Nicht hundertprozentig geklärt ist die Datenlage bezüglich des zweiten jugoslawischen Eurovisionsvorentscheids, der Jugovizija 1962. In Zagreb fand sie statt, so viel weiß man. Mit TV Sarajewo reichte erstmalig auch der bosnische Landessender Beiträge zur der Vorauswahl ein, an welcher außerdem, wie schon im Vorjahr, die Sendeanstalten aus Slowenien, Serbien und Kroatien teilnahmen. Eine aus allen beteiligten Regionen paritätisch besetzte Jury bestimmte den Siegersong ‘Ne pali Svetla u Sumrak’ (‘Lass das Licht aus in der Dämmerung’) von Lola Novaković: eine verträumte kleine Ballade, in welcher die 2016 verstorbene, in den Sechzigern auf dem Balkan sehr erfolgreiche serbische Sängerin und Schauspielerin über die nachkoitalen Zigaretten sinniert, die sie und ihr Gespons zum Abschluss eines gemächlichen Tages gemeinsam im Dämmerlicht des ausklingenden Abends genießen, bevor der süße Schlaf sie beide übermannt. Eine ziemlich riskante Praxis im Übrigen, nicht nur wegen des Lungenkrebsrisikos, sondern – wie ich mich als Sohn eines Feuerwehrmannes verpflichtet fühle, anzumerken – aufgrund der Gefahr einer Feuersbrunst: der tragische Tod der schwedischen Grand-Prix-Kollegin Monica Zetterlund, die 2005 in Folge eines durch einen Gute-Nacht-Glimmstengel ausgelösten Zimmerbrandes in ihrem eigenen Bett verkohlte, sollte Warnung genug sein!
https://youtu.be/7uM5bJB126A
Wirkt schon ein wenig benebelt: die Schlafzigaretten-Raucherin Lola.
Beim Hauptwettbewerb in Luxemburg konnte Frau Novaković, die im Laufe ihrer Karriere um die 50 Titel veröffentlichte, damit dennoch einen respektablen vierten Platz erringen. Anfang der Sechzigerjahre galt Rauchen halt noch nicht als verpönt. Ohnehin dürften die meisten europäischen Juror:innen mangels einschlägiger Sprachkenntnisse keinen blauen Dunst gehabt haben, was die Gute da sang. Die Silber- oder Bronzemedaille – meine diesbezüglichen Quellen, die National Finals Homepage und Wikipedia, sind sich (nicht nur) bei der Platzierung uneins – bei der Jugovizija ging an die 2006 verstorbene slowenische Jazz- und Folksängerin Majda Sepe und ihr dezent orientalisch anmutendes Klagelied über die alttestamentarische Figur ‘Sulamit’, die auch in der Todesfuge, der lyrischen Auseinandersetzung des Dichters Paul Celan mit dem Holocaust, eine zentrale Rolle einnimmt. Zu den weiteren etablierten Teilnehmer:innen des Vorentscheids gehörten der aus dem Musikantenstadl bekannte Ivo Robić, der ebenso bereits schon 1961 dabei war wie die Kolleginnen Gabi Novak und Anica Zubović; der 2008 verstorbene kroatische Sänger, Politiker und zweifache ESC-Vertreter Vice Vukov sowie sein bosnischer Kollege Sabahudin Kurt.
Klingt mehr nach Türkvizyon statt Jugoton: Madja Sepes Beitrag ‘Sulamit’ (zweiter Titel der sieben Songs umfassenden Audioplaylist).
Uneins sind sich meine Quellen auch bei der Gesamtanzahl der Teilnehmer:innen an der Jugovizija 1962: die britische Wikipedia, von der ich die untenstehende Tabelle übernommen habe, listet deren zwölf, die National Finals Homepage (NFH) geht von 18 Partizipant:innen aus, die sie allerdings nicht alle benennen kann. Die Verantwortung für die Diskrepanz trägt das gastgebende TV Zagreb: der kroatische Landessender hatte nämlich, soviel ist unumstritten, bereits im Dezember 1961 eine eigene Vorrunde abgehalten. Wie viele Lieder man von dort aus ins Finale delegierte, darüber gehen die Meinungen auseinander: NFH glaubt, dass es sechs waren, Wikipedia listet dagegen nur drei. Meine Vermutung ist, dass das Online-Lexikon Recht hat und es sich bei den von NFH als weitere Jugovizija-Beiträge genannten Songs ‘Ti si moj zavičaj’ der im Lande hauptsächlich mit Coverversionen internationaler Hits erfolgreichen Schlagersängerin Zdenka Vučković, ‘K´o crne ruže cvijet’ von Ljiljana Petrović und ‘Negdje’ der Gruppe Melos um die ausgeschiedenen Vorrundenlieder handelt. Die für eine Jugovizija ungewöhnlich hohe Zahl von 18 Starter:innen könnte sich somit aus der (fehlerhaften) Addition der zwölf Finalist:innen und sechs Vorrundenteilnehmer:innen ergeben. Allerdings beruhen die Angaben von Wikipedia auf mittlerweile wieder gelöschten Online-Archiven nicht mehr existenter jugoslawischer Fanclubs. Eine Garantie gibt’s hierfür also nicht.
Die Schlagerelfe Zdenka Vučković mit ihrem Vorrundentitel ‘Ti si moj Zavičaj (Du bist mein Zuhause)’. Klingt erfrischend niedlich, wie alle ihre Songs.
Vorentscheid YU 1962
Jugovizija. Freitag, 23. Februar 1962, aus dem Fernsehstudio von TV Zagreb (heutiges Kroatien). Elf Teilnehmer:innen. Moderation: Mladen Delić. Acht regionale Jurys.Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
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Anica Zubović | Istinita priča | 01 | 09 |
Boško Orlović | Neka zvoni Pjesma | 02 | 06 |
Gabi Novak | Volim kišu | 07 | 05 |
Ivo Robić | Alija | 18 | 02 |
Jelka Cvetezar | Na planincah | 02 | 06 |
Lola Novaković | Ne pali Svetla u Sumrak | 19 | 01 |
Lola Novaković | Noć nad gradom | 13 | 04 |
Majda Sepe | Sulamit | 15 | 03 |
Marjana Deržaj | Popevka za nas | 01 | 09 |
Sabahudin Kurt | Volimo se | 00 | 11 |
Vice Vukov | Dolazak | 02 | 06 |
Zvonko Živanović | Rok o roku | 00 | 11 |
Letzte Aktualisierung: 03.03.2021