Fünf­ter Super­sams­tag 2018, Teil 2: mor­gens bin ich immer müde

Bin ich mitt­ler­wei­le ein­fach zu ver­wöhnt, zu über­kri­tisch? Ist es ver­mes­sen von mir, zu ver­lan­gen, dass das Rad mit jeder Per­for­mance neu erfun­den wird? Kann ich mich mit mei­ner stän­di­gen Ori­gi­na­li­täts­er­war­tung ein­fach nicht mehr erfreu­en an soli­de gemach­ten Lie­dern und Auf­trit­ten? Oder wor­an liegt es, dass mir das Melo­di­fes­ti­valen, der hei­li­ge Gral der Euro­vi­si­ons­vor­ent­schei­dun­gen, in die­sem Jahr so über die Maßen lahm vor­kommt, die Songs so schwach, die Dar­bie­tun­gen so unin­spi­riert? So, als läge eine ein­zi­ge, abgrund­tie­fe Müdig­keit über dem schwe­di­schen Vor­auswahl­ver­fah­ren, ein Mehl­tau, über den kei­ne Cho­reo­gra­fie, kein Glanz und Glit­ter mehr hin­weg­täu­schen kann? Am augen­fäl­ligs­ten weh­te die­ser Ein­druck am gest­ri­gen Sams­tag­abend beim Auf­tritt der im drit­ten MF-Semi Letzt­plat­zier­ten Bar­bi Esco­bar her­über, die ein wenig aus­sah wie Sabri­na Set­lur (→ Vor­ent­scheid DE 2004) nach exzes­si­vem Schlaf­ent­zug: so fahl und aus­ge­zehrt, dass man sich nicht wun­der­te, war­um sie für ihren Titel ‘Stark’ das wich­tigs­te Requi­sit ver­gaß, näm­lich einen Refrain. Da half es auch nichts mehr, dass ihre Tänzer/innen ver­such­ten, auf der Mel­lo-Büh­ne neue Lang­stre­cken­re­kor­de aufzustellen.

Lass mich raten, Bar­bi: Dein Kind ist jetzt vier Mona­te alt und Du hast seit der Geburt kein Auge mehr zuge­macht (SE)?

Ein berech­tig­tes Aus ereil­te auch eine Sän­ge­rin namens Dot­ter, deren Bei­trag nun wirk­lich nicht als das Gel­be vom Ei bezeich­net wer­den konn­te; sowie die in jedem Mel­lo-Jahr­gang offen­sicht­lich vom schwe­di­schen Hei­mat­mi­nis­te­ri­um fest vor­ge­schrie­be­ne Brauch­tums­num­mer, dies­mal dar­ge­bo­ten von einem hals­lo­sen Mann namens Kal­le Moraeus und einer Trach­ten­tanz­grup­pe, die Das gro­ße Kitsch­fest der hete­ro­nor­ma­ti­ven Spie­ßig­keit insze­nier­te. Hof­fent­lich kommt Horst See­ho­fer jetzt nicht auf dum­me Gedan­ken hin­sicht­lich des deut­schen Vor­ent­scheids 2019! Natür­lich ging der ‘Des­pa­ci­to’-Trend auch am Mel­lo nicht vor­über: neben der Esco­bar und einem mit­tel­mä­ßi­gen Alko­hol­ver­herr­li­chungs­lied­chen namens ‘Cuba Lib­re’ sorg­te der gebür­ti­ge Chi­le­ne Leo­pol­do Men­dez für einen mode­ra­ten Latein­ame­ri­ka-Fla­vour. Wobei der glatz­köp­fi­ge End­vier­zi­ger, der mit sei­nen Täto­wie­run­gen, einer fet­ten gol­de­nen Pro­lex am Arm und sei­ner Tür­ste­her-Sta­tur wirk­te, als sei er der Zuhäl­ter von Bar­bi Esco­bar, das Kunst­stück fer­tig brach­te, abwech­selnd in glei­cher­ma­ßen schlech­tem Eng­lisch und Spa­nisch zu gru­scheln. Sprich: sei­nen Text zugleich zu gröh­len und zu nuscheln.

Erstaun­lich: trotz sei­ner Wur­zeln wirk­te Men­dez in etwa so authen­tisch süd­ame­ri­ka­nisch wie Guri Schan­kes ‘Ven a Bailar con­mi­go’ (NO 2007).

Vor­ent­scheid SE 2018 (3. Semi)

Melo­di­fes­ti­valen. Sams­tag, 17. Febru­ar 2018, aus der Are­na in Mal­mö. Sie­ben Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: David Lindgren.
#Interpret/inTitelPunk­tePlatz
01Mar­tin AlmgrenA bit­ter Lullaby944.53201
02Bar­bi EscobarStark426.76807
03Mon­choCuba Lib­re616.06904
04Jes­si­ca AnderssonPar­ty Voice890.82802
05Kal­le Moraeus + Osa SpelmänMin Dröm596.48005
06Dot­terCry511.71806
07Men­dezEver­y­day793.11003

Ein Haus wei­ter, im zwei­ten Semi­fi­na­le des islän­di­schen Söng­va­kepp­nin, fei­er­ten unter­des­sen die gol­de­nen Jah­re der Dis­co-Ära ihre hoch will­kom­me­ne Wie­der­auf­er­ste­hung. Und zwar mit dem Titel ‘Sva­ka stuð’, den ich man­gels Sprach­kennt­nis­sen mit “Schwei­ni­scher Hengst” über­setzt hät­te, Goog­le jedoch viel­sa­gend mit ‘Schwa­che Beu­len’. Nun denn. Ste­fanía Sva­vars­dót­tir, Agnes Marinós­dót­tir und Regí­na Magnús­dót­tir schmis­sen sich jeden­falls in ihre feins­ten Glit­zer­fum­mel und lie­fer­ten eine lie­bens­wert ama­teur­haft aus­se­hen­de Syn­chron-Cho­reo­gra­fie ab. Ein wenig ver­stö­rend hin­ge­gen der schmalz­haa­ri­ge DJ, der sich im letz­ten Drit­tel des Songs als Vor­tän­zer in die Meu­te schmiss und von dem ich schwö­ren wür­de, dass es der­sel­be Typ ist, der schon Andrea Demi­ro­vićs Dar­bie­tung von ‘Just get out of my Life’ (→ ME 2009) ver­sau­te. Natür­lich schie­den die drei Dót­tirs vom Grill aus, womit man auch das Fina­le des Söng­va­kepp­nin 2018 getrost zu den Akten legen kann, das nun mehr oder min­der aus­schließ­lich aus hüb­schen Blon­di­nen bei­der­lei Geschlechts mit völ­lig belang­lo­sen Lied­lein besteht.

Bron­ze, Sil­ber und Gold / hab ich nie gewollt / ich will nur Fisch: die drei Dót­tirs (IS).

Vor­ent­scheid IS 2018 (2. Semi)

Söng­va­kepp­nin. Sams­tag, 17. Febru­ar 2018, aus dem Hás­kóla­bíó Kino in Reykja­vik, Island. 6 Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Rag­nhil­dur Stein­unn Jónsdóttir.
#Inter­pretTitelTele­vo­tingPlatz
01Aron Han­nesGold­dig­gerQ
02ÁttanHér með þérQ
03Dagur Sigurðs­sonÍ stor­miQ
04Ste­fanía Sva­vars­dót­tir, Agnes Marinós­dót­tir, Regí­na Lil­ja MagnúsdóttirSva­ka stuðx
05Þór­ir Geir Guð­munds­son + Gyða Mar­grét KristjánsdóttirBro­sax
06Rakel Páls­dót­tirÓskin mínx

Spoi­ler­alarm: Jen­ny konn­te sich innert ihrer drei Minu­ten aus den Fes­seln des Kapi­tals befrei­en (LV).

Im drit­ten und letz­ten Semi­fi­na­le der Super­no­va schei­ter­te am gest­ri­gen Sams­tag eine let­ti­sche Bud­get-Shaki­ra namens Jen­ny May, die mit ‘Soley­oh’ ‘Sole­dad’ einen wei­te­ren der mitt­ler­wei­le gefühlt vier­hun­dert ‘Des­pa­ci­to’-Klo­ne der lau­fen­den Vor­ent­schei­dungs­sai­son dar­bot. Und dabei unter Beweis stell­te, dass pho­ne­tisch ein­ge­üb­tes Spa­nisch genau so wenig authen­tisch klingt wie rade­bre­chen­des Ost­block-Eng­lisch. Nicht ins Fina­le schaff­te es auch der unver­zicht­ba­re jähr­li­che Bei­trag aus der Feder von Ami­na­ta Sava­do­gu (→ LV 2015), den sie dies­mal einem blas­sen Jün­gel­chen namens Ed Rall­i­dae anver­trau­te, nach­dem ihr vor­her­ge­hen­des blas­ses Büb­chen Jus­ts Sir­mais (→ LV 2016) heu­er die Super­no­va mode­rier­te und daher nicht mehr als Inter­pret zur Ver­fü­gung stand. Eine schlech­te Wahl: der extrem kurz­at­mi­ge (und noch nicht mal nied­li­che) Ed ver­nu­schel­te sei­nen Text so hart, dass ich mich wun­der­te, wes­we­gen er an einer Stel­le ein ums ande­re Mal wie in höchs­ter Not das Wort “Bal­le­ri­na!” her­vor stam­mel­te. Aber nein: er sei “bare­ly breathing”, soll­te das hei­ßen. Ach so: psy­chisch beding­tes Asth­ma! Okay, das erklärt den keu­chen­den Gesang.

Oder wie Hele­ne Fischer sagen wür­de: “Atem­los / Durch die Nacht”: Ed Rall­i­dae (LV).

Ein wenig ver­stö­rend auch der Auf­tritt des Duos Kris & Oz, eines allem Anschein nach gera­de hef­tig trip­pen­den Gitar­ris­ten und einer apar­ten, als Ana­nas ange­zo­ge­nen Mulatt­in, die zu einer ent­spann­ten Air­port-Hin­ter­grund­be­schal­lungs­mu­sik von ihrem Früh­flug nach “Bam­ba­di­boo” (ein mir bis­lang nicht bekann­tes Süd­see-Atoll, gleich neben Atlan­tis?) berich­te­te. Und dabei mit einem der­ar­ti­gen Welt­ekel in die Kame­ra schau­te, als sei sie dort­hin mit Trump Air geflo­gen und dabei das Opfer einer der berüch­tig­ten “Grab ‘em by the Pus­sy”-Angrif­fe des sei­ner­zei­ti­gen Eig­ners der längst insol­ven­ten Linie gewor­den. Ohne Befund blie­ben die eben­falls am gest­ri­gen, hef­ti­gen Super-Sams­tag zeit­gleich gelau­fe­nen Vor­run­den in Ungarn und Litau­en, wo in der jeweils dröl­fund­sieb­zigs­ten Run­de von A Dal und Euro­vi­zi­ja noch ein paar kom­plett ega­le Bei­trä­ge her­aus­flo­gen und ein paar noch ega­le­re Bei­trä­ge drin blie­ben. Lus­tig allen­falls ein spek­ta­ku­lä­rer Stim­men­split im bal­ti­schen Nach­bar­land, wo die sin­gen­de Krö­te Mari­ja null Punk­te von der Jury erhielt und die Höchst­wer­tung der Zuschauer/innen. Bei­des übri­gens zu Unrecht.

Just say no: Kris & Oz (LV).

Vor­ent­scheid LV 2018 (3. Semi)

Super­no­va. Sams­tag, 17. Febru­ar 2018, aus dem Rīgas Kino­stu­di­ja, Riga, Lett­land. 7 Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Jus­ts Sir­mais + Dag­māra Legante.
#Inter­pretTitelTVJuryPlatz
01Jen­ny MaySole­dad6.7.07
02Ed Rall­i­daeWhat I had with you3.5.04
03Katrī­ne LukinsRun­ning red Lights5.6.06
04Lau­ris ValtersLovers Bliss4.2.02
05Mio­niaYou7.3.05
06Kris & OzMor­ning Flight2.4.03
07Lau­ra RizzottoFun­ny Girl1.1.01

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