­aus­ra­gend. Die Erleich­te­rung, es feh­ler­frei gemeis­tert zu haben, sorg­te bei der Inter­pre­tin, kaum, dass die letz­te, hohe Note ihrem zar­ten Hals ent­fleucht war, für einen so beängs­ti­gend wie sym­pa­thie­brin­gend anzu­schau­en­den klei­nen Ner­ven­zu­sam­men­bruch auf offe­ner Büh­ne. “Du hast es so sehr ver­dient, in Füh­rung zu lie­gen,” stand die empha­ti­sche Green-Room-Betreue­rin Con­chi­ta Wurst (die mit die­sem Ein­satz in mei­ner Hoch­ach­tung in bis­lang unbe­kann­te Sphä­ren auf­stieg) der ob des gemei­nen Fan-Ver­hal­tens bereits in Trä­nen auf­ge­lös­ten Poli­na wäh­rend der Wer­be­un­ter­bre­chung der rund ein­stün­di­gen Punk­te­aus­zäh­lung zur Sei­te. Das wirk­te: fort­an kein Buhen mehr in der Hal­le, dafür erleich­ter­ter Applaus für jedes Land, das weni­ger als zehn Punk­te an Russ­land gab. Denn natür­lich ging es hier um die homof­eind­li­che Poli­tik des Des­po­ten Putin: kei­ner der im Saal anwe­sen­den schwu­len Fans (von denen die meis­ten auf ‘A Mil­li­on Voices’ abgin­gen wie ein Zäpf­chen) hat­te Bock, im nächs­ten Jahr wie­der nach Mos­kau zu fah­ren, zurück in die Stein­zeit. Dann schon lie­ber zum gefühlt dröl­fund­sieb­zigs­ten Mal ins homo­freund­li­che IKEA-Land.

Wenn die frü­he­ren Vasal­len schon nichts für uns übrig haben, machen wir’s uns halt selbst: Dimi­t­ri scherzt

Und in der zwei­ten Hälf­te der Aus­zäh­lung pas­sier­te dann ja genau dies: Poli­na schmier­te ab, auch weil “Müt­ter­chen Russ­land” (so der herr­lich eige­niro­ni­sche Punk­te­spre­cher Dimi­t­ri Sche­pe­lew, 2009 in Mos­kau noch Green-Room-Mode­ra­tor, der sich zum Trost selbst die Dou­ze Points ver­lieh) von auf­fäl­lig vie­len ehe­ma­li­gen Satel­li­ten­staa­ten, wo im Hin­blick auf Putins mili­tä­ri­sches Enga­ge­ment in der Ukrai­ne Poli­nas Frie­dens­ge­sang wohl auf ein klei­nes Glaub­wür­dig­keits­pro­blem stieß, auf­fäl­lig wenig Punk­te erhielt. Weni­ger als bei­spiels­wei­se aus Ham­burg: unse­re Spre­che­rin Bar­ba­ra Schö­ne­ber­ger gab die deut­schen Dou­ze Points gen Mos­kau. Was im Übri­gen nicht dem Wunsch des hei­mi­schen Publi­kums ent­sprach: wie in vie­len ande­ren Län­dern auch, stimm­ten die deut­schen Zuschau­er näm­lich mehr­heit­lich für die an letz­ter Stel­le in der Start­rei­hen­fol­ge ange­tre­te­nen drei jun­gen Tumo­re aus Rom, Il Volo, die mit ihrem melo­disch ver­füh­re­ri­schen, vor abge­stan­de­nen Italo-Kli­schees nur so trie­fen­den Pope­ra-Schla­ger ‘Gran­de Amo­re’, einem Guil­ty Plea­su­re von Modern-Tal­king-Dimen­sio­nen, den Wett­be­werb gewan­nen. Dass sie im offi­zi­el­len EBU-Lis­tung nur an drit­ter Stel­le ste­hen, ver­dank­ten sie den Jurys, wel­che die kom­mer­zi­ell welt­weit erfolg­rei­chen Haus­frau­en­hös­chen­be­feuch­ter kon­zer­tiert herunterwerteten.

Ich hät­te sie ger­ne mit Giot­to-Kugeln bewor­fen: Il Volo, die tat­säch­li­chen Sie­ger 2015 (IT).

Damit trat im Jubi­lä­ums­jahr erst­mals das ein, was seit der Wie­der­ein­füh­rung des Kor­rump­ti­on­s­pa­nels im Jah­re 2009 zu befürch­ten stand: nicht die Zuschau­er ent­schie­den über den Sieg, son­dern ein nach undurch­sich­ti­gen Ver­fah­ren zusam­men­ge­setz­tes “Experten”-Gremium. Zu mei­nem gro­ßen Erstau­nen blieb der all­ge­mei­ne Auf­schrei über die Negie­rung des Publi­kums­wil­lens durch eine Hand­voll Bes­ser­wis­ser jedoch aus: anders als noch im Vor­jahr, wo die Her­ab­wür­di­gung der Publi­kums­he­ro­in Con­chi­ta Wurst durch die deut­sche Jury für einen öffent­li­chen Sturm der Ent­rüs­tung sorg­te, schie­nen die Fans dies­mal zufrie­den: Haupt­sa­che nicht Russ­land – und dann schon lie­ber einen chart­freund­li­chen (#3 DE) Tanz­flä­chen­fül­ler wie ‘Heroes’ zum Sie­ger mani­pu­lie­ren als einen dem Anse­hen des Song Con­tests als Ver­an­stal­tung mit eini­ger­ma­ßen zeit­ge­mä­ßer Musik eher abträg­li­chen Pope­ra-Schla­ger gewin­nen las­sen. Viel­leicht lag die man­geln­de Empö­rung auch dar­an, dass die bei­den Sie­ger­songs (also sowohl der ech­te, der ita­lie­ni­sche, als auch der offi­zi­el­le, der schwe­di­sche) im Ver­gleich zu Con­chi­tas ‘Rise like a Phoe­nix’ so egal sind, so ohne jeden Belang.

Noch­mal zum Ver­gleich: Con­chi­tas legen­dä­re Sie­ges­an­spra­che 2014…

Was übri­gens nichts schö­ner hät­te kennt­lich machen kön­nen als der Moment nach der Akkla­ma­ti­on von Måns Zel­mer­löw zum Gewin­ner des Abends, als ihm sei­ne Vor­gän­ge­rin Con­chi­ta den Grand Prix über­reich­te und ihm anschlie­ßend das Mikro­fon hin­hielt, um ein paar Wor­te für die Nach­welt zu spre­chen: sein hilf­los gestam­mel­ter Backe-Backe-Kuchen-All­ge­mein­platz „Ich möch­te nur sagen, wir sind alle Hel­den, egal wen wir lie­ben, wer wir sind oder was wir glau­ben“ stank gegen Con­chi­tas wohl­über­leg­ten und mit inne­rer Über­zeu­gung vor­ge­tra­ge­nen Kampf­ruf “Ihr wisst, wer wir sind: wir sind eine Gemein­schaft, und wir sind unauf­halt­bar!” mäch­tig ab und mach­te Mönz­chen zur Char­lot­te Per­rel­li des neu­en Jahr­tau­sends: dem ober­fläch­lich hübsch anzu­schau­en­den, aber inhalts­lee­ren Nach­fol­ger auf eine euro­vi­sio­nä­re Licht­ge­stalt mit gesell­schafts­po­li­ti­schem Anspruch (wie sei­ner­zeit Dana Inter­na­tio­nal). Sel­bi­gen Anspruch ver­such­te das mun­te­re Mode­ra­to­rin­nen­trio denn auch bei jeder Gele­gen­heit her­auf­zu­be­schwö­ren, mit Hin­wei­sen aufs “Brü­cken bau­en” (so das CSD-affi­ne Mot­to des Jubi­lä­ums­jahr­gangs) oder die Aus­rich­tung der Ver­an­stal­tung als “Green Event” (im Pres­se­zen­trum gab’s den­noch ein­zeln in Alu­fo­lie ver­schweiß­te Süßig­kei­ten für die Schwur­na­lis­ten – im Zwei­fel geht das Spon­so­ring halt doch vor).

…und Mon­zis Preis­über­ga­be (2015). Er zieht sich da ganz geschickt aus der Affä­re, zuge­ge­ben. Die Her­zen berüh­ren kann er aber nicht.

Das gab, gemein­sam mit dem pom­pö­sen Rah­men­pro­gramm mit den Wie­ner Phil­har­mo­ni­kern und Sän­ger­kna­ben, einem unpas­sen­den Rap­per und einem schon comic­haft über­trie­ben auf­ge­putscht wir­ken­den Tromm­ler, in dem auf Bie­gen und Bre­chen die (unbe­streit­ba­re) Bedeu­tung Wiens als euro­päi­sche Musik­me­tro­po­le und mul­ti­na­tio­na­ler Schmelz­tie­gel unter­ge­bracht wer­den soll­te, dem Gan­zen unge­wollt etwas leicht Ver­krampf­tes – wenn natür­lich auch kein Ver­gleich mit unse­rem denk­wür­di­gen “Le Chef d’Or­c­hèst­re”-Desas­ter dun­nemals. Dafür ist die fabel­haf­te Ara­bel­la Kies­bau­er, die schon zu der Zeit, als sie noch hirn­lo­sen Trash-Talk für Pro Sie­ben mach­te, mit ihrer Unbe­küm­mert­heit und Empa­thie ganz ange­nehm aus dem Elend des deut­schen Unter­schich­ten­fern­se­hens her­aus­stach, ein­fach viel zu locker. Ihre Komo­de­ra­to­rin­nen Mir­jam Weich­sel­braun und die gro­ße Gesichts­aus­druck­ko­mö­di­an­tin Ali­ce Tum­ler prä­sen­tier­ten sich nicht weni­ger char­mant; den­noch waren drei von ihnen ein­fach zwei zu viel, wirk­ten die Tex­te zu offen­sicht­lich aus­wen­dig gelernt und knarr­ten die Über­gän­ge zu sehr. Wie schon bei der Anzahl der Final­teil­neh­mer erscheint hier Reduk­ti­on drin­gend von Nöten.

Bei 2:14 Min. muss Rick Ast­ley, sor­ry, Stig Räs­ta, selbst über sei­ne schwa­che Aus­re­de lachen (EE).

Dann kom­men wir doch end­lich mal zu besag­ten Finalteilnehmer/innen: Mar­jet­ka Vovk von Maraa­ya trat, wie schon im Semi, in der etwas befremd­li­chen Mischung aus Groß­mutter­kleid und Hips­ter-Kopf­hö­rern auf, was sie (bzw. ihren ziem­lich guten Pop­soul­song ‘Here for you’) wohl etli­che Sym­pa­thie­stim­men kos­te­te. Der Funk­ti­ons­kopf­schmuck mag zwar ihr Mar­ken­zei­chen sein, den­noch schafft er einen unan­ge­neh­men Abstand zum Publi­kum, so als wol­le sie sich von dem Gesche­hen selbst distan­zie­ren, nicht wirk­lich dar­an teil­ha­ben. Da brau­chen sich die Slo­we­nen über einen Mit­tel­feld­platz nicht wun­dern. Distan­ziert wirk­ten auch die bei­den ande­ren sin­gen­den Pär­chen aus Est­land und Nor­we­gen, wenn auch eher von­ein­an­der. Hier pass­te das aller­dings sehr gut zu ihren düs­te­ren Bal­la­den, in dem sie einen ver­korks­ten One-Night-Stand (‘Good­bye to Yes­ter­day’) bzw. ein schreck­li­ches Geheim­nis (‘Mons­ter like me’) besan­gen. Her­aus­ra­gend das Schau­spiel des osten­ta­tiv gelang­weilt drein­bli­cken­den Stig Räs­ta und der vor Gekränkt­heit und Hass nur so glü­hen­den Eli­na Born, die sich sogar eine glaub­haf­te Zor­nes­t­rä­ne her­aus­press­te ob des fei­gen Ver­hal­tens ihres Beschä­lers. Gro­ßes Kino!

Total unwi­der­steh­lich: selbst­zweif­le­ri­sche Män­ner mit dunk­len Geheim­nis­sen. Mein per­sön­li­cher Sie­ger­song 2015 (NO).

Gro­ßes Kopf­ki­no ver­ur­sach­te der nor­we­gi­sche Bei­trag: wel­che schreck­li­che Tat Mør­land in sei­ner Jugend beging, ver­riet er auch im Fina­le nicht. Die zwi­schen bedin­gungs­lo­ser Lie­be und tie­fen Zwei­feln chan­gie­ren­de Ver­zweif­lung, in die er sei­ne Duett­part­ne­rin Deb­rah Scar­lett, die ihren fan­tas­ti­schen Rot­schopf mit­tels wei­ßem Kleid dan­kens­wer­ter­wei­se noch optisch her­aus­strich, mit sei­nem Geständ­nis stieß, berühr­te mich tief. Die Anru­fer offen­bar nicht so: Rang 17 im Tele­vo­ting, aber Platz 8 im Gesamt­klas­se­ment, der Jury sei Dank. Auf wenig Zuspruch bei allen Abstim­mungs­be­rech­tig­ten stieß hin­ge­gen das litaui­sche Pär­chen Moni­ka Lin­ky­tė + Vai­das Bau­mi­la. Und das trotz ihres pos­sier­li­chen, im dis­ney­es­ken Pas­tell­far­ben­rausch insze­nier­ten Coun­try­schla­gers ‘This Time’, dem 2015er Update zu Jür­gen Mar­cus’ (LU 1976) ‘Eine neue Lie­be ist wie ein neu­es Leben’. Ihnen brach das visu­el­le Gim­mick das Genick: wie schon Semi stopp­te pünkt­lich zur Text­stel­le “One kiss…” das Band und sowohl die bei­den Prot­ago­nis­ten als auch die sich zu zwei ver­schie­den­ge­schlecht­lich gleich­ge­schlecht­li­chen Paa­ren for­miert haben­den Backings tausch­ten Mund­flo­ra aus. Sehr hübsch – blöd nur, dass die Litau­er zur nach ein paar Sekun­den wie­der­keh­ren­den Musik ihren Ein­satz ver­pass­ten und der rest­li­che Satz “…and you will see what you’ve missed” unge­sun­gen blieb.

Trägt die Hose so auf oder hat Vai­das nach dem Kuss tat­säch­lich einen Stän­der? (LT)

Das größ­te Echo in der Hal­le erzeug­ten natur­ge­mäß Isra­els ‘Gol­den Boy’ Nadav Guedj und Ser­bi­ens Wucht­brum­me Boja­na Sta­menov: ihre CSD-taug­li­che Selbst­ver­trau­ens­hym­ne ‘Beau­ty never lies’ mit der klas­si­schen Coming-Out-Zei­le “Final­ly I can say / I am dif­fe­rent and it’s okay” sorg­te schon die gan­ze Woche in der Euro­dis­co im Fan­ca­fé für spit­ze Ent­zü­cken­s­schreie, eben­so wie das “Befo­re I lea­ve / let me show you Tel Aviv”-Ver­spre­chen des saft­strot­zen­den Israe­lis und sei­ner kna­cki­gen Tän­zer. Zwei ech­te Crowd­p­lea­ser also, wenn auch gesang­lich nicht die Stärks­ten des Abends. In der TV-Auf­zeich­nung scheint mir die wirk­lich bro­deln­de Stim­mung in der Stadt­hal­le bei bei­den Auf­trit­ten nicht so recht ein­ge­fan­gen, wenn nicht gar vor­sätz­lich her­un­ter­ge­dros­selt (wer schon Buh­ru­fe unter­drückt, dem traue ich alles zu). Als Anti­pol wirk­te das anstren­gen­de arme­ni­sche Sex­tett Genea­lo­gy, sechs gesang­lich völ­lig unter­schied­lich talen­tier­te Sän­ger aus allen fünf Kon­ti­nen­ten mit arme­ni­schen Wur­zeln, die das bedeu­tungs­schwan­ge­re ‘Face the Shadow’ dem­entspre­chend in den Sand setz­ten. Eine Bot­schaft, und sei sie noch so berech­tigt, mit der Brech­stan­ge rüber­brin­gen zu wol­len, kann nur nach hin­ten los­ge­hen, und so waren die­se drei Minu­ten für Nie­mand ein Ver­gnü­gen, nicht mal für die sin­gen­den Sechs.

Nie zuvor trug jemand eine Pudel­fri­sur mit so viel Gran­dez­za: die fabel­haf­te Boja­na, Köni­gin der Her­zen in Wien (RS).

Auch John Kara­gi­an­nis, der sym­pa­thisch schüch­ter­ne Bril­len­nerd aus Zypern, konn­te im Fina­le, wo ande­re Geset­ze gel­ten als in den Semis, nicht mehr vom Under­dog-Bonus zeh­ren und schmier­te mit sei­ner läh­mend lang­wei­li­gen Bal­la­de ‘One Thing I should have done’ (ein ande­res Lied sin­gen, viel­leicht?) ab. Er begann sel­bi­ge in der TV-Über­tra­gung in schwarz-weiß: spä­tes­tens seit Frau Öde­mehl (EE 2013) der amt­li­che visu­el­le Hin­weis, dass sich in den fol­gen­den drei Minu­ten der Klo­gang lohnt. Viel Auf­he­bens gab es um die erst- und angeb­lich ein­ma­li­ge Teil­nah­me Aus­tra­li­ens am Jub­liäums­wett­be­werb. Dass der knuf­fi­ge Guy Sebas­ti­an, wie so vie­le sei­ner Lands­leu­te des über sei­ne Geschich­te als ehe­ma­li­ge bri­ti­sche Straf­ge­fan­ge­nen­ko­lo­nie kul­tu­rell mit Euro­pa ver­knüpf­ten fünf­ten Kon­ti­nents, ein ech­ter Euro­vi­si­ons­fan ist, merk­te man nicht nur an der mus­ter­gül­ti­gen Insze­nie­rung: die Text­zei­le “This is one tough Act to fol­low” in sei­nem net­ten, vor­der­grün­dig einen beson­ders gelun­ge­nen Bei­schlaf the­ma­ti­sie­ren­den Poprock­kon­glo­me­rat ‘Tonight again’ lässt sich auch als Ver­beu­gung vor Con­chi­ta Wurst inter­pre­tie­ren. Guy ver­darb sich die Sie­ges­chan­cen ein wenig durch die merk­wür­di­gen, klo­bi­gen Stra­ßen­la­ter­nen auf der Büh­ne, die vom Song ablenk­ten, zumal sich ein­fach kein Bezug zum Lied her­stel­len ließ. Außer, Guy wäre Exhibitionist.

Euro­pä­er ehren­hal­ber: die Aus­tra­li­er dür­fen ger­ne dabei bleiben!

Einen Bezug zum Song hat­ten immer­hin die bei­den alber­nen Wer­wöl­fe, die den Aser­bai­dscha­ner Elnur Husey­n­ov (AZ 2008) zu ‘Hour of the Wolf’ umtanz­ten. Sie lenk­ten den­noch kom­plett von der an sich ziem­lich guten Bal­la­de (natür­lich wie immer aus schwe­di­scher Feder) ab, nicht jedoch von dem Fakt, dass unse­rem Sopra­nis­ten mit­ten im Vor­trag die Stim­me ver­sag­te und er akus­tisch von sei­nen Backings ertränkt wur­de. Wie beim offi­zi­el­len Sie­ger­ti­tel gab es auch bei Bel­gi­ens Bei­trag ‘Rhythm insi­de’ Pla­gi­ats­vor­wür­fe: der Song gleicht einem Titel von Lor­de doch schon deut­lich. Aber egal: der etwas bläss­li­che Ephe­be Loïc Not­tet mach­te sei­ne Sache sehr gut und zau­ber­te gemein­sam mit sei­nen Backings eine kli­schee­freie Tanz­cho­reo­gra­fie auf die Büh­ne, beglei­tet von beein­dru­cken­den LED-Effek­ten, die hier aus­nahms­wei­se nicht ablenk­ten, son­dern unter­stütz­ten. Rang 4 für den viel­leicht moderns­ten Song des Abends, der sich trotz musi­ka­li­scher wie lyri­scher Ver­spielt­heit dank der tol­len Mit­singzei­le “Rap­pa­papp” in den Gehör­gän­gen fest­setz­te: ein her­aus­ra­gen­des Ergeb­nis für das beim Song Con­test zuletzt eher erfolg­lo­se Land.

Wie unhöf­lich: da legt sich Loïc schon extra hin, und kei­ner macht Rap­pa­papp mit ihm! (BE)

Sehr, sehr Bekann­tes brach­ten auch Grie­chen­land und Mon­te­ne­gro. Maria Ele­na Kyria­kou kup­fer­te für ihre Euro­vi­si­ons­bal­la­de von der Stan­ge ‘One last Breath’ scham­los das Songfi­na­le von ‘Rise like a Phoe­nix’ ab.  Immer­hin: ihren Lied­text kann, ja muss man als ver­zwei­fel­ten Hil­fe­ruf an die Troi­ka und die Kre­dit­ge­ber Grie­chen­lands lesen: “I’m begging you, take me / out of this fiery hell / Come back and save me/  what hap­pen­ed wasn’t fair / Not­hing left, all that I have / is one last breath / Only one last breath”. Das trifft die Lage im von den Ban­ken und ihren poli­ti­schen Hand­lan­gern in Ber­lin und Brüs­sel aus­ge­hun­ger­ten Athen wohl ziem­lich genau. Knez, nach des­sen vor­con­tes­tuä­rer Gesichts­auf­fri­schung wohl ein kurz­zei­ti­ger welt­wei­ter Botox­man­gel herrsch­te, brach­te einen Song des ser­bi­schen Schla­ger­kö­nigs Žel­j­ko Jok­si­mo­vić (RS 2008, 2012) zu Gehör. Na ja, DEN einen Song, um genau zu sein: es klang wie immer, wenn Žel­j­ko kom­po­niert: ver­hal­te­ner instru­men­ta­ler Auf­takt, schluch­zen­de Sehn­suchts­gei­gen, kon­ti­nu­ier­li­che Stei­ge­rung hin zum pau­ken­schlag­haf­ten Fina­le. Wun­der­schön übri­gens, ich kann das immer wie­der hören! Dass es für den herr­li­chen Schwulst heu­er nur für Rang 13 reich­te (#18 bei den Zuschau­ern), ist wohl dem weg­ge­spritz­ten Charme des Mon­te­ne­gri­ners zu verdanken.

Und auch der “Ruz­ma­rin” darf natür­lich nicht feh­len! (ME)

Wo wir gera­de beim Ein­sprit­zen sind: ‘Love injec­ted’ hieß der außer­ge­wöhn­li­che let­ti­sche Bei­trag, der mit sei­nem tie­fen Bass­wum­mern die Wie­ner Stadt­hal­le zum Erbe­ben brach­te und für eine ange­neh­me Zwerch­fell­mas­sa­ge bei den Zuschau­ern im Saal sorg­te. Ami­na­ta Sava­do­go war eine Erschei­nung: elfen­haft, sphä­risch, regier­te sie in einem auf­se­hen­er­re­gen­den roten Tüll­kleid die Büh­ne. Die nahe­lie­gen­den, puber­tä­ren Wort­spie­le­rei­en mit dem Song­ti­tel erspa­re ich mir und Ihnen jetzt mal (wenn ich sie nicht schon an ande­rer Stel­le ver­bra­ten habe). Sie stieß vor allem bei den Juro­ren auf sehr viel Gegen­lie­be, so auch bei den deut­schen, die sie alle Fünf uni­so­no auf Rang 1 setz­ten – ein ziem­lich ver­däch­ti­ges Abstim­mungs­ver­hal­ten, das in ähn­lich gela­ger­ten Fäl­len für die Sus­pen­die­rung des Jury-Votings sorg­te. Aber wenn man Teil der Big Five ist, kann man sich hat alles erlau­ben. Bei Vol­taj und ‘De la Capat’, die an zwan­zigs­ter Stel­le star­te­ten, mach­te es sich lang­sam bemerk­bar, dass der ORF auf­grund einer unglück­li­chen Aus­lo­sung gezwun­gen war, die wort­wört­lich an einer Hand abzähl­ba­ren Upt­em­po­knal­ler die­ses Jahr­gangs kom­plett in der ers­ten Hälf­te zu ver­bal­lern: berühr­te mich der zu wei­ten Tei­len auf Rumä­nisch vor­ge­tra­ge­ne Titel über das Schick­sal der in der Hei­mat zurück­ge­las­se­nen Kin­der der Arbeits­mi­gran­ten ursprüng­lich sehr, so war mein Vor­rat an Mit­ge­fühl an die­ser Stel­le des Abends doch ziem­lich erschöpft, an dem ich selbst alle Kraft auf­wen­den muss­te, in der Flut der lang­sa­men Lie­der nicht vor Lan­ge­wei­le abzusaufen.

Auch die Hoch­was­ser­ho­sen irri­tier­ten etwas (RO).

Ich kann mich nicht mehr erin­nern, womit ich mir in der Hal­le die drei Minu­ten ver­trieb. Bei der TV-Auf­zeich­nung rich­te­te sich mein Augen­merk auf die mas­si­ve Skor­pi­ons­bro­sche, die Graf Zahl Lead­sän­ger Călin Goia am Hals trug und die ihm ein leicht gru­se­li­ges Aus­se­hen ver­lieh. Also, nicht ernst­haft bedroh­lich, son­dern eben so Sesam­stra­ßen-Mons­ter-mäßig. Ein Lob für die hand­ge­mach­te Song­rei­hung gebührt dem ORF indes für die Paa­rung Bog­gie und Nina Sublat­ti. Plä­dier­te die min­der­gro­ße Unga­rin mit dem erschre­ckend star­ren Blick und dem selbst geschrie­be­nen, lager­feu­er­kom­pa­ti­blen Anti­kriegs­lied ‘Wars for Not­hing’ fürs Frie­den schaf­fen ohne Waf­fen – frag­los eine noble, unter­stüt­zens­wür­di­ge Cau­sa – so kon­ter­ka­rier­ten die Öster­rei­cher den auch dank des effek­tiv ein­ge­setz­ten, sich lang­sam stei­gern­den Begleit­chors durch­aus gefäl­li­gen magya­ri­schen Frie­dens­ap­pell aufs Gemeins­te, in dem sie direkt danach die geor­gi­sche Krie­ge­rin antre­ten lie­ßen, für deren Büh­nen­kos­tüm aller Wahr­schein­lich­keit nach zwei Kau­ka­sus­ra­ben ihr Leben las­sen muss­ten, wie der bri­ti­sche Kom­men­ta­tor Gra­ham Nor­ton bemerk­te. Nina Sublat­ti blick­te wie immer böse aus krass kajal­um­ran­de­ten Augen, warf das LED-Gewit­ter an, sang das Hohe­lied der Gewalt (“World’s gon­na lis­ten to me”) und regier­te die Bühne.

Break a Heart, kill a Mite”: ehr­lich, mein Herz bricht nicht, wenn eine Mil­be stirbt (HU).

Das sahen auch die Zuschau­er und Juro­ren so: Platz 20 für Bog­gie, aber Rang 11 für Nina – kei­ne all zu ermu­ti­gen­de Bot­schaft für die Zukunft Euro­pas… Die här­tes­ten Dif­fe­ren­zen zwi­schen Jury- und Zuschau­er­prä­fe­ren­zen tra­ten bei der alba­ni­schen Reprä­sen­tan­tin Elhai­da Dani zuta­ge, die trotz ihres Geständ­nis­ses, sie sei leben­dig (‘I’m ali­ve’) in etwa so untot wirk­te wie die unga­ri­sche Frie­dens­el­fe. Wun­der­te ich mich in Wien noch, wie es die­ses abso­lu­te Nichts von einem Song und die­se Inter­pre­tin mit der Aus­strah­lung einer Steh­lam­pe über­haupt ins Fina­le schaf­fen konn­te, so gab mir die TV-Auf­zeich­nung die Ant­wort: strei­chel­te Frau Dani doch die gesam­ten drei Minu­ten lang unab­läs­sig, wenn auch etwas ver­stoh­len, ihre pral­len, in einem raf­fi­niert geschnit­te­nen schwar­zen Hauch von Kleid her­vor­ra­gend in Sze­ne gesetz­ten Mam­mae. Das funk­tio­nier­te schon für Eve­li­na Sašen­ko (LT 2011) bes­tens und tat es heu­er wie­der: Ach­te bei den Zuschau­ern, Rang 17 ins­ge­samt. Soll­te die Gesangs­kar­rie­re also ver­san­den: bei Sport1 ist sicher­lich jeder­zeit noch ein Pro­gramm­plätz­chen frei für die Albanerin.

Ver­steht irgend­je­mand, was sie da singt? (AL)

Unter fer­ner lie­fen lan­de­ten mal wie­der – mit Aus­nah­me Ita­li­ens – die Gro­ßen Fünf. Am bes­ten schnitt noch Spa­ni­en ab, das erneut die seit 2012 erfolg­rei­che Stra­te­gie auf­wärm­te, eine ein­zel­ne, stimm­star­ke Frau eine Ein­heits­bal­la­de des schwe­di­schen Seri­en­schrei­bers Tho­mas G:sson schrei­en zu las­sen. Damit konn­te das beim Song Con­test chro­nisch unter­be­wer­te­te Land schon zwei Mal einen zehn­ten Rang erkämp­fen. Klappt aber nicht immer: Platz 21 für die schö­ne Edur­ne, und das, obwohl sie sämt­li­che unge­schrie­be­nen Euro­vi­si­ons­ge­set­ze beach­te­te und in einem atem­be­rau­ben­den roten Cape erschien, aus wel­chem sie ihr ober­kör­per­frei­er, atem­be­rau­bend durch­trai­nier­ter Tän­zer Giu­sep­pe Bel­la (welch’ pas­sen­der Name!) her­aus­pell­te, dann hin­ter die Büh­ne eil­te, um es ordent­lich zusam­men­ge­fal­tet wie­der in der Requi­si­te zu ver­stau­en und sich erst her­nach für ein paar anmu­ti­ge Hebe­fi­gu­ren wie­der zu der nun im Gold­dress schei­nen­den Sän­ge­rin zu gesel­len. Allei­ne – G:sson ver­gaß bei ‘Ama­n­ecer’ eine ent­schei­den­de Zutat: den Refrain. Immer­hin konn­te Frau Gar­cía Alma­gro noch 15 Punk­te erha­schen und damit drei Mal so vie­le wie die Briten.

Rot­käpp­chen und der pedan­ti­sche Wolf: der schö­ne Sepp frisst kei­ne klei­nen Mäd­chen, er legt lie­ber ihre Wäsche zusam­men (ES).

Das eins­ti­ge, schon lan­ge ent­thron­te Mut­ter­land des Pop ent­schied sich für ein beson­ders desas­trö­ses Rezept: ein extra für den Con­test zusam­men­ge­stell­tes Duo namens Elec­t­ro Vel­vet, bestehend aus einem haupt­be­ruf­li­chen Leh­rer, der in der Frei­zeit einer Rol­ling-Stones-Cover­band vor­steht, und einer auf­stre­ben­den Sän­ge­rin, die optisch ein wenig an die Car­toon­fi­gur Bet­ty Boop erin­ner­te; ver­sorgt mit einem Elek­tro­s­wing-Song, geschrie­ben von einem bereits lebens­er­fah­re­nen Wer­be­jing­le-Kom­po­nis­ten (daher ver­mut­lich auch die Ähn­lich­keit zu einer stein­al­ten Tief­kühl-Kar­tof­fel­puf­fer-Wer­be­me­lo­die) und ver­se­hen mit einem wit­zig gemein­ten Text über “Snee­zes or nasty desea­ses”. Miss Boop konn­te übri­gens noch nicht mal ihre eige­ne fie­se Erkran­kung (Muko­vis­zi­do­se) einen Platz in einer Cas­ting­show sichern, aber für den Song Con­test reich­te es. Auch in Punk­to Prä­sen­ta­ti­on gab die BBC alles: vier Charles­ton-Tän­zer/in­nen, lus­ti­ges krib­bel­bun­tes L‑Wire (das war vor zehn Jah­ren mal der letz­te Schrei) und psy­che­de­li­sche Mus­ter auf dem LED-Screen.

Das rüde “Sor­ry, Bitch!” bei 2:05 Min. fällt aber arg aus dem tex­li­chen Rah­men! (UK)

Auch wenn sich die bri­ti­schen Fans vor Ort uni­so­no für ihren Bei­trag schäm­ten: ‘Still in Love with you’, einer der – wie bereits erwähnt – an einer Hand abzähl­ba­rer Upt­em­po­kra­cher des Abends, mach­te natür­lich rie­si­gen Spaß. Bis zu der Stel­le im Song, an der man den sicht­lich unan­ge­nehm berühr­ten Alex Lar­ke – den Stones-Cover-Sän­ger – zwang, einen auf Balu der Bär zu machen und zu scat­ten. Schlimm! Noch einen Punkt weni­ger errang Frank­reich, das es mit einer Gedenk­bal­la­de zum hun­derts­ten Jah­res­tag des Ers­ten Welt­kriegs ver­such­te: ‘N’ou­bliez pas’ – ‘Ver­gesst nicht’, for­der­te Lisa Angell, optisch die ein wenig aus dem Leim gegan­ge­ne Toch­ter von Mireil­le Mathieu, stimm­lich aller­dings fan­tas­tisch. Natür­lich ver­ga­ßen Publi­kum und Juro­ren sie den­noch, nach­dem der ORF ihr bereits vor­sorg­lich den Todes­slot (Start­platz 2) zuwies. Und mal ganz ehr­lich: bis auf das eins zu eins von Regi­na (BA 2009) geklau­te Songfi­na­le mit den als Sol­da­ten ver­klei­de­ten Tromm­lern war auch nichts an der Num­mer erin­ne­rungs­wür­dig – schon gar nicht der LED-Back­drop, der kriegs­ver­wüs­te­te Städ­te zei­gen woll­te und doch nur aus­sah wie ein PC-Egoshooter-Game.

Ich könn­te übri­gens schwö­ren, auf einem der kriegs­zer­stör­ten Häu­ser­fas­sa­den im Hin­ter­grund “Deut­sche, geht heim” gele­sen zu haben. Wäre ja des Anlas­ses ange­mes­sen. (FR)

Doch steht es uns über­haupt nicht zu, zu läs­tern. Wäh­rend mei­ner Woche in Wien besuch­te ich die fan­tas­ti­sche Aus­stel­lung Nul Points des deut­schen Autoren und Künst­lers Tex Rubi­no­witz im Muse­um Leo­pold, in der er jede/n Sänger/in, die seit 1956 beim Song Con­test jemals mit Null Punk­ten nach Hau­se geschickt wur­de, ver­ewig­te. Die Hall of Shame ende­te im Jahr 2003 mit dem legen­dä­ren bri­ti­schen Duo Jemi­ni – und ich muss an die­ser Stel­le geste­hen, dass sich im Leo­pold der böse Gedan­ke “wäre ja lang­sam mal wie­der an der Zeit” in mein Gehirn stahl. Dass es dann gleich eine Dop­pel­null gab, für die Gast­ge­ber und für unse­re Ann Sophie, war aber nicht mei­ne Absicht! Ich gebe jedoch auch zu, ab etwa der Hälf­te der Punk­te­aus­wer­tung instän­dig gehofft zu haben, dass jetzt bit­te nicht noch ein oder zwei Trost­zäh­ler­chen aus San Mari­no oder sonst woher kom­men mögen – denn wie Tex’ Aus­stel­lung (die er noch am Sonn­tag flugs um Fräu­lein Dür­mey­er und die Mak­e­makes erwei­ter­te) und das groß­ar­ti­ge Buch von Tim Moo­re bewei­sen, reicht der Ruhm der Nil­poin­ter ein­fach länger.

Unsterb­lich: der öster­rei­chi­sche Nil­poin­ter Tho­mas Forst­ner (AT 1991), gern gese­he­ner Star­gast im Euro­ca­fé, wenn auch mit etwas weni­ger Haa­ren mitt­ler­wei­le. Natür­lich konn­te man in Wien auch das Eis­läu­fer­kos­tüm im Muse­um bewundern.

Groß­ar­tig die Reak­ti­on von Ann Sophie, die zwar zuge­stand, geschockt und ent­täuscht gewe­sen zu sein, des­we­gen aber ihren Humor nicht ver­lor und noch vor Ort gemein­sam mit ihren öster­rei­chi­schen Nil­poin­ter-Kol­le­gen “We are the Zeros of our Time” anstimm­te. Sehr, sehr cool! Zumal es an ihrer Euro­vi­si­ons-Per­fo­mance nichts zu bemän­geln gab: unse­re Ver­tre­te­rin zeig­te auf der Büh­ne eine bestechen­de Prä­senz, sang sau­ber und warf sich immer wie­der in Pose. Lag es an dem titel­ge­ben­den schwar­zen Rauch auf dem LED-Schirm, der doch eher an einen Ror­schach­test erin­ner­te, bezie­hungs­wei­se an die sche­ma­ti­sche Dar­stel­lung weib­li­cher Fort­pflan­zungs­or­ga­ne? An den gro­ßen Lan­de­bahn-Leuch­ten, vor denen Ann Sophie und ihre Backings stan­den und die ungu­te Erin­ne­run­gen an den letz­ten Zahn­arzt­be­such aus­lös­ten? Aber nein, es lag am Song. ‘Black Smo­ke’ ist pro­to­ty­pi­sche For­mat­ra­diomu­cke: main­stream­t­aug­lich bis zur Unkennt­lich­keit, pro­blem­los durch­hör­bar – nie­mand sieht sich genö­tigt, den Sen­der zu wech­seln, wenn das Lied kommt – und garan­tiert unpein­lich. Aber eben auch kom­plett aus­tausch­bar. Und damit nicht geeig­net, in einem Feld mit 27 (!) Lie­dern am Ende im Gedächt­nis hän­gen zu bleiben.

Gut, der ver­geig­te Kiek­ser am Ende kam nicht so geschickt, aber schlech­ter als Alba­ni­en? Lächer­lich! (DE)

Noch här­ter traf es im Übri­gen die Gast­ge­ber. Genießt dort der Song Con­test einen deut­lich schlech­te­ren Ruf als bei uns, so ver­band sich mit Con­chi­tas Sieg und der Aus­rich­tung des Wett­be­werbs in Wien für den ORF, aber auch für vie­le öster­rei­chi­sche Fans die Hoff­nung, dass nun end­lich das gol­de­ne Zeit­al­ter anbricht und die im Alpen­land beson­ders zahl­rei­chen und laut­star­ken Grant­ler und Her­um­kritt­ler das Maul gestopft bekom­men mögen. Auch hier lie­gen die Grün­de ähn­lich wie bei Ann Sophie: fesche Bur­schen, die­se Mak­e­makes, und ein tadel­los pro­du­zier­tes Lied, das aber auf kei­nen Fall anecken möch­te – und wer nicht aneckt, bleibt auch nicht nicht hän­gen. Da ver­moch­te noch nicht mal das bren­nen­de Kla­vier als visu­el­ler Hin­gu­cker zu zün­den. Hät­te man im Vor­ent­scheid bes­ser nicht gleich die fan­tas­ti­schen Miz­ge­bo­nes aus­sor­tiert! Den Nim­bus als pro­fes­sio­nel­ler Aus­rich­ter unter­mi­nier­te der ORF bei der Punk­te­ver­ga­be ein wenig, als gleich bei drei Län­dern die bereits ste­hen­den Ver­bin­dun­gen mit­ten in der Pro­ze­dur wie­der zusam­men­bra­chen: “wir schrei­ben das Jahr 2015, und noch immer benut­zen sie Kon­ser­ven­do­sen und gespann­te Schnü­re,” so ätz­te Gra­ham Norton.

Bei den sin­gen­den Gesichts­f­lo­ka­tis brann­te nichts (AT).

Oder hat­te doch der KGB sei­ne Hän­de im Spiel? Als bei Geor­gi­en der Bild­schirm schwarz wur­de, kurz nach­dem man auf der Ergeb­nis­ta­fel lesen konn­te, dass Poli­na Gaga­ri­na nur eine ein­stel­li­ge Punk­te­spen­de aus der ehe­ma­li­gen Sowjet­re­pu­blik erhal­ten soll­te, dach­te ich noch “Ups, jetzt haben sie’s blitz­an­nek­tiert”. Gleich zwölf Natio­nen boten ehe­ma­li­ge Vertreter/innen auf, die drei Spit­zen­wer­tun­gen zu ver­le­sen. Dabei ging der Cool­ness­preis an die Nie­der­län­de­rin Edsilia Rom­bley (1998, 2007), die das auf­se­hen­er­re­gen­de Unfall­kleid von Tri­jn­te Oos­ter­huis aus der ers­ten Semi­fi­nal­pro­be auf­trug. Die Tro­phäe für die ver­zwei­felts­te Ex darf sich Valen­ti­na Monet­ta (SM 2012, 2013, 2014) ins Regal stel­len, die vor jeder ihrer Punk­te­an­sa­gen erst kurz den Refrain einer ihrer drei Euro­vi­si­ons­ti­tel anstim­men muss­te – ver­mut­lich stand Onkel Ralph dro­hend mit dem Elek­tro­scho­cker hin­ter ihr. Der klei­ne Bar­ba­ra-Dex-Award geht an Andri Xha­hu aus Alba­ni­en, der einer bestechen­den Quietsch­gelb-blau-Kom­bi­na­ti­on und mit Base­ball­cap erschien, und den Preis für die bes­te Stan­dup-Come­dy erhält Kati Bel­lo­witsch vom ORF, die behaup­te­te, “in der Mit­te von 25 Fans” im strö­men­den Regen auf dem Wie­ner Rat­haus­platz zu ste­hen. Ein paar mehr waren’s dann doch.

Bevor wir Dich ver­lie­ren…”: Ali­ce Tum­ler ver­traut der ORF-Tech­nik nicht so ganz.

ESC Fina­le 2015

Euro­vi­si­on Song Con­test 2015 – Fina­le. Sams­tag, 23. Mai 2015, aus der Stadt­hal­le in Wien, Öster­reich. 27 Teil­neh­mer, Mode­ra­ti­on: Mir­jam Weich­sel­braun, Ali­ce Tum­ler und Ara­bel­la Kiesbauer.
#LKInter­pretTitelPkt
gs
Pl
gs
Pkt
TV
Pl
TV
01SIMaraa­yaHere for you0391402719
02FRLisa AngellN’ou­bliez pas0042500326
03ILNadav GuedjGol­den Boy0970910207
04EEEli­na Born + Stig RästaGood­bye to Yesterday1060714405
05UKElec­t­ro VelvetStill in Love with you0052400425
06AMGenea­lo­gyFace the Shadow0341607711
07LTMoni­ka Lin­ky­tė + Vai­das BaumilaThis Time0301804416
08RSBoja­na StamenovBeau­ty never lies0531008610
09NOMør­land + Deb­rah ScarlettA Mons­ter like me1020803717
10SEMåns Zel­mer­löwHeroes3650127203
11CYJohn Karay­i­an­nisOne Thing I should have done0112200823
12AUGuy Sebas­ti­anTonight again1960512406
13BELoïc Not­tetRhythm insi­de2170419004
14ATMak­e­makesI am yours0002700027
15GRMaria Ele­na KyriakouOne last Breath0231902421
16MEKnezAdio0441303418
17DEAnn Sophie DürmeyerBlack Smo­ke0002600524
18PLMoni­ka KuszyńskaIn the Name of Love0102304715
19LVAmi­na­taLove injec­ted1860608809
20ROVol­tajDe la capat0351506912
21ESEdur­neAma­n­ecer0152102620
22HUBog­gieWars for nothing0192001722
23GENina Sublat­tiWar­ri­or0511105113
24AZElnur Husey­n­ovHour of the Wolf0491204814
25RUPoli­na GagarinaA Mil­li­on Voices3030228602
26ALElhai­da DaniI’m ali­ve0341709308
27ITIl VoloGran­de Amore2920335601

11 Comments

  • Dan­ke sehr, das War­ten hat sich gelohnt – wie­der ein­mal eine sehr poin­tier­te und treff­si­che­re Zusam­men­fas­sung und im Buch bin ich gera­de beim Kapi­tel über den 79er 🙂

  • Ich hab das schon an ver­schie­de­nen ande­ren Stel­len gesagt: den Auf­schrei, wenn die Vor­zei­chen bei Schwe­den und Ita­li­en umge­kehrt gewe­sen wären (Schwe­den als Publi­kums­sie­ger und Ita­li­en dank der Jurys Gesamt­sie­ger), will ich mir nicht vor­stel­len. Aber mit dem Song, den sowie­so kei­ner (jeden­falls kein “rich­ti­ger” ESC-Fan) mag, kann mans (ha!) ja machen. Blergh.

    Das soll nicht hei­ßen, dass mir Ita­li­en als Sie­ger so viel lie­ber gewe­sen wäre. Ich hat­te die­ses Jahr ein sehr ähn­li­ches Pro­blem wie der Haus­herr: es war schlicht zu viel. Ich kann mich nicht erin­nern, selbst in den schlimms­ten Jah­ren jemals gedacht zu haben “ist bald rum?”, wie es mir die­ses Jahr ging. Wir haben end­lich her­aus­ge­fun­den, wo die Schwel­le mei­ner Auf­merk­sam­keit liegt: 26 Lie­der, dann ist Sen­se. Und auch das nur, wenn irgend­wo im letz­ten Drit­tel ein Weck­ruf war­tet, wie es letz­tes Jahr “Hun­ter of Stars” war. Es hat nicht eben gehol­fen, dass es die­ses Jahr kei­nen Song gab, den ich auch nur ansatz­wei­se so moch­te wie nahe­zu die gesam­te Top 10 plus diver­se ande­re Songs des Jahr­gangs 2014 – in die­ser Hin­sicht war das weni­ger 1998/99, son­dern eher 1997/98 rel­oa­ded (mit “De la capat” als dem “The One That I Love” von 2015, dem ein­zi­gen brauch­ba­ren Lied des Jahr­gangs – und das ist hof­fent­lich das ers­te und ein­zi­ge Mal, dass jemand Vol­taj mit Chia­ra ver­gleicht 😉 ). Wo ich letz­tes Jahr zu hof­fen gewagt hat­te, dass die “Stan­dards” des Wett­be­werbs sich ein biss­chen ver­scho­ben hät­ten, wur­de ich die­ses Jahr kra­chend auf den Boden der Tat­sa­chen zurück­ge­holt. Der ESC darf fast alles, aber eine Tod­sün­de gibt es: er darf nicht lang­wei­len. Bit­te, bit­te, bit­te, EBU, lernt aus die­sem Dis­as­ter: kürzt das Fina­le ein biss­chen (ob sich aus den Semis jetzt 9 oder 10 Songs qua­li­fi­zie­ren, macht wohl kaum einen Unter­schied) und streicht das unsäg­li­che voll­stän­di­ge Jury­ran­king. Ich war noch nie so unmo­ti­viert, mir den ESC auch nächs­tes Jahr wie­der anzu­se­hen, und das liegt nicht nur dar­an, dass schon wie­der der FC Bay­ern des Con­test gewon­nen hat – das hat nicht gehol­fen (lang­sam aber sicher wird mir Schwe­den aus Prin­zip unsym­pa­thisch, und das ist kein schö­nes Gefühl), aber es war nicht der ein­zi­ge Grund. Gebt mei­net­we­gen noch zwei Sie­ge an Schwe­den, damit sie sich end­lich an Platz 1 der ewi­gen Tabel­le erfreu­en kön­nen, aber dann darfs auch mal gut sein. Und bit­te lasst nächs­tes Jahr nicht wie­der Däne­mark gewin­nen, wie das bei den letz­ten bei­den ESCs auf schwe­di­schem Boden der Fall war. Schon allein, um das Porte­mon­naie des Durch­schnitts­fans ein biss­chen zu schonen.

  • Ospe­ro, das unter­schreib ich so ziem­lich alles! Beson­ders den Punkt mit dem Ranking!

    Dass “De la Capat” das ein­zi­ge brauch­ba­re Lied des Jahr­gangs war, unter­schrei­be ich hin­ge­gen nicht, da gabs aus mei­ner Sicht noch ein paar mehr. Aber es ist auf jeden Fall das berüh­rends­te und hat sehr unter sei­ner Start­num­mer gelitten.

    Eine Sache hät­te ich noch zu ergän­zen: Ich wün­sche mir für zukünf­ti­ge Jahr­gän­ge, dass die Lan­des­spra­che wie­der mehr zurück­kommt. Wenn sogar die Ser­ben eng­lisch sin­gen, ist Gefahr in Ver­zug. Das möch­te ich unbe­dingst wie­der anders! Und wenn dann schon mal Punk in Lan­des­spra­che (!!!!!!!!!!!!) kommt, hät­te ich ger­ne, das das Wi*****gremium (hier stim­me ich aus­nahms­wei­se mit vol­lem Her­zen ins Bas­hing des Haus­her­ren ein, dazu dann beim ers­ten Semi mehr) das nicht zuguns­ten des schlimms­ten Rot­zes seit Davd d’Or aus dem Wett­be­werb kegelt! Das hab ich ges­tern abend erst bewust wahr­ge­nom­men und bin jetzt ernst­haft sauer!

    Ansons­ten: Geläs­tert, gelacht, gelit­ten, Spaß gehabt und danach in den Urlaub gefah­ren. Immer sehr erhol­sam, direkt danach ein biss­chen Abstand zum Gesche­hen zu krie­gen, und so schnell wie die­ses Jahr ist mir das wohl noch nie gelungen.

    Übri­gens: Wisst Ihr, wor­an man erken­nen konn­te, dass das ein Green Event ist? Na? An den gan­zen Bäu­men auf der Büh­ne! *duck und schnell weg*

  • Hat­te lei­der noch nicht genug Zeit, alle Kri­ti­ken zu lesen, aber zu ers­te­rer über Måns Zel­mer­löw noch­mal der Hin­weis auf des­sen homo­pho­be Aussagen.

    Der Gewin­ner der Show mach­te bereits im letz­ten Jahr in der Öffent­lich­keit nega­ti­ve Bemer­kun­gen über die LGBT-Bewe­gung. Zel­mer­löw war in der Pro­mi-Koch­sen­dung „Plu­ras kök“ in Schwe­den ein­ge­la­den und sprach dort von sei­ner Ansicht: „Es ist nicht natür­lich für Män­ner, mit­ein­an­der schla­fen zu wol­len.“ Wei­ter­hin erklär­te er: „Der natür­li­che­re Weg ist es selbst­ver­ständ­lich, dass Män­ner und Frau­en zusam­men Kin­der machen.“ Bei einem wei­t­ren Anlass sag­te er in das Repor­ter-Mikro­fon, dass Homo­se­xua­li­ät unna­tür­lich sei und Homo­se­xu­el­le kei­ne Kin­der adop­tie­ren dürften. 

    Die rus­si­sche Pres­se hat das aus­ge­schlach­tet – das war ein Gewin­ner nach deren Gus­to. Die viel­fa­chen Ent­schul­di­gun­gen von Zel­mer­löw rei­chen mir per­sön­lich nicht, dabei ging es dar­um, sei­ne poten­zi­el­len schwu­len Plat­ten­käu­fer bei Kauf­lau­ne zu hal­ten. Homo­pho­bie wird in den Sozi­al­wis­sen­schaf­ten zusam­men mit Phä­no­me­nen wie Ras­sis­mus, Frem­den­feind­lich­keit oder Sexis­mus unter den Begriff der grup­pen­be­zo­ge­nen Men­schen­feind­lich­keit gefasst. Das min­des­te was er tun müss­te, wäre eine The­ra­pie zu machen. Aber bald inter­es­siert sich so kei­ner mehr für ihn – sein Sie­ger­lied war für mich so banal und und wie nach dem Main­stream kon­stru­iert wir­kend – viel erwar­te ich von Herrn Zel­mer­löw also ohne­hin nicht mehr.

  • Ja, das war wirk­lich “a touch too much”. Da auf groß­ar­ti­ge oder zumin­dest bedeut­sa­me Sie­ger ger­ne mal Sie­ger der Kate­go­rie “Das ist doch nicht euer Ernst ?!” fol­gen (1967/68, 1982/83, 1988/89, 2000/01, 2003/04, 2010/11 und jetzt auch 2014/15 – Inter­pre­ta­ti­ons­bei­spiel: Auf die groß­ar­ti­gen Olsen-Brü­der folg­te der Kla­mauk aus Est­land), war es eigent­lich wenig über­ra­schend, dass 2015 etwas gewinnt, das man kni­cken könn­te. Für mich haben nur die Strich­männ­chen gewon­nen. Ich geste­he mir zu mei­ner Schan­de ein, dass ich mir das ger­ne anse­he. Aber “Heroes” ist ver­gleichs­wei­se mit­tel­mä­ßig. Aber ich habe mich ja selbst dabei erwischt, wie ich das anspruchs­vol­le und deut­lich musi­ka­li­sche­re “Gran­de amo­re” ver­ab­scheut habe. Das lag aber eher an den Gesich­tern der drei Jungs (beson­ders Igna­zio Boschet­to hat mich war­um auch immer hoch­ag­gres­siv gemacht).

    Noch aggres­si­ver haben mich die null Punk­te gemacht, die ich immer noch nicht ver­ste­hen kann. Bes­ser als die Polin, die so gut wie kei­nen Ton getrof­fen hat, war Ann Sophie alle­mal. Aber es war eh ein komi­sches Jahr. Wenn sich fast alle Punk­te auf die Top 3 ver­tei­len, dann bleibt halt nichts mehr für die ande­ren VIER­UND­ZWAN­ZIG übrig. Ser­bi­en mit 53 Punk­ten auf dem zehn­ten Platz! Mit genau die­ser Punkt­zahl hat Kati Wolf vor vier Jah­ren den 22. von 25 Plät­zen belegt.

    Aber ich will nicht zuviel drum­rum reden: 2015 war ein Rück­schritt. Wie schön war es 2014, als die erfolg­lo­sen Öster­rei­cher und Hol­län­der die Plät­ze eins und zwei beleg­ten. Mei­ne Hoff­nun­gen ruh­ten 2015 in Süd­ost­eu­ro­pa. Aber man lässt sich lie­ber von Strich­männ­chen rum­krie­gen und sorgt dafür, dass der kla­re Publi­kums­fa­vo­rit Ita­li­en nicht gewinnt, damit das hei­li­ge ESC-Land Schwe­den nicht lan­ge auf Sieg Num­mer sechs war­ten muss. Und Sieg Num­mer sie­ben kommt bestimmt schon in den nächs­ten zwei Jahren.
    It feels just like the nine­ties coming back.

  • Für mich auch ein schwa­ches Jahr. Das Sie­ger­lied per­fekt getunt, aber unper­sön­lich wie che­misch rei­ner Com­pu­ter-Musik­mix. Kein Ohr­wurm, nur eine Momentaufnahme.

    Die Null Punk­te für Ann Sophie fin­de ich mehr als gerecht­fer­tigt. Jeder Lai­en­dar­stel­ler weiß, das man dem Publi­kum nicht den Rücken zuwen­det. Sie hat das geschla­ge­ne 45 Sekun­den gemacht und dazu den Popo gekreist. Da hät­te nur noch eine Gogo-Tän­ze­rin­nen-Stan­ge gefehlt. 

    Der Titel selbst: Haalb­ga­re Depri­re­frains und eben­so ner­vig wie die Inter­pre­tin selbst, die nicht davor zurück­schre­cke, eine Video auf­zu­neh­men “Zeroes of our time”. Abso­lut unver­ständ­lich, wie man, wenn man von vier­zig Län­dern mit Null abge­straft wird, da noch einen drauf­set­zen mag. Gott­sei­dank ist sie aus der Öffent­lich­keit bereits bei­na­he verschwunden.

  • 2015 steht unter dem Mot­to: Das homo­pho­be Impe­ri­um schlägt zurück. Ein Sie­ger der in der Ver­gan­gen­heit mit homo­pho­ben Äuße­run­gen auf­ge­fal­len ist, und das der­zeit größ­te Ver­bre­cher­land, das gleich­zei­tig auch einer der homo­phobs­ten Län­der über­haupt ist, auf Platz 2. Beson­ders geschämt habe ich mich, als Russ­land aus Deutsch­land 12 Punk­te bekom­men hat. Die 0 Punk­te für Deutsch­land und Öster­reich sind ein Witz. Und ich bin nach wie vor der Mei­nung, das die ARD dadurch ihre Kon­se­quen­zen zie­hen soll­te. Eben­so soll­te sich z.bsp Frank­reich Gedan­ken machen, ob es noch einen Sinn macht teil­zu­neh­men, egal was sie schi­cken, immer krie­gen sie einen auf die Müt­ze. Ande­re Län­der hat­ten auch lang­wei­li­ge Bal­la­den geschickt (Nor­we­gen), nur wer­den die mit Top 10-Plät­zen belohnt und Frank­reich wird abge­straft. Eben­falls ist es eine rie­si­ge Saue­rei, das Öster­reich kei­ne Punk­te bekom­men hat, so geht man mit einem Gast­ge­ber­land nicht um. Der Auf­tritt von denen war wirk­lich gut, da gabs wirk­lich viel schlech­te­res. Zum Bei­spiel hät­te die­ser schlei­mi­ge, heuch­le­ri­sche Frie­dens­song von Putins Bitch eher wohl 0 Punk­te verdient.

  • Voll und ganz d’ac­cord bis auf die für mich gerecht­fer­tig­ten 2 Punk­te für Ann-Sophie.

  • ” … so geht man mit einem Gast­ge­ber­land nicht um.” Wenn das Gast­ge­ber­land einen Scheiß-Titel schickt, sind 0 Punk­te abso­lut gerecht­fer­tigt! 2015 – kein guter Jahr­gang, die wenig guten Titel (BEL, AUS, NOR, EST), Ami­na­ta aus­ge­nom­men, wur­den in die ers­te Hälf­te ver­frach­tet, bis zur letz­ten Num­mer dann nur Stan­gen­wa­re und Ermü­den­des und extra Bemüh­tes (Wöl­fe, Flücht­lings­kin­der, Kriegs­t­rui­nen). Mei­ne Hass­bei­trä­ge: Ungarn, Öster­reich, Russ­land, Alba­ni­en, Polen – ich könn­te ewig ss wei­ter­ma­chen, bis wir bei Ita­li­en sind.
    Sehr bemüht das Alles vom ORF, Viel zu viel gewollt und viel zu wenig erfüllt. Zum Glück wur­de das “lus­ti­ge” Tier-Video aus dem Halb­fi­na­le gecan­cel­led, das hät­te noch gefehlt beim Grand Fina­le. Raus­schnei­den der Buhs bei Russ­land geht gar nicht, aber typisch für unse­re lie­ben Nach­barn im Süd­os­ten: Glaubst i bin bläd, dass i waaß, wos i wui! Wo kämen wir den hin, wenn wir kon­se­quent wären, eins nochmal!

  • Noch einen drauf­set­zen”? Was hät­te sie denn dei­ner Mei­nung nach machen sol­len – in Sack und Asche gehen und das Publi­kum um Ver­zei­hung anbet­teln? Das wäre wirk­lich wür­de­los gewe­sen; so hat sich Ann Sophie wenigs­tens mit ein biss­chen Selbst­iro­nie aus der gan­zen Sache ver­ab­schie­det. Und wenn Alba­ni­en und Groß­bri­tan­ni­en Punk­te bekom­men, hät­ten es auch ein paar für Deutsch­land und Öster­reich sein dür­fen. Mei­nes Erach­tens waren das die unge­recht­fer­tigts­ten Nul Points seit Celia Law­son 1997 (okay, da waren jetzt auch nicht so vie­le dazwischen).

  • Ein biss­chen Demut, Selbst­re­flek­ti­on und Ein­ge­ste­hen einer Nie­der­la­ge wäre ange­sagt gewe­sen. Sie sprach bei Lanz, wer ihr kri­ti­sche FB-Posts schi­cke, sei grund­sätz­lich ein Stink­stie­fel. Eben­so wur­den ja aben­teu­er­li­che Rech­nun­gen auf­ge­macht, unter wel­chen Bedin­gun­gen sie noch ein paar Pünk­te­chen hät­te abkrie­gen kön­nen. Es tut ihrer Psy­che nicht gut die­ses Freu­de­strah­len trotz einer bei­na­he bei­spiel­lo­sen Nie­der­la­ge. Das wird sich eines Tag­aes durch Depres­sio­nen o. ä. rächen, zumin­dest, falls sie wirk­lich glaubt, das Musik-Busi­ness sei ihres.

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