ESC-Fina­le 2017: Gift im Instrument

Es war ein denk­wür­di­ger Abend der Ver­zau­be­rung am gest­ri­gen Sams­tag in Kiew. Ein Mann schaff­te es, einem gan­zen Kon­ti­nent den Kopf zu ver­dre­hen und Mil­lio­nen von Men­schen tief in ihren Her­zen berüh­ren. Und das mit einer extrem zurück­ge­nom­me­nen Insze­nie­rung und einem völ­lig aus der Zeit gefal­le­nen Lied, das klang, als sei es für eine roman­ti­sche Film­schnul­ze aus den Fünf­zi­ger­jah­ren geschrie­ben wor­den, bei dem man im eige­nen Kopf­ki­no die jun­ge Audrey Hepb­urn mit trä­nen­ver­ne­bel­tem Blick durch das schwarz­weiß foto­gra­fier­te Lis­sa­bon spa­zie­ren sehen konn­te. Sal­va­dor Sobral, so der Name des kobold­haf­ten jun­gen Por­tu­gie­sen, ver­wei­ger­te sich als Ein­zi­ger der 26 Finalacts der Nut­zung der gigan­ti­schen, futu­ris­tisch auf­ge­bre­zel­ten Show­büh­ne im Inter­na­tio­na­len Aus­stel­lungs­zen­trum der ukrai­ni­schen Metro­po­le und sang statt­des­sen inmit­ten des andäch­tig schwei­gen­den, von sei­ner inti­men Dar­bie­tung eben­so wie die Fernsehzuschauer/innen tief ergrif­fe­nen Hal­len­pu­bli­kums auf der klei­nen Satel­li­ten­büh­ne ste­hend sei­ne zer­brech­li­che, hauch­zar­te Tren­nungs­schmerz­bal­la­de ‘Amar pelos Dois’, ein fle­hen­des Abschieds­lied an sei­ne Ver­flos­se­ne, in wel­cher er in poe­ti­schen Wor­ten sei­ne Trau­er, sei­ne noch immer sanft glim­men­de Hoff­nung auf eine Rück­kehr der Gelieb­ten und sei­ne Ent­schlos­sen­heit, sei­ne Lie­be nie­mals ster­ben zu las­sen, vor uns aus­goß. Was ich im Übri­gen nur weiß, weil ich die Über­set­zung sei­nes in Lan­des­spra­che ver­fass­ten Song­tex­tes gegoo­gelt habe. Doch die Sprach­bar­rie­re spiel­te kei­ne Rol­le: auch ohne ein Wort zu ver­ste­hen, konn­te man die mit dem Lied ver­bun­de­nen Emo­tio­nen füh­len, ja gera­de­zu mit Hän­den grei­fen. Die Bild­re­gie des ver­an­stal­ten­den Sen­ders blen­de­te im Anschluss an sei­nen Auf­tritt in den Green Room, wo sich die arme­ni­sche Teil­neh­me­rin Arts­vik Haru­ty­u­n­yan gera­de ein Trän­chen aus dem Auge wisch­te und damit wohl auf den Punkt brach­te, was wir alle (oder jeden­falls alle mit einem offe­nen Her­zen) in die­sem Moment emp­fan­den. Es war eine sel­te­ner Moment der Über­wäl­ti­gung, ein Sieg der “Musik, die wirk­lich etwas aus­drückt,” wie der por­tu­gie­si­sche Adels­spross sag­te, als man ihn am Ende des Abends zur Repri­se auf die Büh­ne holte.

Jackett frisst Künst­ler: Hut­zel­männ­chen Sal­va­dor über­zeug­te den­noch (PT)

Über­wäl­ti­gend auch das Ergeb­nis: Sal­va­dor konn­te nicht nur den lang­ersehn­ten, ers­ten Sieg sei­nes Lan­des beim Euro­vi­si­on Song Con­test sichern, son­dern auch einen neu­en Punk­te­re­kord holen. Glei­cher­ma­ßen fand er sowohl bei den Jurys als auch beim Publi­kum Anklang, die ihn uni­so­no zum König der Her­zen krön­ten. Und ja: wie schon der vor­her­ge­hen­de Sie­ger­ti­tel, ‘1944’ von Jama­la, wird sein Lied nicht die euro­päi­schen Charts stür­men, wird kei­ner­lei Radio-Air­play gene­rie­ren, wird selbst in hart gesot­te­nen Fan-Zir­keln kaum mehr ange­hört wer­den, kaum dass die­ser Abend vor­über ist und die freu­di­gen Nach­wel­len um den kaum noch für mög­li­chen gehal­te­nen Sieg des klei­nen, sym­pa­thi­schen Außen­sei­ter­lan­des und sei­nes sym­pa­thi­schen Außen­sei­ter­kan­di­da­ten abge­ebbt sind. Aber dar­um geht es längst nicht mehr bei der größ­ten TV-Unter­hal­tungs­show der Welt: in den Zei­ten digi­ta­ler Down­loads und durch Inter­net­streams jeder­zeit gren­zen­los ver­füg­ba­rer Musik sind Ver­kaufs­hit­pa­ra­den, die frü­her noch zum Abgleich der Rele­vanz des Euro­vi­si­on Song Con­test mit der rea­len Pop­welt dien­ten, längst irrele­vant gewor­den und haben ihre Aus­sa­ge­kraft ver­lo­ren. Der magi­sche Moment der Ver­zau­be­rung hin­ge­gen, er ist heu­te noch so ent­schei­dend wie schon in den Fünf­zi­gern, er ist das, was im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis blei­ben wird. Und er kann nur erschaf­fen wer­den von jeman­dem, der ein wirk­li­ches Anlie­gen hat, der eine Geschich­te erzäh­len möch­te, der an das glaubt, was er da tut, so wie man es bei dem Por­tu­gie­sen in jeder Sekun­de spür­te. Mit Sobral sieg­te ein Teil­neh­mer, der sich der per­fek­ten Show, dem auf dem Reiß­brett kon­stru­ier­ten Lied, der “Plas­tik­mu­sik”, wie er es nennt, ver­wei­gert und der damit so ziem­lich gegen alles steht, was die EBU mit dem Wett­be­werb in den letz­ten Jah­ren ange­stellt hat.

Fast vier Stun­den vol­les Pro­gramm: das Fina­le des ESC 2017 am Stück

Bän­de spricht dabei der Umgang der Gen­fer mit dem Enga­ge­ment des Por­tu­gie­sen für Flücht­lin­ge. In der Pres­se­kon­fe­renz nach dem ers­ten Semi­fi­na­le am ver­gan­ge­nen Diens­tag, das Sal­va­dor eben­falls ein­hel­lig gewann, trug er ein “S.O.S. Refu­gees”-T-Shirt und erläu­ter­te, von einem Jour­na­lis­ten dar­auf ange­spro­chen, was jeder ver­stän­di­ge Mensch eigent­lich auch so weiß, was aber in der hass­erfüll­ten öffent­li­che Debat­te der letz­ten Zeit in den Hin­ter­grund gera­ten ist: dass die der­zeit vom Krieg in ihren Hei­mat­län­dern zu uns flie­hen­den Men­schen kei­ne nor­ma­len Immi­gran­ten sei­en, son­dern nur ver­such­ten, “dem Tod zu ent­kom­men,” und dass man ihnen kei­ne unnö­ti­gen büro­kra­ti­schen Hür­den in den Weg legen dür­fe, wie das zur­zeit gesche­he, son­dern viel­mehr “lega­le, siche­re” Ein­rei­se­mög­lich­kei­ten für sie schaf­fen müs­se. Eine von Her­zen kom­men­de huma­ni­tä­re Bot­schaft also, die doch eigent­lich ganz im Sin­ne der sich selbst stets ger­ne als Speer­spit­ze der Demo­kra­tie und der Men­schen­rech­te insze­nie­ren­den EBU sein soll­te und die unter den anwe­sen­den Fans auch unge­teil­ten Bei­fall fand. Statt­des­sen aber trat man von offi­zi­el­ler Sei­te mit der Bit­te an die por­tu­gie­si­sche Dele­ga­ti­on her­an, dass der zu die­sem Zeit­punkt in den Wett­bü­ros bereits als Sie­ger gehan­del­te Künst­ler das Shirt mit der als “poli­tisch” emp­fun­de­nen Bot­schaft künf­tig nicht mehr tra­gen sol­le. Und auch, wenn man natür­lich spä­tes­tens seit den Vor­fäl­len rund um den Euro­vi­si­on Song Con­test 2012 in Baku, bei dem man sich in Genf ger­ne zum Steig­bü­gel­hal­ter eines auto­ri­tä­ren Regimes mach­te, weiß, dass die Selbst­be­weih­räu­che­rung der Euro­päi­schen Rund­funk­uni­on als Grals­hü­te­rin der Mei­nungs­frei­heit nichts als Folk­lo­re ist, so kann ich doch an die­ser Stel­le nicht so viel essen, wie ich kot­zen möch­te. Zumal die EBU – rich­ti­ger­wei­se! – kei­ner­lei Pro­ble­me damit hat­te, dass der eben­falls als Sie­ges­kan­di­dat gel­ten­de ita­lie­ni­sche Ver­tre­ter Fran­ces­co Gab­ba­ni sich für sei­nen Auf­tritt einen Strei­fen in den Far­ben der Regen­bo­gen­flag­ge in sei­nen Anzug genäht hat­te und damit als Bot­schaf­ter für die Rech­te der LGBTI-Com­mu­ni­ty fun­gier­te. Selbst das für sei­ne gesell­schaft­li­che Akzep­tanz Schwu­ler und Les­ben nicht gera­de berühm­te Gast­ge­ber­land woll­te im Bemü­hen um die Wahr­neh­mung als fort­schritt­li­che, offe­ne Nati­on im Zuge der Euro­vi­si­ons-Fest­wo­chen in Kiew noch ein ehe­ma­li­ges Denk­mal der rus­sisch-ukrai­ni­schen Völ­ker­freund­schaft zum über­di­men­sio­na­len Regen­bo­gen umstrei­chen las­sen, brach das Vor­ha­ben nach der gewalt­tä­ti­gen Ein­mi­schung natio­na­lis­ti­scher Krei­se aber mit­ten­drin ab.

Die Viel­falt fei­ern” (so das Con­test­mot­to), aber gleich­zei­tig die Fes­tung Euro­pa aus­bau­en? Nicht rich­tig, fin­det Salvador

Doch zurück zur Musik: die Ver­zau­be­rung, die von Sal­va­dor aus­ging, über­schat­te­te die Strahl­kraft eines wei­te­ren außer­ge­wöhn­li­chen Bei­trags, näm­lich von ‘Occidentali’s Kar­ma’, dem fröh­lich-ein­gän­gi­gen Pop­song mit den tief­ge­hen­den Lyrics des soeben erwähn­ten Ita­lie­ners. Was natür­lich auch dar­an gele­gen haben könn­te, dass der super­char­man­te Fran­ces­co auf­grund der völ­lig anti­quier­ten und drin­gend über­ar­bei­tungs­be­dürf­ti­gen → Drei-Minu­ten-Regel gezwun­gen war, das Hacke­beil an sein Can­zo­ne zu legen und die zwei­te Stro­phe bru­tal zu ampu­tie­ren. Dies nahm sei­nem eben­falls lan­des­sprach­lich vor­ge­tra­ge­nen Text, einer hoch­gra­dig cle­ve­ren Kri­tik am wer­te­ent­leer­ten west­li­chen Lebens­stil und sei­ner völ­lig ober­fläch­li­chen Ver­ein­nah­mung fern­öst­li­cher Phi­lo­so­phien und Reli­gio­nen, viel von sei­ner ursprüng­li­chen, bis­si­gen Kraft. Den­noch erstaunt es, im wel­chem Aus­maß aus­ge­rech­net die Jurys den Song ver­schmäh­ten. Was nur den einen Schluss zulässt: dass näm­lich die völ­lig ober­fläch­li­chen und wert­schät­zungs­frei­en Juro­ren nicht wei­ter zu sehen ver­moch­ten als bis zu dem Tän­zer im Goril­la­kos­tüm, den Fran­ces­co mit auf die Büh­ne brach­te und den die Wer­tungs­ma­fio­si mein­ten, in alt­be­währ­ter Gim­micks-sind-böse-Manier abstra­fen zu müs­sen. Wäh­rend es dem deut­lich intel­li­gen­te­ren Publi­kum vor­be­hal­ten blieb, den Sinn der Insze­nie­rung zu durch­schau­en, näm­lich den inhalt­li­chen Bezug zur zen­tra­len Text­stel­le “la Scim­mia nuda bal­la” (“der nack­te Affe tanzt”), mit dem der Ita­lie­ner auf das Buch ‘Der nack­te Affe’ von Des­mond Mor­ris rekur­rier­te, einem der Weg­be­rei­ter zeit­ge­nös­si­scher Phi­lo­so­phie, der damit den Men­schen als haar­lo­sen Pri­ma­ten bezeich­ne­te. Neh­men wir die hei­mi­sche Jury als Bei­spiel: wäh­rend die deut­schen Televoter/innen wenigs­tens noch vier Punk­te erüb­rig­ten, gab es von Nico­le (→ DE 1982), Joy Den­alane, Pro­du­zent Andre­as Herbig, Adel Tawil und DSDS-Zög­ling Win­cent Weiss nichts. Und ja, ich möch­te jeden ein­zel­nen von ihnen dafür ins Gesicht schla­gen vor Wut. Oder nein, das ist falsch. Schlech­ter Geschmack ist ja nicht straf­bar und deren Pri­vat­sa­che. Geschla­gen gehö­ren die EBU-Ver­ant­wort­li­chen und Jury­freun­de, die glau­ben, die Ein­zel­mei­nung die­ser fünf Per­so­nen sei aus irgend­ei­nem mira­ku­lö­sen Grun­de um ein Zwan­zig­tau­send­fa­ches wert­vol­ler als die der Anrufer/innen. So oder so: mit Rang sechs bleibt ‘Occidentali’s Kar­ma’ sträf­lich unterbewertet.

Hal­tet die Welt an, es fehlt ein Stück (IT)

Das gilt auch für den unga­ri­schen Roma-Rap­per Joci Pápai, der sei­nen Bei­trag ‘Ori­go’ eben­falls in Lan­des­spra­che dar­bot und damit eben­falls einen bewe­gen­den Moment schuf. Auch bei ihm muss­te man die Wor­te nicht ver­ste­hen, um den dar­in lie­gen­den tie­fen Schmerz über die noch immer bestehen­den mas­si­ven Vor­ur­tei­le gegen sein Volk, das nicht nur in sei­nem Hei­mat­land nach wie vor unter mas­si­ver Ver­fol­gung und sozia­ler Äch­tung lei­det, aber auch sei­nen unbän­di­gen Stolz auf sei­ne Kul­tur und sei­ne Bega­bung als Musi­ker zu spü­ren. Der in einer west­eu­ro­päi­sche Igno­ran­ten wie mich unwill­kür­lich an eine Zir­kus­di­rek­to­ren­uni­form erin­nern­den Tracht auf­tre­ten­de und bei sei­nem Vor­trag völ­lig in sich ver­sun­ke­ne, nicht mal die Andeu­tung eines anbie­dern­den Lächelns übrig haben­de Künst­ler erzähl­te von sei­ner Gitar­re, in deren Tönen “die Trä­nen Tau­sen­der klin­gen” und die eine Waf­fe sei, die Gott ihm in die Hand gege­ben habe: “es ist ein Gift im Instru­ment,” so Joci, “vie­le Leu­te habe ich damit getränkt”. Ein wenig mar­tia­lisch viel­leicht, doch kraft­voll in der Meta­pher, und das über­trug sich auch in der Musik. Das Publi­kum spür­te und belohn­te das wenigs­tens noch mit rund 150 Punk­ten, drei Mal so vie­len, wie die pro­fes­sio­nel­len Juro­ren bei sich fin­den konn­ten, die wohl ange­sichts der Schwäch­lich­keit des übli­cher­wei­se von ihnen ver­bro­che­nen, radio­freund­li­chen Geplod­de­res berech­tig­te Min­der­wer­tig­keits­kom­ple­xe emp­fan­den und die­se in Ableh­nung wan­del­ten. Anders jeden­falls lässt sich die Plat­zie­rung auf Rang 8 nicht erklären.

The who­le World’s Pain (HU)

Eben­falls auf die Lan­des­spra­che setz­ten (erst­ma­lig) Weiß­russ­land und (lei­der nicht ganz kon­se­quent) Frank­reich. Das Nach­bar­land der Ukrai­ne ent­sandt (nach beherz­tem Ein­grei­fen der Jury im hei­mi­schen Vor­ent­scheid) ein fröh­li­ches Folk­duo, das von der ‘Histo­ry­ja majho žyccia’, der Geschich­te ihres Lebens, berich­te­te, wel­ches bis­lang ziem­lich son­nig und sor­gen­frei ver­lau­fen sein muss, denn es domi­nier­ten die “Hey! Hey!”-Mit­singparts in dem BPM-stärks­ten Bei­trag des aktu­el­len Jahr­gangs. Die gute Lau­ne der Navi­band wirk­te dabei jedoch kei­nes­falls auf­ge­setzt und ange­nehm anste­ckend, und so reich­te es für einen kom­for­ta­blen Final­ein­zug und einen guten Mit­tel­feld­platz. Bit­te mehr davon! Für eine ange­neh­me Über­ra­schung sorg­te die Fran­zö­sin Alex­an­dra Maquet ali­as Alma, vom sel­ben Kom­po­nis­ten – Nazim Kha­led –  mit einem rund­her­aus fan­tas­ti­schen Bei­trag ver­sorgt, der schon den Vor­jah­res­herz­bu­ben Amir Had­dad so gut bestück­te. Das melan­cho­lisch-flot­te ‘Requi­em’ setz­te sich auf äußerst erbau­li­che, eben­falls sehr poe­ti­sche Wei­se mit phi­lo­so­phi­schen Fra­gen nach Leben und Tod aus­ein­an­der und erwies sich in der Stu­dio­fas­sung als ech­te Song-Con­test-Per­le. Bei Live­auf­trit­ten Almas im Vor­feld der Fest­spie­le klang das Gan­ze dann aller­dings weni­ger erquick­lich, was zum einen an dem über­flüs­si­gen stel­len­wei­sen Wech­sel ins Eng­li­sche lag, haupt­säch­lich aber am hor­ren­den Gesang der sicht­bar über­for­der­ten Chan­teu­se. Erstaun­li­cher­wei­se bekam es das gal­li­sche Team am Sams­tag aber irgend­wie hin, es gut klin­gen (und ver­mit­tels eines fan­tas­ti­schen Back­drops mit der com­pu­ter­ani­mier­ten Kulis­se von Paris bei Nacht zudem gut aus­se­hen) zu las­sen. Auch die Sän­ge­rin selbst wirk­te befreit und nicht mehr ganz so ste­cken­steif, wie man sie bis­lang kann­te. Ein guter zehn­ter Rang im Tele­vo­ting war der ange­mes­se­ne Lohn. Den­noch wün­sche ich mir stark, dass Herr Kha­led beim nächs­ten Mal jeman­den nimmt, der nicht nur gut aus­sieht, son­dern sei­ne Lie­der auch so fabel­haft inter­pre­tiert, wie es das Mate­ri­al ver­langt. Denn dann könn­te es nach drei­ßig­jäh­ri­ger Pau­se mal wie­der nach Paris gehen.

Embras­se-moi, tell me that you love me! Mais cer­tain­ment! (FR)

Neben der Anste­ckungs­kraft authen­ti­scher Gefüh­le und der Phi­lo­so­phie hielt der 62. Euro­vi­si­on Song Con­test zum Glück aber auch noch etwas Platz für schlich­ten Spaß parat. Den lie­fer­ten in die­sem Jahr die bal­ka­ne­si­schen Bru­der­län­der Mol­da­wi­en und Rumä­ni­en. Das im Vor­jahr noch aus peku­niä­ren Grün­den rüde aus­ge­schlos­se­ne Land bedien­te sich dabei einer uralten Gesangs­tra­di­ti­on der Berg­völ­ker, die nicht nur im Alpen­raum und in der Volks­tüm­li­chen Hit­pa­ra­de ihr Zuhau­se hat, son­dern auch in den Kar­pa­ten: des Jodelns näm­lich! Auf­ge­peppt mit einer Rap-Ein­la­ge und gene­ri­schem Pop, fand das von Ilin­ca Băcilă und Axel Flo­rea ener­gisch und gesang­lich tadel­los vor­ge­tra­ge­ne ‘Yodel it!’ so gro­ßen Zuspruch bei den Zuschauer/innen, dass noch nicht ein­mal die stur straf­vo­ten­den Spielverderber/innen von der Jury etwas gegen die Top-Ten-Plat­zie­rung des kom­men­den Ski­hüt­ten-Hits aus­rich­ten konn­ten. Genau so wenig übri­gens wie beim mol­da­wi­schen Bier­zelt­stamp­fer ‘Hey Mam­ma!’, mit dem das Sun­Stro­ke Pro­ject (→ MD 2010) – natür­lich nur echt mit dem Epic Sax Guy – zum Con­test zurück­kehr­te und sei­nem Land nach drei­jäh­ri­ger Durst­stre­cke eine Bron­ze­me­dail­le und damit die bes­te Plat­zie­rung bis dato hol­te. Die drei blon­dier­ten Jungs stu­dier­ten zu ihrem sexis­ti­schen Stumpf-ist-Trumpf-Knal­ler eine lus­tig anzu­schau­en­de Fuß­stampf-Cho­reo­gra­phie und nah­men sich zur Ver­stär­kung drei sin­gen­de Bräu­te mit – kom­plett mit Trick­kleid und mit als Blu­men­strauß ver­klei­de­ten Mikro­fo­nen. Damit folg­ten sie einem der in die­sem Jahr viru­len­ten Insze­nie­rungs­trends, spiel­ten Hoch­zeits­klei­der doch bei der­ma­ßen vie­len Auf­trit­ten eine zen­tra­le Rol­le, dass Fans schon ver­mu­te­ten, dass in der Ukrai­ne in den nächs­ten Mona­ten kei­ne Ver­mäh­lun­gen mehr statt­fin­den kön­nen, weil die ent­spre­chen­den Braut­mo­de­lä­den kom­plett aus­ver­kauft sein müssen.

Laka (BA 2008) hat ange­ru­fen und will sei­ne Braut zurück (MD)

Als wei­te­rer Trend ließ sich die Rück­kehr zur Infan­ti­li­sie­rung des Wett­be­werbs aus­ma­chen. Eine gan­ze Rei­he gera­de erst sieb­zehn­jäh­ri­ger Teen­ager nahm an die­sem Wett­be­werb teil, teils deut­lich erwach­se­ner wir­kend. Wie zum Bei­spiel die blas­se Bel­gie­rin Blan­che, die zwar offen­sicht­lich unter höl­li­schem Lam­pen­fie­ber litt und im zwei­ten Semi­fi­na­le wirk­te, als näs­se sie sich vor Panik gleich ein, wäh­rend sie am Sams­tag etwas mehr Selbst­ver­trau­en geschöpft hat­te und zwi­schen­drin sogar mal ansatz­wei­se lächel­te, die aber auf­grund ihrer erstaun­lich tie­fen Stim­me und ihrer Kör­per­grö­ße alles ande­re als einen kind­li­chen Ein­druck hin­ter­ließ. Ihren fan­tas­ti­schen, unbe­stimmt apo­ka­lyp­tisch-düs­te­ren Elek­tro­kra­cher ‘City Lights’ ret­te­ten in der Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de die ver­stän­di­gen Televoter/innen vor dem Aus­schei­den. Dan­ke dafür, denn der Song hat abso­lut das Zeug zu einem euro­pa­wei­ten Hit! Im kras­sen Gegen­satz zu ihr stand der Sil­ber­me­dail­len­ge­win­ner Kris­ti­an Kos­tov aus Bul­ga­ri­en, der ers­te in die­sem Jahr­tau­send gebo­re­ne Grand-Prix-Künst­ler (Gott, ich bin so alt!), der aller­dings aus­sah wie ein Zwölf­jäh­ri­ger. Oder viel­mehr wie eine zwölf­jäh­ri­ge Les­be­nan­wär­te­rin. Sein pas­send beti­tel­ter Song ‘Beau­tiful Mess’ besetz­te in die­sem Jahr den Emme­lie-de-Forest-Slot für den Bei­trag, den schein­bar alle ande­ren außer mir toll fin­den und der an mir ein­fach nur vor­über­zieht, ohne den gerings­ten Ein­druck zu hin­ter­las­sen. A pro­pos Emme­lie: die däni­sche Sie­ge­rin von 2013 schrieb den bri­ti­schen Bei­trag 2017, das ange­sichts des Brexit bei­na­he sar­kas­ti­sche ‘Never give up on you’, von der äußerst robus­ten Musi­cal­sän­ge­rin Lucie Jones im für eine Frau ihrer Sta­tur irgend­wie unpas­sen­den Gold­la­mé­kleid­chen und vor einer Art illu­mi­nier­ter Kur­mu­schel stimm­kom­pe­tent vor­ge­tra­gen. Und von den Jurys, für wel­che die Bal­la­de ohren­hör­lich kon­zi­piert wur­de, ange­mes­sen bepunktet.

Zum The­ma “bei­läu­fig wir­ken­de Hand­be­we­gun­gen” gehst Du aber viel­leicht noch mal bei Mary Roos in die Schu­le, Lie­bes! (BE)

Den Car-Crash des Jahr­gangs lie­fer­te zwei­fel­los der Kroa­te Jac­ques Hou­dek ab, den der Sen­der HRT nach unzäh­li­gen geschei­ter­ten Ver­su­chen bei der EMA als sin­gen­de Dis­co­ku­gel heu­er direkt nomi­nier­te, ver­mut­lich, um es end­lich hin­ter sich zu haben. Der mensch­ge­wor­de­ne Marsh­mal­low-Mann trat mit einer jeg­li­cher Beschrei­bung spot­ten­den Musi­cal­num­mer an, bei der er abwech­selnd in Tenor­la­ge und mit mäd­chen­haft hoher Pop-Stim­me sang, was er durch eine Halb-und-Halb-Ver­klei­dung mit Frack und Leder­ja­cke visua­li­sier­te. Wobei das Vor­bild für letz­te­res Uten­sil frag­los im Video­clip von Micha­el Jack­sons Pop-Klas­si­ker ‘Bad’ zu fin­den ist, einer, wenn man mal dar­über nach­denkt, min­des­tens genau so schrä­gen und unglaub­wür­di­gen Insze­nie­rung eines offen­sicht­lich fehl in sei­nem Kör­per sei­en­den Dia­na-Ross-Anbe­ters als ver­meint­lich böser Bube. Nur, dass man – und ja, ich brin­ge selbst nicht sehr viel weni­ger als der Kroa­te auf die Waa­ge und ich peit­sche mich für die­sen Gedan­ken­gang gera­de fort­wäh­rend aus, wäh­rend ich ihn auf­schrei­be – wäh­rend Hou­deks Dar­bie­tung im Kopf­ra­dio statt­des­sen fort­wäh­rend die Zei­le “You know, I’m fat / I’m fat / Real­ly, real­ly fat” lau­fen hör­te. Das ange­nehm gru­se­li­ge audio­vi­su­el­le Ent­set­zen über die­se drei Minu­ten bes­ter Unter­hal­tung lenk­ten jedoch lei­der davon ab, dass es sich bei sei­nem Titel ‘My Fri­end’ mit ihrem hoch pathe­ti­schen Text eigent­lich um eine an ihn selbst gerich­te­te Coming-Out-Num­mer han­del­te, mit wel­cher der im Hei­mat­land gerüch­te­wei­se homo­pho­ber Äuße­run­gen (die er bereits demen­tier­te) bezich­tig­te, hete­ro­se­xu­ell ver­hei­ra­te­te Fami­li­en­va­ter sich und ande­ren Schrank­schwu­len Mut zusin­gen woll­te, den schmerz­li­chen Weg der Frei­heit zu gehen.

Zwei Stim­men woh­nen, ach, in mei­ner Brust: Jac­ques Hou­dek (HR)

Gehen ist etwas, das der Botox-Boy Robin Beng­ts­son indes nicht mehr kann. So behaup­te­te er es jeden­falls in sei­nem ultra­hoch­glanz­po­lier­ten Schwe­den­schla­ger ‘I can’t go on’. Nur, um die­se Aus­sa­ge mit sei­ner Insze­nie­rung auf einem Fit­nesstu­dio-Lauf­band (!) Lügen zu stra­fen. Das in sei­ner Cho­reo­gra­fie ger­ne und oft ver­wen­de­te Hand­zei­chen des zum “O” geform­ten Dau­mens und Zei­ge­fin­gers hat bekannt­lich je nach Kul­tur­kreis unter­schied­li­che Bedeu­tun­gen, von “sehr gut” über eine Belei­di­gung bis hin zum Obs­zö­nen (näm­lich in Form der damit ange­deu­te­ten Vagi­na). So ver­hält es sich auch mit Robins Song­text, der mit viel gutem Wil­len als Kom­pli­ment über die Schön­heit sei­ner Ange­be­te­ten gele­sen wer­den kann, rea­lis­ti­scher­wei­se aber auch als eine Art Date-Rape-Song, in wel­chem der dank sei­nes bis zur Mimi­k­un­fä­hig­keit gespritz­ten Gesichts einen ziem­lich schlei­mi­gen Ein­druck hin­ter­las­sen­de Schwe­de sogar durch­schei­nen lässt, auf wel­che Art er es tun möch­te: “Hands down to the Flo­or” bie­tet da wenig Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum. Als der­ma­ßen sexis­tisch erweist sich die Num­mer, dass ich stünd­lich dar­auf war­te, dass Roland Kai­ser (→ Vor­ent­scheid DE 1980) sie covert und mit der deut­schen Hook­li­ne “Ich kann nicht gehn / hab einen stehn / denn Du bist so ver­fickt wun­der­schön” ver­sieht. Doch nicht nur Schwe­den schick­te einen sin­gen­den Wüst­ling, son­dern auch Spa­ni­en. Der Sur­fer­boy Manel Navar­ro, als unge­lieb­ter Sie­ger einer im Tumult geen­de­ten Vor­ent­schei­dung von der sich im Klam­mer­griff der Musik­in­dus­trie befind­li­chen Jury gegen den Wil­len der Zuschauer/innen nach Kiew mani­pu­liert, ver­such­te in sei­nem hoch repe­ti­ti­ven Som­mer-und-Strand-Song ‘Do it for your Lover’ eine arme Maid durch pau­sen­lo­ses Tot­ner­ven zu einer nicht näher spe­zi­fi­zier­ten Hand­lung zu über­re­den, von wel­cher sie sich mit Sicher­heit eine hart­nä­cki­ge Infek­ti­on ein­fan­gen wür­de. Doch das Kar­ma schlug zurück: Navar­ro jaul­te der­ma­ßen ohren­zer­rei­ßend schief, dass das Befürch­te­te ein­trat und er uns den letz­ten Platz in der Gesamt­wer­tung (und damit das gol­de­ne Rote-Later­nen-Tri­ple) wegnahm.

Kel­ler­kind Robin und sei­ne Anwalts­pos­see (SE)

Die deut­sche Diseu­se Levina Lueen ver­moch­te, dank einer groß­zü­gi­gen Drei-Punk­te-Spen­de des Schwei­zer Publi­kums, einen sen­sa­tio­nel­len vor­letz­ten Rang klar­zu­ma­chen. Was mög­li­cher­wei­se auch damit zu tun hat­te, dass die ARD ganz offi­zi­ell per lau­fen­der Bild­un­ter­schrift die sich außer­halb des Hei­mat­lan­des befind­li­chen Zuschauer/innen (erst­mals über­trug auch das Aus­lands­fern­se­hen der Deut­schen Wel­le) so mas­siv wie scham­los dazu auf­for­der­te, von dort aus für Deutsch­land anzu­ru­fen. Wie tief sind wir eigent­lich schon gesun­ken? Der Kom­men­ta­tor Peter Urban und die Rah­men­pro­gramm-Mode­ra­to­rin Bar­ba­ra Schö­ne­ber­ger zeig­ten sich ange­sichts des mau­vai­sen Ergeb­nis­ses pflicht­ge­mäß fas­sungs- und ahnungs­los. Und beton­ten, völ­lig zu Recht, dass es an der vom Sen­der in sämt­li­chen Ein­spie­lern als Miss Con­ge­nia­li­ty insze­nier­ten Inter­pre­tin nicht lag: die hat­te nun, bei ihrem Auf­tritt strah­lend wie eine frisch vom Hei­li­gen Geist geschwän­ger­te, jugend­li­che Caro­la (→ SE 1983, 1991, 2006), wirk­lich ihr Bes­tes gege­ben. Aber auch sie ver­füg­te nicht über Super­hel­din­nen­kräf­te und ver­moch­te nun mal aus einer lied­ge­wor­de­nen Sound­di­ar­rhoea kei­nen Dia­man­ten zu for­men. Solan­ge die Songfin­dungs­kom­mis­si­on des NDR wei­ter­hin mit Men­schen bestückt bleibt, die irr­tüm­lich glau­ben, ihre Auf­ga­be lie­ge dar­in, einen mög­lichst ecken- und kan­ten­frei­en, auf kei­nen Fall irgend­wie auf­fäl­li­gen Song her­aus­zu­sie­ben, der im Dudel­funk gespielt wer­den könn­te, ohne irgend­je­mand zu ver­schre­cken; solan­ge man sich in Ham­burg daher wei­ter­hin von “inter­na­tio­na­len Hit­ma­chern” irgend­wel­che aus gutem Grund unver­käuf­li­chen Alb­um­füll­ti­tel andre­hen lässt – solan­ge kämp­fen wir beim größ­ten Musik­wett­be­werb der Welt wei­ter­hin aus­schließ­lich ums Schlusslicht.

Over­sel­ling it: da stürz­te Levina vor lau­ter ener­gi­schem Köpf­chen­schüt­teln doch glatt die Fön­wel­le ins Gesicht (DE)

Rech­ne­risch bes­ser, dra­ma­tur­gisch aber noch bit­te­rer als für Levina lief es für den Tiro­ler Nathan Trent, ursprüng­lich mal in der Aus­wahl der Bes­ten 33 für den deut­schen Vor­ent­scheid 2017 dabei, dann aber vom ORF mit dem Lock­mit­tel, einen von ihm selbst geschrie­be­nen Song vor­tra­gen zu kön­nen, weg­ge­schnappt. Sein wol­ken­wat­te­wei­ches Lied­lein ‘Wal­king on Air’ gab zunächst eben­falls wenig Anlass zur Hoff­nung. Doch dann fuh­ren die Öster­rei­cher eine geschick­te Insze­nie­rung mit dem rund­weg sym­pa­thi­schen Dau­er­grin­ser als Mann im Mond auf, die visu­ell so beein­druck­te, dass man die öde Musik dar­über fast ver­gaß. Und nach­dem Nathan damit den Final­ein­zug pack­te, konn­te der blon­de Charme­bol­zen mit guten Grund glau­ben, es geschafft zu haben und von allen geliebt zu wer­den. Im zwei­ge­teil­ten Final-Voting am Sams­tag­abend über­gos­sen ihn die Juro­ren denn auch ver­hält­nis­mä­ßig freund­lich mit 93 Punk­ten: kein Spit­zen­er­geb­nis, aber eine soli­de Aus­gangs­ba­sis, so soll­te man mei­nen. Um so bru­ta­ler die eis­kal­te Rea­li­täts-Dusche zum Auf­takt der Zuschau­er­ab­stim­mung, als es für Natha­na­e­le ganz null Punk­te gab. Wie sich in der Nacht noch her­aus­stell­te, hat­ten die Juro­ren den Ahnungs­lo­sen aus­ge­trickst und bereits in der Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de gegen den Publi­kums­wil­len ins Fina­le gemo­gelt, um ihn dort vor die Wand lau­fen zu las­sen. Wie bös­ar­tig! Genau­so mach­ten sie es übri­gens auch mit dem aus­tra­li­schen Ephe­ben Isai­ah Fire­brace und sei­ner nicht min­der lang­wei­li­gen Kräut­lein-rühr-mich-nicht-an-Bal­la­de ‘Don’t come easy’, nur dass hier der Punk­te­split noch monu­men­ta­ler aus­fiel. Zwei mage­re Zäh­ler von den Zuschauer/innen, aber 171 Punk­te von der Jury – ob der blut­jun­ge Abori­gi­ne den Pro­fi-Wer­tern eine Abkehr von sei­ner Preis­po­li­tik (“I don’t come cheap”) ver­sprach oder sie etwas völ­lig ande­res hör­ten und sahen als der Rest der Mensch­heit, bleibt ein Rät­sel. Oder gab es eine (natür­lich inof­fi­zi­el­le) Direk­ti­ve der EBU, dass das erst zum drit­ten Mal star­ten­de, geo­lo­gisch defi­ni­tiv nicht­eu­ro­päi­sche Land ins Fina­le kom­men muss, um kei­ne Kri­tik an des­sen Teil­nah­me auf­kom­men zu lassen?

Der Jus­tin Tim­ber­la­ke aus Tirol: Nathan bezirz­te nur die Juro­ren (AT)

Im Arsch ist nun­mehr jeden­falls der Ruf der Ukrai­ne (deren nicht rocken­de Rock­band O.Torvald erwar­tungs­ge­mäß weit hin­ten lan­de­te) als Euro­vi­si­ons-Aus­tra­gungs­land. Zum einen auf­grund der mehr als chao­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on im Vor­feld mit meh­re­ren Rück­trit­ten von Sen­der­ver­ant­wort­li­chen und einem in letz­ter Sekun­de von der EBU erzwun­ge­nen Fly-in von Mel­lo-Mas­ter­mind Chris­ter Björk­man (→ SE 1992) plus des schwe­di­schen Pro­duk­ti­ons­teams als Ret­ter des Abend­lan­des. Zum zwei­ten wegen eines für die Secu­ri­ty mehr als pein­li­chen Vor­falls wäh­rend der Wer­tungs­pau­se, als ein aus­tra­li­scher Hoo­li­gan der als aus­tra­li­scher Fan ver­klei­de­te noto­ri­sche Stö­rer Vita­lii Sedi­uk die Satel­li­ten­büh­ne stürm­te, auf wel­cher die Vor­jah­res­sie­ge­rin Jama­la gera­de ihre aktu­el­le, selt­sam farb­lo­se Sin­gle prä­sen­tier­te, und sein nack­tes Hin­ter­teil in die Kame­ra streck­te. Was, wenn man ehr­lich ist, als Ein­zi­ges von die­sen drei Minu­ten bzw. dem gesam­ten Rah­men­pro­gramm des ukrai­ni­schen Fern­se­hens in Erin­ne­rung bleibt. Drit­tens aber, und man mag es schon gar nicht mehr auf­schrei­ben, weil es so furcht­bar ist: das unnö­ti­ge Dra­ma um die rus­si­sche Teil­neh­me­rin Julia Samay­l­o­va, von der Föde­ra­ti­on im Wis­sen um einen Auf­tritt der Roll­stuhl­fah­re­rin auf der annek­tier­ten Krim nur zu dem ein­zi­gen Zwe­cke nomi­niert, den Kriegs­geg­ner Ukrai­ne alt aus­se­hen zu las­sen und das – dann auch prompt ver­häng­te – Ein­rei­se­ver­bot zu pro­vo­zie­ren. Zum The­ma wur­de bereits alles gesagt, ver­lo­ren haben alle vier betei­lig­ten Par­tei­en: Russ­land, dass sich als Opfer dar­stellt, für jeder­mann klar erkenn­bar aber der Täter ist; die Ukrai­ne, von Russ­land am Nasen­ring durch die Manè­ge geführt und so oder so in einer schlech­ten Posi­ti­on: hät­te man nach­ge­ge­ben und Julia zuge­las­sen, hät­te man Schwä­che gezeigt – so aber prä­sen­tier­te man sich der Welt als klein­lich und unbarm­her­zig; die völ­lig hilf­los und ein­sei­tig agie­ren­de EBU, wel­che das Schla­mas­sel durch ihre eige­ne Lax­heit im Vor­feld zu ver­ant­wor­ten hat; und schließ­lich die Sän­ge­rin selbst, die sich spä­tes­tens durch ihren neu­er­li­chen Krim-Auf­tritt am Tag des ers­ten Semi­fi­na­les (und rus­si­schen Zwei­ter-Welt­krieg-Fei­er­tag) end­gül­tig um jede Sym­pa­thie brach­te und ihr wah­res Gesicht als will­fäh­ri­ge Pro­vo­ka­teu­rin offenbarte.

Viel Licht, aber auch viel Schat­ten beim ESC 2017 (NL)

Es bleibt zu hof­fen, dass man in Genf nun die rich­ti­gen Leh­ren zieht und sei­ne Aus­tra­gungs­re­gu­la­ri­en vor­aus­schau­end ver­schärft. Denn bei allem ver­ba­len Ramt­am­tam um den Euro­vi­si­on Song Con­test als jähr­li­che Zele­bra­ti­on der euro­päi­schen Einig­keit und Frei­heit: es ist nun mal nicht alles Frie­de, Freu­de, Ein­schalt­quo­ten. Man kann sich nicht mehr län­ger um die Dis­kus­si­on um den Umgang mit tota­li­tä­ren und semi­de­mo­kra­ti­schen Regie­run­gen drü­cken. Wie das Bei­spiel Baku gezeigt hat, führt das tem­po­rä­re Ein­fal­len des euro­vi­sio­nä­ren Wan­der­zir­kus­ses in einem Unter­drü­ckungs­staat eben nicht zu einer Infek­ti­on des Lan­des mit dem Virus der Demo­kra­tie, wer­den Regime­kri­ti­ker dort wei­ter­hin gna­den­los weg­ge­sperrt. Auch die (ver­gleichs­wei­se eher kin­di­schen) Kab­be­lei­en zwi­schen Arme­ni­en und Aser­bai­dschan zei­gen, dass Aus­ein­an­der­set­zun­gen eben auch in den Con­test getra­gen wer­den, und es hilft nichts, sich die Ohren zuzu­hal­ten und “ich bin aber unpo­li­tisch!” zu rufen. Das aller­min­des­te, was jetzt pas­sie­ren muss, ist eine ver­bind­li­che Regel, die besagt, dass ein Land, wel­ches den Wett­be­werb aus­tra­gen will, die Teil­nah­me aller Natio­nen gewähr­leis­ten muss, auch wenn dies natio­na­len Vor­schrif­ten wider­spricht, und die andern­falls eine Ver­le­gung der Show in ein ande­res Land nach sich zieht. Auch wenn man sich in Por­tu­gal dies­be­züg­lich sicher kei­ne Gedan­ken machen muss. Noch bes­ser wäre, die EBU wür­de ver­bind­li­che, nach­prüf­ba­re demo­kra­ti­sche Min­dest­stan­dards, bei­spiels­wei­se in Sachen Mei­nungs- und Pres­se­frei­heit oder Min­der­hei­ten­rech­te auf­stel­len und die Natio­nen, wel­che die­se nicht erfül­len, raus­wer­fen. Denn der Con­test ist nun mal, ob man das will oder nicht, poli­tisch, und dies zu leug­nen, macht alles nur noch schlimmer.

ESC 2017, Finale

Fina­le des Euro­vi­si­on Song Con­test 2017, Sams­tag, der 13. Mai 2017, 21 Uhr, aus dem Inter­na­tio­nal Exhi­bi­ti­on Cen­ter in Kiew, Ukrai­ne. Mode­ra­ti­on: Olek­san­dr Skich­ko, Volo­dym­yr Ost­ap­chuk und Timur Mirosh­ny­chen­ko, 26 Teilnehmer.
#LKInter­pretTitelPkt
gs
Pl
gs
Pkt
TV
Pl
TV
01ILImri ZivI feel alive0392300523
02PLKasia MośFlash­light0642204112
03BYNaviHisto­ry­ja majho žyccia0831703313
04ATNathan TrentRun­ning on Air0931600026
05AMArts­vik HarutyunyanFly with me0791802118
06NLO’ge­neLights and Shadows1501101519
07MDSun­Stro­ke ProjectHey Mam­ma!3740326403
08HUJoci PápaiOri­go2000815207
09ITFran­ces­co GabbaniOccidentali’s Kar­ma3340620806
10DKAnja Nis­senWhe­re I am0772000821
11PTSal­va­dor SobralAmar pelos Dois7580137601
12AZDiHajSke­le­tons1201404211
13HRJac­ques HoudekMy Fri­end1281310309
14AUIsai­ah FirebraceDon’t come easy1730900225
15GRDemyThis is Love0771902915
16ESManel Navar­roDo it for your Lover0052600522
17NOJowstGrab the Moment1581002916
18UKLucie JonesNever give up on you1111501220
19CYHovig Demir­janGra­vi­ty0682103214
20ROIlin­ca Băcilă + Axel FloreaYodel it!2820722405
21DELevina LueenPer­fect Life0062500324
22UAO.TorvaldTime0362402417
23BEBlan­cheCity Lights3630425504
24SERobin Beng­ts­sonI can’t go on3440512608
25BGKris­ti­an KostovBeau­tiful Mess6150233702
26FRAlmaRequi­em1351209010

17 Comments

  • Die Drei-Punk­te-Spen­de kam übri­gens aus Irland und nicht aus der Schweiz.

  • Nö. Drei Punk­te Schwei­zer Publi­kum, drei Punk­te Jury aus Irland. Alles richtig.

  • @ Mei­kel

    Bei­des. Drei Jury-Punk­te aus Irland, drei Tele­vo­ting-Punk­te aus der Schweiz.

  • Kein Wort zu den Nor­we­gern? Ich fin­de die Num­mer klas­se, der moderns­te Song des Abends. Da hat­te die deut­sche Jury rich­tig gewählt. Ausnahmsweise.

  • @Peter Edel­weiß. natür­lich wird dies nicht erwähnt. Die Argu­men­te wer­den ja selek­tiv wahr­ge­nom­men, je nach­dem ob sie das lei­di­ge Jury­bas­hing unter­stüt­zen oder nicht.

  • Ach ja. Ein in Lan­des­spra­che vor­ge­tra­ge­nes Lied, in dem ech­te Emo­tio­nen durch­klin­gen, gewinnt, und ein rei­ner Spaß­bei­trag aus Ost­eu­ro­pa lan­det in den Medail­len­rän­gen. Schön war das.

    Aber genug von Hel­sin­ki 2007.

    Ich ver­ste­he es nicht. Was für den Haus­herrn die­ses Jahr Bul­ga­ri­en war – der Song, den alle außer einem selbst super fin­den – war für mich und mei­ne Mit­zu­schau­er Por­tu­gal. Das war nicht emo­tio­nal, das war auch nicht “authen­tisch”, das war schlicht lang­wei­lig. Und schein­hei­lig ist es oben­drein, denn natür­lich ist die­ser Auf­tritt kein Stück weni­ger durch­ge­plant als Schwe­den oder Ita­li­en – nur eben in die ande­re Rich­tung. Das war bei Ser­bi­en 2007 letzt­lich auch so, aber mit dem nicht unwich­ti­gen Unter­schied, dass das Lied mich damals erreicht hat. “Amar pelos dois” hin­ge­gen fin­de ich – und fan­den alle, die mit mir im Raum waren – so inter­es­sant wie einen lee­ren Eimer aus Luft und so berüh­rend wie mei­ne letzt­jäh­ri­ge Steuererklärung.

    Aber das ist nicht das Schlimms­te an die­sem Sieg (der den Por­tu­gie­sen nach 53 Jah­ren gegönnt sei, und ich geste­he auch sofort, dass der Feh­ler wohl bei mir lie­gen muss, wenn ich es nicht begrei­fe). Das Schlim­me ist die Flut an Imi­ta­to­ren, die jetzt zu erwar­ten steht, und die wahr­schein­lich alle die fal­schen Schlüs­se aus die­sem Sieg zie­hen wer­den. Ich hof­fe, dass zumin­dest in eini­gen Län­dern eine Art Absetz­be­we­gung von der Bal­la­den­flut der letz­ten Jah­re ein­setzt, aber mit die­sem Song als Sie­ger dürf­te das das Pfei­fen im Wal­de sein.

    2016 und 2017 gehör­ten schon zu den lang­wei­li­ge­ren Jahr­gän­gen des ESC (17 nicht ganz so schlimm wie 16, zuge­ge­ben). Bit­te gib, wer auch immer ver­ant­wort­lich ist, dass 2018 nicht noch lang­wei­li­ger wird.

  • Amar Pelos Dois wird den Test der Zeit über­ste­hen und zukünf­tig in jedem Jazz-Fake­book zu fin­den sein.
    Natür­lich wird es nicht in den “fast food”-Radiosendern lau­fen, muss es wegen mir auch nicht.
    Alex­an­der Rybak ist ja schon einer der “Imi­ta­to­ren” der es auf eng­lisch nach­ge­spielt hat und das sehr schön.
    Bin aller­dings etwas ent­setzt was ihm gera­de auf den You­tube-Sei­ten für ein Hass von vie­len Kom­men­ta­to­ren ent­ge­gen­schlägt. Sind hof­fent­lich alles nur 12-Jäh­ri­ge Kris­ti­an Kos­tov Fans die sowas schreiben…

    Für Deutsch­land habe ich erst wie­der Hoff­nung auf ein bes­ser­se Abschnei­den wenn ein wüten­der Mob ent­täusch­ter ESC Fans den NDR stürmt und alle Ver­ant­wort­li­chen für den Bewerb teert und federt

    Den Wett­be­werb all­ge­mein fand ich musi­ka­lisch bes­ser als letz­tes Jahr, aber von der Show war es gera­de im Ver­gleich zu den letz­ten 3 Jah­ren ein her­ber Rück­schlag. Ich muss­te auch vor lau­ter fremd­schä­men bei Trick, Tick und Track irgend­wann immer den Ton stummschalten.

    Die Poli­tik war wäh­ren der 2 Wochen Gott sei Dank weit­ge­hend kein The­ma und mit einem unpo­li­ti­schem, unstrit­ti­gen Sie­ger sowohl beim Publi­kum als auch den Jurys kann ich mich auf das wun­der­schö­ne Por­tu­gal im nächs­ten Jahr freuen.

    Fran­ces­co hat Platz 6 nicht ver­dient, ich fand sein Auf­tritt trotz ein paar Ermü­dungs­er­schei­nun­gen immer noch wunderbar.Der ESC braucht mehr von der Sorte! 

    Dan­ke Oli­ver für die vie­len sehr unter­halt­sa­men Arti­kel, ich lese seit letz­tem Jahr regel­mä­ßig mit und auf­recht­gehn & ESC gehö­ren für mich seit­her zusammen!

  • Ein­spruch, Peter Edel­weiß, JOWST feat. What’s‑His-Face kommt genau 17 Jah­re zu spät. Insze­na­to­risch sogar 20, wenn man mal von den Pseu­do-Holo­gram­men absieht. Es soll­te Daft Punk sein und ist Bom­funk MCs geworden.

    Wahr­lich modern und erfreu­li­cher­wei­se vom Publi­kum hono­riert wor­den: “City Lights”. Gera­de da zeigt sich, wie schei­ße die Jury die­ses Jahr war. Und mani­pu­la­tiv noch dazu, wie Kom­men­tar 3 dort zeigt:
    http://blog.prinz.de/grand-prix/esc-voting-2017-die-votingergebnisse-von-oesterreich/#comments

  • Ospe­ro, tau­send, tau­send Dank für Dei­nen Kom­men­tar, dem ich in allen Punk­ten zustim­me. Mein per­sön­li­cher Favo­rit war Ita­li­en, und ich bin nach wie vor der Mei­nung, dass das der mit Abstand bes­te Song des Jahr­gangs war. Der sechs­te Platz war schon sehr sehr arg, lei­der war die Kame­ra­füh­rung beim Auf­tritt mehr an der Büh­ne als an Fran­ces­co inter­es­siert. Habe mir ges­tern (nicht nur) aus Trotz das neue Album gekauft.

    Was Por­tu­gal angeht, füh­le ich mich in die­sem Jahr sehr, sehr ein­sam im Meer der gan­zen Sal­va­do­rable-Schrei­er. Natür­lich gön­ne ich Por­tu­gal sei­nen ers­ten Sieg, und das Lied tut auch nicht weh und hät­te das auch vor 60 Jah­ren nicht getan. Aber ich kann Sal­va­dor abso­lut nichts abge­win­nen und fand sein Sie­ger-State­ment unmög­lich. Kann man den­ken, völ­lig unrecht hat er auch nicht, aber gegen­über sei­nen Mit­sän­gern war die­se Aus­sa­ge ein Schlag ins Gesicht. Ich habe zum ers­ten Mal in mei­nem Leben die Sie­ger­re­pri­se nicht ange­schaut und muss­te drau­ßen auf dem Bal­kon erst­mal tief durch­at­men. Ein abso­lut gebrauch­ter Abend.

    Platz 25 für Levina war sehr trau­rig, aber lei­der mit die­sem schwa­chen Lied zu erwar­ten. Ich habe genü­gend ESCs gese­hen und an genü­gend pri­va­ten Con­tests teil­ge­nom­men, um eine Sache gelernt zu haben: Nach unten durch­ge­reicht wird nicht, wer schlecht ist oder unan­ge­nehm auf­fällt (es sei denn, man ist GANZ schlecht, sie­he Manel). Nach unten durch­ge­reicht wird, wer gar nicht auf­fällt. So lan­ge der NDR auf Num­mer Sicher geht, wird sich dar­an auch nix ändern. Für Levina tut es mir unend­lich leid, sie muss den gan­zen Mist aus­ba­den und bekommt von so blö­den Wichs­ern wie Bushi­do noch einen mit­ge­ge­ben (ich zitie­re mal sei­nen Tweet: “Gra­tu­lie­re Levina zum vor­letz­ten Platz. Star­ke Leis­tung du Null!”) und kann abso­lut GAR NICHTS dafür. Ich hof­fe, dass sie ihren Plan A wei­ter ver­wirk­li­chen kann, sie ist wirk­lich eine tol­le Sän­ge­rin und hat Deutsch­land in Kiew sehr wür­dig und char­mant ver­tre­ten. Hm – mir ist, als hät­te ich genau das schon letz­tes und vor­letz­tes Jahr geschrieben… 

    Was die zu erwar­ten­de Retro-Bal­la­den-Flut angeht: Gna­de Euch. Gna­de Euch allen, wenn ich hier oder irgend­wo anders Geme­cker drü­ber lesen muss, dass ja 2018 wie­der sooooooooo vie­le Bal­la­den am Start sind. Ihr wisst doch ganz genau, dass im Jahr drauf alle den Sie­ger kopieren.

    Eine Hoff­nung habe ich aller­dings, nicht nur aus einem ganz bestimm­ten Eigen­in­ter­es­se: Ich hof­fe, mit einem nicht eng­lisch­spra­chi­gen Sie­ger wer­den wir nächs­tes Jahr wie­der mehr Bei­trä­ge in Lan­des­spra­che haben.

  • Cal, okay, okay – aber gegen das Kind aus Bul­ga­ri­en, gegen die Jodel­schnep­fe und Öster­reichs Mann im Mond, war Nor­we­gen wenigs­tens halb­wegs am Puls der Zeit.
    Ich fin­de Por­tu­gals “Jazz-Wal­zer” auch fad(o) und nicht weni­ger kal­ku­liert als das Mach­werk des gespal­te­nen uner­träg­li­chen Schleim­bat­zens aus Kroa­ti­en. Däne­mark – geht ja gar nicht, ein Lied, wie für den ESC aus Abfall zusam­men­ge­schus­tert (so wie auch Deutsch­lands Bei­trag). Aus­tra­li­en? Seicht bis dort hin­aus. Fran­ces­co (mei­ne num­me­ro due) hät­te ich den Sieg auch gegönnt – das hat­te Fri­sche und Itel­li­genz. Polen? Uäääh – ich weiß jetzt nur noch, die Sän­ge­rin war blond und trug ein wei­ßes Kleid. Die Bel­gie­rin (guter Song!) sah aus, als erwar­te sie eine Wur­zel­be­hand­lung. Aber soooo inno­va­tiv und ori­gi­nell, ist “City Lights” nun auch wie­der nicht. Die Dar­bie­tungs­wei­se schon zwei­mal nicht.

  • Ich fand die Aus­sa­ge Sobrals nicht gegen die Künst­ler gerich­tet son­dern gegen die Ver­ant­wort­li­chen sowohl bei der EBU als auch in den Natio­na­len Vor­ent­schei­den. Die bestim­men doch mit Ihrer Vor­auswahl und Jury­zu­sam­men­set­zung wohin die Rei­se musi­ka­lisch geht.
    Da sit­zen dann weich­ge­spül­te Musi­ker wie Nico­le, Tawil und Ihre Men­to­ren deren musi­ka­li­scher Hori­zont nicht über ihren eige­nen Gar­ten­zaun reicht.
    Wenn dann so Para­dies­vö­gel wie Hou­dek, Slav­ko oder die Rumä­nen kom­men und die Men­ge aus dem Koma befrei­en in das sie durch Anja, Lucie oder Isai­ah gefal­len sind dann sind sie bei der Punk­te­ver­ga­be total über­for­dert und gehen auf Num­mer sicher und wäh­len JOWST oder Nathan.

    Das immer mehr Län­der sich dann see­len­lo­sen schwe­di­schen Plas­tik-Pop kau­fen ohne Ecken und Kan­ten und den zum ESC schi­cken ist dann das Ergeb­nis. Die­se Län­der sol­len sich dann ruhig ange­spro­chen fühlen.
    Auch Deutsch­land, obwohl´s hier trotz­dem nicht klappt.

    Und wenn man mehr Lan­des­spra­che will (die meis­tens 10mal mehr “fee­ling” hat als die­se “angli­fi­zier­ten” Num­mern hat man wie­der die Jurys gegen sich die das gna­den­los run­ter­wer­ten wie man das in der Lis­te oben wie­der ein­drück­lich sieht. Und trotz­dem haben es alle 5 beim Publi­kum bis min. Platz 14 im Fina­le geschafft, ein ech­ter Licht­blick! (OK, die spa­ni­sche Grüt­ze hab ich nicht mitgezählt)

    Ich kann jeden ver­ste­hen der Sal­va­dor zum ein­schla­fen fin­det, mir gings bei JOWST halt so obwohl die Num­mer gut pro­du­ziert war. Ist ja eben das schö­ne am ESC das er so eine viel­fäl­ti­ge Wun­der­tü­te ist bei der für jeden was dabei ist.

  • @Tamara Fabi­an: Nein, ich muss mich bedan­ken. Ich dach­te schon, mein Wohn­zim­mer sei in irgend­ein Par­al­lel­uni­ver­sum ver­setzt wor­den, und ich und mei­ne fünf Mit­gu­cker hät­ten einen ganz ande­ren por­tu­gie­si­schen Bei­trag gese­hen als (offen­bar) Rest­eu­ro­pa. Wir haben uns die Sie­ger­re­pri­se übri­gens auch nicht ange­se­hen, aber aus ande­ren Grün­den (es war nach 1 Uhr, und kei­ner von uns hat­te mehr Lust, sich die Grüt­ze noch­mal anzu­tun). Und was die Hoff­nung auf mehr Songs in Lan­des­spra­che angeht: hat das vor zehn Jah­ren nach “Molit­va” geklappt? Mei­ne per­sön­li­che Hoff­nung ist eher, dass sich durch den Sieg des abso­lu­ten Under­dogs Por­tu­gal viel­leicht ein paar ande­re Ver­wei­ge­rer beseelt füh­len, es doch noch mal zu pro­bie­ren (und damit mei­ne ich nicht Russ­land). Wenn das Mus­ter der bei­den letz­ten Con­tests wei­ter­geht – es gewinnt ein Land, das im Jahr davor nicht dabei war – wäre es mir lie­ber, wir fah­ren 2019 nach Sara­je­vo oder Bra­tis­la­va als nach Mos­kau oder St. Petersburg…

  • @Ospero: Ich habe gera­de mal durch­ge­zählt. Wenn ich mich nicht ver­zählt habe, waren 2007 24 Songs auf eng­lisch (GB, IE und MT mit ein­ge­rech­net), 6 Songs zwei­spra­chig mit eng­lisch und 12 Songs ohne Eng­lisch. 2008 waren es 25 Songs rein eng­lisch, 2 zwei­spra­chig mit eng­lisch und 16 kom­plett nicht eng­lisch. Es ist damals zumin­dest nicht schlech­ter gewor­den. Ange­sichts heu­ti­ger Grö­ßen­ord­nun­gen (4 kom­plett nicht eng­lisch, 3 zwei­spra­chig und die rest­li­chen 36 (!!) rein eng­lisch) möch­te ich jetzt ein biss­chen wei­nen. Frü­her war alles bes­ser. Molit­va hab ich näm­lich geliebt und tu das bis heute.

    Des­halb: Ja, da hof­fe ich, dass der Trend zur Angli­fi­zie­rung sich umdreht!

  • Molit­va war (und ist) groß­ar­tig. Und die­ser Dau­er-Angli­fi­zie­rungs­trend ist schreck­lich frus­trie­rend. Die­ses Jahr war es immer­hin so, dass alle ange­tre­te­nen (teil-)landessprachlichen Songs auch das Fina­le erreicht haben (oder schon da waren, aber bei Spa­ni­en mach­te es nun wirk­lich kei­nen Unter­schied, ob die Sül­ze auf Spa­nisch, Eng­lisch, Deutsch, Unga­risch oder Klin­go­nisch gesun­gen wur­de). Viel­leicht hilft das zusam­men mit dem Sieg für einen Song in einer eher sper­ri­gen Spra­che (für mei­ne unbe­darf­ten Ohren klingt Por­tu­gie­sisch immer, als ob ein betrun­ke­ner Rus­se ver­sucht, Spa­nisch zu spre­chen – bit­te nicht böse sein), dass Euro­pa end­lich mal wie­der die eige­nen Spra­chen aus­packt. Wir hat­ten ja die letz­ten Jah­re schon ein paar Kan­di­da­ten, die das recht erfolg­reich gemacht haben – Il Volo, Jama­la, Amir, Poli Geno­va, Ruth Lorenzo. 

    Apro­pos Jama­la: Wie lan­ge ist es her, dass zwei nicht voll­stän­dig eng­lisch­spra­chi­ge Songs nach­ein­an­der gewon­nen haben? Mein spon­ta­ner Gedan­ke ist 1991 (Fan­gad av en stormvind/Insieme: 1992). Sechs­und­zwan­zig Jah­re. Uff. Und da gab es noch die Sprachregel.

  • Ich fühl­te mich heu­er durch den ESC wie­der sehr gut unter­hal­ten – im Fina­le und auch in den Semis war für jeden etwas dabei, und mit dem Sie­ger­ti­tel kann ich sehr gut leben, ich freue mich, dass nach vie­len Jah­ren mit gro­ßem Rah­men­pro­gramm auf den Sto­ckerl heu­er unter den ers­ten 6 Bei­trä­gen 5 dabei waren, die ohne das ganz gro­ße Brim­bo­ri­um und Feu­er­werk aus­ka­men. Da waren guter Gesang, gute Kom­po­si­tio­nen, gute Bot­schaf­ten und läs­si­ge Hei­ter­keit dabei. Naja, und Schwe­den halt. Wenn ein Sie­ger­ti­tel ohne Nach­bar­schafts­vo­ting aus ganz Euro­pa Stim­men erhält, dann kann so viel nicht falsch sein. Ich habe auch dafür ange­ru­fen. Und die Sie­ger­re­pri­se mit den Geschwis­tern Sobral war mei­ner Mei­nung nach groß­ar­tig und ich war fro­he die­se gese­hen zu haben. Und ich will ihm nicht abspre­chen, dass er sei­ne Kon­kur­ren­ten nicht respek­tiert hat. Etwas mehr Ent­span­nung und weni­ger Gold­waa­ge bei ein­zel­nen Wor­ten täte gut. Ich freue mich auf einen ESC in Lis­sa­bon und wenn ich den­ke, wie vie­le Bal­la­den heu­er am Start waren… nun ja, da bin ich ganz ent­spannt und wenn sie gut sind: gerne 🙂

    Aber dan­ken möch­te ich doch an die­ser Stel­le dem wer­ten Blog­ger, der mich wie­der gut und sicher durch die Ses­si­on geführt hat. Ich freue mich auch auf 2018 hier bei auf­recht­gehn. Dan­ke sehr dafür.

  • Dem schlie­ße ich ‚mich ger­ne an. Eigent­lich war ja für mich der hie­si­ge Jahr­gang einer der schlech­tes­ten in der ESC-Geschich­te über­haupt. Nach dem Fina­le muß ich sagen: Es gab musi­ka­lisch durch­aus noch mie­se­re, etwa 2014 in Kopen­ha­gen.… Vor allem wur­de ich durch DIE­SEN Sie­ge­r­auf­tritt dafür ent­schä­digt. End­lich gewinnt Por­tu­gal – Emo­tio­nen pur. Das ist ESC – muite obrigado !!!!!

  • Wie bist du dar­auf gekom­men, dass das ein Punk­te­re­kord gewe­sen wäre? Ist nicht Alex­an­der Zwie­back nach wie vor an der Spit­ze die­ser Rangliste?

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