Im Vorjahr beim britischen Vorentscheid erstmalig zum Einsatz gekommen, erwies sich das Kombinationsverfahren aus interner Interpretennominierung und öffentlicher Vorentscheidung zur Auswahl des Songs als ausgesprochen erfolgreich. Natürlich behielt die BBC es dementsprechend bei. Nachdem fünf Mal in Folge Männer die Insel beim Eurovision Song Contest vertraten, war es 1965 nach Ansicht der Senderverantwortlichen an der Zeit für eine weibliche Repräsentantin. Und so entscheid man sich für einen der größten heimischen Stars dieser Zeit, nämlich die als Kathleen O’Rourke geborene Kathy Kirby, die mit dem Doris-Day-Titel ‘Secret Love’ einen großen Hit auf der Insel hatte und welche die Presse vom Äußerlichen her gerne sowohl mit nämlicher amerikanischen Schauspiel-Ikone als auch mit Marylin Monroe verglich. Nur, dass Kathy über ein deutlich größeres stimmliches Talent verfügte als die beiden US-Grazien. In einem voraufgezeichneten Finale sang sie sechs Lieder, aus welchen das Publikum per Postkartenentscheid mehrheitlich das kraftvoll dahingeschmetterte, wenngleich mit einem ausgesprochen spärlichen Refrain aufwartende ‘I belong’ heraussuchte. Die Interpretin selbst bevorzugte dem Vernehmen nach die Ballade ‘I’ll try not to cry’, die jedoch den Sieg um gute 14.000 Zuschriften verfehlte.
https://www.youtube.com/watch?v=uUiAaCtFBho&list=PL6tlaAOHN9P–PtGtEUXzzROxRCG-IPvI
Kathys Vorentscheidungsbeiträge als Audio-Playlist.
Ungeachtet des zweiten Platzes beim internationalen Wettbewerb in Neapel sollte ‘I belong’ den Wendepunkt in Kathys Karriere markieren, der im Anschluss trotz eines hoch dotierten Plattenvertrags kein weiterer Hit mehr gelingen sollte. Ihr turbulentes Privatleben ließ sie zu einer tragischen Kult-Figur werden: ihr Entdecker, Liebhaber und Manager Bert Ambrose, mit dem sie bis zu dessen Tod im Jahre 1971 zusammen blieb, zählte über 40 Lenze mehr als sie – und war verheiratet. Zum Ausgleich unterhielt Kirby eine Affäre mit dem Schauspieler Bruce Forsyth, was nach ihrer eigenen Darstellung dazu führte, dass Ambrose, der fürchtete, von ihr verlassen zu werden, Kathy nach dem Ende ihrer Musikkarriere noch zuteil werdende Schauspiel-Angebote verheimlichte. 1975 musste die auf dem Höhepunkt ihrer Karriere Millionen verdienende Sängerin Bankrott anmelden und lebte streckenweise auf der Straße. 1979 wies man die unter diagnostizierter Schizophrenie leidende Kirby vorübergehend in eine Psychiatrie ein. Dort erhielt sie Besuch von einer lesbischen Anbeterin, zu der sie nach ihrer Entlassung auch zeitweilig zog und welche sie gar heiraten wollte, bevor die Behörden die Frau wegen Betrugs einbuchteten. Später lebte Kirby zurückgezogen und von staatlicher Unterstützung in London. Ihre bewegte Biografie diente 2008 als Vorlage für eine Bühnenshow. Sie starb 2011 im Alter von 72 Jahren, kurz nachdem ihre Nichte, Sarah Thatcher (jawohl, verwandt mit der Eisernen Lady) sie in einem Altenheim für Menschen aus dem Unterhaltungsgeschäft, dem Brinsworth House, unterbringen ließ, wo in ihren letzten Lebensjahren auch Kirbys Eurovisionskollegen Pearl Carr und Teddy Johnson residierten.
Hier im aufgepeppten Studio-Remix: Kathys Eurovisionsbeitrag.
Vorentscheid UK 1965
A Song for Europe. Freitag, 29. Januar 1965, aus dem TV-Studio der BBC in London. Eine Teilnehmerin (Songentscheid). Moderation: David Jacobs. Postkartenvoting.# | Interpretin | Titel | Karten | Platz |
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01 | Kathy Kirby | I won’t let you go | n.b. | 05 |
02 | Kathy Kirby | My only Love | 61.993 | 03 |
03 | Kathy Kirby | I’ll try not to cry | 96.252 | 02 |
04 | Kathy Kirby | Sometimes | n.b. | 06 |
05 | Kathy Kirby | I belong | 110.945 | 01 |
06 | Kathy Kirby | One Day | n.b. | 04 |
Letzte Aktualisierung: 11.10.2020