Zwei­tes ESC-Semi 2016: der sich den Wolf tanzt

Måns ist sehr ent­täuscht”: das war er, der Satz des Abends, gespro­chen vom deut­schen Kom­men­ta­tor Peter Urban, nach­dem Gast­ge­be­rin Petra Mede direkt im Anschluss an den Auf­tritt des Weiß­rus­sen Ivan infor­mier­te, dass die­ser ursprüng­lich nackt und in Beglei­tung von Wöl­fen zu per­for­men gedach­te, was die EBU im Hin­blick auf die Regeln lei­der ver­bie­ten muss­te. Zum Miss­fal­len des komo­de­rie­ren­den Vor­jah­res­sie­gers, der gera­de hin­ter Petra die Büh­ne enter­te – im Adams­kos­tüm, lei­der mit einem stra­te­gisch plat­zier­ten Plüsch­wolf vor dem Gemächt. Wie dank­bar bin ich dem Schwe­den dafür, dass er ein der­ge­stalt scham­los selbst­ver­lieb­ter, zei­ge­freu­di­ger Exhi­bi­tio­nist ist, der wirk­lich kei­ne Gele­gen­heit aus­lässt, sei­nen durch­trai­nier­ten Kör­per mög­lichst tex­til­frei der Öffent­lich­keit zu prä­sen­tie­ren. Und wie dank­bar bin ich den Schwe­den dafür, dass sie mit solch einer Leich­tig­keit durch die­sen Abend führ­ten und die Show mit einem wun­der­ba­ren Mini-Musi­cal eröff­ne­ten, das uns in vier Minu­ten dar­über auf­klär­te, was die Euro­vi­si­on eigent­lich ist und dabei so fach­lich akku­rat wie herr­lich selbst­iro­nisch daher­kam. Der Stimm­aus­zäh­lungs-Über­brü­ckungs­act ‘Man vs. Machi­ne’, eine Art Hom­mage an die Tanz­sze­nen aus dem Acht­zi­ger­jah­re-Strei­fen ‘Num­mer 5 lebt’, fiel gegen das bewe­gen­de Flücht­lings­bal­lett vom Diens­tag zwar etwas ab, ergab aber den­noch eine schö­ne Pau­sen­un­ter­hal­tung. SVT: 12 Points!

Nicht nur Måns ist ent­täuscht – ich eben­so: von der Grö­ße sei­nes, ähm, Wolfs!

Kaum Anlass zur Ent­täu­schung gaben hin­ge­gen, anders als noch im ers­ten Semi­fi­na­le, am Don­ners­tag die Ent­schei­dun­gen des Publi­kums und der Jurys in Sachen Fina­lis­ten. Ein­zig den Ver­lust der fabel­haf­ten Kali­o­pi Buk­le (MK 2012) gilt es zu bekla­gen. Und selbst hier kann ich nicht rich­tig böse sein, denn als Song kam ihre Bal­kan-Bal­la­de ‘Dona’ nicht rich­tig aus dem Quark und klang wie etwas, das in die­ser Form bereits 1993 in der Ost­eu­ro­pa-Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de für Mill­street hät­te ste­cken blei­ben kön­nen. “Dona, Dona, Dona, Dona, Dona, Dona, gle­daj me” ergibt nun mal kei­nen aus­rei­chend star­ken Refrain, selbst wenn es sich für das aufs Eng­li­sche geeich­te Ohr anhört wie “Donut, Donut, Donut, Donut, Donut, Donut, glad I met” (als Reak­ti­on auf ent­spre­chen­den Inter­net­s­pott ver­teil­te die herr­lich sou­ve­rä­ne Kali­o­pi in Stock­holm übri­gens besag­tes Fett­ge­bäck in der Pres­se­kon­fe­renz). Als Wer­be­me­lo­die für die ame­ri­ka­ni­sche Krap­fen­ket­te Don­kin’ Donuts also bes­tens geeig­net, für den Con­test jedoch zu schwach. Da reich­te der unbe­streit­ba­re Star-Appeal der maze­do­ni­schen Diva allei­ne nicht aus, um die Num­mer den­noch ins Fina­le zu brin­gen. Und auch die Idee, sich zum Songfi­na­le ihr akus­ti­sches Mar­ken­zei­chen, den ‘Crno i bie­lo’-Schrei, aus dem Hals zu drü­cken, ging nach hin­ten los: der wirk­te hier als Fremd­kör­per. Und dann ver­sem­mel­te sie ihn auch noch. Den­noch: wegen mir darf Skop­je Kali­o­pi ger­ne jedes Jahr zum Con­test schicken!

Ordent­li­che Aus­la­ge, Frau Buk­le! (MK)

Ansons­ten traf es im zwei­ten Semi­fi­na­le 2016 aus­schließ­lich die Rich­ti­gen. Dar­an, dass die für die Schweiz sin­gen­de Kana­die­rin (nein, die­se For­mel funk­tio­niert nicht auto­ma­tisch) Rykka sich qua­li­fi­zie­ren wür­de, glaub­te wohl selbst im eige­nen Camp nie­mand mehr. Sonst hät­te man sicher­lich nicht zuge­las­sen, dass sie sich vom Coif­feur der­ma­ßen ent­stel­len lässt: Rykkas Seve­so-Locken in senio­ren­stift­kom­pa­ti­blem blau­grau gel­ten ab sofort als neue Defi­ni­ti­on des Wor­tes “Fri­su­ren­un­fall”. Auch ihr Gesund­heits­zu­stand gab Anlass zu Beden­ken: falls sich unter mei­nen Lesern ein Arzt befin­det, der qua­li­fi­zier­te Mut­ma­ßun­gen anstel­len kann, wes­we­gen es zum Songauf­takt aus ihren Ach­sel­höh­len dampf­te, so schrei­be er die­se bit­te in die Kom­men­ta­re. Dan­ke! Die ver­stö­rend krampf­ar­ti­gen Hos­pi­ta­lis­mus­be­we­gun­gen, die Rykka voll­führ­te, las­sen sich hin­ge­gen erklä­ren: ein durch­sich­ti­ger und ver­mut­lich auch luft­durch­läs­si­ger Rock aus dün­ner Teich­fo­lie und die bestän­dig von vor­ne pus­ten­de Wind­ma­schi­ne müs­sen zwangs­läu­fig zu einer ver­kühl­ten Bla­se füh­ren! Den Song möch­te ich knapp in einem Wort zusam­men­fas­sen: Rohr­kre­pie­rer. Hof­fen wir, dass sich der Titel ‘The Last of our Kind’ nicht als pro­phe­tisch erweist und die Schweiz nächs­tes Jahr den­noch wie­der mit­macht. Dann soll­te sie aber unbe­dingt dem schwe­di­schen Bei­spiel fol­gen und bei der Aus­wahl des Bei­trags eine inter­na­tio­na­le Jury mit ins Boot holen – und zwar bereits bei der Bestü­ckung des Vor­ent­scheids. Bis­lang wer­den näm­lich alle erfolg­ver­spre­chen­den Titel aus den Inter­net-Vor­run­den bereits im Vor­feld gna­den­los aus­ge­siebt. So kann das nichts werden!

Und auch noch bar­fuß! Kein Wun­der, dass sie sich da was holt! (CH)

Der bereits anfangs erwähn­te Ivan zog trick­tech­nisch alle Regis­ter: nach dem erwart­ba­ren Ver­bot des öffent­lich­keits­wirk­sam ange­droh­ten Blank­zie­hens eröff­ne­te er – eben­so erwart­bar – mit einem Holo­gramm sei­nes unbe­klei­de­ten Ichs nebst meh­re­rer Ise­grims. Zwar mate­ria­li­sier­te er sich dann doch noch in Per­son auf der Büh­ne, im beige­far­be­nen Out­fit, aller­dings umge­ben von meh­re­ren sei­ner vir­tu­el­len Alter Egos (Gruß nach Zypern!), die ihn auf der Gitar­re oder an der Trom­mel beglei­te­ten. Für euro­pa­weit rat­lo­ses Schul­ter­zu­cken sorg­te ver­mut­lich sei­ne Gesichts­be­ma­lung, die einem Scha­ma­nen nach­emp­fun­den sein und sei­ne spi­ri­tu­el­le Ver­bun­den­heit mit der Natur zum Aus­druck brin­gen soll­te, wie er im Vor­feld erklär­te; noch mehr aller­dings das bewin­del­te vir­tu­el­le Rie­sen­ba­by, das zum Schluss über den Bild­schirm stapf­te (nein, dafür habe ich kei­ne Erklä­rung!). Die Kom­bi­na­ti­on des domi­nan­ten Wolfs­the­mas mit dem Text sei­nes zähen Rock­rie­mens ‘Help you fly’ lässt zudem nur den Schluss zu, dass er besag­te Raub­tie­re ent­we­der vom höchs­ten Fel­sen Weiß­russ­lands wer­fen oder mit Psy­che­de­li­ka füt­tern woll­te. Bei­des nicht nett. Im Fal­le Irlands erwies sich die Fehl­ent­schei­dung des Ver­tre­ters Nicky Byr­ne, sich vor dem Auf­tritt glatt zu rasie­ren, als end­gül­ti­ger Sarg­na­gel: ohne Drei­ta­ge­bart ging ein Groß­teil sei­nes Bryan-Adams-Charmes flö­ten und die Dürf­tig­keit sowohl sei­nes mehr als dün­nen Gesangs als auch sei­nes Bügel­mu­sik-Bei­trags ‘Sun­light’ trat offen zu Tage. Im War­te­zim­mer, im Fahr­stuhl oder in der Tele­fon­war­te­schlei­fe höre ich mir so was ger­ne an. Das Rewe-Ein­kaufs­ra­dio greift sicher auch ger­ne zu, aber für einen Wett­be­werb war das dann doch zu schwach.

Offen­sicht­lich der ver­heim­lich­te gemein­sa­me Sohn von Otto Waal­kes und Dirk Nowitz­ki: Ivan (BY)

Das Stra­ßen­bau­amt hat ange­ru­fen und will sei­ne Warn­wes­te zurück (IE)

Eine inter­es­san­te Tak­tik ver­folg­te die Slo­we­nin Manu­El­la Breč­ko. Sie schnür­te Manu und Ella in einem Art Bon­da­ge­kleid zusam­men (älte­re Leser erin­nern sich viel­leicht noch an die Grie­chin Man­do, die 2003 Ähn­li­ches tat, nur dass ihr Aus­schnitt noch pral­ler gefüllt daher­kam) und führ­te die Hän­de öfters mal zum Gebet zusam­men, um die Kame­ra zu zwin­gen, auf die Milch­fa­bri­ken drauf­zu­hal­ten, dabei aber gleich­zei­tig den Ein­druck von Rein­heit und Hei­lig­keit zu erwe­cken. Zur Song­mit­te, als die­se Stra­te­gie nicht mehr län­ger über die stu­pen­de Lang­wei­lig­keit ihres halb­ga­ren Coun­try-Songs ‘Blue and red’ hin­weg­zu­täu­schen ver­moch­te, kon­ter­ka­rier­te sie sel­bi­ges Unschulds-Image jedoch durch den Ein­satz eines halb­nack­ten Stan­gen­tän­zers, auf des­sen Ober­kör­per man zwei­fel­los Mus­kat­nüs­se rei­ben könn­te, der aber ange­sichts des furcht­ba­ren Gejau­les von Frau Breč­ko auch nichts mehr zu ret­ten ver­moch­te. Galt seit dem Mill­en­ni­um eigent­lich das eher­ne Gesetz, dass nach einem Sieg Schwe­dens beim Song Con­test in nächs­ten Jahr zwin­gend Däne­mark gewinnt, so fand die­se Serie 2016 ihr abrup­tes Ende. Und zu Recht. Ich kann mei­ne unend­li­che Genug­tu­ung und Scha­den­freu­de nicht ver­heh­len, dass die “in die Jah­re gekom­me­ne Boy­band” (Peter Urban, herr­lich böse!) Light­house X (was sich prä­ten­tiö­ser­wei­se “Ten” und nicht “X” aus­spricht) mit ihrem Lied ‘Sol­diers of Love’, für wel­ches die Bezeich­nung “seicht” bereits zuviel der Ehre wäre, so ver­dient unter­ging. Gegen die drei Ste­ril­milch­büb­chen, die sich offen­sicht­lich selbst auf der Büh­ne zu Tode lang­weil­ten (genau­so wie die Zuschau­er im Glo­ben und vor den TV-Gerä­ten), wirkt ja selbst ein Flo­ri­an Sil­ber­ei­sen noch wie ein Hardrocker.

Car­rie Under­wood hat ange­ru­fen und will ihren Song zurück: Manu­El­la (SI)

Auch die beleuch­te­ten Mikro­fon­stän­der boten kei­nen Halt: die Lie­bes­sol­da­ten ertran­ken im Seich­ten. Gut so! (DK)

Neben Däne­mark und Finn­land (ers­tes Semi) schied am Don­ners­tag mit Nor­we­gen zudem das letz­te skan­di­na­vi­sche Land aus, mit Aus­nah­me der Gast­ge­ber. Zwar sang Måns in der Eröff­nungs­num­mer zum The­ma Nach­bar­schafts­vo­ting noch augen­zwin­kernd, wenn Schwe­den sei­ne 12 Punk­te an Nor­we­gen gebe, zeu­ge dies natür­lich nicht von geo­po­li­ti­scher Bevor­zu­gung, son­dern von gutem Geschmack. Doch davon konn­te heu­er nicht die Rede sein. Agne­te John­sen, die auf­grund einer depres­si­ven Erkran­kung im Vor­feld die­ser Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de sämt­li­che Wer­be­auf­trit­te und Pres­se­kon­fe­ren­zen absa­gen muss­te, ver­füg­te mit ‘Ice­brea­k­er’ zwar über einen qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen, ange­nehm düs­ter-dräu­en­den Elek­tro­pop­song, der in den Stro­phen eine viel­ver­spre­chen­de Span­nung auf­bau­te. Nur, um dann im Refrain eine kras­se Voll­brem­sung hin­zu­le­gen und das Tem­po mas­siv her­un­ter­zu­dros­seln – in mei­nen Ohren ein abso­lu­ter Dealb­rea­k­er! Ene­da Tarifa zeig­te sich genau so bera­tungs­re­sis­tent wie fast alle alba­ni­schen Eurovisionsvertreter/innen vor ihr: auch sie ver­wan­del­te gegen alles engels­zun­gen­haf­te Anre­den der Fans die wun­der­schön orches­trier­te, in Lan­des­spra­che gesun­ge­ne und somit anspre­chend mys­tisch klin­gen­de Ori­gi­nal­ver­si­on ihres Bei­trags ‘Për­rël­le’, mit dem sie der­einst das Fes­ti­vali i Kën­ges gewann, in ein tal­mi­haft bil­lig instru­men­tier­tes und durch die Tran­skrip­ti­on ins Eng­li­sche jed­we­den Charmes beraub­tes ‘Fairy­ta­le’. Im Bewer­bungs­vi­deo illus­triert durch eine Ver­klei­dung als Rot­käpp­chen sowie Acces­soires aus den hier­zu­lan­de völ­lig unbe­kann­ten alba­ni­schen Mär­chen von der kaput­ten Uhr und von der Schau­kel des Schams, gab sie uns beim Songcon­test die etwas pro­mi­nen­te­re Gold­ma­rie. In einem zuge­ge­be­ner­ma­ßen fabel­haf­ten Kleid, aber mit einer dem­entspre­chend völ­lig sta­ti­schen Performance.

Die Schüler/innen der Hand­ar­beits­klas­se der Nora-Brock­stedt-Grund­schu­le in Trom­sø haben ange­ru­fen und wol­len ihre Sche­ren­schnitt­ar­beit zurück: Agne­te (NO)

Die Aca­de­my of Moti­on Pic­tu­re Arts and Sci­en­ces hat ange­ru­fen und will ihre Oscar®-Statue zurück (AL)

Nun kom­men die Ski­pe­ta­ren dank des Dia­spo­ra­vo­tings ger­ne mal mit dem größ­ten Mist ins Fina­le. Ene­da hat­te aber das Pech, direkt nach Geor­gi­en antre­ten zu müs­sen, den Über­ra­schungs­qua­li­fi­kan­ten die­ses Semis, die mit einem atem­be­rau­ben­den Mix aus drei Tei­len Blur und zwei Tei­len brett­har­tem Elek­tro-Grunge gera­de die Hal­le zum Kochen gebracht hat­ten, wor­auf­hin das Gold­ma­rie­chen stim­mungs­mä­ßig wie ein nas­ser Wasch­lap­pen wirk­te. Nika Kocharov und die Young Geor­gi­an Loli­taz (ein Band­na­me, den man ange­sichts der unrühm­li­chen Rol­le Geor­gi­ens im Bereich der Kin­der­por­no­gra­fie nach dem Rat der ame­ri­ka­ni­schen Blog­ger von Overt­hin­king it bes­ser nicht goo­gelt, wenn man nicht für immer auf der schwar­zen Lis­te der NSA lan­den will) über­zeug­ten nicht nur mit einem exqui­si­ten Song, der selbst bei einem Gen­re­has­ser wie mir für einen Ohr­gas­mus sorg­te, son­dern auch mit einer durch­dach­ten Prä­sen­ta­ti­on, die sich von den mitt­ler­wei­le infla­tio­när ein­ge­setz­ten Holo­gram­men fern­hielt und zu dem guten alten Mit­tel der Bild­spie­ge­lung griff, wie wir es noch aus dem Musik­la­den der Sieb­zi­ger­jah­re ken­nen, so dass wir den fabel­haft behü­te­ten Nika zunächst dop­pelt, im Ver­lauf des Songs auch vier­fach sahen (oder lag das am zeit­gleich kon­su­mier­ten geor­gi­schen Wein?). Stro­bo­skop­ef­fek­te, schnel­le Kame­ra­schnit­te, ent­sät­tig­te Far­ben und psy­che­de­li­sche Bild­ver­frem­dun­gen ver­stärk­ten das Augen­plä­sier, wäh­rend die Loli­taz sto­isch auf die Instru­men­te ein­dro­schen. Bezie­hungs­wei­se so taten, denn natür­lich kam auch hier die Musik vom Band.

Ker­nig trotz Natur­wel­le: der Herr Kocharov (GE)

Noch uner­war­te­ter und im Gegen­satz zu Geor­gi­en völ­lig unver­ständ­lich die Qua­li­fi­ka­ti­on des pol­ni­schen Meat Loaf Michał Szpak, unter Freun­den von Dis­ney-Aben­teu­er­fil­men auch als Kapi­tän Szpak Spar­row bekannt. Optisch in sei­ner Kom­bi­na­ti­on aus schul­ter­lan­ger Mini­pli, Pira­ten­bärt­chen und schwarz lackier­ten Fin­ger­nä­geln zwar gewöh­nungs­be­dürf­tig, aber auf andro­gy­ne Wei­se anspre­chend, erwies sich jedoch die rote Zir­kus­di­rek­to­ren­uni­form mit dem schwar­zen Schul­ter­la­met­ta als abso­lu­ter, unver­zeih­li­cher Fehl­griff, der das sofor­ti­ge Aus zur Fol­ge hät­te haben müs­sen, wenn es denn Gerech­tig­keit gäbe. Und da spre­che ich jetzt noch nicht mal von sei­nem Song ‘Color of my Love’, einer llyoddweb­be­res­ken Musi­cal­bal­la­de mit völ­lig aus­ge­lutsch­ten “Oh oh oh oh”-Gesän­gen und brech­reiz­erre­gen­den Text­kli­schees, ein­schließ­lich eines Fire-Desi­re-Reims. Allen­falls der waid­wun­de, fle­hen­de Blick des Spa­cken in die Kame­ras und direkt hin­ein in die Her­zen euro­päi­scher Haus­frau­en, denen hier ver­mut­lich trotz Kli­mak­te­ri­ums wie­der die Milch ein­schoss, ver­mag das Ergeb­nis irgend­wie zu erklä­ren. Umge­kehrt bei Lau­ra Tesoro: als die im Janu­ar 2016 den bel­gi­schen Euro­song gewann, setz­te kaum jemand einen Pfif­fer­ling auf die damals schüch­ter­ne jun­ge Bel­gie­rin und ihren so dreist von Queens ‘Ano­ther One bites the Dust’ abkup­fern­den Funk-Pop-Song ‘What’s the Pres­su­re’. Im Semi aber pro­fi­tier­te sie ohne Ende von ihrem Start­platz als Letz­te des Abends: nach vier düs­te­ren bezie­hungs­wei­se zähen Titeln am Stück wirk­te sie und ihre mun­te­re, hoch moti­vier­te Tanz­grup­pe wie ein fri­scher Wir­bel­wind und ver­brei­te­te etwas, das sich beim Song Con­test in den letz­ten Jah­ren äußerst rar gemacht hat: Spaß näm­lich. Wuss­te ich gar nicht, dass der noch erlaubt ist! Lau­ra aber lie­fer­te: selbst­si­cher, strah­lend, fröh­lich, in sil­ber­nen Hot­pants und vor pas­sen­dem Sieb­zi­ger­jah­re­de­kor im Back­drop. Davon bit­te künf­tig, um mit der Andrea True Con­nec­tion zu spre­chen, ‘More more more’!

Avan­ta­sia-Lead­sän­ger Tobi­as Sam­met (DVE 2016) hat ange­ru­fen und will sei­ne Jacke zurück (PL)

Fred­die (nein, nicht der Ungar:) Mer­cu­ry hat ange­ru­fen und will sein Riff zurück (BE)

ESC 2. Semi­fi­na­le 2016

Euro­vi­si­on Song Con­test 2016 – Zwei­tes Semi­fi­na­le. Don­ners­tag, 12. Mai 2016, aus dem Glo­ben in Stock­holm, Schwe­den. 19 Teil­neh­mer, Mode­ra­ti­on: Petra Mede + Måns Zelmerlöw.
#LKInter­pretTitelPkt
gs
Pl
gs
Pkt
TV
Pl
TV
01LVJus­ts SirmaisHeart­beat1320806807
02PLMichał SzpakColor of your Love1510613104
03CHRykkaThe Last of our Kind0281800318
04ILHovi StarMade of Stars1470702016
05BYAlex­an­der IvanovHelp you fly0841205209
06RSSan­ja VučićGood­bye (Shel­ter)1051005010
07IENicky Byr­neSun­light0461503114
08MKKali­o­pi BukleDona0881105408
09LTDon­ny MontellI’ve been wai­ting for this Night2220411806
10AUDami ImSound of Silence3300114202
11SIManu­El­la BrečkoBlue and red0571400817
12BGPoli Geno­vaIf Love was a Crime2200512205
13DKLight­house XSol­diers of Love0341702415
14UAJama­la19442870215201
15NOAgne­te JohnsenIce­brea­k­er0631303413
16GENika Kocharov + Young Geor­gi­an LolitazMid­night Gold1230903911
17ALEne­da TarifaFairy­ta­le0451603512
18BELau­ra TerosoWhat’s the Pressure2740313503

5 Comments

  • Hihi…falls der Arti­kel nicht schon ein­deu­tig genug war, zeigt auch die Tabel­le am Ende noch­mal deut­lich, was der Haus­herr vom pol­ni­schen Bei­trag hielt. Das “NQ” stimmt bedau­er­li­cher­wei­se nicht. (Irgend­was machen die Polen aller­dings in den letz­ten Jah­ren rich­tig – 3/3 Qua­li­fi­kan­ten seit der Rück­kehr 2014.)

    Ich kann mir die­ses spe­zi­el­le “Q” aber auch nur mit der enorm schwa­chen Kon­kur­renz erklä­ren. Was für ein sturz­lang­wei­li­ger Abend. Dem Him­mel sei gedankt für Weiß­russ­land, Bul­ga­ri­en, Geor­gi­en und Bel­gi­en, die wenigs­tens ein biss­chen Inter­es­se rein­ge­bracht haben (im Fall von Weiß­russ­land die ganz fal­sche Art, ähn­lich wie San Mari­no am Diens­tag, aber heu­te konn­te man wirk­lich nicht wäh­le­risch sein). Bel­gi­en 2016 erin­nert mich rein vom Spaß­fak­tor her an die Schweiz 2014 – Sebal­ter war damals auch so ziem­lich der Ein­zi­ge, der der Spaß­po­li­zei ent­kom­men war.

    Und schämt euch in Grund und Boden, Aus­tra­li­en! So äußert sich also eure Dank­bar­keit, end­lich mit­ma­chen zu dür­fen? Mit einer (zuge­ge­ben gran­di­os per­form­ten) Malen-nach-Zah­len-Bal­la­de, gegen die sogar der pol­ni­sche Bei­trag inno­va­tiv und der maze­do­ni­sche wort­ge­wandt wirkt? Ernst­haft: “Now my heart awa­kes to the sound of silence / And it beats to the sound of silence / And it beats to the sound of silence”? Das soll ein Refrain sein? Den womög­lich auch noch ein Eng­lisch-Mut­ter­sprach­ler ver­fasst hat? Ich weiß ja, dass beim ESC der Text bes­ten­falls Platz 9 auf der Prio­ri­tä­ten­lis­te hat, aber selbst dann kann man es übertreiben. 

    Noch dazu ist es fast immer eine furcht­bar schlech­te Idee, Leu­te wäh­rend des Songs an bes­se­re Lie­der zu erin­nern – was neben­bei auch mal jemand den Alba­nern hät­te erzäh­len sol­len, wobei deren Titel­klau noch eine Ecke däm­li­cher war, weil sie das Publi­kum an einen der popu­lärs­ten Sie­ger des Wett­be­werbs erin­ner­te; ich war­te dann nächs­tes Jahr auf “Water­loo” aus San Mari­no, “Hard Rock Hal­le­lu­jah” aus Irland oder “Ein biss­chen Frie­den” aus Lett­land. Wenn ich mich ent­schei­den müss­te, mir noch­mal ein Lied namens “Sound of Silence” anzu­hö­ren, neh­me ich jeden­falls Simon and Gar­fun­kel, herz­li­chen Dank auch.

    Eurgh. Der rus­si­sche Sieg wird immer unver­meid­li­cher. Und das passt mir über­haupt nicht – und zwar nicht nur, weil es Russ­land ist und damit mei­ne tiefs­te Anti­pa­thie genießt, son­dern auch, weil ich den Hype ein­fach nicht begrei­fe. Aber das habe ich bei “Eupho­ria” oder “Fairy­ta­le” auch nicht. Mein Favo­rit lan­det ja sowie­so immer irgend­wo um Platz 15 (in die­sem Sin­ne schon mal Glück­wunsch an Öster­reich hierzu!).

  • Vor­weg: Das Pro­blem, dass man­che Bei­trä­ge im Teil­neh­mer­feld beson­ders kon­ven­tio­nell wirk­ten, hat­te die­ses Semi nicht. Im Ver­gleich zum ers­ten Halb­fi­na­le wirk­te das zwei­te ohne­hin eher wie “klas­si­scher” und weni­ger wie “zeit­ge­nös­si­scher” ESC. Ande­rer­seits sind auch gefühlt weni­ger Bei­trä­ge durch das Büh­nen­bild erdrückt wor­den. Auf jeden Fall habe ich auch hier wie­der Punk­te zwi­schen 0 und 5 verteilt.

    Lett­land, Polen – hier agier­ten am Anfang zwei klei­ne männ­li­che Dra­ma-Queens, der eine singt sich die See­le aus dem Leib, der ande­re scheint die Last der gan­zen Welt zu tra­gen, bei­des etwas zu thea­tra­lisch (aber jeweils 4 Punkte)
    Schweiz – sym­pa­thisch, aber nicht die bes­te Sän­ge­rin (3 Punkte)
    Isra­el – ordent­lich über die Büh­ne gebracht, nur den Pyro-Regen fand ich etwas too much (2 Punkte)
    Weiß­russ­land – da feh­len mir die Wor­te (0 Punkte)
    Ser­bi­en – kraft­voll, effek­tiv (5 Punkte)
    Irland – nur nett sein reicht nicht, wirk­te direkt nach San­ja gesang­lich und musi­ka­lisch wenig beein­dru­ckend (0 Punkte)
    Maze­do­ni­en – trotz kraft­vol­ler Stim­me unspek­ta­ku­lär (0 Punkte)
    Litau­en – ordent­li­cher Euro­pop (1 Punkt)
    Aus­tra­li­en – inter­na­tio­na­les For­mat, auch wenn sich mir der Sinn der Holo­gram­me nicht ganz erschlos­sen hat, könn­te even­tu­ell die­ses Semi gewon­nen haben (3 Punkte)
    Slo­we­ni­en – Tur­ner ablen­kend und total sinn­los (0 Punkte)
    Bul­ga­ri­en – coo­ler Auf­tritt, nur der “TV-Schnee” war etwas irri­tie­rend, ich hät­te wohl eher schwarz-weiß kubis­ti­sches pas­send zum Kleid auf die LED-Wän­de pro­ji­ziert (2 Punkte)
    Däne­mark – sym­pa­thi­sche Num­mer, nach Poli den­noch etwas alt­ba­cken und blut­leer (1 Punkt)
    Ukrai­ne – viel­leicht einen Tick zu inten­siv vor­ge­tra­gen (4 Punkte)
    Nor­we­gen – hat mir auf der ESC-Büh­ne bes­ser gefal­len als auf Plat­te oder beim nor­we­gi­sche Vor­ent­scheid (4 Punkte)
    Geor­gi­en – schö­nes Indie-Fee­ling, stel­len­wei­se viel­leicht etwas zu anstren­gend (5 Punkte)
    Alba­ni­en – prä­sen­tiert von Fer­re­ro Rocher? Die eng­li­sche Spra­che wirkt in dem Lied wie ein Fremd­kör­per (0 Punkte)
    Bel­gi­en – nicht mei­ne Musik­rich­tung, so etwas fun­ki­ges fin­de ich per­sön­lich immer sehr alt­ba­cken (0 Punkte)

    Mei­ne 20 Anru­fe gin­gen übri­gens an Geor­gi­en. Und obwohl im Vor­feld auf das Wei­ter­kom­men des Bei­trags getippt hat­te, war der Final­ein­zug, den­noch eine sehr gro­ße und vor allem sehr schö­ne Überraschung.

  • Kein Wort zu Jama­la? Man hat da rich­tig gemerkt, wie ver­sucht wird, sich gegen einen rus­si­schen Sieg zu stem­men. Und die Backings haben Jama­la gera­de am Ende rich­tig getra­gen. Das war bei Rykka und Kali­o­pi ganz anders. Trotz­dem sehr scha­de um Kaliopi.
    Es freut mich, dass es Polen und Geor­gi­en geschafft haben. Ich hät­te nicht gedacht, dass bei­de Län­der in Euro­pa so gut ankom­men. Und end­lich hat es auch mal Bul­ga­ri­en geschafft, auch wenn ich immer noch nicht ganz Poli Geno­vas Kleid gerafft habe. Ist es irgend­was von Lego?

  • @Ospero: oops. Das kommt davon, wenn ich die Arti­kel nachts noch schrei­be… Dan­ke für den Hin­weis, ist korrigiert.
    @Deutscheland: Jama­la heb ich mir fürs Fina­le auf. Ist aber mein Lieb­lings­lied die­ses Jahr.

  • La Schir­schi (Geor­gi­en) wei­ter! Juhu!
    Akne­te raus! juhu!
    Zigeu­ner- oops: Polen­ba­ron wei­ter! Mist!
    Schweiz: Da wür­de ich Obs­ti­pa­ti­on dia­gnos­ti­zie­ren. Wer denkt sich so was aus? Cho­reo und Kled­da­ge – da muss sich jemand über­legt haben, wie man es wirk­lich übel macht, geht es nicht noch einen Ticken geschmackloser .…

    Ukrai­ne hat mich der­ma­ßen posi­tiv über­rascht, dass ich hier auf einen Sieg nicht nei­disch wäre.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert