Söng­va­kepp­nin 2019: Til haming­ju Ísland

End­lich! Das wur­de aber auch Zeit! Nach­dem in der Vor­ent­schei­dungs­sai­son 2019 bis auf sel­te­ne, ein­zel­ne Aus­nah­men bis­lang eine tra­gi­sche Fehl­ent­schei­dung die nächs­te jag­te und sich das Feld fast aus­schließ­lich mit drö­gem Mist füll­te, gelang es am gest­ri­gen, letz­ten Super­sams­tag gleich drei Natio­nen, den aktu­el­len Jahr­gang gemein­schaft­lich doch noch zu ret­ten. Zuvor­derst zu loben sind natür­lich die Isländer/innen, seit ges­tern Abend offi­zi­ell das cools­te, klügs­te und schöns­te Völk­chen der Erde, in deren Hän­den gewis­ser­ma­ßen die Zukunft des Euro­vi­si­on Song Con­test lag. Und sie wähl­ten aus­nahms­wei­se ein­mal wei­se: das aus den Mit­glie­dern Einar Hrafn Ste­fáns­son, Kle­mens Nikulás­son Han­nig­an und Mat­thí­as Trygg­vi Haralds­son bestehen­de Trio Hat­a­ri gewann im Super­fi­na­le des Söng­va­kepp­nin gegen den sehr ansehn­lich gereif­ten Friðrik Ómar, der 2009 als Teil des Duos Euro­band mit dem phi­lo­so­phi­schen Euro­dance-Hit ‘This is my Life’ mei­nen bis­he­ri­gen Lieb­lings-Euro­vi­si­ons-Bei­trag ablie­fer­te, und über­nahm damit gewis­ser­ma­ßen das Staffelholz.

Eine cle­ve­re sati­ri­sche Abrech­nung mit dem durch die Rechts­po­pu­lis­ten ver­brei­te­ten Hass. Und eine Rückung! Was will man mehr?

Hat­a­ri bei einer islan­di­schen Back­show © RÚV

Hat­a­ris Indus­tri­al-Brett ‘Hatrið mun sig­ra’ (‘Der Hass wird sie­gen’), eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit den gesell­schafts­po­li­ti­schen Ent­wick­lun­gen der letz­ten Jah­re, musi­ka­lisch geschickt ver­packt in eine Mischung aus Lai­bach und Bron­ski Beat und visu­ell beglei­tet durch eine anspre­chen­de SM-Show, dürf­te nun einer der hei­ßes­ten Anwär­ter auf einen Sieg in Tel Aviv sein. Die beson­de­re Dyna­mik des Songs ent­steht aus der reiz­vol­len Bezie­hung zwi­schen den mit harsch ver­zerr­ter Stim­me gebell­ten Stro­phen und dem gera­de­zu engels­gleich geflö­te­ten Refrain. Wie die ers­ten Reak­tio­nen zei­gen, spal­tet er die Euro­vi­si­ons­fans in flam­men­de Hat­a­ri-Jün­ger und ent­setz­te Geg­ner, so wie es jeder wirk­lich rele­van­te Pop­song tun soll­te. Mit sei­ner für den Euro­pop-Wett­be­werb eher unge­wöhn­li­chen Musik­far­be birgt er zudem die Chan­ce, Gen­re­fans als zusätz­li­che Zuschauer/innen und Voter/innen anzu­zie­hen, so wie das bei­spiels­wei­se sei­ner­zeit Lor­di oder AWS gelang.

Sei­ne Gos­pel­bal­la­de hat­te kei­ne Chan­ce, aber einen Por­no mit ihm und den Hat­a­ris wür­de ich ger­ne sehen: der anspre­chend auf­ge­but­ch­te Friðrik Ómar.

Eine gro­ße Auf­merk­sam­keit ist dem islän­di­schen Bei­trag also gewiss, nicht zuletzt, weil die sich als gesell­schafts- und kapi­ta­lis­mus­kri­tisch ver­ste­hen­de Band bereits ankün­dig­te, auch in Tel Aviv kein Blatt vor den Mund neh­men zu wol­len. Die alber­ne Mär vom unpo­li­ti­schen Song Con­test, sie dürf­te mit ihnen als Teil­neh­mer noch schwe­rer auf­recht zu erhal­ten sein als so schon. Und das ist gut so, denn in Zei­ten wie die­sen, in denen der Rechts­po­pu­lis­mus über­all wie­der sein häss­li­ches Haupt erhebt, sind die Gegen­stim­men drin­gen­der nötig denn je. Inso­fern ent­behr­te es nicht einer gewis­sen köst­li­chen Iro­nie, dass die Ver­kün­dung des Hat­a­ri-Sie­ges aus­ge­rech­net durch den EBU-Super­vi­sor Jan Ola Sand erfolg­te, der in den ver­gan­ge­nen Wochen eben­so mas­siv durch die natio­na­len Vor­ent­schei­de tin­gel­te wie die Vor­jah­res­sie­ge­rin Net­ta Bar­zi­lai oder die Wiwi­b­log­ger. Im gest­ri­gen Söng­va­kepp­nin-Fina­le gab aller­dings nicht Net­ta die Pau­sen­un­ter­hal­te­rin, son­dern die letzt­jäh­ri­ge Song-Con­test-Zwei­te Ele­ni Fou­rei­ra, die, ver­packt in irri­tie­rend haut­far­be­ne Müll­sä­cke, zum Voll­play­back ein Mas­hup aus ‘Fue­go’ und ihrer Nach­fol­ge­sin­gle ‘Tóma­me’ vortanzte.

Dass die Zyprer ihre fri­schen Früch­te immer in so viel Plas­tik­fo­lie ein­schwei­ßen müs­sen! Denkt denn nie­mand an die Umwelt?

Neben Friðrik Ómar trat auch die ado­rable Hera Björk erneut an, aller­dings nicht mit einem wei­te­ren fabel­haf­ten Grand-Prix-Dis­co-Tanz­flä­chen­fül­ler, son­dern mit einer lei­der schnarch­lang­wei­li­gen Stan­gen­wa­ren­bal­la­de namens ‘Moving on’, die sie zwar kom­pe­tent per­form­te, die aber nicht im gerings­ten zu zün­den ver­moch­te. Als Pro­jek­ti­ons­flä­che für schwu­le Fans mit Vor­lie­be für dicke Frau­en dien­te sich statt­des­sen Tara Mobee an, die mit ‘Fight­ing for Love’ einen net­ten klei­nen Dis­co­schla­ger im Gepäck hat­te, wie er in kei­nem Euro­vi­si­ons-Line-up feh­len soll­te, und der in jedem ande­ren Jahr den Vor­ent­scheid hät­te gewin­nen dür­fen, in dem nicht gera­de Hat­a­ri ange­tre­ten wären. Deren Sieg in Tel Aviv dürf­te nun allen­falls noch durch die kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­ren Jurys auf­zu­hal­ten sein. Oder durch eine Dis­qua­li­fi­ka­ti­on sei­tens der EBU aus poli­ti­schen Grün­den, die aller­dings auf­grund der damit ver­bun­de­nen Publi­ci­ty eben­so ihren Zweck erfül­len wür­de. Jeden­falls kann ich mich nun end­lich wie­der auf den Mai 2019 freu­en. Dafür dan­ke, Island. Ihr seid Helden!

Ver­folgt das sel­be Ziel wie Hat­a­ri, näm­lich den Sieg der Lie­be: Brut­to Tara Mobee.

Vor­ent­scheid IS 2019

Söng­va­kepp­nin. Sams­tag, 2. März 2019, aus der Lau­gard­als­höl­lin Are­na in Reykja­vik, Island. Fünf Teilnehmer:innen. Moderation: .
#Inter­pre­tenSong­ti­telAnru­feJurySuper­fi­na­lePlatz
01Friðrik ÓmarHvað ef ég get ekki elskað?25.35621.06152.13402
02Kris­ti­na Skou­bo BærendsenMam­ma said17.39120.582x03
03Tara MobeeFight­ing for Love03.17016.274x05
04Hera BjörkMoving on09.48820.102x04
05Hat­a­riHatrið mun sigra47.51324.89162.08801

12 Comments

  • Uiju­juii , das klingt aber eher nach dem ret­ten­den Stroh­halm für den Autor.
    Jüng­lin­ge, die den islän­di­schen Trai­ler für “fif­ty shades of grey” schrei­en gleich den ESC Thron unten den gerö­te­ten Aller­wer­tes­ten zu schie­ben fin­de ich doch etwas verfrüht.
    Aber so ver­zwei­felt bin ich noch nicht und auch gleich ein Hotel­zim­mer fürs nächs­te Jahr in Island zu blocken
    fin­de ich etwas zu gewagt .
    Ich sehe und höre die +18 Ver­si­on des ukrai­ni­schen Titels nur auf isländisch.
    Der ist ganz nett und fällt auf ABER es wer­den ein­fach zu vie­le Skla­ven welt­weit in Käfi­gen gefes­selt sein um dafür anzurufen.
    Und dann kommt da ja even­tu­ell ab nächs­tes Wochen­en­de noch Domi­na ANNA mit ihren Tigern .…

  • Gräss­lich; in sei­ner lau­ten Aggres­si­vi­tät noch wesent­lich schlim­mer als die sich immer sur­rea­ler ent­wi­ckeln­de Trol­ling-Per­for­mance des Bar­ba­ren. Jetzt wird man mir sagen, dass das genia­le Sati­re sei, aber ich weiß nicht, ob ich die Mes­sa­ge “Der Hass wird sie­gen” umbe­dingt brau­che. Die bil­li­gen Leder­tei­le von irgend­ei­nem chi­ne­si­schem ebay-Sel­ler sagen alles aus: optisch wie Fri­sö­re aus der Unter­pfalz beim CSD; gewollt aber nicht gekonnt.

  • Was du dort alles in die­sem Fes­ti­val der schrä­gen Töne erkennst? Ich habe von dem ähh Gesang die­ser Geis­ter­bahn­fi­gu­ren Ohren­blu­ten. Wird die­ser Darm­ver­schluss in Noten auch in islän­disch ähh gejault ähh, geg­röhlt, ähh gesun­gen beim ESC? Und wo da jetzt die Sati­re drin­steckt, habe ich auch nicht erken­nen kön­nen. Dage­gen war Lor­di schon ja ein klas­si­scher ESC-Song. Memo an den NDR: Nächs­tes Jahr schi­cken wir Rammstein.

  • Groß­ar­tig, und ich füh­le hier jedes Wort des Autors mit!
    Bin ganz ner­vös um Mit­ter­nacht heim­ge­kom­men und war so erleich­tert dass die Islän­der kei­nen Mist gebaut haben.
    Eat this Jamala!

  • @escfan05 – Lor­di war auf jeden Fall ein – sprach­lich ver­zerr­ter – klas­si­scher Hum­ta­ta-Schla­ger. Kannst Du Dir nicht Flo­ri oder Gaba­lier vor­stel­len, wie sie “Mir wolln a hard rock Hal­le­lu­jah” grölen ;-)?

  • Ich kann bei die­sem Song kei­ne aus­ge­spro­che­ne wach­rüt­teln­de Gesell­schafts­kri­tik ver­spü­ren, schon gar nicht wenn der Song­ti­tel so dro­hend daherkommt.
    Zuspruch fin­den die Her­ren mit ihrer sicher­lich inter­es­san­ten Per­for­mance und ihrem Musik­stil sicher­lich eher in ein­schlä­gig bekann­ten Aus­schank­stät­ten mit Unter­hal­tungs­büh­ne und ange­glie­der­ten Ver­rich­tungs­räu­men und ‑flä­chen.

  • @4porcelli: Ich weiß grad nicht was gru­se­li­ger ist. Die­se Geis­ter­bahn­fi­gu­ren da oder die gru­se­li­ge Vor­stel­lung das das ehe­ma­li­ge männ­li­che Anhäng­sel von Hele­ne Fischer und der Gabal­li­er Hard Rock Hal­le­lu­ja sin­gen. Dan­ke für das ver­stö­ren­de Bild. Ich glau­be, du soll­test mal dem Lor­di sowas schrei­ben, der kriegt Schnappatmung.

  • @escfan05:
    Soll­te Island tat­säch­lich gewin­nen, ist es nächs­tes Jahr für Ramm­stein zu spät. Das wäre dann wie Cas­ca­da nach Loreen.

    Aber ich rech­ne auch nicht mit einem Lor­di-Effekt. Lor­dis Song war ein­gän­gi­ger und in einem Jahr mit 100 % Tele­vo­ting. Auch wenn es mal wie­der Zeit wird, dass eine Grup­pe gewinnt.

  • Ist schon eher Ramm­stein für nicht ganz so Reiche.
    Hört sich jetzt nicht gera­de als Kom­pli­ment an, fin­de aber den islän­di­schen Bei­trag sehr akzep­ta­bel. Kla­res Top 10-Material.
    Glau­be aller­dings nicht an die Strah­lungs­kraft über die zwei Auf­trit­te hin­aus, die Hat­a­ri in Isra­el haben wer­den. Die EBU dürf­te da ganz ent­spannt sein, was Poli­tik, Gesell­schafts­kri­tik etc. anbelangt.

  • Die Fans holen sich auf den islän­di­schen Bei­trag einen runter!

    Das klingt zwar jetzt dras­tisch, aber mit ande­ren Wor­ten kann ich es nicht beschrei­ben, wie die Fans vor die­sem Bei­trag in die Knie gehen. Das hat sich ja in ver­schie­de­nen Kom­men­tar­spal­ten gezeigt, wo man den Kan­di­da­ten im 2. Halb­fi­na­le kei­ner­lei Bedeu­tung zuge­mes­sen hat und sich gleich wie­der auf Hat­a­ri gestürzt hat.

    Kurz­um: ich kann mit dem Song nichts anfan­gen und hät­te mir ger­ne Kris­ti­na als Sie­ge­rin gewünscht!

  • @ Chris­ti­an

    Mit Kris­ti­na wäre Island aber erneut im Semi ste­cken­ge­blie­ben. Fiel unter die Kate­go­rie “nett, harm­los”, zudem war der alber­ne ame­ri­ka­ni­sche Akzent extrem unau­then­tisch (gefällt mir auch beim deut­schen Bei­trag nicht). Sor­ry, mit so etwas gewinnt man beim ESC doch kei­nen Blumentopf.

    Hat­a­ri ist die ein­zig kon­se­quen­te Ent­schei­dung – in die­sem Fall lag sogar mal die Jury rich­tig! Wir brau­chen nun­mal sol­che Acts, die polarisieren.

  • @Christian
    Die Fans holen sich auf so man­chen Bei­trag einen run­ter! Nicht zu reden von diver­sen inbrüns­tig geführ­ten Forums-Debatten …

    Des einen Hat­a­ri ist des ande­ren Kei­i­no. Des einen “Tele­mó­veis” ist des ande­ren “Replay”. Nicht zu reden von der Empö­rung über völ­lig unge­rech­ter­wei­se aus­ge­schie­de­ner Meis­ter­wer­ke wie “Wear Your Love”, “En Livredd Mann” oder “Dear Father”.

    So ein klei­nes biss­chen Mas­tur­ba­ti­on hilft sicher auch, die eine oder ande­re Online-Dis­kus­si­on wesent­lich ent­spann­ter zu hal­ten. Also von mir grü­nes Licht. 

    Und nein, ich habe mir gera­de kei­nen run­ter­ge­holt – des­halb ent­schul­di­ge, wenn das etwas aggres­siv wirkt, war nicht böse gemeint.

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