Eine Ära endet: Lys Assia ist tot

Für alt­ge­dien­te Euro­vi­si­ons­fans kam die Nach­richt wie ein Schock: am gest­ri­gen Sams­tag ver­starb Medi­en­be­rich­ten zufol­ge die drei­fa­che schwei­ze­ri­sche Grand-Prix-Teil­neh­me­rin und Sie­ge­rin der Pre­mie­ren­aus­ga­be des Wett­be­werbs von 1956, Lys Assia, im Alter von 94 Jah­ren in einem Kran­ken­haus in Zol­li­kon bei Zürich. Damit geht eine Ära unwie­der­bring­lich zu Ende, denn Assia hat­te unter ein­ge­schwo­re­nen Anhän­gern des euro­päi­schen Lie­der­fes­ti­vals den Sta­tus einer Gali­ons­fi­gur inne, die den sel­ben Rang ein­nahm wie Cher im Bereich der Pop­mu­sik oder Keith Richards im Rock: dass die unver­wüst­li­che “Grand Dame des Chan­son” (Blick) selbst einen Atom­krieg unbe­scha­det über­le­ben wür­de, auf jeden Fall aber uns gewöhn­li­che Sterb­li­che, galt als uner­schüt­ter­li­che Gewiss­heit. Und so trau­ert die Grand-Prix-Gemein­de nicht nur um ein euro­vi­sio­nä­res Aus­hän­ge­schild, das auf kei­ner Fest­ver­an­stal­tung rund um den Euro­vi­si­on Song Con­test feh­len durf­te, son­dern auch um eine Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur. Wenn selbst Lys Assia das Zeit­li­che seg­nen muss, so die ban­ge Fra­ge, ist es dann auch vor­stell­bar, dass es den Euro­vi­si­on Song Con­test womög­lich nicht ewig geben wird?

Lys Assia mit ‘Gior­gio’, dem bes­ten ihrer vier Grand-Prix-Bei­trä­ge und einem ech­ten Kulthit.

Ihren his­to­ri­schen Sta­tus als ewi­ge Ers­te ver­dankt die als Rosa Mina Schä­rer in Rup­pers­wil im Kan­ton Aar­gau gebo­re­ne Lys dabei ein Stück­chen auch dem Zufall: denn nicht nur für ihr Hei­mat­land, die Schweiz, bewarb sie sich 1956, son­dern – jeden­falls Recher­chen Jan Fed­der­sens und der Pro­gramm­il­lus­trier­ten Hör­zu zufol­ge – auch beim deut­schen Vor­ent­scheid. Dort zog sie jedoch bekannt­lich gegen Wal­ter Andre­as Schwarz und Fred­dy Quinn den Kür­ze­ren, gewann jedoch die hel­ve­ti­sche Vor­auswahl mit gleich zwei Lie­dern, näm­lich der betu­li­chen Rühr­schnul­ze ‘Das alte Karus­sell’ und dem beim Grand Prix sieg­rei­chen ‘Refrain’. Auch in den Fol­ge­jah­ren 1957 und 1958 trat sie noch­mals für die Eidgenoss/innen an, so dass sie sich den Rekord für die meis­ten beim Grand Prix gesun­ge­nen Bei­trä­ge mit ihren Lands­leu­ten Peter, Sue & Marc (→ CH 1971, 1976, 1979, 1981) und der san­ma­ri­ne­si­schen Sie­gel-Muse Valen­ti­na Monet­ta (→ SM 2012, 2013, 2014, 2017) teilt. Sie­gel kom­po­nier­te für Lys Assia die Final-Curtain-Bal­la­de ‘C’e­tait ma Vie’ und den tra­shi­gen Kult­kra­cher ‘All in your Head’, mit denen sie 2012 und 2013 erneut um eine Euro­vi­si­ons­teil­nah­me rit­ter­te, lei­der vergeblich.

Hel­lo, how’s the Flow?”: Lys hat die Lin­go voll drauf bei ihrem 2013er Kult­hit ‘All in your Head’.

Immer­hin bot ihr das die Gele­gen­heit, uns mit einer öffent­lich aus­ge­tra­ge­nen Feh­de mit dem schwei­ze­ri­schen Hip-Hop­per und Vor­ent­schei­dungs­ju­ro­ren Stämpf könig­lich zu unter­hal­ten, den sie einen “Fle­gel” schimpf­te, weil er sich erdreis­tet hat­te, sie in der TV-Show (nach ent­spre­chen­der Vor­anfra­ge) zu duzen. Auch mit ihrer Duett­part­ne­rin Bea­tri­ce Egli, mit der sie die Eid­ge­nos­sen­schaft im Jah­re 2007 gemein­schaft­lich beim Grand Prix der Volks­mu­sik ver­trat, über­warf sie sich und mach­te die­se für das Schei­tern im Haupt­wett­be­werb ver­ant­wort­lich. Doch, Hand aufs Herz: für exakt sol­che Zicke­rei­en lieb­ten wir unse­re Lys! Assia, die als jüngs­tes von zwölf Kin­dern eines Instal­la­teurs in Zürich auf­wuchs und zunächst eine Kar­rie­re als Bal­let­tän­ze­rin mach­te, die sie bis nach Paris führ­te, sat­tel­te in den Fünf­zi­gern ins Schla­ger­ge­schäft um, wo sie bis in die Sech­zi­ger hin­ein Erfol­ge im deutsch­spra­chi­gen Raum fei­er­te und in zahl­rei­chen Schla­ger­fil­men mit­wirk­te. Sie war zwei­mal ver­hei­ra­tet, zuletzt mit einem däni­schen Mul­ti­mil­lio­när. Seit sei­nem Tod 1995 leb­te sie allei­ne am soge­nann­ten “Zür­cher Gold­strand”. Sie hin­ter­lässt eine betag­te Dackel­da­me und wird nicht nur die­ser feh­len, son­dern uns allen.

Stets die ele­gan­te, welt­ge­wand­te Dame: Assia mit ihrem Sie­ger­ti­tel von 1956 beim Stock­holm Pri­de 2013.

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