Mon­te­vi­zi­ja 2018: Van­ja spielt auf dem Bajan

Dass sich Kul­tur nicht demo­kra­tisch orga­ni­sie­ren lässt, beleg­te heu­te Abend der erst­mals seit zehn Jah­ren wie­der aus­ge­tra­ge­ne offe­ne Vor­ent­scheid des rund 600.000 Ein­woh­ner star­ken Bal­kan­staa­tes Mon­te­ne­gro. Bis dato bestimm­te der Sen­der RTCG sei­ne Eurovisionsvertreter/innen näm­lich direkt und traf dabei oft sehr muti­ge Ent­schei­dun­gen, die das klei­ne Land zu einem Inno­va­ti­ons­mo­to­ren des Grand Prix mach­ten, auch wenn sich das lei­der nur sel­ten in adäqua­ten Plat­zie­run­gen aus­zahl­te. Nun soll­te es 2018 die Mon­te­vi­zi­ja sein, bei der fünf durch die Bank schwa­che Songs um die Gunst der allei­ne ent­schei­dungs­be­rech­tig­ten Zuschauer/innen buhl­ten. Es gewann der ein­zi­ge Mann, der trotz sei­ner über 30 Jah­re sehr büb­chen­haft wir­ken­de Van­ja Rado­va­no­vić mit sei­ner eigen­kom­po­nier­ten, klas­si­schen Bal­kan­bal­la­de ‘Inje’ (‘Rau­reif’): ein düs­ter gestimm­tes Kla­vier lei­tet eine ver­hal­te­ne ers­te Stro­phe ein, die sanft mäan­dernd in einen vio­lin­ge­schwän­ger­ten Refrain mün­det. In wel­chem der vom Band kom­men­de Chor den eine Art von Hotel­pa­gen­uni­form tra­gen­den Van­ja bei­na­he erschlägt. Und auch eine → Rückung darf nicht feh­len, die mit der Zwei-Minu­ten-Mar­ke sogar recht früh in Lied daherkommt.

Das wäre wohl selbst Žel­j­ko Jok­si­mo­vić (RS 2004, 2012) zu alt­ba­cken und kit­schig: Van­ja sülzt sich die See­le aus dem Leib.

Was im übri­gen kein Plä­doy­er für die Rück­kehr der Jury sein soll. Dem mon­te­ne­gri­ni­schen Publi­kum ist kein Vor­wurf zu machen: aus was hät­ten sie auch aus­wäh­len sol­len? Ent­we­der zieht ein offe­ner Wett­be­werb ein­fach nicht die bes­ten Bei­trä­ge an, oder die Vor­auswahl­ju­ry ver­sem­mel­te es: bei den rest­li­chen vier, alle­samt von Damen gesun­ge­nen Lie­dern han­del­te es sich um drei wei­te­re, ver­gleichs­wei­se sehr blas­se Bal­la­den, denen das hem­mungs­los Gefüh­li­ge des Sie­ger­ti­tels abging, und eine Upt­em­po­num­mer, die aller­dings bereits in der ers­ten Votin­grun­de raus­flog. Ja, ernst­haft: RTCG ver­an­stal­te­te zwei Abstim­mun­gen. Für fünf Songs. Gut, irgend­wie muss man ja zwei Stun­den Sen­de­zeit voll­krie­gen. ‘Dišem’, so der Titel des von Nina Pet­ko­vić gesun­ge­nen Bei­trags, ent­pupp­te sich als not­dürf­tig zusam­men­ge­stop­pel­te Kreu­zung aus einer extrem schwäch­li­chen, bal­la­des­ken Stro­phe und einem upt­em­po­rä­ren Schwup­pen­schla­ger. Kein Wun­der, die noto­ri­schen Grand-Prix-Kom­po­nis­ten James Micha­el Down und Jonas Glad­ni­koff, die so ziem­lich jede Nati­on mit ihrer Stan­gen­wa­re belie­fern, hat­ten es geschrieben.

Schwach anfan­gen und dann stark nach­las­sen: Nina.

Die Zwei ver­sau­ten zudem einen per­fek­ten Lauf: bis auf sie tru­gen näm­lich aus­nahms­los alle Teilnehmer/innen und betei­lig­te Komponist/innen der Mon­te­vi­zi­ja Nach­na­men, die auf ‑vić ende­ten! So wie zum Bei­spiel Kata­ri­na Bogiće­vić, deren Bei­trag ‘Nežel­je­na’ ein erns­tes Sujet beleuch­te­te: das The­ma selek­ti­ve Abtrei­bung, bei dem wer­den­de Müt­ter ihre Schwan­ger­schaft abbre­chen, weil es ein Mäd­chen zu wer­den droht. Unglaub­lich, doch schein­bar immer noch Rea­li­tät im 21. Jahr­hun­dert. Für etwas hei­te­re­re Töne sorg­te der Star­gast Slav­ko Kale­zić (ME 2017), der ein Med­ley aus sei­nem ESC-Knal­ler ‘Space’ und sei­ner neu­en Sin­gle ‘El Rit­mo’ (jawohl, ein wei­te­rer Mit­rei­sen­der auf dem Lati­no-Pop-Zug!) sang und dabei wie­der sei­nen gigan­ti­schen Zopf schwang. Er war der Ein­zi­ge, der etwas Schwung und Glanz in die ziem­lich tris­te Ver­an­stal­tung brach­te, die augen­schein­lich im Ver­an­stal­tungs­raum eines Hotels statt­fand. Und zwar, der feh­len­de Applaus beleg­te es bit­ter­lich, ohne Zuschauer/innen. Dann viel­leicht doch lie­ber wie­der eine inter­ne Wahl, vor allem eine etwas Mutigere!

Ein Schlag­ring als Hals­ket­te: auch eine schö­ne Idee!

Nach­trag 18.02.18: Wie euro­fi­re heu­te unter Bezug auf die nach­träg­lich vom mon­te­ne­gri­schen Sen­der RTCG ver­öf­fent­lich­ten Ergeb­nis­se des Mon­te­vi­zi­ja-SMS-Votings ver­mel­de­te, unter­schie­den sich die Prä­fe­ren­zen der Zuschauer/innen in bei­den Run­den über­ra­schend deut­lich. Danach gewann Lore­na Jan­ko­vić in der ers­ten Abstim­mung, als noch alle fünf Titel zur Wahl stan­den, mit ihrem Bei­trag ‘Dušu mi daj’ haus­hoch mit 40% der gezähl­ten SMS, die übri­gens mit jeweils 1 € zu Buche schlu­gen, bei einem monat­li­chen Durch­schnitts­ein­kom­men von rund 500 € in Mon­te­ne­gro, und von denen ins­ge­samt gute 10.000 ein­gin­gen. Im anschlie­ßen­den Super­fi­na­le der ver­blie­be­nen drei Kandidat/innen zog dann Van­ja Rado­va­no­vić, der zunächst nur halb so vie­le Stim­men erhal­ten hat­te wie Lore­na, wie aus dem Nichts an ihr vor­bei. Kata­ri­na Bogiće­vić lag in bei­den Abstim­mun­gen auf dem Sil­ber­me­dail­len­platz, gewann jedoch im Super­fi­na­le eben­falls deut­lich hin­zu. Woher der plötz­li­che Popu­la­ri­täts­ver­lust Lore­nas rühr­te, erschließt sich nicht.

Ihre Fans hat­ten nur Geld für die ers­te Abstim­mungs­run­de: Lorena.

Vor­ent­scheid ME 2018

Mon­te­vi­zi­ja. Sams­tag, 17. Febru­ar 2018, aus dem Hil­ton Hotel in Pod­go­ri­ca. Fünf Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Daja­na Golub­o­vic Pejo­vic, Ivan Mak­si­mo­vic. Tele­vo­ting mit Superfinale. 
#Inter­pre­tenSong­ti­telTele­vo­teSuper­fi­na­lePlatz
1Nina Pet­ko­vićDišem11%05
2Van­ja RadovanovićInje18%37%01
3Iva­na Popo­vić MartinovićPol­jup­ci12%04
4Kata­ri­na BogićevićNežel­je­na19%34%02
5Lore­na JankovićDušu mi daj40%29%03

Sehen wir Van­ja Rado­va­no­vić im ESC-Fina­le wieder?

View Results

Wird geladen ... Wird geladen …

4 Comments

  • Bin hin- und her­ge­ris­sen. Das Lied ist nicht übel und wür­de bes­tens zu einem mon­te­ne­gri­ni­schen Staats­be­gräb­nis pas­sen. Lei­der für Rest­eu­ro­pa inkom­pa­ti­bel. Viel schlim­mer ist das inter­pre­tie­ren­de Gesamt­kunst­werk bzw. sein hor­ri­bles out­fit und das ziel­lo­se Umherg­etap­se auf der Büh­ne. Also der Tipp für Lis­sa­bon: schlich­te – mein­ent­we­gen schwar­ze Kla­mot­ten (Roll­kra­gen­pul­li !!) und 3 min still am Mikro ste­hen. Das könn­te klap­pen – oder auch nicht…

  • Ich lie­be alle ESC-Songs von Zel­j­ko, aber die­ses Lied liegt pas­send zur Titel­zei­le wie Rau­reif in mei­nen Ohren. Sehr schwer­fäl­lig ohne gro­ßen Höhe­punkt schleppt es sich so hin. Da ist selbst das spa­ni­sche Tur­rón-Stück deut­lich bes­ser. Auch das alt­ba­cke­ne Out­fit geht gar nicht. 2 von 10 Punkten. 

    Ins­ge­samt mei­ne Rang­lis­te bislang:

    1. Grie­chen­land 9/10
    2. Ita­li­en 9/10
    3. Däne­mark 8/10
    4. Frank­reich 8/10
    5. Alba­ni­en 7/10
    6. Tsche­chi­en 6/10
    7. Schweiz 5/10
    8. Spa­ni­en 4/10
    9. Mon­te­ne­gro 2/10
    10. Bela­rus 1/10
    11. GB 1/10
    12. Mal­ta 0/10

  • Nein, wir sehen ihn nicht. Ich lie­be Bal­kan­bal­la­den, aber die­se hier ist viel zu schwach und der Sän­ger völ­lig charismafrei.

  • Wie gnä­dig, dass man inzwi­schen die YT-Clips mit Stu­dio­mu­cke unter­legt hat. Scha­de, wür­de gern Ninas ver­sem­mel­ten Anfang noch­mal hören 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert