Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen: wie zer­ron­nen, so gewonnen

Auch wenn der von mir noch immer nicht über­wun­de­ne gest­ri­ge Schwe­den-Scho­cker (eine ordent­li­che Trau­er­pha­se braucht halt ihre Zeit) alles ande­re über­strahl­te, so gebie­tet es doch die Chro­nis­ten­pflicht, die Gescheh­nis­se der am sel­ben Abend gelau­fe­nen Vor­run­den in Island und Litau­en nach­zu­be­rei­ten. Auf der Insel der Trol­le und Elfen schräg­te es im zwei­ten Semi des Söng­va­kepp­nin lei­der einen wei­te­ren mei­ner dies­jäh­ri­gen Lieb­lings­bei­trä­ge, näm­lich die zar­te Coun­try­bal­la­de ‘þú og Ég’ von Páll Rósin­kranz und Kris­ti­na Bærend­sen, deren per­sön­li­ches Pech es war, dass nach den Bestim­mun­gen des islän­di­schen Sen­ders RÚV die Lie­der in den bei­den Semis in Lan­des­spra­che vor­ge­tra­gen wer­den müs­sen, wäh­rend die Künst­ler im Söng­va­kepp­nin-Fina­le freie Hand haben (und fast immer Eng­lisch wäh­len, wie sie es ange­kün­dig­ter­ma­ßen auch dies­mal tun). ‘You and I’, so der Titel der inter­na­tio­na­len Fas­sung, klingt ein­fach deut­lich kraft­vol­ler als das von Lis­pel­lau­ten bestimm­te, sehr ver­hal­ten her­über­kom­men­de ‘þú og Ég’. Und falls sich Stammleser/innen die­ses Blogs gera­de wun­dern, war­um mein Herz aus­ge­rech­net für eine der­ar­tig schmalz­trie­fen­de, ret­tungs­los alt­mo­di­sche, kon­ven­tio­nel­le, hete­ro­se­xu­el­le Lie­bes­sülz­bal­la­de ent­flammt: ich weiß es auch nicht. Ist halt manch­mal so. Jeden­falls lan­de­ten die Bei­den nur auf dem vier­ten Rang und müs­sen im Fina­le am nächs­ten (und letz­ten) Super­sams­tag lei­der drau­ßen bleiben.

Das Gan­ze von Ken­ny Rogers und Dol­ly Par­ton auf Eng­lisch gesun­gen, und wir haben einen US-Num­mer-Eins-Coun­try-Hit (IS)

Doch wie zer­ron­nen, so gewon­nen: für die­se wei­te­re bit­te­re Ent­täu­schung ent­schä­dig­ten mich die Islän­der naht­los mit mei­nem neu­en abso­lu­ten Lieb­lings­lied der Sai­son: ‘Hvað með það?’ von Daði Freyr. Die skur­ri­le Kon­zept­kunst wirkt auf mich, als sei der blas­se, gro­ße und lang­haa­ri­ge Daði vor gerau­mer Zeit aus einer litaui­schen Irren­an­stalt aus­ge­bro­chen, habe sich auf dem Weg in islän­di­sche Exil noch schnell einen schi­cken Elek­tro-Track aus den Müll­ei­mern der Eesti Laul gean­gelt und prä­sen­tier­te die­sen nun gemein­sam mit den Mit­glie­dern sei­ner Kunst­the­ra­pie­grup­pe beim Söng­va­kepp­nin. Der Auf­tritt hat ein­fach alles: beleuch­te­te Key­tars, ein­heit­li­che Sweat­shirts mit ver­pi­xel­ten Por­traits der jewei­li­gen Träger/innen, einen wie wahn­sin­nig vor sich hin star­ren­den Lead­sän­ger, lus­ti­ge Tanz­schrit­te, iro­ni­sche Augen­brau­en, noch iro­ni­sche­res syn­chro­ni­sier­tes Arsch­wa­ckeln und das merk­wür­digs­te Büh­nen­gim­mick, das ich beim Song Con­test jemals sah. ‘Is this Love?’, so der eng­li­sche Titel des Song-Con­test-Kra­chers, ist rund­her­aus fan­tas­tisch und MUSS nächs­ten Sams­tag gewin­nen! Ins Gehe­ge könn­te ihm dabei noch Sva­la Björg­vins­dót­tir kom­men, die es eben­falls in die End­run­de schaff­te und dem Gerau­ne in inter­na­tio­na­len Fan-Por­ta­len zufol­ge von Vie­len favo­ri­siert wird. Was ich abso­lut nicht nach­voll­zie­hen kann: bereits ihre extrem häss­li­chen, 30 Zen­ti­me­ter hohen Huf­schu­he, die an die dun­kels­ten Zei­ten der Mode­ge­schich­te erin­nern (Stich­wort: Buf­fa­los), soll­ten für eine Geschmacks­dis­qua­li­fi­ka­ti­on aus­rei­chen. Aber auch ihr Bei­trag ‘Ég veit það’ zieht vor­über, ohne in mir die gerings­te Regung oder auch nur ein Fünk­chen an Inter­es­se auszulösen.

Ich glau­be, ich sehe schon dop­pelt: Dad­dy Fire (IS)

Mit dem The Voice-Teil­neh­mer Aron Brink zog zudem ein wei­te­rer Kon­kur­rent ins Fina­le ein, der mit ‘Þú hefur dáleitt mig’ (Eng­lisch: ‘Hyp­no­ti­sed’) einen irgend­wie pos­sier­li­chen, fröh­li­chen Upt­em­po­schla­ger mit leich­ten kari­bi­schen Unter­tö­nen im Gepäck hat, so eine Art ‘Le Coco-Dance’ (→ MC 2006) rel­oa­ded. Mit­samt einer hüb­schen Cho­reo­gra­fie und einem nett anzu­schau­en­den Tän­zer in kur­zen Hosen. Ent­ge­gen frü­he­rer Ankün­di­gun­gen ver­teil­te RÚV ges­tern Abend außer­dem doch noch eine Wild­card, und zwar an die im ers­ten Semi raus­ge­flo­ge­ne Hil­dur Kris­tín Ste­fáns­dót­tir und ihr fabel­haf­tes ‘Bamm­ba­ramm’. Ver­mut­lich auf­grund einer förm­li­chen Beschwer­de der Sän­ge­rin über die mise­ra­ble Ton­tech­nik in ihrer Vor­run­de, unter wel­cher ihr Auf­tritt litt: nicht nur, dass in einem San­die-Shaw-Moment (→ UK 1967) ihr Mikro zum Songbe­ginn noch zu war, auch die Balan­ce der Aus­steue­rung von Back­ing Track zu Stim­me stimm­te nicht. Mit­samt ihr, den bei­den Dis­co-Arons (Brink plus Emil­son vom ers­ten Semi), dem bal­la­des­ken Wikin­ger Rúnar Eff und Dad­dy Fire fin­den sich nächs­ten Sams­tag nun gleich fünf akzep­ta­ble Bei­trä­ge im Söng­va­kepp­nin-Fina­le, und damit deut­lich mehr als in der zeit­gleich statt­fin­den­den End­run­de des Melo­di­fes­ti­valen. Til haming­ju Ísland! In Litau­en, um den Bericht abzu­schlie­ßen, war ges­tern Abend für Sasha Song (→ LT 2009) Ende, außer­dem zog ein bezopf­ter Schrei­hals namens Fused­mark an der bis­he­ri­gen Spit­zen­rei­te­rin Ais­tė Pil­ve­ly­tė vor­bei, ver­mut­lich, weil sich die Zuschauer/innen bei der mitt­ler­wei­le gefühlt 475. Vor­run­de mit den immer glei­chen Songs lang­sam lang­weil­ten und mal etwas Abwechs­lung woll­ten. Spielt auch alles kei­ne Rol­le mehr, seit der Bal­ten­staat die fabel­haf­te Kampf-Drag-Queen Loli­ta Zero und ihre High-NRG-Dis­co-Num­mer ‘Get frigh­ten’ raus­ke­gel­te, ist das Land für mich nicht mehr existent.

Erin­nert ein biss­chen an Jack McFar­land aus Will & Grace: Aron Brink (IS)

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