Paban­dom iš nau­jo 2020: The Roop is on Fire

Herr­schaf­ten! Auch, wenn zum jet­zi­gen Zeit­punkt erst ein gutes Sechs­tel der Songs für Rot­ter­dam fest­ste­hen, lege ich mich fest: der Sie­ger­ti­tel des Euro­vi­si­on Song Con­test 2020 ist gefun­den! Und zwar, wer hät­te es für mög­lich gehal­ten, im gest­ri­gen Fina­le des litaui­schen Vor­ent­scheids, der Nacio­nal­inė Euro­vi­zi­jos Atran­ka, wel­che in die­sem Jahr unter dem trot­zig-mut­ma­chen­den Mot­to “Paban­dom iš nau­jo!” (“Ver­su­chen wir’s noch­mal”) stand und sich nicht nur durch ein gestraff­tes Ver­fah­ren aus­zeich­ne­te, son­dern tat­säch­lich mit einem über­ra­schend hoch­klas­si­gen musi­ka­li­schen Ange­bot auf­fiel. Und einem hoch erfreu­li­chen Ergeb­nis: mit einer für den Bal­ti­kums­staat his­to­ri­schen Rekord­zahl an Anru­fen obsieg­te dort ges­tern das Trio The Roop mit ihrem mini­ma­lis­ti­schen Elek­tro­pop­song ‘On Fire’. Noch nicht ein­mal die Jury, deren Pla­zet bei einem Gleich­stand den Vor­rang beses­sen hät­te, mach­te ihnen – wie zunächst weit­hin befürch­tet – einen Strich durch die Rech­nung. Und das ist geil, denn an ‘On Fire’ stimmt ein­fach alles: die simp­le, ein­präg­sa­me Melo­die mit ihrer Anlei­he an den Syn­thie­pop der Acht­zi­ger­jah­re; das ent­spannt-trei­ben­de Elek­tro­bett; die ori­gi­nel­le Stimm­füh­rung; der nicht über­trie­be­ne, aber effek­ti­ve Ein­satz von LED-Wand und Pyro; die sen­sa­tio­nel­le, so läs­sig-iro­ni­sche wie hoch­prä­zi­se Cho­reo­gra­fie sowie das hin­rei­ßen­de Out­fit des hoch­gra­dig cha­ris­ma­ti­schen Front­manns Vai­do­tas Vali­uke­viči­us, bestehend aus einem eng­an­lie­gen­den wei­ßen Roll­kra­gen­pull­over und einem schwar­zen Hosenrock.

12 Punk­te allei­ne für das Augen­brau­en­spiel: Vai­do­tas kriegt mich sofort. Den Gitar­ris­ten Man­t­as Banišaus­kas wür­de ich aber auch nicht von der Bett­kan­te stoßen.

Selbst die pophis­to­risch eigent­lich schon seit Jah­ren streng ver­bo­te­nen “Fire / Desi­re”-Rei­me des bei aller Mit­singbar­keit durch­aus intel­li­gen­ten Lied­tex­tes ent­pupp­ten sich als essen­ti­el­ler Teil des Gesamt­pa­ke­tes. Dar­in neh­men The Roop die Aus­gren­zung älte­rer Men­schen im Unter­hal­tungs­ge­wer­be – durch­aus als Spie­gel der Gesell­schaft – aufs Korn, ohne dabei in irgend­ei­ner Form den Zei­ge­fin­ger zu erhe­ben. Ganz im Gegen­teil: wenn Vai­do­tas “Through the Clouds the­re comes the Sun / And I’m rea­dy for some… Fun” reimt und dazu keck die Augen­braue hebt, haben die Hor­mo­ne Groß­alarm. Auch in den übri­gen Ver­sen spricht ein gro­ßes Selbst­ver­trau­en aus den Zei­len, und das will mir hier mehr als berech­tigt erschei­nen. Eine posi­ti­ve Lebens­ein­stel­lung scheint zu den Grund­fes­ten von Vali­uke­viči­us zu gehö­ren: bereits 2018 begeis­ter­te er mit sei­ner Band im dama­li­gen Vor­ent­scheid mit dem nicht min­der fan­tas­ti­schen, spi­ri­tu­el­len Selbst­ver­ge­wis­se­rungs­man­tra ‘Yes, I do’, einem lied­ge­wor­de­nen Anti­de­pres­si­vum, das eigent­lich welt­weit täg­lich in sämt­li­chen Früh­stücks­ra­dio-Pro­gram­men in Dau­er­schlei­fe lau­fen müss­te und des­sen erneu­tes Anhö­ren an die­ser Stel­le aus­drück­lich emp­foh­len wird. Bit­te, gerne.

Hol­te sich damit selbst aus der Depres­si­on: Vai­do­tos bei der Atran­ka 2018.

Die ursprüng­lich als gefähr­lichs­te Konkurrent:innen gel­ten­den Rück­keh­re­rin­nen Moni­ka Mari­ja und Ais­tė Pil­ve­ly­tė sahen mit ihren doch arg kon­ven­tio­nel­len Bei­trä­gen im Fina­le gegen The Roop plötz­lich sehr alt aus, ledig­lich eine gewis­se Moni­qué konn­te mit ihrer ver­hal­te­nen Elek­tro­bal­la­de ‘Make me Human’ noch nen­nens­wert Stim­men sam­meln und sich – wenn­gleich mit mas­si­vem Abstand – auf dem Sil­ber­po­dest ein­rei­hen. Die inter­es­san­te­ren Songs, sofern sie nicht bereits in den Vor­run­den gefal­len waren, fan­den sich indes in den unte­ren Wer­tungs­rän­gen, bei­spiels­wei­se mit Platz 5 für Rūta Loop und das sphä­ri­sche ‘We came from the Sun’: wenn das stimmt, brau­chen wir uns um die kom­men­den brü­tend hei­ßen Som­mer im Zei­chen der Kli­ma­ka­ta­stro­phe ja kei­ne Sor­gen machen. Oder mit Rang 7 für Mean­di und der gran­di­os lus­ti­gen Come­dy-Num­mer ‘The Drip’, in dem ein FDP-far­ben ange­zo­ge­ner Mann Mode­tipps erteil­te (die Iro­nie!) und die uns musi­ka­lisch für seli­ge drei Minu­ten zurück in die gol­de­nen Zei­ten des Jah­res 1989 ent­führ­te, als der aus dem Acid-House kom­men­de und durch­gän­gig als Rhyth­mus­ele­ment ein­ge­setz­te “Wuuh! Yeah!”-Sound­ef­fekt Omni­prä­senz in den Charts zeig­te. Und so hät­te ich wohl in jedem ande­ren Jahr (also, in jedem ohne The Roop) für ‘The Drip’ mit­ge­fie­bert. Brauch­te ich dies­mal nicht – wie dop­pelt erfreulich!

Ste­ter Trop­fen höhlt den Stein: Meandi.

Vor­ent­scheid LT 2020

Nacio­nal­inė Euro­vi­zi­jos Atran­ka. Sams­tag, 15. Febru­ar 2020, aus der Žal­gi­rio Are­na in Kau­nas, Litau­en. Acht Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Gie­dri­us Masalskis und Gabrielė Martirosianaitė.
#Inter­pre­tenSong­ti­telAnru­feJuryPlatz
01Ais­tė PilvelytėUnbre­aka­ble6.47906204
02Rūta LoopWe came from the Sun1.52807505
03KaY­raAlli­ga­tor1.10904706
04Moni­ka MarijaIf I leave5.43908703
05Mean­diDrip46906307
06The RoopOn Fire34.58512801
07The BacksFul­ly68204208
08Moni­quéMake me Human10.36610102

10 Comments

  • Dan­ke. Das unter­schreib ich genau so. The roop sind wirk­lich fabel­haft und ich seh schon vilnius2021

  • Die Boo­kies füh­ren Litau­en der­zeit auf Platz 6, Ten­denz nach oben. Waren die schon jemals an so einer Posi­ti­on? Ohne den Song zu ken­nen (wie immer hört man im Hau­se F. erst die Songs an, wenn alle fest­ste­hen): Dem Land wür­de ich es wahn­sin­nig gön­nen, das wär schon ein Knal­ler. Beschrei­en soll­te man noch nichts, denn ers­tens ken­nen wir den Song von Hoo­ver­pho­nic noch nicht und zwei­tens sag ich nur Fran­ces­co Gabbani …

  • Von einem Sie­ger­ti­tel möch­te ich – noch? – nicht spre­chen, aber sie müss­ten schon eini­ges ver­gei­gen, um nicht in die Top 10 zu kom­men. Doch war­um soll­ten sie an der Prä­sen­ta­ti­on auch etwas ändern? Zu einem cat­chy Song gesellt sich eine effekt­vol­le Cho­reo­gra­pie. Dabei bei­des kein biss­chen aufgeregt.

  • Ich unter­schrei­be auch mal mit, groß­ar­ti­ger Text, Musik und Cho­reo, plus einem super cha­ris­ma­ti­schem Sänger,
    Kommt hof­fent­lich so 1zu1 nach Rot­ter­dam auf die gro­ße Bühne.
    Letau­en und Litt­land rocken das Jahr bis­her, oder umgekehrt…bin schon ganz verwirrt!

  • Vom Auf­tritt im Fina­le war ich auch ganz fas­zi­niert, im Halb­fi­na­le war das noch etwas blas­ser. Danach habe ich mir vie­le Vide­os von der Grup­pe ange­se­hen und muss sagen, das ist schon beeindruckend.
    Heu­te beim zwei­ten mal Schau­en: Optisch ist das schon eine run­de Sache, wit­zig ohne ins Lächer­li­che zu glei­ten. Auch musi­ka­lisch sehr abwechs­lugs­reich, eben typisch 80er, ein­fach gestrickt aber mit viel Iro­nie, sodass die Ein­fach­heit als Stil­mit­tel erkenn­bar wird. Dann aber kommt lang­sam die Fra­ge, reicht das wirk­lich für einen Sieg? Die letz­ten Jah­ren haben gezeigt, dass die Sie­ger die Zuschau­er vor allem emo­tio­nal getrof­fen haben, die kraft­vol­le poli­ti­sche Aus­sa­ge, oder das ein­fach schö­ne Lied. Das fehlt mir hier aber lei­der dann doch sehr deut­lich. Im Grun­de ist da auto­ma­tisch eine Distanz zwi­schen Künst­ler und Zuschau­er vor­han­den, man schmun­zelt über den Tanz und mag die ein­fa­che Melo­die, das war es dann lei­der auch schon. Das könn­te rei­chen wie bei Mans, da fand man das Gan­ze auch irgend­wie toll aber wenn man ehr­lich war, dann vor allem das Visu­el­le. Also war­ten wir lie­ber noch ab, ob nicht doch noch was kommt, was auch musik­la­isch ins Herz trifft. Wenn nicht, wäre das kein schlech­ter Gewinner.

  • Ach ja, Geschmäcker…
    Für mich ist das ein öder Song, der Gesang des Front­man­nes wirkt dilet­tan­tisch, aber durch spas­ti­sches Gezap­pel ist das selbst­re­dend ein Sieganwärter.
    Ich hof­fe, dass da noch ein Knal­ler kommt, aber wer weiß? Viel­leicht bin ich bis Mai dank der Schön­hör­pha­se plötz­lich auch im The Roop Fieber…

  • Wenn der oli­ver das sagt, dann ist das so. Immer­hin war er damals der ers­te, der sal­va­dor sobral ent­deckt hat.

  • Na ja, so ganz kann ich den Hype ehr­lich gesagt nicht nach­voll­zie­hen. Der Song ist schon auf­fäl­lig, was ja ein gutes Zei­chen ist, aber nach der Hälf­te doch eher nervig.

    Wird wohl Litau­en bes­tes Ergeb­nis wer­den, aber mit so Sie­ges­pro­he­zei­hun­gen bin ich seit Ita­li­en 2017 doch sehr vorsichtig.

  • Ich fin­de den Song und die Prä­sen­ta­ti­on auch sehr gelun­gen. Top 5 ja, aber ein Sie­ger sieht glau­be ich anderst aus.

  • Wenn der Islän­der, der gera­de im Inter­net so gehy­ped wird, sei­ne VE gewinnt, wird es Reykja­vik 2021 hei­ßen, da bin ich mir sicher.

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