Ach, all der Auf­wand: Arts­vik singt eine Arie für Armenien

Es kann nie­mand behaup­ten, die Arme­ni­er näh­men den Euro­vi­si­on Song Con­test nicht ernst. Geschla­ge­ne drei Mona­te lang lief, von der Öffent­lich­keit außer­halb des Lan­des der Apri­ko­sen­bäu­me wei­test­ge­hend unbe­merkt, dort die Cas­ting­show Depi Evra­te­sil (Zur Euro­vi­si­on), mit wel­cher die Haja­sta­ner ihren Ver­tre­ter für Kiew zu ermit­teln such­ten. Mit zahl­rei­chen Audi­tions, etli­chen Duel­len und drei Live-Shows im arme­ni­schen Fern­se­hen. Heu­te Abend ging dort, wäh­rend der west­eu­ro­päi­sche Euro­vi­si­ons­fan im Krei­se der Liebs­ten die Weih­nachts­ge­schen­ke öff­ne­te, der Vier­tel­jah­res­ma­ra­thon zu Ende, mit einem Zwei­kampf der bei­den übrig­ge­blie­be­nen Kom­bat­tan­tin­nen Mar­ta und Arts­vik. Letz­te­re gewann mit 60% der Jury- und 80% der Zuschau­er­stim­men. Bei der 32jährigen Arts­vik Haru­ty­u­nya, so der vol­le Name der Sän­ge­rin, han­delt es sich um ein typi­sches Cas­ting-Show-Gewächs, wel­ches in der rus­si­schen Aus­ga­be von The Voice ers­te Erfah­run­gen sam­mel­te. Das hört man auch: wie so vie­le ihre Kol­le­gin­nen ver­greift sie sich mit Vor­lie­be an erfolg­rei­chen Pop-Bal­la­den, wel­che ihr die Mög­lich­keit geben, mit Stimm­vo­lu­men zu über­zeu­gen. Lei­der jedoch ohne jed­we­de Rück­sicht­nah­me auf die Fein­hei­ten der Aus­spra­che und Beto­nung. Da wird gejo­delt und modu­liert, bis die Schwar­te kracht, aber um was es in dem Song inhalt­lich geht, wüss­te die Dame ver­mut­lich nicht. Das focht aber auch das mit ehe­ma­li­gen arme­ni­schen Eurovisionsteilnehmer/innen pro­mi­nent besetz­te Jury­panel nicht wei­ter an. All der Auf­wand dien­te im Übri­gen nur zur Ermitt­lung der Gesangs­fach­kraft, das zum Vor­tra­ge zu brin­gen­de Lied­gut steu­ert der Sen­der extra bei – ver­mut­lich nach einer Ein­kaufs­tour in Stock­holm. Und mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit erwar­tet uns eine bom­bas­ti­sche, kli­schee­trie­fen­de Euro­vi­si­ons­bal­la­de mit gro­ßer hoher Schlussnote.

Exe­ku­tiert mit dem Charme und gesang­li­chen Fein­ge­fühl einer rus­si­schen Kugel­stoß-Olym­pio­ni­kin: Arts­vik mas­sa­kriert ‘A Mil­li­on Voices’.

Ihre Kon­kur­ren­tin Mar­ta ver­füg­te wohl über eine deut­lich umfang­rei­che­re künst­le­ri­sche Band­brei­te. Aller­dings ist das, was sie im Ver­lau­fe der Cas­ting­show dem belieb­ten Bei­trag ‘Rhythm insi­de’ (→ BE 2015) antat, unver­zeih­lich, und das sahen wohl auch die Abstim­men­den so. Zu den bereits Anfang Dezem­ber 2016 im Rah­men der Vor­run­den Aus­ge­schie­de­nen zähl­te bedau­er­li­cher­wei­se der Sin­ger-Song­wri­ter und über­zeu­gen­de Hip­ster­dar­stel­ler Alex­an­der Pla­to (irgend­et­was sagt mir, dass es sich hier­bei um einen Künst­ler­na­men han­delt), der mit extra­va­gan­ten Auf­trit­ten im Gedächt­nis bleibt, so bei­spiels­wei­se einer Inkar­na­ti­on Luzi­fers, mit dia­bo­li­scher Augen­schmin­ke und Teu­fels­bärt­chen pas­sen­der­wei­se zu einem düs­te­ren Song-Infer­no namens ‘Faust Can­tan­ta’ dar­ge­bo­ten. Und ja, dem auf­merk­sa­men Hörer mag es nicht ent­gan­gen sein: er singt dort auf so etwas wie Deutsch. Wie es das Stück aus der 1982 ver­fass­ten Faust-Kan­ta­te ‘Seid nüch­tern und wachet’ des rus­sisch-deut­schen Kom­po­nis­ten Alfred Schnitt­ke auch vor­sieht. Der sper­ri­ge Hoch­kul­tur-Import irri­tier­te das Publi­kum in Eri­wan sehr ersicht­lich, und selbst der Jury-Vor­sit­zen­de Aram MP3 (→ AM 2014) sah sich genö­tigt, zu einem impro­vi­sier­ten Kru­zi­fix zu grei­fen, um das Böse abzu­weh­ren, das Pla­to gera­de ins TV-Stu­dio getra­gen hat­te. Wie fantastisch!

A gre­at phi­lo­so­pher once wro­te: “Naugh­ty naugh­ty, very naugh­ty”: Alex­an­der Plato.

Zu den Abstim­mungs­be­rech­tig­ten zähl­ten übri­gens unter ande­ren auch Mel­lo-Chef Chris­ter Björk­man (→ SE 1992), Wiwi­b­log­ger Wil­liam Lee Adams und der zyprio­ti­sche TV-Pro­du­zent Kli­tos Kli­tou (jetzt mal kein anzüg­li­ches Geki­cher, bit­te!). Let­zerer brach­te dann auch den aktu­el­len Euro­vi­si­ons­ver­tre­ter der Mit­tel­meer­in­sel, Hovig Demir­ji­an, mit (ja, arme­ni­scher Abstam­mung, wie der Nach­na­me ver­mu­ten lässt), der neben Ive­ta Muku­chyan (→ AM 2016) als Pau­sen­act fungierte.

Wer sich das gan­ze Elend noch­mal rein­zie­hen möch­te: hier das kom­plet­te andert­halb­stün­di­ge Finale.

1 Comment

  • Arts­vik: ein schö­ne­res Weih­nachts­ge­schenk konn­te man der ESC-
    Gemein­de mit die­sem Namen wirk­lich nicht machen.

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