Kiew 2017: Ticket­ver­kauf mor­gen – Fan­clubs gehen leer aus – Team tritt zurück

Das muss man den Ukrai­nern las­sen: in Sachen Euro­vi­si­ons­dra­ma las­sen sie selbst die spa­ni­schen Fans mit ihrem Bei­na­he­auf­stand beim Vor­ent­scheid alt aus­se­hen. Wie eurovision.tv und der NDR über­ein­stim­mend bestä­ti­gen, gehen sehr kurz­fris­tig mor­gen (Diens­tag) Abend ab 19:15 Uhr sämt­li­che (!) Tickets für den Euro­vi­si­on Song Con­test 2017 zu Prei­sen von 7 bis zu 500 € in den Ver­kauf. Der Ver­kaufs­start war ursprüng­lich bereits zu einem frü­he­ren Zeit­punkt geplant, muss­te aber ver­scho­ben wer­den, weil es bei der Aus­schrei­bung (die zunächst eine ande­re Ticke­tagen­tur gewann) zu Unre­gel­mä­ßig­kei­ten gekom­men sein soll und ein Gericht das Ver­fah­ren stopp­te. Die Situa­ti­on ist um so dra­ma­ti­scher, da die orga­ni­sier­ten Fans dies­mal leer aus­ge­hen: anders als in den Vor­jah­ren gebe es, wie der OGAE Inter­na­tio­nal sei­ne ange­schlos­se­nen Mit­glie­der vor weni­gen Minu­ten infor­mier­te, für die Clubs dies­mal weder eige­ne Ein­tritts­kar­ten­kon­tin­gen­te noch Fan-Akkre­di­tie­run­gen (mit denen man bis­lang zumin­dest in den Euro­club kam). Wer die Show live vor Ort sehen möch­te, ist also nun auf sich selbst gestellt. Wobei es frag­lich erscheint, ob man beim Ticket­kauf für sein Geld mehr erhält als nur bedruck­tes Papier: heu­te Nach­mit­tag bestä­tig­te die EBU Mel­dun­gen, dass lei­ten­de Mitarbeiter/innen des ukrai­ni­schen Sen­ders NTU, die mit den Vor­be­rei­tungs­ar­bei­ten für Mai 2017 beauf­tragt waren, am ver­gan­ge­nen Frei­tag zurück­tra­ten. Hin­ter­grund schei­nen per­so­nel­le Que­re­len zu sein: nach­dem im ver­gan­ge­nen Novem­ber bereits der bis­he­ri­ge Gene­ral­di­rek­tor von NTU, Zurab Alasa­nia, den Bet­tel hin­schmiss, weil er auf­grund von poli­ti­scher Blo­cka­de und restrik­ti­ven Ver­ga­be­vor­schrif­ten “noch nicht mal ein Han­dy kau­fen” kön­ne, geschwei­ge denn die not­wen­di­gen exter­nen Fach­fir­men beauf­tra­gen, beka­men die Mitarbeiter/innen einen neu­en Chef vor­ge­setzt – und mit dem konn­ten sie wohl nicht.

Ola Melzig ist auch dies­mal im Pro­duk­ti­ons­team – und “ziem­lich sicher”, dass man es schafft

Wäh­rend es von offi­zi­el­ler Sei­te hieß, dass nun alles lau­fe, bekla­gen sich die Abtrün­ni­gen in einem offe­nen Brief (deut­sche Über­set­zung von den Prinz-Blog­gern), “dass die gesam­te Arbeit an dem Pro­jekt bei­na­he zwei Mona­te still­stand. In die­ser Zeit hat das neue Manage­ment […] kei­nen ein­zi­gen wirk­li­chen Schritt durch­ge­führt, um sicher­zu­stel­len, dass das Pro­jekt in dem gefor­der­ten Zeit­raum ver­wirk­licht wird”. Auch zum jet­zi­gen Zeit­punkt sei­en wich­ti­ge Ver­trä­ge mit tech­ni­schen Dienst­leis­tern noch immer nicht abge­schlos­sen. So kön­ne man nicht arbei­ten. Die EBU beeil­te sich, in einem State­ment dar­auf hin­zu­wei­sen, dass man die Ukrai­ne in der Pflicht sehe, die Vor­be­rei­tun­gen den­noch in der vor­ge­ge­be­nen Zeit zum Abschluss zu brin­gen, was dar­auf hin­deu­tet, dass kein Plan B exis­tiert. Der ver­ant­wort­li­che Sen­der ver­such­te unter­des­sen, den Vor­fall her­un­ter­zu­spie­len. In einer am frü­hen Abend kurz­fris­tig ange­setz­ten Pres­se­kon­fe­renz sag­te der stell­ver­tre­ten­de Gene­ral­di­rek­tor von NTU, Pav­lo Hrytsak: “Ich möch­te mich beim gesam­ten Team bedan­ken, das an der Orga­ni­sa­ti­on des Con­tests betei­ligt war und auch wei­ter­hin ist. Wir set­zen unse­re Arbeit fort. Unse­re zeit­li­chen Vor­ga­ben sind sehr straff, der­zeit lie­gen wir aber voll im Plan. Wir tun wei­ter­hin alles, um den Con­test auf höchs­tem Niveau zu orga­ni­sie­ren”. Der Schwe­de Ola Melzig, der mit sei­ner Pro­duk­ti­ons­fir­ma M&M schon etli­che Grand Prixs und natio­na­le Vor­ent­schei­dun­gen auf die Bei­ne stell­te und auch in Kiew wie­der invol­viert ist, rela­ti­vier­te die­se Aus­sa­ge ein wenig: “Es ist kein Geheim­nis, dass wir ein biss­chen hin­ten­dran sind. Aber ich ver­traue mei­nem Team von inter­na­tio­na­len Exper­ten, die wis­sen, was zu tun ist. In den meis­ten Fel­dern sind wir mit­ten im Pro­duk­ti­ons­pro­zess und machen gute Fort­schrit­te. Ich bin ziem­lich sicher, dass wir es schaf­fen und eine fan­tas­ti­sche Show auf die Büh­ne brin­gen”. Hrytsak beton­te laut escK­az in der Pres­se­kon­fe­renz, dass die jetzt Aus­ge­stie­ge­nen (“Wir kön­nen nie­man­den zur Arbeit zwin­gen”) nicht an zen­tra­ler Stel­le in die Orga­ni­sa­ti­on ein­ge­bun­den sei­en – etwas, dass die­se in ihrem Brand­brief ja bemän­gel­ten – sowie, dass die wich­tigs­ten Leu­te wei­ter­mach­ten und man die ent­stan­de­nen Lücken schnell fül­len wolle.

Unent­behr­lich für die Show: ent­fes­sel­te Fans

Es ent­behrt nicht einer gewis­sen tra­gi­schen Iro­nie, dass gera­de die Maß­nah­men, mit denen der im welt­wei­ten Kor­rup­ti­ons­in­dex noch hin­ter Russ­land auf den unters­ten Rän­gen lie­gen­de Staat die für die dor­ti­ge, mehr als fra­gi­le Demo­kra­tie so kri­ti­schen Mau­sche­lei­en in Wirt­schaft und Ver­wal­tung in den Griff bekom­men möch­te – näm­lich beson­ders restrik­ti­ve Ver­ga­be­vor­schrif­ten für öffent­li­che Insti­tu­tio­nen, zu denen natür­lich auch das Fern­se­hen gehört – im Zusam­men­hang mit dem Euro­vi­si­on Song Con­test nun für per­ma­nen­te Auf­ruhr, feh­len­de Ver­trä­ge, per­so­nel­le Rück­trit­te, kri­ti­sche Ver­zö­ge­run­gen im Betriebs­ab­lauf und, im schlimms­ten Fall, für die größt­mög­li­che inter­na­tio­na­le Bla­ma­ge sor­gen könn­ten. Und dass gera­de die orga­ni­sier­ten Fans, seit 2004 von den Sen­dern beson­ders gehät­schelt und gepflegt, weil sie im Gegen­zug stets für bes­te Stim­mung in Hal­le sorg­ten und mit ihren bun­ten Ver­klei­dun­gen und dem hem­mungs­lo­sen Mit­fei­ern in der Euro­vi­si­on Mosh Pit direkt vor der Büh­ne feins­tes Kame­ra­schwenk­fut­ter für die Live-Sen­dung abga­ben, nun die Opfer die­ses Hick­hacks wer­den. Denn auch hier lag ein Haupt­grund für die unter­las­se­ne Bevor­zu­gung der Fan­clubs nach Mit­tei­lung von Klaus Wory­na (OGAE Deutsch­land) in den stren­gen ukrai­ni­schen Anti­kor­rup­ti­ons­ge­set­zen, die eine Rabat­tie­rung der Ticket­prei­se für die Fan-Orga­ni­sa­tio­nen nicht zulas­se. Ärger­lich für die Hard­core-Euro­vi­sio­nis­tas, ander­seits wer­den die Ukrai­ner die Hüt­te zur Not auch ohne die Fan­clubs voll­krie­gen. Und allen, die jetzt wie­der reflex­ar­tig for­dern, dem Land die Show weg­zu­neh­men, sei gesagt, dass unter den bestehen­den zeit­li­chen Vor­ga­ben wohl auch kei­ne ande­re TV-Anstalt mehr eine funk­tio­nie­ren­de Sen­dung bis Mai 2017 hin­be­kä­me. Bei allem ver­ständ­li­chen Frust scheint mir ein biss­chen mehr Gelas­sen­heit ohne­hin ange­zeigt: als vor genau vier­zig Jah­ren, als die BBC den Gast­ge­ber spiel­te, muss­te die Sen­dung auf­grund eines unbe­fris­te­ten Streiks der bri­ti­schen Kame­ra­leu­te um meh­re­re Wochen ver­scho­ben wer­den, ohne dass die Welt davon unter­ging. Und das wird sie auch dies­mal nicht.

Wirst Du ver­su­chen, mor­gen Kar­ten zu ergattern?

  • Fuck that! Wenn sie die Fans nicht haben wol­len, bleib ich halt daheim. (48%, 16 Votes)
  • Ver­su­chen ja, aber ohne gro­ße Hof­fung. Die Sei­te wird eh zusam­men­bre­chen und alle Tickets in dunk­len Kanä­len ver­schwin­den. (21%, 7 Votes)
  • Das ver­steht sich von selbst. Ein ech­ter Fan lässt sich von nichts abschre­cken. (15%, 5 Votes)
  • Da ist mir das Risi­ko zu hoch, dass sie es doch can­celn und ich mein Geld nicht wie­der­be­kom­me. (15%, 5 Votes)

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