CH 2018: alter­na­ti­ve Fakten

Corin­ne (Co) und Ste­fan (Stee) Gfel­ler aus dem Aar­gau gewan­nen am heu­ti­gen Sams­tag erwar­tungs­ge­mäß die Ent­schei­dungs­show des Schwei­zer Fern­se­hens und ver­tre­ten die Eid­ge­nos­sen­schaft beim Euro­vi­si­on Song Con­test 2018 in Lis­sa­bon. Als Duo nen­nen sich die Bei­den Zibbz (von Siblings, eng­lisch für Geschwis­ter), und den Lyrics ihres Bei­trags ‘Stones’ hört man ihren zwei­ten Wohn­sitz in Los Ange­les an: mit dem “Wild Joker on a Gold Thro­ne” gleich in ihrer ers­ten Text­zei­le kann nie­mand ande­res gemeint sein als der US-ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent Donald Trump. Ein Song gegen die anony­me Het­ze in den sozia­len Netz­wer­ken soll ‘Stones’ sein, erzähl­te Co der Aar­gau­er Zei­tung: “Es ist so ein­fach, fei­ge hin­ter dem Com­pi zu sit­zen und auf ande­re abzu­feu­ern”. Doch genau­so gut lässt er sich als poli­ti­scher Kom­men­tar lesen: “We’­re the Liars in the Face of Facts” ist ein offen­sicht­li­cher Sei­ten­hieb auf die neu­en Rech­ten und ihre “alter­na­ti­ven Fak­ten”. Ver­packt ist die­se klu­ge Gesell­schafts­kri­tik in einen ein­gän­gi­gen und ver­hält­nis­mä­ßig kan­ti­gen Pop­rock­song. “Vom Stil her erin­nert ‘Stones’ ein wenig an ‘Black Smo­ke’ (→ DE 2015), der Zibbz-Song ist aber etwas rot­zi­ger und hat einen stär­ke­ren Beat,” fass­te das der Prinz-Blog­ger Mat­thi­as in sei­nem Song-Check sehr schön zusammen.

Nein, das ist nicht Sal­va­dor Sobral (PT 2017) an den Drums, son­dern Stee Gfeller.

Ziem­lich viel Mühe hat­te sich das Schwei­zer Fern­se­hen dies­mal mit den Vor­be­rei­tun­gen zum Song Con­test gege­ben: eine breit gefä­cher­te Jury unter Betei­li­gung inter­na­tio­na­ler ESC-Juro­ren und hei­mi­scher Fans ver­las die sechs Finalist/innen der Ent­schei­dungs­show von Hand, es gab – wie in Deutsch­land – ein Song­wri­ting-Camp, und selbst das Wer­tungs­ver­fah­ren rich­te­te man am Melo­di­fes­ti­valen aus. Was bei der End­ab­stim­mung aller­dings zu einer drol­li­gen Situa­ti­on führ­te, als nach der Durch­ga­be der Voten der inter­na­tio­na­len Jurys – dar­un­ter die des deut­schen Dele­ga­ti­ons­lei­ters Chris­toph Pel­lan­der – und der Zutei­lung aller in Punk­te umge­rech­ne­ten pro­zen­tua­len Tele­vo­tin­g­er­geb­nis­se bis auf den Spit­zen­platz rein rech­ne­risch bereits fest­stand, dass die Zibbz gewon­nen hat­ten, der SRF-Mode­ra­tor Sven Epi­ney aber dar­auf bestand, dass das Kopf-an-Kopf-Ren­nen zwi­schen dem Geschwis­ter­duo und dem aus­ge­spro­chen nied­li­chen Ale­jan­dro Reyes noch nicht ent­schie­den sei und die Regie zur Erhö­hung der Span­nung in den Green Room schal­te­te, wo die bei­den Acts das alber­ne Spiel freund­lich mitspielten.

Vir­tu­os an der Gitar­re, trotz appem Arm: Alejandro.

Mit Reyes, der auch schon beim RTL-Super­ta­lent mit­mach­te, konn­te man vor­her schon Mit­leid haben – nicht auf­grund sei­ner feh­len­den lin­ken Hand, son­dern weil er sowohl beim Green-Room-Small­talk als auch direkt nach sei­nem Auf­tritt hin­sicht­lich sei­ner kom­po­si­to­ri­schen Mit­tä­ter­schaft am Wett­be­werbs­bei­trag ‘Kiss me’ sei­nes direk­ten Kon­kur­ren­ten Naeman gepie­sackt wur­de, sich zu des­sen Teil­nah­me zu äußern. Wobei sich Ale­jan­dro geschickt aus der Affä­re wand, ihm aber die Fremd­scham über die unmög­li­che Fra­ge­stel­lung anzu­se­hen war, mit der Epi­ney und sein Green-Room-Gehil­fe sämt­li­che (wenn auch schma­len) Chan­cen des am Ende des Abends fol­ge­rich­tig Letzt­plat­zier­ten kon­se­quent zunich­te mach­ten. Der knuf­fi­ge Reyes spiel­te hin­ge­gen bis zuletzt um den Sieg mit, und zwar zu Recht. Zwar ent­pupp­te sich sein eige­ner Bei­trag ‘Kom­pass’ als recht seich­te Radio-Mucke, gewann aber durch die laus­bu­ben­haf­te Aus­strah­lung sei­nes Inter­pre­ten immens. Lei­der ver­lor er aber auch durch Ale­jan­dros etwas zu wei­che Aus­spra­che: dass der gebür­ti­ge Chi­le­ne größ­ten­teils in der fran­zö­sisch­spra­chi­gen Roman­die auf­wuchs, mach­te sich bemerkbar.

She won’t be popu­lar: Vanes­sa Iraci.

Mit Vanes­sa Ira­ci fand sich auch eine Deut­sche im Line-up, die aller­dings von Chris­toph Pel­lan­der kei­ne Stim­men erhielt. Ihrem Lebens­lauf zufol­ge ver­sucht sich Ira­ci, die bereits zu Hau­se und in der Schweiz an der Cas­ting­show The Voice teil­nahm, seit 2005 im Musik­ge­schäft, nahm etli­che Alben auf und tin­gelt dane­ben mit einer eige­nen Par­ty­band, schaff­te aber nie so recht den Durch­bruch. Das erklärt viel­leicht ihren etwas ver­krampf­ten Gesichts­aus­druck und das gequäl­te, fal­sche Lächeln im Büh­nen­in­ter­view. Ira­ci half es auch nichts, dass sie sich aus den zwei gigan­ti­schen Drei­ecks-Gestän­gen aus dem Büh­nen­bild der Zibbz für ihren eige­nen Auf­tritt einen qua­dra­ti­schen Kubus gebas­telt hat­te: von ‘Red­lights’ blieb nichts haf­ten, weder in den Augen noch in den Gehör­gän­gen. Da wirk­ten die Trän­chen, die Angie Ott ange­sichts ihrer mise­ra­blen Gesangs­leis­tung bei der Stan­gen­wa­re-Bal­la­de ‘A thousand Times’ (was exakt beschrieb, wie oft man den Seich schon zuvor gehört hat­te) ver­drück­te, um ein Viel­fa­ches authen­ti­scher. Einen ech­ten Schwei­zer Moment bescher­te uns der SRF dann noch mit der Schän­dung des Vor­jah­res-Sie­ger­ti­tels durch eine Leti­cia (wer?) und die in tra­di­tio­nel­ler Tracht auf­ge­bre­zel­ten Appen­zel­ler Sän­ger­freun­de (→ Vor­ent­scheid 2013).

Egal, wie chee­sy das Lied: die Sän­ger­freun­de tra­gen die Fon­due­kel­le immer griff­be­reit im Ohrläppchen!

Vor­ent­scheid CH 2018

Ent­schei­dungs­show. Sonn­tag, 4. Febru­ar 2018, 20:05 Uhr, aus den SRF-Stu­di­os in Zürich. Sechs Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Sven Epiney.
#Interpret/inTitelTVJuryGesamtPlatz
1ZibbzStones777615301
2Angie OttA thousand Times392606505
3NaemanKiss me191403306
4Chia­ra DubeySecrets and Lies442206604
5Ale­jan­dro ReyesCom­pass487212002
6Vanes­sa IraciRed­lights254206703

Haben die Zibbz in Lis­sa­bon Chan­cen aufs Finale?

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3 Comments

  • Wenn es die Eid­ge­nos­sen schon nicht mehr schaf­fen eben­so wie Ger­ma­ni­en zumin­dest ein­mal in etwa fünf Jah­ren einen lan­des­sprach­li­chen Bei­trag zu prä­sen­tie­ren, dann wenigs­tens kei­nen Ali­bi­song aus der schwe­di­schen Fabrik und ein “Eigen­ge­wächs” mit einem selbst geschrie­be­nem LIed. Mir gefällt “Stones” gut, ist erfri­schend und groovt, zudem sagt auch mir die Bot­schaft zu. Zudem ist das Brü­der­chen optisch ziem­lich lecker.…. 7 von 10 Punkten.

  • Ich drück ihnen auf jeden Fall die Dau­men, ist doch eine anstän­di­ge Pop­num­mer die man auch mehr als ein­mal hören kann. Wird aber wohl wie­der ein Bor­der­li­ner im HF fürch­te ich…

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