Melo­di­fes­ti­valen 1963: von Bie­nen und Blumen

Es gibt ihn wohl über­all, den Typus des unver­dros­se­nen Vor­ent­schei­dungs­teil­neh­mers, der es sto­isch immer und immer wie­der aufs Neue pro­biert, das Ticket fürs inter­na­tio­na­le Fina­le zu ersin­gen. Bern­hard Brink mit sei­nen sechs Ver­su­chen beim deut­schen Vor­ent­scheid ist ein klas­si­sches Bei­spiel hier­für. Kaum jemand leg­te dabei indes eine der­ar­ti­ge Pene­tranz an den Tag wie Brinks schwe­di­sche Schla­ger­kol­le­gin Ann-Loui­se Han­son, die mit ins­ge­samt 13 stets erfolg­lo­sen Bewer­bun­gen beim Melo­di­fes­ti­valen plus einer eben­so fol­gen­lo­sen Teil­nah­me am deut­schen Vor­ent­scheid 1962 den Rekord hält. Zuletzt ward sie im Jah­re 2004 im Mel­lo-Fina­le gese­hen. Ihr Debüt gab sie 1963 mit dem kin­der­lied­haf­ten ‘Zum zum zum, lil­la Sommar­bi’, einem pos­sier­li­chen klei­nen Cha-Cha-Cha, der das typi­sche Geräusch the­ma­ti­sier­te, wel­ches die pol­len­sam­meln­den Insek­ten beim Flü­gel­schla­gen erzeu­gen, und wel­cher uns heut­zu­ta­ge auf nost­al­gi­sche Wei­se unschul­dig anmu­tet, wo doch die Mensch­heit dank der Pro­fit­gier der Che­mie­kon­zer­ne, deren von Bau­ern welt­weit mas­sen­haft ein­ge­setz­te Schäd­lings­be­kämp­fungs­mit­tel sehr effek­tiv auch die Bestän­de der klei­nen Honig­pro­du­zen­ten dezi­mie­ren und gemein­sam mit der land­wirt­schafts­be­dingt dras­tisch zurück­ge­hen­den Viel­falt an Wild­blu­men, die als Nah­rungs­quel­le für die flei­ßi­gen Bestäu­ber die­nen, zu einem mas­si­ven Bie­nen­ster­ben und somit in der Fol­ge zu dra­ma­ti­schen Ern­te­aus­fäl­len füh­ren, mit­tel­fris­tig vor dem per­spek­ti­vi­schen Hun­ger­tod steht.

Summ, summ, klei­ne Som­mer­bie­ne, wenn Du nicht gera­de an den Auto­ab­ga­sen erstickst: Ann-Loui­se Hanson.

Frau Han­son muss­te sich hier unter­des­sen den kol­lek­ti­ven vier­ten Platz mit zahl­rei­chen ande­ren Teilnehmer:innen tei­len, denn in die­sem Jahr hat­te das schwe­di­sche Fern­se­hen das Wer­tungs­ver­fah­ren geän­dert und gab nur die Medail­len­rän­ge bekannt. Wie üblich, wur­den die Wett­be­werbs­songs jeweils in zwei ver­schie­de­nen Ver­sio­nen, ein­mal mit gro­ßem und ein­mal mit klei­nem Orches­ter, vor­ge­stellt. Im Ver­gleich zum Vor­jahr hat­te sich die Anzahl der aus­ge­wähl­ten Bei­trä­ge für die Euro­vi­si­ons­schla­gern – Svens­ka Final beti­tel­te Show ver­dop­pelt, zumal der Sen­der dies­mal auch erfolg­rei­che Kom­po­nis­ten gezielt ange­schrie­ben und um wei­te­re Lied­vor­schlä­ge neben den übli­chen frei­en Bewer­bun­gen gebe­ten hat­te. Schla­ger im klas­si­schen deut­schen Sin­ne, also schmis­sig-ein­gän­gi­ge Melo­dien im Humpt­ata­sound, such­te man unter den zwölf für das Fina­le selek­tier­ten Titeln aller­dings ver­geb­lich: der Schnell­durch­lauf offen­bart viel­mehr eine Ansamm­lung von ent­kof­fe­inier­ten, teils dezent jaz­zi­gen Swing- und Big-Band-Dar­bie­tun­gen: nichts Auf­re­gen­des, nichts Anre­gen­des, nichts Anstö­ßi­ges. Mit ande­ren Wor­ten: genau die Art von geschmack­voll-bür­ger­li­cher, leicht lang­wei­li­ger Abend­un­ter­hal­tung, wel­che den TV-Ver­ant­wort­li­chen die­ser Tage für ihr schutz­be­foh­le­nes Publi­kum so vor­schweb­te. Dar­an änder­ten auch viel­ver­spre­chen­de Song­ti­tel wie ‘Vårens Flick­pa­rad’ (‘Früh­lings­mäd­chen­pa­ra­de’), die ‘Stor­sta­ds­me­lo­di’ (‘Groß­stadt­me­lo­die’) oder der ‘Hong-Kong-Sång’ nichts, die sich alle­samt als seich­te Harm­lo­se­rei­en ent­pupp­ten. ‘Jag är så trött på allt det här’ (‘Ich bin das alles hier so leid’), seufz­te da nicht nur die mehr­fa­che Mel­lo-Teil­neh­me­rin Mona Grain. Zwölf Juro­ren, alle­samt Män­ner, bestimm­ten schließ­lich den Sie­ger­ti­tel: von einer ernst­haf­ten Gleich­be­rech­ti­gung der Geschlech­ter war auch das fort­schritt­lich skan­di­na­vi­sche Land sei­ner­zeit noch weit entfernt.

2015 erwies San­na Niel­sen beim Melo­di­fes­ti­valen dem Null-Punk­te-Lied von 1963 ihre Reverenz.

En gång i Stock­holm’, so der Titel des letzt­lich aus­ge­wähl­ten Euro­vi­si­ons­bei­trags, ent­zweit bis heu­te die Gemü­ter. Eine aus­ge­spro­chen ele­gant schwe­ben­de, melan­cho­li­sche Bal­la­de mit einem so fili­gra­nen wie viel­sei­tig inter­pre­tier­ba­ren Text, von der schwe­di­schen Jazz-Legen­de Moni­ca Zet­ter­lund mit gera­de­zu atem­be­rau­ben­der Nobles­se inter­pre­tiert, erfüllt sie die Her­zen vie­ler Sveriger:innen bis heu­te mit Stolz und gilt etli­chen inter­na­tio­na­len Fans nach wie vor als eines der bes­ten skan­di­na­vi­schen Grand-Prix-Lie­der aller Zei­ten. Obschon Frau Zet­ter­lund als ers­te – und bis dato ein­zi­ge – Schwe­din mit völ­lig lee­ren Hän­den aus Lon­don zurück­kehr­te. Den inter­na­tio­na­len Juro­ren ging es da wohl ähn­lich wie mir: bei allem vor­han­de­nen Respekt für die Qua­li­tät des Lie­des und die Anmut des Vor­trags schla­fen mir beim Anhö­ren der tra­ni­gen Melo­die nicht nur die Füße, son­dern gleich alle Glied­ma­ßen ein. Es kann auch so etwas wie zu viel Zurück­hal­tung geben! Dabei ver­fügt die Num­mer über Poten­ti­al: zwei­stim­mig gesun­gen wie im vir­tu­el­len Duett der Ori­gi­nal­in­ter­pre­tin mit der Sire­nen­quet­sche San­na Niel­sen im Rah­men­pro­gramm des Melo­di­fes­ti­valen 2015, schmei­chelt sich mir der musi­ka­li­sche Segel­törn durch den Hafen der Haupt­stadt schon eher ins Ohr. Mit andert­halb­fa­cher Geschwin­dig­keit abge­spielt geht es eben­falls. Viel­leicht soll­te mal jemand einen Dance-Remix dar­aus machen! Der Kar­rie­re von Moni­ca Zet­ter­lund taten die Nul Points jeden­falls kei­nen Abbruch: bis 1999, als sie sich auf­grund einer fort­schrei­ten­den Sko­lio­se aus der Öffent­lich­keit zurück­zog, fei­er­te sie mit zahl­rei­chen Jazz- und Pop-Alben Erfol­ge im Hei­mat­land. 2005 kam sie auf tra­gi­sche Wei­se ums Leben: sie starb bei einem Brand in ihrer Stock­hol­mer Woh­nung, den sie ver­mut­lich selbst aus­ge­löst hat­te, weil sie ger­ne im Bett rauchte.

Wir star­ten das Schla­ger­ka­rus­sell: alle 24 Bei­trä­ge des MF 1963 im Schnelldurchlauf.

Vor­ent­scheid SE 1963

Melo­di­fes­ti­valen. Sams­tag, 16. Febru­ar 1963, aus dem Cir­kus in Stock­holm. 14 Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Sven Lindahl.
#Interpret/inInterpret/inTitelPlatz
01Lars Lönn­dahlGun­nar WiklundVårens Flick­pa­rad-
02Char­lie Nor­man, Roffe 
Berg + Has­se Burman
Gerd Söder­bergHong-Kong-Sång-
03Anna-Lena Löf­grenAnn-Lui­se HansonSäg var­för-
04Gerd Söder­bergChar­lie Nor­man, Roffe 
Berg + Has­se Burman
Stor­sta­ds­me­lo­di2
05Per + Ulf LindkvistLily Berg­lundRosen och Vinden-
06Moni­ca ZetterlundCar­li TornehaveEn Gång i Stockholm1
07Lily Berg­lundMona GrainSe’n Igår är vi Kära-
08Tom­my JacobssonBer­til EnglundFrö­ken Eko-
09Gun­nar WiklundTom­my JacobssonSche­he­ra­za­de-
10Mona GrainAnn-Cath­ri­ne WidlundJag är så trött på allt det här-
11Ann-Loui­se HansonPer + Ulf LindkvistZum zum zum lil­la Sommarbi-
12Car­li TornehaveLars Lönn­dahlTwist till Menuett3

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