Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen: Zom­bies und Killer

Ver­gan­ge­nen Don­ners­tag fand in Minsk das ers­te Vor­sin­gen für die weiß­rus­si­sche Vor­ent­schei­dung Natsyjanal’ny Adbor­ach­ny statt. Sech­zig der ins­ge­samt 91 Hoff­nungs­fro­hen stell­ten im ste­ril aus­ge­leuch­te­ten Sen­de­stu­dio von BTRC ihre Bei­trä­ge vor. Der Rest folgt am kom­men­den Mitt­woch, dann wählt die 19köpfige Jury maxi­mal 15 Glück­li­che aus, die sich vor­aus­sicht­lich am 15. Janu­ar dem Urteil der Zuschauer/innen stel­len dür­fen – dies­mal heißt es hun­dert­pro­zen­ti­ges Tele­vo­ting im demo­kra­ti­schen Vor­zei­ge­staat Weiß­russ­land. Aller­dings könn­ten es ange­sichts des Auf­ge­bo­tes auch nur fünf Fina­lis­ten wer­den, wie die BTRC-Vor­ent­schei­dungs­ver­ant­wort­li­che Olga Schla­ger – doch, die heißt so, das habe ich mir nicht aus­ge­dacht! – gegen­über escK­az sag­te. Hat man sich durch die Auf­zeich­nun­gen der ers­ten Run­de durch­ge­wühlt, kann man nur sagen: Gott sei Dank!

Fili­gra­ne Text­ar­beit trifft auf gesang­li­ches Kön­nen und eine aus­ge­feil­te Cho­reo­gra­fie: Ray.

Obschon es im Vor­feld hieß, man freue sich beson­ders über lan­des­sprach­li­che Bei­trä­ge, bevor­zug­te der größ­te Teil der Bewerber/innen Eng­lisch, bezie­hungs­wei­se ein sehr, sehr lose an die Lin­gua Fran­ca des Pop ange­lehn­tes Kau­der­welsch. ‘Sor­row will be Ashes’, einer der Song­ti­tel, weist da den Weg, von der Aus­spra­che erst gar nicht anzu­fan­gen. In der Regel ver­steht man nur die Hälf­te, und das, was man ver­steht, zieht einem die Schu­he aus. Doch nicht nur sprach­lich zei­gen sich die Bela­rus­sen mit leich­ten Pro­ble­men behaf­tet. Auch mit dem Zäh­len haben sie es nicht so, wie uns die Band Ras­ka­ly­on­nye utyu­gi (Geschmol­ze­nes Eisen) beweist, die in der ers­ten Klas­se gefehlt haben muss und beim Auf­sa­gen der Ein­ser­rei­he beharr­lich die Vier über­springt. Dazu kommt bei ihnen noch die opti­sche Pein in Form eines stor­chen­bei­ni­gen Sän­gers, der sei­ne Stel­zen stolz in eine Rad­ler­ho­se quetscht.

Mit der Rad­ler­ho­se des Todes: die bela­rus­si­schen Stahlkocher.

Gru­se­lig wird’s bei Kon­stan­tin, der laut­hals ver­kün­det: “I kill my Love” und dabei auch drein­schaut wie der pro­to­ty­pi­sche Psycho-Kil­ler aus dem Tat­ort (übri­gens, TV-Tipp für heu­te Abend: Borow­ski und die Rück­kehr des stil­len Gas­tes. Der ers­te Teil hat­te eine der fie­ses­ten Hand­lun­gen ever. 20:15 Uhr, im Ers­ten). Unser nicht so stil­ler bela­rus­si­scher Gast ermor­det neben­bei auch Gesang, Rhyth­mus­ge­fühl und Aus­spra­che. Was muss bei dem nur in der Kind­heit schief gelau­fen sein?

Nur für star­ke Ner­ven: Kon­stan­tin der Killer.

Als so spä­ten wie über­flüs­si­gen Nach­klapp auf die lus­ti­gen udmur­ti­schen Ömchen Bura­now­ski­ye Babush­ki (RU 2012) ver­such­ten sich vier Trach­ten tra­gen­de Damen mit dem Namen Spa­sov­ka, die zur Quetsch­kom­mo­den­be­glei­tung aca­pel­la schief kri­schen. Nein, Tra­di­ti­on allei­ne recht­fer­tigt nicht alles.

Wenn man schon kopiert, soll­te man bes­ser sein als das Original.

Aufs Trick­kleid setz­te hin­ge­gen ein sich selbst als Per­so­na non gra­ta klas­si­fi­zie­ren­der Künst­ler, und mit die­sem Auf­tritt qua­li­fi­zier­te er sich auch für das selbst gewähl­te Label der uner­wünsch­ten Per­son. Dabei zog er show­tech­nisch alle Regis­ter: Dani­je­la-Cape, US-Impe­ra­to­ren­hut, eng­sit­zen­de dun­kel­blaue PVC-Mas­ke (dass er dar­un­ter noch atmen konn­te!), über­ra­schen­de Arm­ru­de­rei­en und spon­ta­ne Selbst­ent­zün­dung. Nur Stim­me und Lied ver­gaß er lei­der, kün­dig­te am Ende aber an: “I’ll be back!”. Ich hof­fe nicht!

Ich wuss­te gar nicht, dass sol­che Stof­fe und Far­ben noch her­ge­stellt werden!

Mühe­los getoppt wur­de die­se Dar­bie­tung aller­dings von Levon Gziryan, offen­sicht­lich der unehe­li­che Sohn von Dima Bilan (RU 2006, 2008) und Grey’s‑Anatomy-Star Patrick Demp­sey. Der ließ sich von drei blon­dier­ten, leben­den Mikro­fon­stän­de­rin­nen umtan­zen – die Frau als stum­me Anten­ne, die nur dazu dient, die Ideen des Man­nes zu emp­fan­gen: sol­cher­art ran­zi­ger Machis­mo mag vor fünf­zig Jah­ren noch en vogue gewe­sen sein. Jeden­falls hier im Westen.

Schwers­te Kopfarbeit!

Blei­ben wir bei plas­tik­blon­den Frau­en: ein wenig unter dem Kame­ra­mann litt die ver­mut­lich in mühe­vol­ler mona­te­lan­ger Schwerst­ar­beit ein­stu­dier­te, den­noch arg höl­zer­ne Syn­chront­anz-Cho­reo der Rock­band U.G.Oslavia (ja, das Wort­spiel ist beab­sich­tigt). Der fokus­sier­te sich näm­lich auf die fake­haar­tra­gen­de Lead­sän­ge­rin, die beim stan­des­ge­mä­ßen Zöp­fe­s­chüt­teln am Schluss gar ihr Stirn­band ver­lor. Scha­de, ich hät­te lie­ber den Gitar­ris­ten aus­führ­li­cher gesehen.

Schüt­tel Dein fal­sches Haupt­haar, wil­des Mädchen!

Weni­ger Fokus­sie­rung auf den Lead­sän­ger hät­te ich mir auch bei der Band Pes­n­ya­ry gewünscht, des­sen Front­mann das Pfann­ku­chen­ar­ti­ge sei­nes Gesich­tes mit einem rund­ge­schnit­te­nen Föhn-Pony auf das Aller­liebs­te beton­te. Sonst ist die schnul­zig gejam­mer­te Num­mer aller­dings nicht wei­ter erwähnenswert.

Hüb­sche Jackettbestickung!

Zum Bar­men hin­ge­gen der bela­rus­si­sche Jus­tin Bie­ber, Egor Isa­kov, der nicht nur deut­lich bes­ser im Fut­ter steht als sein US-ame­ri­ka­ni­scher Fri­sur­ge­nos­se, son­dern auch als Rock­gi­tar­re-Spie­ler so über­haupt nicht über­zeu­gen kann. Natür­lich, so ein Umschnall-Instru­ment dient vor­treff­lich als Ner­vo­si­täts­ab­bau­er; man kann sich präch­tig dran fest­hal­ten; weiß, wohin mit den Armen, und etwas Kre­di­bi­li­tät täuscht sie auch noch vor – wenn man es nicht so unge­schickt anstellt wie unser Egor. Da hilft nur Üben, Üben, Üben!

17 Jahr, schlim­mes Haar, so stand er vor mir.

Kom­men wir abschlie­ßend zu mei­nen bei­den Lieb­lings­ti­teln. Oder, genau­er, den bei­den ein­zi­gen Stü­cken, die ich mir im weiß­rus­si­schen Fina­le wün­sche. Da ist zum einen die Band Briz, die mit ‘Sing and Dance’ ein flot­tes Elek­tro­s­wing-Stück in der Tra­di­ti­on von Elec­t­ro Vel­vet (UK 2015) ablie­fert, treff­lich auf­ge­peppt mit Akkor­de­on­be­glei­tung und pas­sen­dem Syn­chront­anz. Lei­der nah­men sie sich auch Alex Lar­kes furcht­ba­res Mog­li-Scat­ting zum Vor­bild, und so ent­le­di­gen sie sich bereits nach 20 Sekun­den jeg­li­cher Chan­cen, wenn der bärig-nied­li­che Bas­sist sei­ne Stim­me erhebt. Schade!

Gut, an Aus­spra­che und Out­fit hät­te man auch noch arbei­ten müssen…

Blei­ben noch die Sweet Brains, die sich letz­tes Jahr schon als lus­tig ver­klei­de­te Zom­bies ver­such­ten und dies­mal in Sachen Kos­tü­mie­rung und Per­for­mance noch eins drauf­le­gen. ‘Dance like Zom­bies’ gewinnt jetzt als Song kei­nen Inno­va­ti­ons­preis, die Dar­bie­tung ist aber wirk­lich unter­halt­sam und wirkt mit der rich­ti­gen Licht­in­sze­nie­rung sicher­lich noch­mals pro­fes­sio­nel­ler. Falls nicht noch was Über­zeu­gen­de­res kommt, möch­te ich die ger­ne in Stock­holm sehen!

Auch Tote kön­nen einen Hang zu far­ben­fro­her Flo­ris­tik hegen: Sweet Brains.

4 Comments

  • Ach du mei­ne güte. Eines schlim­mer als das ande­re. Die zom­bies sind schon unter­ir­disch. Und der rest noch schlim­mer. Die wahl zwi­schen pest, cho­le­ra und thyphus

  • In aller Fair­ness gegen­über den Weiß­rus­sen: es waren auch eine Hand­voll laut­stark into­nier­ter Bom­bast­bal­la­den am Start und eins, zwei mit­tel­präch­ti­ge Schwe­den­schla­ger. Und ver­mut­lich wer­den die auch ins Fina­le wei­ter­wan­dern. Da die­se Art von Musik­wa­re, die wohl die meis­ten Fans in Ent­zü­cken ver­setzt, mich mitt­ler­wei­le über­wie­gend anödet, habe ich davon aber hier nichts vorgestellt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert