Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen: Joy to the World

Zwei Semi­fi­na­le vom ver­gan­ge­nen Sonn­tag gilt es noch nach­zu­tra­gen: die zwei­te Run­de des por­tu­gie­si­schen Fes­ti­val da Can­ção und das rumä­ni­sche Semi­fi­na­le, das zur Auf­ga­be hat­te, die von der Jury vor­ausge­wähl­ten 15 Titel auf deren zehn ein­zu­damp­fen – und zwar durch erneu­te allei­ni­ge Ent­schei­dung der Jury! Wie kom­plett absurd! Schau­en wir aber zunächst nach Por­tu­gal: dort über­rasch­te uns die deut­sche Grand-Prix-Legen­de Joy Fle­ming (→ DE 1975) mit einem Cameo-Auf­tritt unter dem Tarn­na­men Celi­na da Pie­da­de. Sie trug ihr schwar­zes Zelt­kleid aus dem Vor­ent­scheid von 2001 noch­mal auf. Die sei­ner­zeit als Gir­lan­de um den Hals geschlun­ge­nen Plas­tik­blu­men fan­den sich nun im Haar und auf der kilo­me­ter­lan­gen Schlep­pe wie­der, dazu bewaff­ne­te sie sich mit einem Akkor­de­on, das auch musi­ka­lisch aus­führ­lich zum Ein­satz kam. Klingt recht nied­lich und ein biss­chen wie Flor-de-Lis (→ PT 2009), obwohl die gute Celi­na dort nie­mals mit­spiel­te, statt­des­sen jedoch bei den gut gemein­ten, aber schlecht gemach­ten Homens da Luta (→ PT 2011).

Man­do­li­nen und Mon­den­schein: in Por­tu­gal mag man’s pos­sier­lich (PT)

Die Polit-Clown-Kapel­le fand nun wie­der­um ihren Wie­der­gän­ger in dem optisch ein wenig an einen etwas geschmack­vol­ler geklei­de­ten Gott­lieb Wen­de­hals (→ Vor­ent­scheid 1982) erin­nern­den Jor­ge Ben­vin­da und sei­nem ‘Gen­te bes­ti­al’, akus­tisch eine Art schaum­ge­brems­ter Faschings­schla­ger, der schon nach weni­gen Sekun­den die Erträg­lich­keits­gren­ze über­schritt. Den­noch erreich­te er den zwei­ten Platz sowohl in der Zuschau­er- als auch in der Gesamt­wer­tung. Was wohl mit sei­nem Text zusam­men­hing, der auf fein­sin­nig-sati­ri­sche Wei­se sein eige­nes Völk­chen auf die Schip­pe nahm. Jeden­falls, wenn man Roy Delaney von Euro­vi­si­on Apo­ca­lyp­se und sei­nen befreun­de­ten Por­tu­gie­sen glaubt, dei aller­dings auch zuga­ben, dass man den fei­nen Witz des Songs nur ver­ste­hen und wür­di­gen kön­ne, wenn man sein gan­zes Leben dort ver­bracht habe. Die­sen Titel nach Kiew zu schi­cken, käme also einem euro­vi­sio­nä­ren Selbst­mord gleich, aber dar­in hat das See­fah­rer­volk ja bereits reich­li­che Erfahrung.

Nein, es geht (angeb­lich) nicht um bes­tia­li­sche Men­schen, son­dern um krass gute (PT)

Ganz anders sind da die Rumä­nen drauf: hier wähl­ten die Juro­ren am ver­gan­ge­nen Sonn­tag zu mei­nem Erstau­nen klug und lie­ßen nicht nur den in höchs­tem Maße durch­schau­ba­ren Punk­te­ab­greif­bei­trag ‘Adven­ture’ von D‑Lema, der sich ein­mal wie­der im simp­len Auf­lis­ten euro­päi­scher Städ­te übte, kom­plett leer aus­ge­hen; sie gaben zudem ihre Höchst­wer­tun­gen geschlos­sen an den auch von den Grand-Prix-Fans in ganz Euro­pa bereits im Vor­feld heiß favo­ri­sier­ten Knül­ler­bei­trag ‘Yodel it!’, einem in die­ser Form bis­lang noch nicht dage­we­se­nen Mix aus ernst­haf­tem Jodeln, Pop­rock und Rap, vor­ge­tra­gen von einer klas­sisch trai­nier­ten Sän­ge­rin mit unglaub­lich lan­gen Bei­nen bezie­hungs­wei­se einem unglaub­lich kur­zen Rock (Ilin­ca) und einem voll­bär­ti­gen, täto­wier­ten, bezopf­ten, leder­be­hos­ten, strunz­gei­len Hip-Hop­per namens Alex Flo­rea, des­sen Ober­teil ver­stö­ren­der Wei­se aus­sah, als habe er Sesam­stra­ßen-Bibo abge­knallt, gehäu­tet, des­sen Feder­kleid schwarz ein­ge­färbt und ange­zo­gen. Höre ich da jemand “Bar­ba­ra Dex Award” rufen? Trotz alle­dem, und obwohl die Num­mer natür­lich höl­li­schen Spaß macht, wirkt sie (zumin­dest auf mich) nicht wie ein klas­si­scher Come­dy-Bei­trag, könn­te also in Kiew womög­lich sogar die Wer­tun­gen der Jurys über­le­ben, die sol­cher­lei Fri­vo­li­tä­ten sonst übli­cher­wei­se gna­den­los schlachten.

Woah ich bin bunt / und mei­ne Hose tut, als wär’ sie aus Leder / seht mich an / mich, die schwarz-rote Super­sau! (RO)

Wenn es das Duo denn dort­hin schafft: im rumä­ni­schen Fina­le am nächs­ten Sonn­tag ent­schei­det allei­ne das Publi­kum. Und das könn­te, wenn es denn schlecht läuft, den Fans einen Strich durch die Rech­nung machen, gewis­ser­ma­ßen einen Mich­al Szpak (→ Vor­ent­scheid PL 2016) pul­len und die Boy­band Maxim vor­zie­hen, deren Wett­be­werbs­bei­trag ‘Adu-ți amin­te’ im Lan­de der Sie­ben­bür­gen der­zeit wohl gera­de vier Mal stünd­lich auf allen Radio­wel­len läuft. Wes­we­gen die Jungs ein wenig unter­en­thu­si­as­tisch per­form­ten, wohl im Glau­ben, dass sie den Vor­ent­scheid bereits im Sack haben und sich kei­ne Mühe mehr geben müss­ten. Wobei ich zuge­be, dass ich mit ihrem Titel eben­falls ganz gut leben könn­te, und zwar nicht trotz, son­dern wegen des hef­ti­gen Pan­flö­ten­ge­fie­dels, das sie zu ihrem Stan­dard-Pop kom­bi­nie­ren und das der Num­mer einen hüb­schen Eth­no-Fla­vour ver­leiht, ohne dabei ange­staubt zu wirken.

Ein biss­chen weni­ger selbst­ge­fäl­lig wäre aber schon schön! (RO)

Die letz­te Bild­un­ter­schrift bringt mich zwin­gend zu Mihai Trăis­ta­riu (→ RO 2006). Der ‘Tor­ne­ro’-Sän­ger woll­te bekannt­lich letz­tes Jahr den Sen­der TVR ver­kla­gen, weil er mit sei­nem jäm­mer­li­chen Vor­ent­schei­dungs­bei­trag ‘Paradi­so’ gegen Anton Ovi­diu schei­ter­te (der dann wie­der­um an nicht bezahl­ten Rech­nun­gen von TVR schei­ter­te, aber das ist eine ande­re Geschich­te), was natür­lich nur an bewuss­ter Mani­pu­la­ti­on des Tele­vo­tings gele­gen haben konn­te, wie er befand. Doch so jemand wie er gibt sich so leicht nicht geschla­gen, und so unter­hielt er uns mit den drei fremd­schäm­pein­lichs­ten Minu­ten des dies­jäh­ri­gen Jahr­gangs, in denen er mit geschlos­se­nen Augen und frei nach dem Mot­to “jeder Ton eine Geburt” mit total ange­streng­tem Gesichts­aus­druck sämt­li­che bekann­ten und nicht bekann­ten Noten der Ton­lei­ter ein­zeln aus sich her­aus­press­te, jede ein­zel­ne davon bis zum Erbre­chen zele­briert und jede ein­zel­ne Sil­be sei­ner selbst­be­züg­li­chen Kampf­bal­la­de ‘I wont sur­ren­der’ bis ins Maß­lo­se über­ak­zen­tu­iert. Und obschon sich unter sei­nen Tönen auch eini­ge Miss­ge­bur­ten befan­den, schob ihn die Jury auf Rang 3 ins Fina­le wei­ter, wohl einen nicht mehr kon­trol­lier­ba­ren Zor­nes­aus­bruch des sich mitt­ler­wei­le M I H A I (jawohl, in Majus­keln und mit Leer­zei­chen dazwi­schen) nen­nen­den Künst­lers fürch­tend, für den Fall, dass sie ihn aus­sor­tier­ten. Königlich!

Der Donald Trump der Euro­vi­si­on: Mihai hält sich selbst für den Bes­ten (RO)

[Nach­trag 28.02.017]: Mihai hat nach einem Bericht von ESC Dai­ly (Vor­sicht, ner­vi­ges Popup!) übri­gens ange­kün­digt, er wür­de für den Fall, dass er den Vor­ent­scheid nächs­te Woche gewän­ne (als ob!) und die EBU Rumä­ni­en dann erneut vom Haupt­wett­be­werb aus­schlös­se, “jeman­den töten”. Und so, wie ich ihn mitt­ler­wei­le ein­schät­ze, sag­te er das ver­mut­lich nur halb im Scherz. Er wol­le jeden­falls, so ver­riet er im Inter­view, eines Tages den Euro­vi­si­on Song Con­test gewin­nen und wer­de, so droh­te er an, nicht auf­ge­ben, bevor er die­ses Ziel erreicht habe. “Ich wer­de es ver­su­chen, bis ich ster­be,” so Mihai.

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