Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen: it’s all your Head

Nicht nur das ukrai­ni­sche Fern­se­hen hinkt der­zeit mäch­tig hin­ter dem Zeit­plan her bei der Vor­be­rei­tung auf den Euro­vi­si­on Song Con­test 2017. Auch hier in der aufrechtgehn.de-Zentrale in Frank­furt sta­peln sich die noch zu sich­ten­den Bei­trä­ge aus aller Welt – dabei sind wir noch bei Wei­tem nicht in der Haupt­sai­son! Aber wann soll man auch die Zeit (und die Lei­dens­be­reit­schaft) fin­den, sich durch die Mit­schnit­te der rund sech­zig (!) Live-Audi­tions zu quä­len, die am Mitt­woch letz­ter Woche in Minsk statt­fan­den und aus denen letzt­lich 13 Kandidat/innen für die natio­na­le Vor­ent­schei­dung Weiß­russ­lands her­vor­gin­gen. 13 Kandidat/innen, wie sie ega­ler nicht sein könn­ten und von denen nicht eine/r auch nur den Hauch einer Chan­ce auf einen Final­ein­zug in Kiew besitzt. Auch bei der Sen­der­ju­ry lagen die Ner­ven offen­sicht­lich blank: einen Gut­teil der sech­zig Hoff­nungs­vol­len würg­te man mit­ten im Vor­trag mit einem bar­schen “Spa­si­ba!” wie­der ab. So wie bei­spiels­wei­se einen äußerst tra­gi­schen Herrn mitt­le­ren Alters namens Frame, der zu einem boun­cen­den Dis­co-Track namens ‘Dance Power’ die Inkar­na­ti­on eines schwu­len Strau­ßen­vo­gels dar­bot und vor lau­ter affek­tier­tem Her­um­stol­zie­ren mehr­fach über sei­ne eige­ne Zun­ge stol­per­te. Als sich dann auch noch sei­ne Start­num­mer vom ung­la­mou­rö­sen Karo­hemd lös­te, war’s genug: Sound aus, “Spa­si­ba”, seit­lich stak­sen­der Abgang. Herrlich!

Ein wenig unent­spannt wirkt er, der Herr Frame.

Den kom­plet­ten knapp drei­mi­nü­ti­gen Song vor­tra­gen durf­te hin­ge­gen Vita­ly Voron­ko. Er tat dies er in einem Bibo-far­be­nen Super­hel­den­kos­tüm (nein, ich weiß nicht, war­um), beglei­tet von einer lieb­rei­zen­den, sehr kame­ra­t­aug­li­chen Zither­spie­le­rin, einem kilt­tra­gen­den, weiß­ge­schmink­ten Pan­to­mi­men (nein, ich weiß nicht, war­um) und einem tan­zen­den, unge­fähr drei Meter hohen Plüsch-Eis­bä­ren mit Bala­lai­ka (nein, ich weiß nicht, war­um). In die­sem steck­te jedoch offen­sicht­lich ein ledig­lich nor­mal gro­ßer Mensch, so dass der pel­zi­ge Polar­be­woh­ner deut­lich Schlag­sei­te hat­te, was ins­be­son­de­re beim Her­um­tap­sen sehr, sehr lus­tig aus­sah. Weni­ger lus­tig indes das grau­en­haft ver­stüm­mel­te Pidgin-Eng­lisch des Song­tex­tes, mit dem Voron­ko auf den Spu­ren von Snoop Dog­gy Dogg wan­del­te und sich und uns frag­te ‘What’s my Name?’. Das­sel­be hat­te unser guter Vita­ly – ohne Beglei­tung sei­ner bizar­ren Kum­pa­ne, dafür im sel­ben quietsch­gel­ben Out­fit – inter­es­san­ter­wei­se bereits im Sep­tem­ber 2016 in der Cas­ting­show Britain’s Got Talent getan (Lukaschen­ko scheint mit den Aus­rei­se­vi­sa wirk­lich frei­zü­gig umzu­ge­hen!), wo die Juro­ren das nahe­lie­gen­de Wort­spiel auf­nah­men und den schein­bar der Lan­des­spra­che wenig mäch­ti­gen Sän­ger per­ma­nent – und frucht­los – frag­ten, wie denn nun sein Name eigent­lich lau­te­te? Es nütz­te ihm weder auf der Insel noch daheim in Minsk: Vita­ly kam in bei­den Shows nicht wei­ter. Und zu Recht.

Tanz, betrun­ke­ner Tanz­bär, dreh Dich im Krei­se: Vita­ly & die Klitschkos.

Ins Fina­le, das nun “nicht spä­ter als” am 25. Janu­ar 2017 statt­fin­den soll, schaff­te es hin­ge­gen die Dau­er­par­ti­zi­pan­tin und dies­jäh­ri­ge pol­ni­sche Türk­vi­zyons-Ver­tre­te­rin Olga Schi­mans­ka­ja, die in Minsk aller­dings unter dem Namen Napo­li zum Vor­ent­scheid antritt – und das seit 2014 jedes ver­damm­te Jahr. Sie ver­sucht es dies­mal mit einem von gleich drei “Zusam­men”-Songs: im Line-up fin­den sich die Lied­ti­tel ‘We should be tog­e­ther’ von Ange­li­ka Push­no­va, Olgas ‘Let’s come tog­e­ther’ und fol­ge­rich­tig ‘We’ll be tog­e­ther’, das aber nicht Ange­li­ka und Olga im Duett sin­gen, son­dern Ana­sta­sia She­ver­en­ko. Sie mögen halt das Gemein­schaft­li­che, die Bela­rus­sen! Die drei Damen tref­fen dort unter ande­rem auf Niki­ta Hodas, der unter einer schwe­ren psy­cho­ti­schen Stö­rung zu lei­den scheint, hört er doch eine ‘Voice in my Head’. Wirk­te er beim Vor­sin­gen des­we­gen so gehemmt und lin­kisch? Und behaup­te­te er des­we­gen mit­ten im Lied, sei­nen win­seln­den Kas­tra­ten­ge­sang unver­mit­telt unter­bre­chend und statt­des­sen aus einem mit­ge­brach­ten Reclam-Heft­chen in rade­bre­chen­dem Eng­lisch rezi­tie­rend, er “spie­le U‑Bahn” (wo zur Höl­le steigt man bei ihm ein?) und – pro­fund phi­lo­so­phisch fest­ge­stellt – nie­mand wis­se, “wer ist ich”? Das Ren­nen ums Ticket nach Kiew und den dritt­letz­ten Platz im dor­ti­gen Semi­fi­na­le dürf­te sich aller­dings nicht zwi­schen Napo­li und Niki­ta ent­schei­den, son­dern zwi­schen den Bands Nuto­ka Nuteki und Navi. Nnnnnnnn.….

Buch macht kluch. Naja, nicht immer.

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