Vergangenen Sonntag gewann er mit doppelten Douze Points aus dem Jury- und dem Publikumsvoting das zweite Semifinale des portugiesischen Eurovisionsvorentscheids Festival da Canção: der bereits als heißer Favorit für den FdC-Gesamtsieg gehandelte 27jährige Singer-Songwriter Diogo Piçarra. Doch kurze Zeit später erschütterten die bei Grand-Prix-Fans mit zu viel Freizeit so beliebten Plagiatsvorwürfe die Medien: sein selbstkomponierter Wettbewerbsbeitrag ‘Canção do Fim’ (‘Lied vom Ende’) klinge haargenau wie der Erweckungssong ‘Abre os meus Olhos’ (‘Öffne meine Augen’) des Predigers und Sektengründers Walter McCallister aus dem Jahre 1986. Heute verkündete der langhaarige Künstler mit den auffälligen Augenbrauen auf Facebook seinen Rückzug vom Vorentscheid, da er “die Wolke nicht mehr füttern” wolle, die sich um ihn herum zusammengebraut habe. Er tue dies ruhigen Gewissens und erhobenen Hauptes. Bereits nach Bekanntwerden der Vorwürfe gestern hatte Diogo gesagt, er habe sein Lied in völliger Unkenntnis des religiösen Vorläufersongs geschrieben.
Was haben Diogo Piçarras Augenbrauen und Conchita Wursts Bart gemeinsam? Richtig: die großzügige Verwendung von Kohlestift! (PT)
Piçarra erlangte durch seine Teilnahme an der portugiesischen Castingshow Pop Idol 2009 erstmals größere Bekanntheit, die er allerdings damals nicht gewann. Im darauffolgenden Jahr flog er bereits in der ersten Runde von Operação Triunfo. 2012 versuchte er es erneut bei Pop Idol – und gewann. Piçarra veröffentlichte bislang in seinem Heimat zwei Nummer-Eins-Alben. Nach seinem Rückzug rückt laut Mitteilung des Senders RTP der Song ‘Mensageira’ von Susana Travassos ins FdC-Finale am kommenden Sonntag nach. Nun muss man hinsichtlich der erhobenen Plagiatsvorwürfe, sonst ja ein eher ermüdendes und nervtötendes Thema und Anlass von kleinlichen Haarspaltereien, bei aller Sympathie für den wirklich verdammt gutaussehenden Langhaarzottel leider sagen, dass sie in diesem speziellen Falle ausnahmsweise mal nicht an den Haaren herbeigezogen scheinen: bis auf das noch etwas langsamere Tempo des Pastorenliedes stimmt die Melodiefolge von ‘Abre os meus Olhos’ wirklich haargenau mit dem ‘Canção do Fim’ überein. Man will dem dackeläugigen Diogo gerne aufs Wort glauben, dass er das Original nicht (bewusst) kannte, aber die Ähnlichkeit ist doch haarsträubend.
Es ist zum Haareausreißen: Pastor Walters Lied von 1986 klingt nun wirklich exakt gleich.
Damit ist der große Vorab-Favorit draußen, was wiederum die Chancen für den vom Vorjahressieger Salvador Sobral vorgeschlagenen Singer-Songwriter Janeiro und dessen hochgradig prätentiös ‘Sem Título’ (‘Ohne Titel’) benanntes Machwerk erhöht, das im ersten FdC-Semifinale dank der Höchstwertung der Jury auf dem zweiten Rang landete. Zumal sich in der vorgestrigen zweiten Vorrunde nicht viel Nennenswertes befand: ein Meer von sanft säuselnden Easy-Listening-Liedlein ergoss sich plätschernd über die Ohren der Zuschauer/innen – alles ganz angenehm und perfekt zum Runterkommen nach einem stressigen Tag oder zum gemütlichen Auf-der-Couch-Dahindämmern an einem verregneten Sonntagnachmittag geeignet, unter Pop-Gesichtspunkten aber eher irrelevant. Als einziger (!) leidlich flotter Beitrag stach lediglich das possierliche ‘Patati Patata’ des mit putzigen Papierblumen kopfgeschmückten, leider ziemlich schief singenden Damen-Duos Minnie & Rhayra aus diesem Angebot hervor: ein skurriler Samba-Schlager wie direkt aus den Sechzigerjahren.
Be sure to wear / some Flowers in your Hair: die putzigen Minnie & Rhayra (PT).
Vorentscheid PT 2018 (2. Semifinale)
Festival da Canção. Sonntag, 25. Februar 2018, aus dem RTP Sendestudio in Lissabon, Portugal. 13 Teilnehmer/innen. Moderation: Sónia Araújo + Tânia Ribas de Oliveira.# | Interpret | Titel | TV | Jury | Gesamt | Platz |
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01 | Susana Travassos | A Mensageira | 00 | 08 | 08 | 08 |
02 | Lili | O voo das Cegonhas | 07 | 03 | 10 | 05 |
03 | Sequin | All over again | 00 | 00 | 00 | 12 |
04 | Tamin | Sobre nós | 02 | 06 | 08 | 09 |
05 | Diogo Piçarra | Canção do Fim | 12 | 12 | 24 | 01 |
06 | David Pessoa | Amor veloz | 04 | 05 | 09 | 06 |
07 | Cláudia Pascoal | O Jardim | 10 | 10 | 20 | 02 |
08 | Rita Ruivo | Anda daí | 01 | 00 | 01 | 11 |
09 | Dora Fidalgo | Arco-Íris | 03 | 02 | 05 | 10 |
10 | Minni & Rhayra | Patati Patata | 06 | 04 | 10 | 04 |
11 | Maria Inês Paris | Bandeira azul | 05 | 07 | 12 | 03 |
12 | Daniela Onis | Para lá do Rio | 00 | 00 | 00 | 12 |
13 | Peter Serrado | Sunset | 08 | 01 | 09 | 07 |
Gut gesprochen. “Unter pop-gesichtspunkten irrelevant”. Wobei.….dann passts ja bis jetzt zum esc2018
Ich höre da auch eine gute Portion John Denver – Annie’s Song heraus.
Tja, er WÄRE mein Favorit gewesen und mein Auge hätte auch viel Freude an ihm gehabt.… Warum sind so geile Typen auch immer so strunzdumm ???
Außer Konkurrenz trat beim portugiesischen Songfestival auch Salvador’s Schwester Luisa mit ‘Maria do Mar’ auf: https://www.youtube.com/watch?v=RM6lInQHhME
Dieses neue Meisterwerk von ihr wäre vermutlich im ESC 2018 untergegangen, hätte sie nicht zu der Zeit sowieso etwas Wichtigeres zu tun gehabt, nämlich ihr Kind zur Welt zu bringen.