Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen: from Lai­bach with Love

Zuneh­mend plä­die­re ich dafür, den ein­zel­nen Natio­nen in ihren jewei­li­gen Euro­vi­si­ons-Vor­auswah­len die Ent­schei­dungs­ge­walt über die Fra­ge, wel­che der vor­ge­stell­ten Titel wei­ter­kom­men sol­len, voll­stän­dig weg­zu­neh­men und auf die inter­na­tio­na­le Zuschau­er­schaft zu über­tra­gen. Aktu­el­ler Grund für die­se For­de­rung: das am heu­ti­gen Frei­tag­abend aus­ge­strahl­te ers­te Semi­fi­na­le der slo­we­ni­schen EMA, bei wel­cher das hei­mi­sche Publi­kum mal wie­der gene­ri­schen Mist wei­ter­wähl­te und den ein­zi­gen inter­es­san­ten Bei­trag des Abends zurück­wies. So schaff­te es der bereits von letz­ten Con­test aus Kiew bekann­te (und immer noch sehr nett anzu­schau­en­de) Omar Naber (→ SI 2005) mit einem wirk­lich schlim­men Schleim­prop­fen von Lied, für wel­ches sich selbst ein Julio Igle­si­as (→ ES 1970) wohl schä­men wür­de, ins Fina­le, wäh­rend das dümmst­mög­lich benams­te Damen­trio Tos­ca Beat die Par­füm­fläsch­chen wie­der ein­pa­cken muss­te. Dabei boten die drei Pope­ra-Gra­zi­en im ganz und gar auf ihren Auf­tritt zurecht­de­ko­rier­ten Sen­de­stu­dio von RTVS­LO mit dem Titel ‘Free World’ so etwas wie eine extrem weich­ge­spül­te Vari­an­te des größ­ten slo­we­ni­schen Pop-Export-Schla­gers feil, der Art­house-Indus­tri­al-Band Lai­bach näm­lich. Von der grun­zend tie­fen Män­ner­stim­me über die faschis­ti­schick-mili­tä­risch ange­hauch­te Büh­nen­gar­de­ro­be und einer Gleich­schritt-Marsch-Cho­reo bis zu per Mega­fon ein­ge­streu­ten, poli­tisch klin­gen­den Pos­tu­la­ten erin­ner­te etli­ches ent­fernt an die Ele­men­te, wel­che das bewusst mit den ästhe­ti­schen Codes mili­tan­ter Orga­ni­sa­tio­nen spie­len­de, seit 1980 bestehen­de Kunst­pro­jekt aus Ljublja­na ger­ne nutzt. Wobei ich den Namen der slo­we­ni­schen “Ramm­stein für Erwach­se­ne” (Eigen­be­zeich­nung) durch den Ver­gleich zu unse­rem EMA-Act nicht in den Schmutz zie­hen möch­te: da lie­gen natür­lich künst­le­ri­sche Wel­ten dazwi­schen. Ach was: Weltalle!

Lai­bach trifft Alen­ka Gotar: Tos­ca Beat (SI)

Doch auch, wenn es sich bei Tos­ca Beat nur um einen an Belei­di­gung gren­zen­den schwa­chen Abklatsch han­del­te und ich Pope­ra sonst eigent­lich auf den Tod nicht aus­ste­hen kann, so blieb ihr Act als ein­zi­ger des heu­ti­gen Abends zumin­dest irgend­wie in Erin­ne­rung und hob sich aus der brei­igen Mas­se der ansons­ten ange­bo­te­nen, faden Pop-Kost her­aus. Doch die Slo­we­nen wähl­ten statt­des­sen stur den größ­ten Seich wei­ter, wie zum Bei­spiel die pink­haa­ri­ge Nika Zor­jan mit einem Titel aus der Feder von Maraa­ya (→ SI 2015), in dem allen­falls ein etwa fünf­se­kün­di­ges Coun­try­gi­tar­ren-Sam­ple mal kurz das Inter­es­se wecken konn­te. Eine beson­de­re Erwäh­nung ver­dient aller­dings die zu Recht aus­ge­schie­de­ne Zala (ihres Zei­chens Toch­ter von Grand-Prix-Vete­ra­nin Tan­ja Ribic [SI 1997]), die, ver­klei­det mit einer Art gold­far­be­nem Bade­zim­mer­tep­pich, auf einem im Boden­ne­bel ver­steck­ten Fit­ness­lauf­band stand. Bezie­hungs­wei­se wäh­rend ihrer drei Minu­ten unbe­hol­fen dar­auf ent­lang staks­te und uns – wie wei­land bereits die ser­bi­sche Kol­le­gin Bebi Dol (→ YU 1991) – mit dem musi­ka­lisch äußerst ärm­li­chen ‘Lalala­ti­no’ erneut das Mär­chen zu ver­kau­fen such­te, die bra­si­lia­ni­sche Lebens­freu­de sei auf dem Bal­kan behei­ma­tet. Zur Unter­stüt­zung die­ses vorn vor­ne­her­ein zum Schei­tern ver­ur­teil­ten Unter­fan­gens hol­te sich die stei­fe Sän­ge­rin zwei kna­cki­ge, auf sehr anre­gen­de Art hüft­wackeln­de Tän­zer in wei­ßen Fein­ripp-Unter­hem­den mit auf Büh­ne, die aber nur unge­nü­gend von dem völ­lig saft- und kraft­lo­sen Lied­chen anlen­ken konn­ten, für wel­ches sie in ibe­ri­schen Gefil­den sicher­lich gevier­teilt und aufs Rad gefloch­ten wür­de. Eine herr­li­che Pein­lich­keit lie­fer­te indes der schief­ge­gan­ge­ne Trick­kleid-Moment in der Song­mit­te, als Zala sich von ihrem gül­de­nen Über­wurf befrei­en woll­te (und einen dar­un­ter­lie­gen­den, wei­ßen Bade­an­zug ent­hüll­te), ihr für die Alt­me­tall­ent­sor­gung zustän­di­ger Tän­zer aber etwas zu weit weg stand und das Teil erst mit einer leich­ten Ver­zö­ge­rung abgrei­fen konn­te. Unan­ge­nehm! Klas­se hin­ge­gen die Schluss­se­kun­de, als die Sän­ge­rin über­ra­schend nicht mit einem Tän­zer, son­dern mit einem Chor­girl händ­chen­hal­tend die Büh­ne ver­ließ. Kos­te­te sie die­ser sap­p­hi­sche Augen­blick den Finaleinzug?

Da muss sie aber noch viel üben, bis sie wirk­lich cha-cha-cha spricht: Zala (SI)

Nach­zu­rei­chen gilt es im Übri­gen noch einen lei­der eben­falls aus­ge­schie­de­nen Bei­trag aus der zwei­ten Vor­run­de der let­ti­schen Super­no­va vom ver­gan­ge­nen Sonn­tag. Hier ser­vier­te uns eine aus­ge­spro­chen miss­ge­launt drein­bli­cken­de Dame mitt­le­ren Lebens­al­ters namens Agne­se Uple­ja unter dem ein­falls­rei­chen Künst­le­rin­nen­na­men Up die selbst­ver­fass­te Bän­kel­bal­la­de ‘One by One’, eine an erschre­ckend detail­reich beschrie­be­nen Gewalt­fan­ta­sien nicht eben arme Mori­tat, in wel­cher die mit zunächst abwei­send ver­schränk­ten Armen bewe­gungs­los in der Büh­nen­mit­te ste­hen­de und mit einer sumpf­grü­nen, mit ewig lan­gen Trod­deln aus­ge­stat­te­ten, Bar­ba­ra-Dex-wür­di­gen Chif­fon­blu­se, wel­che im Ver­lauf ihrer Dar­bie­tung den Blick auf ihre mit einem metall­glit­zern­den Bus­tier bewehr­te Brust frei­gab, ange­zo­ge­nen Sän­ge­rin akri­bisch auf­lis­te­te, wel­chen kör­per­li­chen Angriff oder wel­ches mora­li­sche Ver­ge­hen ihres jewei­li­gen ima­gi­nä­ren Gegen­übers sie mit wel­cher min­des­tens gleich schwe­ren, meist aber noch bru­ta­le­ren Gegen­maß­nah­me zu ver­gel­ten geden­ke. Wobei es sich zum Schluss her­aus­stell­te, dass für Frau Up der Sei­ten­sprung eine deut­lich ver­ab­scheu­ungs­wür­di­ge­re Tat dar­stellt als das Bedro­hen mit einer Schuss­waf­fe: all die Schuf­te, wel­che die sich anschei­nend mit­ten in einer kri­ti­schen Auf­ar­bei­tungs­pha­se befind­li­che Agne­se im Ver­lau­fe ihres Lebens bereits ent­täuscht und betro­gen haben, will sie ein­zeln nach­ein­an­der auf­spü­ren und ihnen den Hals durch­schnei­den, wie sie hier öffent­lich ver­kün­de­te. Wobei ihre Ges­tik, vor allem aber ihr mit dem Gift der Wut und der Ver­bit­te­rung gefüll­te, durch­drin­gen­de Blick in die Kame­ra, der dem Zuschau­er für eine Sekun­de das Blut in den Adern gefrie­ren ließ, jed­we­den etwa­igen Zwei­fel an der Ernst­haf­tig­keit ihres Rache­feld­zugs rest­los besei­tig­ten. Soll­ten Sie also dem­nächst von einer mys­te­riö­sen Mord­se­rie in Lett­land lesen, bei der man rei­hen­wei­se Män­ner mitt­le­ren Alters mit auf­ge­schlitz­ter Keh­le vor­fin­det, so ken­nen Sie bereits die Täterin.

Ich bin heut böse, ich hass’ die gan­ze Welt: kreu­ze bes­ser nicht Agne­ses Weg, wenn Dir Dein Leben lieb ist (LV)

1 Comment

  • One by One’ hät­te von mir aus auch ger­ne wei­ter­kom­men kön­nen. Immer­hin besteht noch die Chan­ce, im Sound­track des nächs­ten Taran­ti­no-Films aufzutauchen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert